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37. Nacht

Eine Stunde vor Tage, erzählte Scheherasade
folgendermaßen weiter, was sich zwischen den Frauen und Kalendern begab.

„Nachdem die Kalender zur Genüge
gegessen und getrunken hatten, bezeugten sie den Frauen, dass sie sich ein
großes Vergnügen daraus machen würden, ihnen ein kleines Konzert zu geben,
wenn sie Instrumente bei der Hand hätten und sie ihnen wollten bringen lassen.
Jene nahmen dieses Erbieten mit Freuden an.

Die schöne Safie stand auf, um die
Instrumente zu holen; und sie kam bald darauf wieder, und brachte ein Flöte des
Landes, eine Persische Flöte und ein Tamburin. Jeder der drei Kalender empfing
aus ihrer Hand das Instrument, das er wählte; und sie fingen alle drei an, eine
Weise zu spielen. Die Frauen wussten die Worte zu dieser Weise, welche eine der
fröhlichsten war, und begleiteten sie mit ihren Stimmen; aber sie unterbrachen
sich von Zeit zu Zeit durch lautes Lachen, welches ihnen die Worte erregten.

In der höchsten Lust dieser Unterhaltung
klopfe es an die Türe. Safie hörte auf zu singen, und ging hin, zu sehen, was
es wäre.

„Aber, Herr,“ sagte Scheherasade
bei dieser Stelle zum Sultan, „es ist nötig, dass euer Majestät wisse,
warum man so spät noch an die Türe der Frauen klopfte; hört die Ursache
davon:

Der Kalif Harun Arreschyd hatte die
Gewohnheit, oft des Nachts verkleidet umher zu wandern, um sich selber zu
überzeugen, ob alles in der Stadt ruhig wäre und keine Unordnung vorging.

Diese Nacht nun war der Kalif zeitig
ausgegangen, begleitet von Giafar1),
seinem Großwesir, und von Mesrur, dem Oberhaupt der Verschnittenen seines
Palastes, alle drei als Kaufleute verkleidet. Indem sie durch die Straße der
drei Frauen kamen und dieser Fürst den Ton der Instrumente und Stimmen und
dazwischen die Ausbrüche des Lachens hörte, sagte er zu dem Wesir: „Geh
und klopf‘ an die Türe dieses Hauses, wo man so viel Lärm macht; ich will
hineingehen und die Ursache davon wissen.“

Der Wesir stellte ihm zwar vor, dass es
Frauen wären, die sich diesen Abend lustig machten; dass der Wein vermutlich
ihre Köpfe erhitzt hätte, und er sich nicht aussetzen sollte, von ihnen
beschimpft zu werden; dass es noch nicht zur ungebührlichen Stunde wäre, und
man ihre Lustbarkeit nicht stören dürfte; der Kalif aber erwiderte: „Es
tut nichts; klopfe, ich befehle es dir.“

Es war also der Großwesir Giafar, der an die
Tür der Frauen klopfte, auf den Befehl des Kalifen, der unbekannt bleiben
wollte. Safie öffnete; und der Wesir bemerkte bei dem Schein einer Kerze,
welche sie trug, dass es eine Frau von großer Schönheit wäre, und spielte
seine Rolle vollkommen gut. Er machte ihr eine tiefe Verbeugung, und sagte auf
ehrerbietige Weise zu ihr: „Gnädige Frau, wir sind drei Kaufleute aus
Mussul2), vor
etwas zehn Tagen mit reichen Waren hier angekommen sind, welche wir in einen Han3)
niedergelegt, wo wir unsere Herberge haben. Wir waren heute bei einem Kaufmann
in dieser Stadt, der uns zu einem Besuch eingeladen hatte. Er bewirtete uns mit
einem Mahl, und als der Wein uns in gute Laune versetzt hatte, ließ er eine
Truppe von Tänzerinnen kommen. Es war schon Nacht; und während auf allerlei
Instrumenten gespielt und getanzt wurde, und die Gesellschaft großen Lärm
machte, kam die Wache vorbei und ließ sich öffnen. Einige von der Gesellschaft
sind in Verhaft genommen; was uns betrifft, wir sind glücklich genug gewesen,
über eine Mauer zu entfliehen: aber,“ fügte der Wesir hinzu, „weil
wir Fremde sind, und ein wenig vom Wein übernommen, so fürchten wir einer
andern Schar der Wache oder nochmals derselben, zu begegnen, bevor wir unsern
Han erreichen; deshalb, gnädige Frau, als wir im Vorbeigehen hier Instrumente
und Stimmen hörten, und daraus schlossen, dass man bei euch noch nicht zur Ruhe
gegangen wäre, so haben wir uns die Freiheit genommen, anzuklopfen, um euch zu
bitten, uns bis zum Tag eine Zuflucht zu gewähren. Wenn wir euch würdig
scheinen, an eurer Unterhaltung Teil zu nehmen, so werden wir uns bemühen,
soviel uns möglich dazu beizutragen, um die Unterbrechung derselben, die wir
verursacht haben, wieder gut zu machen; wo nicht, so erzeigt uns wenigstens die
Gnade, dass wir die Nacht unter Obdach in eurer Vorhalle zubringen.“

Während dieser Anrede Giafars, hatte die
schöne Safie Zeit, den Wesir und seine beiden Gefährten, die sich mit ihm für
Kaufleute ausgaben, genauer zu betrachten; und als sie an ihrem Aussehen
erkannte, dass sie nicht gemeine Leute wären, sagte sie zu ihnen, dass sie
nicht die Herrin des Hauses wäre, wenn sie sich aber einen Augenblick gedulden
wollten, sie ihnen Antwort bringen würde.

Safie ging hin, und berichtete es ihren
Schwestern, welche einige Zeit schwankten, wozu sie sich entschließen sollten;
sie waren aber von Natur wohltätig, und hatten dieselbe Gnade schon den drei
Kalendern erwiesen: also beschlossen sie, auch die Kaufleute eintreten zu lassen
…“

Scheherasade war im Begriff, ihre Erzählung
fortzusetzen, aber indem bemerkte sie, dass es schon Tag war, und brach ab.

Der Rang der neuen Personen, welche die
Sultanin auftreten ließ, reizte die Neugier des Sultans, und ließ ihn in der
Erwartung irgend eines sonderbaren Ereignisses, so dass er mit Ungeduld die
folgende Nacht erwartete.


1)
Giafar, vom Geschlecht der Barmekyden. Harun gab ihm seine Schwester Abassa zur
Gemahlin, unter der Bedingung, nicht die Freuden der Liebe zu genießen. Dieser
Befehl wurde bald vergessen, und beide hatten einen Sohn, den sie heimlich nach
Mekka sandten und dort erziehen ließen. Als der Kalif dies erfuhr, verlor
Giafar die Gunst seines Herrn, und bald darauf das Leben, und Abassa wurde aus
dem Palast gejagt und geriet ins tiefste Elend. – Mesrur bedeutet: der Erfreute:
von Sarra.
2)
Mussul, die seit dem Mittelalter an die Stelle von Ninive getretene Stadt, von
welcher wohl der Musselin seinen Namen hat, wie der Damast von Damaskus.
3)
Han, so viel als Karawansera