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350. Nacht

Sobald die beiden Sklavinnen sich in ein benachbartes
Zimmer, wohin der junge Kaufmann sie gewiesen, begeben hatten, setzte er sich zu
Herzenspein aufs Sofa, jedoch in gehöriger Entfernung von ihr, um ihr seine
Ehrerbietung an den Tag zu legen. Er brachte das Gespräch wieder auf seine
Liebe, und sagte ihr die rührendsten Dinge in Beziehung auf die
unüberwindlichen Hindernisse, die ihm jede Hoffnung benähmen. „Ich wage
selbst nicht einmal zu hoffen,“ fuhr er fort, „durch alle meine
Zärtlichkeit auch nur den schwächsten Funken von Teilnahme in eurem Herzen zu
wecken, welches für den mächtigsten Fürsten der Erde bestimmt ist. Ach, in
meinem Unglück würde es ein Trost für mich sein, wenn ich mir schmeicheln
dürfte, dass ihr meine unendliche Liebe zu euch nicht mit gleichgültigen Augen
angesehen hättet!“ – „Herr,“ erwiderte Herzenspein… „Ach,
gnädige Frau,“ unterbrach sie Ganem bei diesem Wort, „Ihr erweist nun
schon zum zweiten Mal mir die Ehre, mich mit dem Wort Herr anzureden. Beim
ersten Mal hinderte mich die Anwesenheit der Sklavinnen, euch meine Gedanken
hierüber zu sagen. Allein, um Gottes willen, edle Frau, gebt mir nicht mehr
diesen Ehrentitel, der mir nicht zukommt. Behandelt mich, ich bitte euch darum,
ganz wie euren Sklaven. Ich bin es ja, und werde nie aufhören, es zu
sein.“

„Nein, nein,“ unterbrach ihn jetzt Herzenspein,
„ich werde mich wohl hüten, einen Mann, dem ich mein Leben verdanke, so zu
behandeln. Ich wäre undankbar, wenn ich etwas spräche oder täte, was für
euch nicht angemessen wäre. Lasst mich also den Gefühlen meiner Dankbarkeit
folgen, und fordert nicht von mir, dass ich zum Lohn für eure Wohltaten
unhöflich mit euch umgehe. Ich werde dies niemals tun. Ich bin zu sehr von
eurem ehrerbietigen Betragen gerührt, als dass ich es je missbrauchen könnte,
und ich gestehe euch, dass ich eure zarte Sorgfalt keineswegs mit
gleichgültigen Augen ansehe. Mehr kann ich euch nicht sagen. Ihr kennt ja die
Gründe, welche mir zu schweigen gebieten.“

Ganem wurde von diesen äußerungen ganz bezaubert. Er
weinte vor Freude darüber, und da er nicht Worte finden konnte, um ihr seinen
Dank genügend ausdrücken zu können, so begnügte er sich, ihr zu sagen: Wenn
sie wisse, was sie dem Kalifen schuldig sei, so wisse er seinerseits ebenfalls,
dass, „was dem Herrn gehöre, dem Sklaven verboten sei.“

Da er die Annäherung der Nacht bemerkte, stand er auf, um
Licht zu holen. Er brachte es selber und zugleich einen kleinen Imbiss, der zu
Bagdad bestehenden Sitte gemäß, wo man, nachdem man eine gute Mittagsmahlzeit
genossen, des Abends bloß etwas Wein und Früchte zu sich nimmt, und sich bis
zum Schlafengehen mit angenehmen Gesprächen unterhält.

Sie setzten sich nun beide zu Tisch. Anfangs sagten sie
einander in Bezug auf die Früchte, die sie sich gegenseitig darreichten,
allerlei Artigkeiten. Hierauf ladete die Vortrefflichkeit des Weines sie
allmählich zum Trinken ein, und kaum hatten sie zwei bis drei Mal getrunken,
als sie es sich auch schon zum Gesetz machten, nicht mehr zu trinken, ohne zuvor
ein Lied gesungen zu haben. Ganem sang einige Verse, die er aus dem Stehgreif
dichtete und welche die Stärke seiner Liebe ausdrückten. Herzenspein, durch
sein Beispiel aufgemuntert, dichtete und sang ebenfalls Leider, die auf ihr
Abenteuer Bezug nahmen und in denen stets etwas lag, das Ganem zu seinen Gunsten
auslegen konnte. übrigens wurde – dies einzige abgerechnet – die Treue, zu der
sie gegen den Kalifen verpflichtet war, sorgfältig darin beobachtet. Der Imbiss
dauerte sehr lange, und die Nacht war schon sehr weit vorgerückt, ehe sie daran
dachten, sich zu trennen. Zuletzt zog sich jedoch Ganem auf sein Zimmer zurück,
und ließ die schöne Herzenspein in dem ihrigen, in welches die neu gekauften
Sklavinnen sofort eintraten und sie auskleideten.

So lebten sie miteinander mehrere Tage lang. Der junge
Kaufmann ging bloß aus, wenn ihn Geschäfte von der äußersten Wichtigkeit
fort riefen. Außerdem benutzte er auch noch die Zeit, wo die schöne Frau
schlummerte, denn er konnte es nicht über das Herz bringen, auch nur einen
einzigen von den Augenblicken zu verlieren, die er bei ihr zubringen durfte. Er
war stets bloß mit seiner leibenden Herzenspein beschäftigt, welche
ihrerseits, von ihrer Neigung fortgerissen, ihm gestand, dass sie nicht
geringere Leibe für ihn empfinde, als er für sie. Indessen, wie sehr sie auch
ineinander verliebt waren, so war doch der bloße Gedanke an den Kalifen im
Stande, sie in den gehörigen Schranken zu halten, was denn ihre Leidenschaft
noch mehr erregte.

Während Herzenspein, so zu sagen, aus den Händen des
Todes entrissen worden war, und ihre Zeit bei Ganem so angenehm hinbrachte, war
Sobe