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326. Nacht

Die Mutter Aladdins hatte die Rede ihres Sohnes bis gegen
das Ende mit vieler Aufmerksamkeit angehört, aber als sie am Schluss vernahm,
dass er die Absicht hatte, um die Hand der Prinzessin Badrulbudur anzuhalten,
konnte sie sich nicht enthalten, ihn durch ein lautes Lachen zu unterbrechen.
Aladdin wollte weiter sprechen, aber sie ließ ihn gar nicht zu Wort kommen und
sagte. „Ach, mein Sohn, woran denkst du? Du musst wohl deinen Verstand
verloren haben, dass du solche Reden führen kannst!“

„Liebe Mutter,“ erwiderte Aladdin, „ich
kann dir versichern, dass ich nicht meinen Verstand verloren habe, sondern bei
völliger Besinnung bin. Ich habe alle die Vorwürfe von Torheit und Albernheit,
die du mir machst und noch machen wirst, vorausgesehen, aber das alles soll mich
nicht davon abhalten, dir nochmals zu sagen, dass mein Entschluss fest steht,
den Sultan um die Hand seiner Tochter, der Prinzessin Badrulbudur, zu
bitten.“

„In der Tat, mein Sohn,“ antwortete hierauf die
Mutter ganz ernstlich, „ich kann nicht umhin, dir zu sagen, dass du dich
ganz vergisst, und selbst wenn du diesen Entschluss ausführen wolltest, so sehe
ich gar nicht ab, durch wen du diese bitte an den Sultan gelangen lassen
wolltest.“ – „Durch dich selber,“ antwortete sogleich der Sohn,
ohne zu zögern. „Durch mich?“, rief die Mutter voll Staunen und
überraschung, „und an den Sultan? Ach, ich werde mich wohl sehr hüten,
mich in eine Unternehmung der Art einzulassen! Und überhaupt, mein Sohn,“
fuhr sie fort, „wer bist du denn, dass du so dreist bist, an die Tochter
des Sultans zu denken? Hast du vergessen, dass du der Sohn eines der geringsten
Schneider der Hauptstadt, und auch von mütterlicher Seite nicht von höherer
Abkunft bist? Weißt du denn nicht, dass Sultane ihre Töchter nicht leicht
jemand zur Ehe geben, selbst nicht einmal denjenigen Sultanssöhnen, die keine
Hoffnung haben, einst zur Regierung zu gelangen?“

„Liebe Mutter,“ erwiderte Aladdin, „ich
habe dir schon gesagt, dass ich alles, was du mir soeben gesagt hast,
vorausgesehen habe, und ich sage dasselbe von allem dem, was du etwas noch
hinzufügen magst. Weder deine Reden, noch deine Vorstellungen werden meinen
Entschluss ändern. Ich habe dir schon gesagt, dass ich durch dich um die Hand
der Prinzessin anhalten will. Dies ist die einzige Gefälligkeit, die ich von
dir verlange, und die ich mir nicht abzuschlagen bitte, sofern du nicht etwa
lieber mich sterben sehen, als mir zum zweiten Male das Leben schenken
willst.“

Aladdins Mutter befand sich in der größten Verlegenheit,
als sie die Hartnäckigkeit sah, womit er auf seinem närrischen Plan bestand.
„Mein Sohn,“ sagte sie nochmals zu ihm, „ich bin deine Mutter,
und als eine rechtschaffene und leibliche Mutter von dir, bin ich bereit, dir zu
Liebe alles zu tun, was irgend vernünftig ist oder sich für meinen und deinen
Stand schickt. Wenn es darauf ankäme, für dich um die Tochter eines unserer
Nachbarn, der mit dir von gleichem oder doch nicht viel höherem Stand wäre,
anzuhalten, so würde ich alles mögliche aufbieten, was nur irgend in meiner
Macht steht. Aber auch dann müsstest du doch wenigstens etwas Vermögen, oder
einige Einkünfte, oder wenigstens irgend ein Gewerbe erlernt haben, um hierin
deinen Zweck zu erreichen. Wenn arme Leute, wie wir, heiraten wollen, so müssen
sie vor allen Dingen darauf denken, ob sie auch wohl zu leben haben. Aber ohne
deine niedrige Herkunft in Erwägung zu ziehen, strebst du bei deinem geringen
Stand und Vermögen nach dem höchsten Gipfel des Glücks, und beabsichtigst
nichts geringeres, als eine Vermählung mit der Tochter deines Herrn und
Gebieters, der bloß ein Wort sagen darf, um dich zu verderben und zu
vernichten. Ich will hier gar nicht einmal das erwähnen, was deine Person und
dich selber betrifft, denn das musst du bei dir selber überlegen, sofern du
deine Besinnung hast: Ich spreche hier bloß von dem, was mich insbesondere
angeht. Wie hat wohl ein so seltsamer Gedanke dir in den Kopf kommen können,
dass ich hingehen und dem Sultan den Antrag machen soll, dir seine Tochter, die
Prinzessin, zur Ehe zu geben? Gesetzt, ich hätte nun auch, ich will nicht sagen
die Dreistigkeit, sondern die Unverschämtheit, mich Seiner Majestät
vorzustellen, um an ihn eine so ungereimte Bitte zu tun, an wen sollte ich mich
denn wenden, um mich da einführen zu lassen? Glaubst du denn nicht, dass der
erste, mit dem ich davon spräche, mich als eine Närrin behandeln, und mich auf
eine meiner unwürdige Weise fortjagen würde? Gesetzt nun aber auch, ich würde
dem Sultan ohne Schwierigkeit vorgestellt, wie es wohl der Fall ist, wenn man
ihn um Gerechtigkeit anfleht, die er seinen Untertanen stets gern gewährt, oder
wenn man ihn um eine Gnade bittet, die er mit Vergnügen bewilligt, sobald er
sieht, dass man sie verdient und derselben würdig ist, – bist du denn wohl in
einem solchen Fall? Und glaubst du denn die Gnade verdient zu haben, die ich
für dich erbitten soll? Welchen Dienst hast du denn dem Sultan oder dem ganzen
Land erwiesen, und wodurch hast du dich denn ausgezeichnet? Wenn du nun nichts
getan hast, um eine solche Gnade zu verdienen, und auch übrigens derselben
nicht würdig bist, mit welcher Stirne könnte ich denn darum bitten? Wie
könnte ich auch nur den Mund öffnen, um dem Sultan einen Antrag der Art zu
machen? Das Majestätische seiner Person und der Glanz seines Hofes würde mich
sogleich stumm und still machen, mich, die ich schon zitterte, wann ich meinen
verstorbenen Mann, deinen Vater, um irgend etwas zu bitten hatte. Auch ist noch
ein anderer Grund vorhanden, mein Sohn, an den du nicht gedacht hast, nämlich
der, dass man vor dem Sultan, wenn man ihn um eine Gnade zu bitten hat, nicht
wohl erscheinen kann, ohne ein Geschenk in der Hand zu haben. Diese Geschenke
haben wenigstens das Gute, dass, wenn er auch aus irgend einem Grund die bitte
abschlägt, er wenigstens das Gesuch und den Bittsteller ohne Weigerung anhört.
Aber welches Geschenk hast du ihm anzubieten? Und wenn du auch etwas hättest,
das der Beachtung eines so großen Fürsten irgend Wert scheine, in welchem
Verhältnis würde denn das Geschenk zu der Bitte stehen, die du an ihn tun
willst? Geh in dich und bedenke, dass du nach etwas trachtest, was zu erreichen
für dich unmöglich ist.“

Aladdin hörte alles, was ihm seine Mutter nur irgend
sagen mochte, um ihn von seinen Plänen abzubringen, ruhig an, und nachdem er
ihre Vorstellungen Punkt für Punkt ruhig überlegt hatte, nahm er endlich das
Wort und sagte: „Ich gestehe es, liebe Mutter, es ist eine große
Verwegenheit von mir, dass ich es wage, meine Ansprüche so weit zu treiben, und
zugleich eine große Unbesonnenheit, dass ich von dir mit solcher Hitze und
Eilfertigkeit verlangte, dass du hingehen und den Sultan meinen Heiratsantrag
vortragen solltest, ohne zuvor die gehörigen Maßregeln ergriffen zu haben, um
dir Zutritt und eine günstige Aufnahme zu verschaffen. Ich bitte dich deshalb
um Verzeihung. Allein bei der Heftigkeit der Leidenschaft, die mich ergriffen
hat, darfst du dich nicht wundern, wenn ich anfangs nicht sogleich alles das
übersah, was dazu erforderlich ist, um mir die Ruhe, die ich suche, zu
verschaffen. Ich liebe die Prinzessin Badrulbudur mehr, als du dir irgend
einbilden kannst, und ich beharre immer noch auf dem Entschluss, sie zu
heiraten. Dies steht bei mir entschieden fest. übrigens bin ich dir für die
Eröffnung, die du mir gemach hast, sehr dankbar. Ich betrachte sie als den
ersten Schritt, um mir den glücklichen Erfolg, den ich mir verspreche, näher
zu führen. Du sagst mir es sei nicht Sitte, vor dem Sultan ohne ein Geschenk in
der Hand zu erscheinen, und ich habe nichts, was des Sultans würdig sei. Ich
bin, was das Geschenk betrifft, deiner Meinung, und gestehe, dass ich daran
nicht gedacht hatte. Allein, wenn du sagst, ich besitze nichts, was ihm
überreicht werden könne, so glaubst du wohl nicht, liebe Mutter, dass das, was
ich dir an dem Tag, wo ich, wie du weißt, von einer unvermeidlichen Todesgefahr
befreit wurde, heimbrachte, würdig genug ist, um dem Sultan damit ein sehr
angenehmes Vergnügen zu machen? Ich spreche nämlich von dem, was ich in den
zwei Beuteln und in meinem Gürtel mitgebracht, und was du und ich für farbiges
Glas gehalten haben. Indessen ist mir gegenwärtig mein Irrtum benommen, und ich
muss dir nur sagen, liebe Mutter, dass es Edelsteine von unschätzbarem Wert
sind, die bloß für große Fürsten passen. Ich habe ihren Wert schätzen
gelernt, indem ich die Läden der Juwelenhändler besuchte, und du kannst es mir
auf mein Wort glauben: Alle die, welche ich bei unsern Juwelenhändlern gesehen
habe, sind gar nicht mit denen, welche wir besitzen, zu vergleichen, und doch
bieten sie dieselben zu unbeschreiblich hohen Preisen aus. Du und ich wir kennen
gar nicht den Preis der unsrigen. Wie dem aber auch sei, so viel ich davon
verstehe, vermöge der wenigen Erfahrung, die ich darin habe, so bin ich
überzeugt, dass das Geschenk dem Sultan nicht anders als höchst angenehm sein
muss. Du hast da eine Porzellanvase, die ziemlich groß und von einer sehr
passenden Form ist, um sie da hinein zu tun. Bringe diese einmal her, und wir
wollen sehen, welche Wirkung sie auf das Auge machen werden, wenn wir sie alle
nach ihren verschiedenen Farben geordnet haben.“