Project Description

353. Nacht

Den folgenden Tag gab Harun Arreschyd dem Großwesir
Befehl, in allen Städten des Reichs bekannt machen zu lassen, dass er Ganem,
dem Sohn des Abu Aïbu verzeihe. Doch diese Bekanntmachung war fruchtlos, denn
es verging eine geraume Zeit, ohne dass man von dem jungen Kaufmann das mindeste
vernahm. Herzenspein glaubte, dass er gewiss den Schmerz über ihren Verlust
nicht habe überleben können, und eine quälende Unruhe ergriff ihr Gemüt. Da
indessen die Hoffnung immer das letzte ist, was die Liebenden verlässt, so bat
sie den Kalifen, ihr zu erlauben, dass sie selber Nachforschungen wegen Ganem
anstellen könnte. Nachdem ihr der Kalif Erlaubnis gegeben, nahm sie aus ihrer
Schatulle einen Beutel mit tausend Goldstücken, und ritt eines Morgens auf
einer reich geschmückten Mauleselin sitzend aus dem Palast. Zwei schwarze
Verschnittene, welche von beiden Seiten her ihre Hand auf dem Bug des Maulesels
liegen hatten, begleiteten sie.

Sie ritt von Moschee zu Moschee, um Schenkungen an fromme
Muselmänner zu machen, und ihre Gebete für die Vollführung einer höchst
wichtigen Angelegenheit zu Hilfe zu rufen, von der, wie sie sagte, die Ruhe
zweier Personen abhinge. Sie verwendete den ganzen Tag und den ganzen Beutel mit
tausend Goldstücken, um Almosen in den Moscheen zu geben, und kehrte am Abend
nach dem Palast zurück.

Den folgenden Tag nahm sie einen Beutel mit ebenso vielen
Goldstücken, und begab sich in demselben Aufzuge nach dem Juwelierplatz1).
Sie hielt am Eingang still, und ohne abzusteigen, ließ sie durch einen ihrer
schwarzen Verschnittenen den Vorsteher oder ältesten rufen. Dieser, der ein
sehr mildtätiger Mann war, und mehr als zwei Drittel seiner Einnahmen zur
Unterstützung armer Fremden – sie mochten nun krank oder in üblen Umständen
sein – verwendete, ließ Herzenspein nicht lange warten, die er an ihrer
Kleidung für eine Dame des Hofes erkannte. „Ich wende mich an euch,“
sagte sie zu ihm, indem sie ihm den Beutel einhändigte, „als an einen
Mann, dessen Frömmigkeit die ganze Stadt rühmt. Ich bitte euch, diese
Goldstücke unter die armen Fremden, denen ihr beisteht, zu verteilen. Denn ich
weiß recht gut, dass ihr zu eurem täglichen Geschäft macht, die Fremden, die
sich an eure Mildtätigkeit wenden, zu unterstützen. Ich weiß auch, dass ihr
ihren Bedürfnissen zuvorkommt, und dass für euch nichts angenehmer ist, als
eine Gelegenheit zu finden, ihr Elend zu mildern.“ – „Gnädige
Frau,“ antwortete ihr der Vorsteher, „mit Vergnügen werde ich euren
Befehl vollziehen, doch, wenn ihr wünscht, eure Wohltaten persönlich
auszuspenden, so bemüht euch bis in meine Wohnung, und ihr werdet da zwei
Frauen finden, die eures Mitleids würdig sind. Ich traf sie gestern, als sie eben hier in der Stadt anlangten. Sie waren in einem beklagenswerten Zustand, und
ich wurde umso mehr davon gerührt, da es mir vorkam, als seien es Personen von
Stand. Mitten durch die Lupen, womit sie bedeckt waren, und ungeachtet der
Wirkung, welche die Sonnenglut auf ihr Gesicht gemacht hatte, entdeckte ich an
ihnen einen edeln Anstand, der sonst Armen, die ich unterstützte, eben nicht
eigen zu sein pflegt. Ich führte sie beide in mein Haus, und übergab sie den
Händen meiner Frau, welche von ihnen dasselbe urteilte, wie ich. Sie ließ
ihnen von unsern Sklavinnen eine gute Lagerstatt bereiten, während sie selber
ihnen das Gesicht wusch und ihnen frische und reine Wäsche anziehen half. Wir
wissen noch immer nicht, wer sie sind, weil wir sie erst etwas ausruhen lassen,
ehe wir sie mit unseren Fragen ermüden.“

Herzenspein empfand, ohne recht zu wissen, warum, einige
Neugierde, sie zu sehen. Der Vorsteher wollte sie nach seiner Wohnung führen,
doch sie nahm dies von ihm nicht an, und ließ sich durch einen Sklaven dahin
geleiten, den er ihr mitgab. Als sie an der Haustür angelangt war, stieg sie
ab, und folgte dem Sklaven, welcher vorausgeeilt war, um seine Gebieterin,
welche soeben bei Herzensmacht und ihrer Mutter – denn diese beiden waren es
selber – im Gemach war, davon zu benachrichtigen.

Als die Frau des Vorstehers durch ihren Sklaven erfuhr,
dass eine Frau vom Hof in ihrem Haus sei, so ging sie aus dem Zimmer, worin sie
eben war, hinaus, um sie zu empfangen. Doch Herzenspein, welche dem Sklaven auf
dem Fuß folgte, ließ ihr nicht Zeit dazu, sondern trat ins Zimmer. Die Frau
des Vorstehers warf sich vor ihr nieder, um ihre Ehrerbietung gegen alles, was
zum Hofstaat des Kalifen gehörte, zu bezeigen. Herzenspein hob sie auf und
sagte zu ihr: „Meine gute Frau, ich bitte euch, mich mit den beiden fremden
Frauen sprechen zu lassen, die gestern Abend hier in Bagdad eingetroffen
sind.“ – „Gnädige Frau,“ erwiderte die Gattin des Vorstehers,
„sie liegen hier in diesen beiden kleinen Betten, die ihr hier
nebeneinander seht.“ Sogleich näherte sich die Favoritin dem Bett der
Mutter, betrachtete sie aufmerksam und sagte dann: „Meine gute Frau, ich
komme, um euch meine Unterstützung anzubieten. Ich bin nicht ohne Einfluss in
dieser Stadt, und werde vielleicht euch und eurer Gefährtin nützlich sein
können.“ – „Gnädige Frau,“ erwiderte die Mutter Ganems,
„an den gefälligen Anerbietungen, die ihr uns macht, sehe ich, dass der
Himmel uns noch nicht ganz verlassen hat. Wir hatten indessen nach den
Unfällen, die uns betroffen, wohl Ursache es zu glauben.“ Bei diesen
Worten fing sie so bitterlich an zu weinen, dass Herzenspein und die Frau des
Vorstehers ebenfalls ihre Tränen nicht zurückhalten konnten.

Die Favoritin des Kalifen sagte hierauf, nachdem sie ihre
eigenen Tränen getrocknet, zu Ganems Mutter: „Teilt uns, ich bitte euch
darum, eure Leiden mit, und erzählt uns eure Geschichte. Ihr werdet niemanden
finden, der mehr geneigt wäre als wir, alles mögliche zu eurem Trost
aufzubieten.“ – „Gnädige Frau,“ antwortete die unglückliche
Witwe des Abu Aïbu, „eine Favoritin des Beherrschers der Gläubigen, eine
Frau Namens Herzenspein, ist Urheberin meines ganzen Unglücks.“ Bei diesen
Worten fühlte sich die Favoritin wie vom Blitz getroffen. Sie verhehlte
indessen ihre Verlegenheit und innere Bewegung, und ließ Ganems Mutter weiter
reden, welche also fort fuhr: „Ich bin die Witwe des Abu Aïbu, Kaufmanns
aus Damask. Ich hatte einen Sohn, Namens Ganem, der eine Handelsreise nach
Bagdad machte, und hier beschuldigt wurde, die Herzenspein entführt zu haben.
Der Kalif ließ ihn überall suchen, um ihn umbringen zu lassen, und da er ihn
nicht finden konnte, schrieb er an den König von Damask, dass er unser Haus
plündern und niederreißen, uns beide, meine Tochter und mich, drei Tage
nacheinander ganz nackt den Augen des Volks bloßstellen und uns sodann für
immer aus Syrien verbannen solle. Doch, wie unwürdig man uns auch immer
behandelt haben mag, ich würde mich gleichwohl noch trösten, wenn mein Sohn
noch lebte, und ich ihn irgendwo treffen könnte. Welche Freude würde es für
seine Schwester und für mich sein, in wieder zu sehen! In seiner Umarmung würden
wir den Verlust unsers Vermögens und alle Leiden vergessen, die wir für ihn
erduldet haben. Ach, ich bin überzeugt, dass er sich gegen den Kalifen ebenso
wenig vergangen hat, wie seine Schwester und ich.“ – „Nein,“
unterbrach sie Herzenspein, „er ist wirklich ebenso wenig strafbar als ihr.
Ich kann euch von seiner Unschuld versichern, da ich selber jene Herzenspein
bin, über die ihr euch so sehr zu beklagen habt. Ich bin es, die durch das
Verhängnis der Sterne euch alle eure Leiden veranlasst hat, und mir müsst ihr
den Verlust eures Sohnes beimessen, wenn er nicht mehr auf der Welt ist. Doch
wenn ich euer Unglück herbeigeführt habe, so vermag ich auch wieder es zu
lindern. Ich habe Ganem vor dem Kalifen gerechtfertigt, dieser Fürst hat in
seinem ganzen Reich ausrufen lassen, dass er dem Sohn Abu Aïbus verzeihe, und
ihr dürft nicht zweifeln, dass er euch nicht ebenso viel Gutes erzeigen wird,
als er euch Böses zugefügt hat. Ihr seid nicht mehr seine Feinde. Er erwartet
Ganem, um ihn für den mir erwiesenen Dienst dadurch zu belohnen, dass er uns
vereinige. Er gibt mich ihm zur Gemahlin. So betrachtet mich denn nun als eure
Tochter und erlaubt mir, euch ewige Freundschaft zu geloben.“ Mit diesen
Worten neigte sie sich zu Ganems Mutter herab, die darauf nichts zu antworten
vermochte, so sehr hatte diese Rede sie in Staunen gesetzt. Herzenspein hielt
sie lange Zeit umarmt, und verließ sie bloß, um zu dem anderen Bett hinzueilen
und Herzensmacht umarmen zu können, welche sich zu ihrem Empfang aufgesetzt
hatte und ihr die Arme entgegenstreckte.

Nachdem die reizende Favoritin der Mutter und der Tochter
alle mögliche Beweise von Wohlwollen gegeben, die sie nur irgend von der
Gemahlin Ganems erwarten konnten, sprach sie zu ihnen: „Hört beide auf,
euch zu betrüben. Die Reichtümer, welche Ganem in dieser Stadt besaß, sind
nicht verloren, sie befinden sich im Palast des Kalifen, und zwar in meinen
Zimmern. Ich weiß übrigens wohl, dass alle Reichtümer der Welt ohne Ganem
euch nicht zu trösten im Stande sein würden. Ich kann mir dies von Ganems
Mutter und Schwester recht gut denken, wenn ich von mir selber auf euch
schließe, denn die Bande des Bluts haben in edlen Herzen nicht mindere Gewalt
als die Liebe. Indessen, warum wollt ihr daran verzweifeln, euren Sohn jemals
wieder zu sehen? Wir werden ihn gewiss noch wieder finden. Mein glückliches
Zusammentreffen mit euch gibt mir Hoffnung. Vielleicht ist sogar schon heute der
letzte Tag eurer Trübsal und der Anfang eines größeren Glücks, als ihr nur
je in Damask damals genossen habt, als ihr Ganem noch bei euch hattet.“

Herzenspein wollte noch weiter reden, als der Vorsteher
der Juweliere herein trat und sagte: „Gnädige Frau, ich habe jetzt soeben
ein sehr rührendes Schauspiel gesehen. Es war dies nämlich ein junger Mann,
welcher auf einem Kamel in das Hospital hiesiger Stadt gebracht wurde. Er war
mit Stricken auf das Kamel gebunden, weil er nicht Kraft hatte, sich auf
demselben sitzend zu erhalten. Man hat soeben die Stricke aufgebunden, und
wollte ihn in das Hospital hineintragen, als ich da vorüber ging. Ich näherte
mich dem jungen Mann, betrachtete ihn mit Aufmerksamkeit, und es kam mir vor,
als ob sein Gesicht mir nicht ganz unbekannt wäre. Ich tat an ihn verschiedene
Fragen über seine Familie, doch statt der Antwort entlockte ich ihm bloß
Tränen und Seufzer. Er tat mir leid, und da ich aus meiner täglichen Erfahrung
erkannte, dass er der sorgfältigsten Pflege bedürfte, so wollte ich ihn nicht
in das Hospital bringen lassen, weil ich nur zu wohl weiß, wie man da mit den
Kranken umgeht, und wie ungeschickt die ärzte darin sind. Ich habe ihn also
durch meine Sklaven hierher in meine Wohnung bringen lassen. Diese haben ihn in
ein besonderes Gemach gebracht, geben ihm auf meinen Befehl reines Linnenzeug
von mir, und bedienen ihn ganz so wie mich selber.“

Herzenspein zitterte bei dieser Rede des Juweliers, und
fühlte in sich eine Regung, wovon sie sich keinen Grund anzugeben vermochte.
„Führt mich doch,“ sagte sie zu dem Vorsteher, „in das Zimmer
dieses Kranken, ich wünschte ihn zu sehen.“ Der Mann führte sie sogleich
hin, und während sie hinging, sagte Ganems Mutter zu Herzensmacht: „Ach,
meine Tochter, wie beklagenswert auch immer dieser kranke Fremde sein mag, dein
Bruder, sofern er noch lebt, befindet sich schwerlich in einer glücklicheren
Lage als er.“

Als die Favoritin des Kalifen in das Zimmer, worin der
Kranke lag, eingetreten war, näherte sie sich dem Bett, worin ihn die Sklaven
des Hausherrn gebracht hatten. Sie erblickte hier einen jungen Mann mit
geschlossenen Augen, und einem blassen, abgezehrten und verweinten Angesicht:
Sie betrachtet ihn aufmerksamer, ihr Herz klopft, sie glaubt Ganem zu erkennen.
Doch bald misstraut sie wieder dem Zeugnis ihrer Augen. Wenn sie auch einerseits
in dem Angesicht des Kranken einen ähnlichen Zug entdeckt, so erscheint er ihr
doch im übrigen so verschieden von jenem, dass sie es nicht zu glauben wagt,
dass er es wirklich sei. Da sie indessen der Neugier, sich genau darüber zu
unterrichten, nicht widerstehen kann, so sagt sie mit zitternder Stimme:
„Ganem bist du es, den ich hier vor mir sehe?“ Bei diesen Worten hielt
sie inne, um dem jungen Mann Zeit zur Antwort zu lassen. Doch da er darauf nicht
zu achten schien, fuhr sie fort: „Ach, Ganem, du bist es nicht. Bloß meine
Einbildungskraft, die nur immer an deinem Bild hängt, hat diesem Fremden eine
täuschende ähnlichkeit geliehen. Der Sohn des Abu Aïbu, wie krank er auch
sein möchte, würde auf die Stimme seiner Herzenspein hören.“ Bei dem
Namen Herzenspein schlug Ganem – denn er war es wirklich – die Augen auf,
wendete den Kopf nach der Seite hin, wo die Stimme herkam, und sagte, als er die
Favoritin des Kalifen wieder erkannte: „Ach, gnädige Frau, seid ihr es?
Durch welches Wunder …?“ Er vermochte nicht auszureden, sondern wurde von
einem so plötzlichen Freudentaumel überwältigt, dass er in Ohnmacht fiel.
Herzenspein und der Herr des Hauses eilten ihm zu Hilfe. Doch sobald sie wieder
einige Zeichen des Lebens an ihm entdeckten, bat der Vorsteher die Dame, sich zu
entfernen, damit ihr Anblick nicht einen neuen Rückfall herbeiführen möge.

Nachdem der junge Mann wieder zur Besinnung gekommen war,
sah er sich nach allen Seiten um, und da er nicht mehr sah, was er suchte, rief
er aus: „Schöne Herzenspein, was ist aus dir geworden? Standst du wirklich
vor meinen Augen, oder war es bloß eine täuschende Erscheinung?“ –
„Nein, Herr,“ sagte der Vorsteher zu ihm, „ich habe diese Dame
hinauszugehen veranlasst. Indessen werdet ihr sie wieder sehen, sobald ihr im
Stande sein werdet, ihren Anblick zu ertragen. Ihr habt jetzt Ruhe nötig, und
nichts muss euch daran hindern. Da ihr, wie es mir vorkommt, jener Ganem seid,
dem der Beherrscher der Gläubigen öffentlich in Bagdad hat Verzeihung
verkündigen lassen, so muss ich euch nur sagen, dass eure Angelegenheiten eine
ganz andere Gestalt genommen haben. Dies zu wissen, sei euch für den Augenblick
genug. Die Dame, welche soeben mit euch gesprochen, wird euch ausführlicher
davon unterrichten. Denkt also bloß daran, eure Gesundheit wieder herzustellen.
Was mich betrifft, so werde ich so viel dazu beitragen, als nur irgend in meinen
Kräften steht.“ Nachdem er dies gesprochen, ließ er Ganem in Ruhe, und
ging fort, um ihm die Arzneimittel bereiten zu lassen, die er zur
Wiederherstellung seiner durch Fasten und Beschwerde erschöpften Kräfte für
nötig erachtete.

Während dieser Zeit befand sich Herzenspein in dem Zimmer
der Mutter Ganems und der Herzensmacht, wo sich fast dieselbe Szene wiederholte.
Denn als Ganems Mutter erfuhr, dass jener kranke Fremde, den der Vorsteher in
sein Haus hatte bringen lassen, Ganem sei, fiel sie vor Freuden darüber in
Ohnmacht. Als sie sich durch die sorgfältige Pflege der Frau des Vorstehers und
Herzenspeins wieder erholt hatte, wollte sie aufstehen und ihren Sohn besuchen.
Doch der Vorsteher, der mittlerweile herein getreten war, verhinderte sie daran,
und stellte ihr vor, Ganem sei so schwach und entkräftet, dass man nicht ohne
Gefahr seines Lebens Gemütsbewegungen, wie sie der unvermutete Anblick einer
geliebten Mutter hervorbringen müsse, hervorrufen dürfe. Der Vorsteher hatte
keine lange Rede nötig, um Ganems Mutter zu überzeugen. Sobald man ihr gesagt
hatte, dass sie mit ihrem Sohn nicht sprechen könne, ohne sein Leben zu
gefährden, drang sie nicht weiter darauf, ihn zu sehen. Jetzt nahm Herzenspein
das Wort, und sagte zu ihr: „Wir wollen dem Himmel danken, dass er uns alle
an einen und denselben Ort zusammengeführt hat. Ich will jetzt nach dem Palast
zurückkehren, um dem Kalifen von allen diesen Abenteuern Nachricht zu geben,
und morgen früh komme ich wieder zu euch.“ Mit diesen Worten umarmte sie
Mutter und Tochter, und ging fort. Als sie im Palast angekommen war, ließ sie
den Kalifen um eine geheime Unterredung bitten. Diese wurde ihr augenblicklich
gewährt. Man führte sie in das Kabinett des Fürsten, worin dieser sich ganz
allein befand. Sie warf sich zuerst, der Landessitte gemäß, mit ihrem
Angesicht vor ihm zur Erde nieder. Er hieß sie aufstehen und sich setzen, und
fragte sie sodann, ob sie von Ganem Nachricht hätte? „Beherrscher der
Gläubigen“, sagte sie hierauf, „ich bin so glücklich gewesen, ihn
nebst seiner Mutter und Schwester aufzufinden.“ Der Kalif war neugierig zu
erfahren, wie sie in so kurzer Zeit dies möglich gemacht habe. Sie befriedigte
seine Neugier, und sagte ihm von Ganems Mutter und Schwester so viel gutes, dass
er Lust bekam, sie beide nebst dem jungen Kaufmann zu sehen.


1)
In den meisten Städten des Morgenlandes  bewohnen die Kaufleute gleichen
Gewerbes immer eine und dieselbe Straße miteinander.
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