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310. Nacht

Der Kalif, welcher gewohnt war, Abu Hassan stets mit einer heiteren Miene, welche nur Frohsinn erweckte, zu erblicken, war sehr überrascht, als er ihn in einem so traurigen Zustand vor sich sah. Er unterbrach die Aufmerksamkeit, womit er das in der Beratung Verhandelte anhörte, und fragte ihn um die Ursache seines Schmerzes.

„Beherrscher der Gläubigen,“ antwortete Abu Hassan unter Schluchzen und wiederholtem Seufzen, „es hätte mir kein größeres Unglück begegnen können, als das ist, welches gegenwärtig meine Betrübnis veranlasst. Gott lasse Euer Majestät noch lange auf dem Thron leben, den ihr so glorreich ausfüllt! Nushatulawadat, die ihr mir gnädigst zur Ehe gegeben habt, um meine noch übrigen Tag mir ihr zu verleben, ach!“ –

Bei diesem Ausruf stellte sich Abu Hassan, als wäre sein Herz so beklommen, dass er nicht weiter sprechen könnte, und brach in Tränen aus.

Der Kalif, welcher merkte, dass Abu Hassan ihm den Tot seiner Frau zu melden kam, schien darüber außerordentlich gerührt zu sein. „Gott sei ihrer Seele barmherzig!“, sagte er mit einer Miene, welche sein Bedauern deutlich verriet. „Sie war eine gute Sklavin, und wir, Sobeïde und ich, gaben sie dir, um dich zu erfreuen. Sie hätte es verdient, noch länger zu leben.“ Tränen flossen hierauf aus seinen Augen, und er musste sein Schnupftuch nehmen, um sie zu trocknen.

Der Schmerz Abu Hassans und des Kalifen Tränen erweckten die des Großwesirs Giafar und der übrigen Wesire. Sie beweinten sämtlich den Tod der Nushatulawadat, die ihrerseits in der höchsten Ungeduld schwebte, zu erfahren, inwiefern es Abu Hassan geglückt wäre.

übrigens hatte der Kalif denselben Gedanken, den seine Frau gehabt, und bildete sich ein, dass er vielleicht die Ursache ihres Todes gewesen wäre. „Unglücklicher,“ sagte er daher zu ihm, im Ton des Unwillens, „warst du es nicht, der deiner Frau durch seine schlechte Behandlung den Tod zuzog? Ach, ich zweifle daran fast nicht. Du hättest wenigstens auf meine Gemahlin Sobeïde einige Rücksicht nehmen sollen, die sie mehr liebte, als alle ihre übrigen Sklavinnen, und die aus Güte sich ihrer beraubte, um sie dir zu überlassen.“

„Beherrscher der Gläubigen,“ antwortete Abu Hassan, indem er sich stellte, als weinte er noch bitterer, als zuvor, „kann Euer Majestät auch nur einen Augenblick den Gedanken hegen, dass Abu Hassan, den ihr mit Gnadenbezeugungen erwiesen habt, die er kaum zu hoffen gewagt, einer solchen Undankbarkeit fähig sein sollte? Ich liebte meine Gattin Nushatulawadat sowohl um dessentwillen, als auch um ihrer vielen andern liebenswürdigen Eigenschaften willen, welche bewirkten, dass ich für sie stets alle die Anhänglichkeit, Zärtlichkeit und Liebe empfand, die sie verdiente. Allein, Herr,“ fuhr er fort, „sie hat nun einmal sterben sollen, und Gott hat nicht gewollt, dass ich ein solches Glück, das ich durch die Güte Euer Majestät und eurer Gemahlin Sobeïde besaß, länger genießen sollte.“

Mit einem Wort, Abu Hassan wusste durch alle möglichen Zeichen einer wirklichen Betrübnis so gut den Schmerz zu erheucheln, dass der Kalif, der übrigens nie gehört hatte, dass sie miteinander übel gelebt hätten, allem dem, was er sagte, Glauben beimaß, und nicht mehr an seiner Aufrichtigkeit zweifelte. Der Schatzmeister des Palastes war eben zugegen, und der Kalif befahl ihm nach dem Schatz zu gehen, und Abu Hassan einen Beutel mit hundert Goldstücken nebst einem Stück Brokat zu reichen. Abu Hassan warf sich sogleich zu den Füßen des Kalifen, um ihm seine Erkenntlichkeit und Dankbarkeit für das Geschenk an den Tag zu legen. „Folge meinem Schatzmeister, “ sagte der Kalif zu ihm. „Das Stück Brokat soll für die Tote zum Leichentuch, und das Geld dazu, um ihr ein würdiges Leichenbegängnis zu veranstalten. Ich erwarte gewiss, das du ihr diesen letzten Beweis deiner Liebe nicht versagen wirst.“

Abu Hassan beantwortete diese verbindlichen Worte des Kalifen durch eine tiefe Verneigung, und entfernte sich. Er folgte dem Schatzmeister, und sobald dieser ihm den Beutel und das Stück Brokat eingehändigt hatte, kehrte er nach Hause zurück, zufrieden, und in sich vergnügt darüber, dass er so schnell und so leicht ein Mittel gefunden hatte, um der Verlegenheit, worin er sich befand, und die ihm so viel Unruhe gemacht, abzuhelfen.

Nushatulawadat, die des langen Zwanges schon ganz müde war, wartete bloß, bis Abu Hassan ihr sagen würde, sie sollte ihre traurige Lage wieder verlassen. Sobald sie daher die Tür öffnen hörte, lief sie ihm entgegen, und fragte ihn: „Nun, hat der Kalif sich ebenso leicht täuschen lassen, als Sobeïde?“

„Du siehst,“ antwortete Abu Hassan scherzend, indem er ihr den Beutel und das Stück Brokat zeigte, “ dass ich es nicht minder gut verstehe, den Betrübten um den Tod einer Frau, der ganz wohl ist, zu spielen, als du die Trauernde um den Tod eines Mannes, der noch ganz frisch und gesund ist.“
Indessen zweifelte Abu Hassan, dass diese doppelte Täuschung ohne Folgen bleiben würde. Daher gab er seiner Frau vorläufig einen Wink über alles, was etwa vorfallen könnte, um mit ihr desto besser im Einverständnis handeln zu können. „Je besser es uns gelingt,“ fügte er hinzu, „den Kalifen und Sobeïde in eine Art von Verlegenheit zu setzen, desto mehr Vergnügen werden sie am Ende darüber empfinden, und vielleicht werden sie uns ihre Zufriedenheit darüber durch neue Beweise ihrer Freigebigkeit bezeigen.“ Diese letzte Rücksicht ermunterte sie mehr, als irgend eine andere, die Verstellung so weit als möglich zu treiben.