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361. Nacht

Voll von dem Gedanken an eine so unmenschliche und
abscheuliche Handlung wie die war, von welcher ich so eben Augenzeuge gewesen,
und zugleich voll Widerwillen, in der Nähe derjenigen zu liegen, welche diese
Handlung begangen hatte, dauerte es sehr lange, ehe ich einschlafen konnte.
Endlich schlief ich doch ein, aber nur so leicht, dass die erste Stimme, die
sich hören ließ, um zum öffentlichen Gebet bei Tagesanbruch zu rufen, mich
aufweckte. Ich kleidete mich an, und begab mich in die Moschee.

Nach dem Gebet ging ich aus der Stadt hinaus, und brachte
den Morgen mit Spaziergängen in den Gärten und mit Betrachtungen zu, welchen
Entschluss ich wohl fassen solle, um meine Frau zu einer änderung ihrer
Lebensweise zu vermögen. Ich verschmähte alle gewaltsamen Wege, die sich
meinem Geist darboten, und entschloss mich, bloß gelinde Mittel anzuwenden, um
sie von ihrer unglücklichen Neigung abzuziehen. Unter diesen Betrachtungen war
ich unbemerkt bis an meine Wohnung gelangt, in die ich gerade um die
Mittagsstunde wieder eintrat.

Sobald Amine mich erblickte, ließ sie das Essen
auftragen, und wir setzten uns zu Tisch. Da ich sah, dass sie noch immer dabei
blieb, den Reis Körnchen weise zu essen, so sagte ich zu ihr mit aller nur
möglichen Mäßigung: „Amine, du weißt, wie sehr ich Ursache hatte, den
Tag nach unserer Hochzeit mich darüber zu wundern, als ich sah, dass du bloß
von dem Reis aßest, und zwar so wenig und auf eine solche Art und Weise, dass
jeder andere Ehemann sich dadurch beleidigt gefühlt hätte. Du weißt ferner,
dass ich mich begnügte, dir den Verdruss anzudeuten, den ich darüber empfand,
und dich bloß bat, doch auch von den übrigen Fleischspeisen zu essen, die uns
vorgesetzt, und die auf die verschiedenartigste Weise zubereitet werden, um wo
möglich deinem Geschmack zu behagen. Seit jener Zeit hast du unsere Tafel immer
auf dieselbe Weise besetzt gesehen, bloß mit einigen Abwechslungen in den
Speisen, damit wir nicht immer dasselbe essen dürfen. Meine Erinnerungen sind
indessen fruchtlos geblieben, und bis auf diesen Tag hast du nicht aufgehört,
immerfort so zu handeln, und mir denselben Verdruss zu machen. Ich habe
geschwiegen, weil ich dir nicht Zwang antun wollte, und es würde mir leid tun,
wenn das, was ich dir gegenwärtig sage, dich im mindesten kränken sollte.
Indessen, Amine, sage mir, ich beschwöre dich deshalb, ist das Fleisch, das man
uns hier vorsetzt, denn nicht besser als Totenfleisch?“

Ich hatte kaum diese letzten Worte gesprochen, als Amine,
welche recht gut merkte, dass ich sie in der Nacht beobachtet hatte, in eine Wut
geriet, die alle Begriffe übersteigt. Ihr Gesicht erglühte, ihre Augen traten
ihr fast aus dem Kopf heraus, und sie schäumte vor Wut.

Dieser grässliche Zustand, worin ich sie sah, erfüllte
mich mit Entsetzen. Ich erstarrte, und war ganz außer Stande, mich gegen die
schreckliche Bosheit zu schützen, die sie gegen mich im Schilde führte, und
worüber Euer Majestät erstaunen wird.

In ihrer heftigen Aufwallung nahm sie hierauf ein
Wasserbecken, das ihr zur Hand war, tauchte ihre Fingerspitzen hinein, murmelte
zwischen den Zähnen einige Worte, die ich nicht verstand, spritzte mir etwas
von diesem Wasser ins Gesicht, und rief mir in einem wütenden Ton zu:

„Unglücklicher, empfange die Strafe deiner
Neugierde, und werde ein Hund!“

Kaum hatte Amine, die ich noch gar nicht als Zauberin
kennen gelernt hatte, diese teuflischen Worte ausgestoßen, als ich mich auf
einmal in einen Hund verwandelt sah. Das Staunen und die überraschung, worin
ich über diese plötzliche Veränderung geriet, hinderte mich gleich anfangs an
meine Flucht zu denken, und so hatte sie denn Zeit, einen Stock zu ergreifen und
mich zu misshandeln. In der Tat, sie versetzte mir damit so gewaltige Schläge,
dass ich nicht begreife, warum ich nicht auf der Stelle tot liegen blieb. Ich
glaubte ihrer Wut zu entgehen, wenn ich mich in den Hof flüchtete, doch auch
dahin verfolgte sie mich mit derselben Wut, und mit welcher Gewandtheit ich auch
immer von einer Seite zur andern schlüpfte, um den Schlägen auszuweichen, so
war ich doch nicht gewandt genug, um mich dagegen zu schützen, und ich musste
noch viele andere aushalten. Als sie endlich müde geworden war, mich zu
schlagen und zu verfolgen, und voll Verzweiflung darüber, dass sie nicht, wie
sie es gewollt, mich hatte totschlagen können, ersann sie ein neues Mittel, um
dies zustande zu bringen. Sie öffnete nämlich die Tür nach der Straße zu ein
wenig, um in dem Augenblick, wo ich durch dieselbe zu schlüpfen versuchen
würde, mich zu zerquetschen. So sehr ich auch zum Hund geworden war, so merkte
ich doch sehr bald ihren verderblichen Plan, und da die Gefahr des Augenblicks
uns oft Verstand eingibt, um uns zu retten, so passte ich meine Zeit so gut ab,
indem ich ihre ganze Haltung und ihre Gebärden beobachtete, dass ich ihre
Wachsamkeit täuschte und schnell hindurch schlüpfte, um mein Leben zu retten,
und ihre boshafte Absicht zu vereiteln. Ich kam auch wirklich noch so ohne
Schaden davon, außer dass mir das Ende meines Schweifes etwas eingeklemmt
wurde.

Vor Schmerz darüber schrie und bellte ich die ganze
Straße entlang, was mir dann einige andere Hunde auf den Hals zog, die mich
bissen. Um ihren Verfolgungen zu entgehen, sprang ich in den Laden eines Mannes,
der gekochte Köpfe, Zungen und Füße von Hammeln verkaufte, wo ich auch sicher
war.

Der Mann nahm anfangs voll Mitleid meine Partei, und jagte
die Hunde weg, die mich verfolgten und bis in sein Haus eindringen wollten. Was
mich betrifft, so war meine erste Sorge, mich in einen Winkel zu verstecken, wo
ich ihrem Anblick entzogen war. Indessen auch hier fand ich nicht den gehofften
Schutz und Zufluchtsort. Der Mann war einer von jenen übertrieben
abergläubischen Leuten, die in der Meinung, dass die Hunde unrein seien, nicht
genug Wasser und Seife bekommen können, um ihre Kleider zu waschen, sobald
einmal ein Hund im Vorbeistreifen sie berührt hatte1). Nachdem sich also die
Hunde, die mich verfolgten, entfernt hatten, bot er zu wiederholten mal alles
mögliche auf, um mich noch an demselben Tag wieder fortzujagen. Aber ich war
versteckt und vor seinen Nachforschungen sicher. So brachte ich denn wider
seinen Willen die Nacht in seinem Laden zu, und ich hatte auch diese Ruhe
wirklich nötig, um mich von der schlechten Behandlung, die mir Amine angetan,
zu erholen.

Um Euer Majestät nicht mit Erzählung unbedeutender Dinge
zu langweilen, will ich von den traurigen Betrachtungen schweigen, die ich
damals über meine Verwandlung anstellte, und will bloß so viel bemerken, dass
am folgenden Tag, als mein Wirt, der ganz früh auf frischen Einkauf ausgegangen
war, mit Köpfen, Zungen und Füßen von Hammeln beladen wiederkam, seinen Laden
öffnete und seine Waren auslegte, ich aus meinem Winkel heraus kroch, und da ich
eben mehrere Hunde aus der Nachbarschaft, die der Fleischgeruch herbeigelockt,
um seinen Laden herum versammelt sah, so mischte ich mich in der Erwartung, dass
er ihnen etwas zuwerfen würde, unter sie, und nahm eine bittende Stellung ein.

Mein Wirt schien Rücksicht darauf zu nehmen, dass ich,
seitdem ich zu ihm geflüchtet, noch nichts gegessen hatte, und zeichnete mich
dadurch aus, dass er mir öfter und auch größere Stücke zuwarf, als den
andern Hunden. Als seine Austeilung vorbei war, wollte ich in seinen Laden
zurückkehren, indem ich ihn ansah und mit dem Schweif freundlich wedelte, um
ihm dadurch anzudeuten, dass ich ihn bäte, mir noch einmal diese Vergünstigung
zu gewähren. Doch er war unbeugsam und widersetzte sich meiner Absicht mit dem
Stock in der Hand und mit einer so unbarmherzigen Miene, dass ich genötigt war,
mich zu entfernen.

Einige Häuser weiter blieb ich vor dem Laden eines
Bäckers stehen, der ganz im Widerspiel mit jenem melancholischen
Hammelsköpfe-Verkäufer mir ein heiterer und gutgelaunter Mann zu sein schien
und es auch wirklich war. Er frühstückte eben, und obwohl ich ihm noch gar
nicht hatte merken lassen, dass mich hungere, so unterließ er doch nicht, mir
ein Stück Brot zu geben. Bevor ich nach Art anderer Hunde gierig darüber her
fiel, machte ich gegen ihn ein Zeichen mit dem Kopf und wedelte mit dem Schweif,
als wollte ich ihm meine Erkenntlichkeit bezeigen. Er wusste mir für diese Art
von Höflichkeit Dank und lächelte. Ich hatte keinen Hunger. Indessen, um ihm
Vergnügen zu machen, nahm ich das Stück Brot und aß es, und zwar recht
langsam, damit er annehmen konnte, ich äße bloß ihm zu Gefallen. Er bemerkte
dies alles und war so gefällig, mich in der Nähe seines Ladens zu dulden. Ich
blieb daher da sitzen und zwar mit dem Gesicht nach der Straße hingekehrt, um
ihm anzudeuten, dass ich für jetzt um nichts weiter, als um seinen Schutz
bäte.

Er bewilligte mir diesen nicht bloß, sondern streichelte
mich auch, so dass ich darin ein sicheres Zeichen sah, dass ich in sein Haus
eintreten dürfe. Ich tat es auf eine Weise, die ihm andeutete, dass ich es
bloß mit seiner Erlaubnis täte. Er nahm es nicht übel, sondern wies mir sogar
noch eine Stelle an, wo ich mich hinlegen könnte, ohne ihm im Wege zu sein. Ich
nahm sogleich diesen Platz ein, und verließ ihn nicht, so lange ich in seinem
Haus war.

Ich wurde da durchaus gut behandelt, und er konnte nie
frühstücken, zu Mittag oder zu Abend speisen, ohne dass ich meinen
hinreichenden Anteil davon erhielt. Ich meinerseits bezeigte ihm dafür alle
mögliche Anhänglichkeit und Treue, die er nur irgend von meiner Dankbarkeit
verlangen konnte.

Meine Augen waren stets auf ihn gerichtet, und er tat in
seinem Haus keinen Schritt, wo ich nicht hinter ihm her ging. Ein gleiches tat
ich, wenn seine Zeit es ihm gestattete, seiner Geschäfte halben irgend einen
Gang in die Stadt zu machen. Ich war hierin um so pünktlicher, da ich bemerkte,
dass meine Aufmerksamkeit ihm gefiel und dass er oft, wenn er Lust auszugehen
hatte und ich es nicht gerade bemerkt hatte, mich bei dem Namen Rotbacke rief,
den er mir gegeben hatte.


1)
Der mohammedanischen Glaubenslehre zufolge sind alle Fleisch fressenden Tiere
unrein.