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280. Nacht

„Mein Sohn,“ antwortete die Königin Gülnare,
„wenn die Prinzessin Giäuhare allein auf der Welt im Stand ist, dich
glücklich zu machen, so will ich mich keineswegs eurer Vereinigung widersetzen,
wenn sie möglich zu machen ist. Der König, dein Onkel, darf nur den König von
Smandal herkommen lassen, und wir werden alsbald vernehmen, ob er noch immer so
unbeugsam ist wie bisher.“

Wie eng auch der König von Samandal bis jetzt, seit
seiner Gefangennehmung auf Befehl des Königs Saleh, bewacht worden, nichts
desto weniger war er immer mit vieler Achtung behandelt worden, und er hatte
sich mit den Offizieren, die ihn bewachten, auf einen freundlichen Fuß gesetzt.

Der König Saleh ließ nun ein Feuerbecken bringen, warf
eine gewisse Mischung hinein, und sprach dabei geheimnisvolle Worte aus. Sobald
der Rauch anfing emporzusteigen, erschütterte der Palast, und man sah alsbald
den König von Samandal, in Begleitung der Offiziere des Königs Saleh,
erscheinen.

„Der König von Persien warf sich sogleich ihm zu
Füßen, und mit einem Knie auf der Erde, sprach er zu ihm: „Herr, es ist
nicht mehr der König Saleh, der Euer Majestät um die Ehre einer Verbindung mit
euch für den König von Persien bittet: Es ist dieser König von Persien
selber, der euch um diese Gnade anfleht. Ich kann mich nicht überzeugen, dass
ihr den Tod eines Königs wollt, der nicht mehr leben kann, ohne die
liebenswürdige Prinzessin Giäuhare.“

Der König von Samandal duldete den König von Persien
nicht länger zu seinen Füßen. Er umarmte ihn, und nötigte ihn, aufzustehen.

„Herr,“ sprach er darauf, „es sollte mir
sehr leid tun, irgend etwas zu dem Tod eines Königs beigetragen zu haben, der
so würdig ist zu leben. Ist es wahr, dass ein so kostbares Leben nicht ohne den
Besitz meiner Tochter kann erhalten werden, so lebt, Herr, sie ist die eurige.
Sie ist immer meinem Willen sehr gehorsam gewesen, und ich glaube nicht, dass
sie sich diesmal widersetzen wird.“

Nach diesen Worten befahl er einem seiner Offiziere,
welche der König Saleh ihm gelassen hatte, die Prinzessin Giäuhare
aufzusuchen, und sie unverzüglich herzuführen.

Die Prinzessin Giäuhare war stets an demselben Ort
geblieben, wo der König von Persien sie angetroffen hatte. Der Offizier fand
sie dort, und bald sah man ihn mit ihr und ihren Frauen zurückkommen.

Der König von Samandal umarmte die Prinzessin, und sprach
zu ihr: „Meine Tochter, ich habe dir einen Gemahl erwählt: Es ist der
König von Persien, den du hier siehst, der vollkommenste Fürst, welcher
gegenwärtig in der ganzen Welt zu finden ist. Der Vorzug, welchen er dir vor
allen andern Prinzessinnen gegeben hat, verpflichtet mich und dich, ihm dafür
unsere Erkenntlichkeit zu beweisen.“

„Herr Vater,“ antwortete die Prinzessin
Giäuhare, „Euer Majestät weiß wohl, dass ich es niemals an dem
schuldigem Gehorsam habe fehlen lassen, in allem, was ihr von mir gefordert
habt. Ich bin auch jetzt bereit, euch zu gehorchen. Ich hoffe, der König von
Persien wird mir gern die üble Behandlung verzeihen, welche ihm von mir
widerfahren ist. Ich glaube, er ist billig genug, um sie nur dem Drang meiner
kindlichen Pflicht zuzurechnen.“

Die Hochzeit wurde in dem Palast der Zauberstadt mit umso
größerer Festlichkeit gefeiert, als alle Liebhaber der Zauberkönigin im
Augenblick ihres Todes ihre erste Gestalt wieder angenommen hatten und gekommen
waren, dem König von Persien, der Königin Gülnare und dem König Saleh dafür
zu danken, und nun an dem Fest teilnahmen. Es waren sämtlich Königssöhne und
Prinzen, oder doch sonst von vornehmen Stand.

Der König Saleh endlich führte den König von Samandal
nach seinem Königreich zurück, und setzte ihn wieder auf den Thron. Der König
von Persien, der jetzt auf dem Gipfel seiner Wünsche war, kehrte mit seiner
Gemahlin und der Königin Gülnare nach der Hauptstadt von Persien zurück. Die
Königin Farasche und die Prinzessinnen begleiteten sie, und blieben dort, bis
der König Saleh sie abzuholen kam, und sie in sein Reich unter den Fluten des
Meeres heimführte.