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363. Nacht

Durchdrungen von der Größe dieser Wohltat, warf ich mich
dem Mädchen zu Füßen, und nachdem ich den Saum ihres Gewandes geküsst hatte,
sagte ich zu ihr:

„Meine teure Befreierin, ich fühle so tief das
übermaß eurer beispiellosen Güte gegen einen Unbekannten, wie ich bin, dass
ich euch bitte, mir selber zu sagen, was ich für euch tun kann, um euch meine
Dankbarkeit dafür auf eine würdige Weise an den Tag zu legen, oder vielmehr
schaltet und verfügt über mich, wie über einen Sklaven, der euch mit vollem
Recht angehört. Ich gehöre nicht mehr mir an, sondern euch. Damit ihr
denjenigen näher kennen lernt, den ihr euch zum Eigentum erworben, so will ich
euch meine Geschichte mit kurzen Worten erzählen.“

Hierauf sagte ich ihr, wer ich wäre, und erzählte ihr
sodann von meiner Vermählung mit Amine, von meiner Gefälligkeit und Geduld,
womit ich ihre Launen ertragen, ferner von ihrem seltsamen Benehmen, und von der
unwürdigen Art und Weise, womit sie mich aus einer unbegreiflichen Bosheit
misshandelt habe, und ich schloss zuletzt mit einer Danksagung an die Mutter,
für das unaussprechliche Glück, das sie mir soeben verschafft habe.

„Sidi Numan,“ sagte die Tochter zu mir,
„lass uns nicht weiter von der Verbindlichkeit sprechen, die du mir
schuldig zu sein meinst. Das bloße Bewusstsein, einem wackeren Mann, wie du
bist, Vergnügen gemacht zu haben, vertritt bei mir die Stelle jedes Dankes.
Lass uns lieber von deiner Frau Amine reden. Ich habe sie noch vor deiner Heirat
gekannt, und so wie ich wusste, dass sie eine Zauberin sei, so war auch ihr
nicht unbekannt, dass ich etwas von dieser Kunst verstehe, da wir bei einer und
derselben Lehrerin Unterricht darin gehabt hatten. Wir trafen uns oft im Bad.
Doch da unsere Gemüter nicht miteinander stimmten, so vermied ich sorgfältig
jede Gelegenheit, mit ihr irgend in Verbindung zu kommen, was mir umso leichter
gelang, da sie auch ihrerseits aus demselben Grund jeden Verkehr mit mir zu
vermeiden suchte. Ich wundere mich also gar nicht über ihre Bosheit. Um
indessen wieder auf dich zu kommen, so ist das, was ich jetzt eben für dich
getan, keineswegs schon genug. Ich will, das ich angefangen habe, auch
vollenden. Es ist in der Tat noch nicht genug, dass ich den Zauber, wodurch du
so boshafter Weise von aller menschlichen Gemeinschaft ausgeschlossen worden
warst, gelöst habe, du musst sie jetzt auch noch, wie sich es gebührt,
bestrafen, indem du in dein Haus zurückkehrst, und darin das Ansehen, welches
dir zukommt, wieder geltend machst, wozu ich dir die Mittel und Wege an die Hand
geben will. Unterhalte dich jetzt einen Augenblick mit meiner Mutter, ich komme
sogleich wieder.“

Meine Befreierin ging jetzt in ein kleines Nebengemach,
und während sie darin verweilte, hatte ich nochmals Gelegenheit, der Mutter an
den Tag zu legen, wie sehr ich ihr und der Tochter zu Dank verpflichtet sei.

„Meine Tochter,“ sagte sie zu mir, „ist,
wie du siehst, in der Zauberkunst nicht minder erfahren als Amine, aber sie
macht einen so guten Gebrauch davon, dass du dich wundern würdest, wenn du
wüsstest, wie viel Gutes sie vermöge dieser ihrer Wissenschaft schon getan hat
und noch täglich tut. Darum habe ich sie von jeher immer machen lassen, und so
auch jetzt noch. Wenn ich wahrnehme, dass sie ihre Kenntnis im mindesten
missbrauchte, so würde ich es nicht dulden.“

Die Mutter hatte eben angefangen, mir einige dieser
wunderbaren Begebenheiten, bei denen sie selber Augenzeuge gewesen, zu
erzählen, als die Tochter mit einer kleinen Flasche in der Hand wieder
herein trat.

„Sidi Numan,“ sagte sie zu mir, „meine
Bücher, die ich soeben nachgeschlagen, sagen mir, dass Amine in diesem
Augenblick nicht bei dir zu Hause ist, aber dass sie unverzüglich nach Hause
zurückkehren wird. Sie sagen mir ferner, dass die Treulose sich vor deinen
Dienern so stellt, als wäre sie über deine Abwesenheit in großer Unruhe, und
dass sie dieselben überredet hat, dir sei beim Mittagessen irgend ein Geschäft
eingefallen, welches dich genötigt habe, unverzüglich auszugehen, beim
Weggehen habest du die Tür offen gelassen, darauf sein ein Hund hereingekommen
und bis in den Saal gelaufen, wo sie gegessen, den sie mit Stockschlägen habe
wegjagen müssen. Kehre also, ohne Zeit zu verlieren, mit diesem kleinen
Fläschchen, welches ich dir hiermit übergebe, in dein Haus zurück. Wenn man
dir die Tür geöffnet haben wird, so warte in deinem Zimmer so lange, bis Amine
zurückkommt. Sie wird nicht lange ausbleiben. Sobald sie kommt, so gehe bis in
den Hof hinunter ihr entgegen, und stelle dich ihr Stirn gegen Stirn gegenüber.
In der Bestürzung, dich so unerwartet wieder zu sehen, wird sie dir den Rücken
zuwenden, um die Flucht zu ergreifen. Spritze du dann etwas von dem Wasser aus
diesem Fläschchen, das du in Bereitschaft halten musst, auf sie hin, und sage
dabei ganz dreist folgende Worte:

„Empfange hiermit die Strafe für deine
Bosheit!“

Weiter sage ich dir nichts. Die Wirkung wirst du schon
sehen.“

Nach diesen mir unvergesslichen Worten meiner
Wohltäterin, nahm ich, da nichts mehr mich hinderte, von ihr und ihrer Mutter
Abschied, mit den Ausdrücken der vollkommensten Dankbarkeit, und mit der
aufrichtigen Versicherung, dass ich ewiger ihnen schuldigen Verpflichtung
eingedenk sein würde und kehrte sodann nach Hause zurück.

Alles ging so, wie die junge Zauberin mir es vorausgesagt
hatte. Amine blieb nicht lange aus. Als sie sich näherte, trat ich ihr mit dem
Wasser in der Hand entgegen, um sie damit zu bespritzen. Sie tat einen lauten
Schrei, und als sie sich umdrehte, um die Tür wieder zu erreichen, bespritzte
ich sie mit dem Wasser, und sprach die Worte, welche die Zauberin mich gelehrt
hatte. Sie wurde sogleich in eine Stute verwandelt, und zwar in dieselbe, welche
Euer Majestät gestern sah.

Augenblicklich und noch mitten in der überraschung, in
der sie sich befand, fasste ich sie bei den Kammhaaren, zog sie ungeachtet ihres
Sträubens in meinen Stall, warf ihr einen Halfter über, und nachdem ich sie
unter den härtesten Vorwürfen über ihr Verbrechen und ihre Bosheit
angebunden, züchtigte ich sie mit Peitschenhieben so lange, bis ich vor
Müdigkeit nicht mehr konnte, doch behielt ich mir für jeden der folgenden Tage
eine ähnliche Züchtigung an ihr zu vollziehen vor.

Beherrscher der Gläubigen,“ fuhr Sidi Numan fort,
indem er seine Erzählung schloss, „ich wage zu hoffen, dass Euer Majestät
mein Betragen nicht missbilligen, sondern finden wird, dass eine so bösartige
und so gefährliche Frau mit mehr Nachsicht behandelt worden ist, als sie
verdiente.“