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278. Nacht

Der König Beder war sehr ärgerlich, sich so unbesonnen
in diesen bösen Handel verwickelt zu haben, und stieg mit großem Widerwillen
ab.

Die Alte war hurtig darüber her, sich des Zaumes zu
bemächtigen und die Stute abzuzäumen, und noch mehr, mit der Hand Wasser aus
einem mitten in der Straße fließenden Bache zu schöpfen, und die Stute damit
zu bespritzen, indem sie folgende Worte aussprach:

„Meine Tochter, verlass diese fremde Gestalt, und
nimm deine eigene wieder an!“

Die Verwandlung geschah augenblicklich. Der König Beder,
der bei der Erscheinung der Königin Labe vor ihm, ohnmächtig ward, würde zu
Boden gesunken sein, wenn der Greis ihn nicht gehalten hätte.

Die Alte, welche die Mutter der Königin Labe war, und sie
in alle Geheimnisse der Zauberei eingeweiht, hatte nicht sobald ihre Tochter
umarmt und ihr ihre Freude bezeugt, als plötzlich auf ihr Pfeifen ein
scheußlicher Geist erschien, von riesenhafter Gestalt und Größe. Dieser Geist
nahm sogleich den König Beder auf den einen Arm, umfasst die Alte und die
Zauberkönigin mit dem andern, und versetzte sie in wenig Augenblicken nach dem
Palast in der Stadt der Bezauberungen.

Als die Zauberkönigin nun wieder in ihrem Palast war,
machte sie in ihrer Wut dem König Beder heftige Vorwürfe:
„Undankbarer,“ sprach sie zu ihm, „auf solche Weise also gibst du
mit deinem nichtswürdigen Onkel mir deine Dankbarkeit zu erkennen, nachdem ich
so viel für dich getan habe: Ihr sollt es einer wie der andere nach Verdienst
empfinden.“

Mehr sagte sie darüber nicht, aber sie nahm Wasser und
spritzte es ihm ins Gesicht, mit den Worten:

„Verlass diese Gestalt, und nimm die Gestalt eines
garstigen Uhus an!“

Diesen Worten folgte sogleich die Wirkung, und sie befahl
einer ihrer Frauen, den Uhu in einen Käfig zu sperren, und ihm weder Speise
noch Trank zu geben.

Die Frau trug den Käfig weg, und ohne auf das Verbot der
Königin zu achten, setzte sie etwas Futter und Wasser hinein. Zugleich schickte
sie heimlich zu dem alten Abdallah, dessen Freundin sie war, und ließ ihn davon
unterrichten, wie die Königin seinen Neffen behandelt hätte, und gesonnen
wäre, sie beide zu verderben: Damit er es noch verhindern und auf seine eigene
Rettung denken könnte.

Abdallah sah wohl, dass gegen die Königin Labe keine
Schonung mehr zu gebrauchen war. Er pfiff nur auf eine gewisse Weise, und
alsbald erschien vor ihm ein großer Geist mit vier Flügeln, und fragte,
weshalb er ihn gerufen hätte?

„Blitz,“ sprach er zu ihm, (so hieß nämlich
dieser Geist), „es kommt darauf an, dem König Beder, Sohn der Königin
Gülnare, das Leben zu retten. Eile nach dem Palast der Zauberin, und versetze
unverzüglich die mitleidige Frau, der sie den Käfig in Verwahrung gegeben hat,
nach der Hauptstadt von Persien, damit sie die Königin Gülnare von der Gefahr
unterrichtete, in welcher der König, ihr Sohn, schwebt, und wie nötig ihm die
Hilfe ist. Nimm dich in acht, dass du sie nicht erschreckst, indem du vor ihr
erscheinst, und sage ihr von meinetwegen, was sie tun soll.“

Blitz verschwand, und erschien augenblicklich im Palast
der Zauberin. Er unterrichtete die Frau, schwang sich mit ihr in die Luft, und
führte sie so nach der Hauptstadt von Persien, wo er sie auf das flache Dach
niedersetzte, welches mit der Wohnung der Königin Gülnare in Verbindung stand.

Die Frau stieg die Treppe hinab, und fand die Königin
Gülnare und die Königin Farasche, ihre Mutter, beisammen, welche sich eben von
dem traurigen Gegenstand ihrer gemeinsamen Betrübnis unterhielten. Sie machte
ihnen eine tiefe Verneigung, und aus ihrem Bericht erkannten die beiden
Königinnen, wie nötig dem König Beder eine schleunige Hilfe wäre.

Diese Nachricht versetzte die Königin Gülnare in
entzückende Freude, so dass sie von ihrem Sitz aufsprang, und die gefällige
Frau umarmte, um ihr ihre Erkenntlichkeit für den ihr soeben geleisteten Dienst
auszudrücken.

Sie ging sogleich hinaus, und befahl, im Palast die
Trompeten zu blasen und die Pauken und Trommeln zu rühren, um der ganzen Stadt
die baldige Rückkehr des Königs von Persien anzukündigen.

Als sie ins Zimmer zurückkam, fand sie den König Saleh,
ihren Bruder, welchen die Königin Farasche schon durch eine gewisse Räucherung
herbeigerufen hatte.

„Mein Bruder,“ sprach sie zu ihm, „der
König Beder, dein Neffe und mein lieber Sohn, ist in der Stadt der
Bezauberungen in der Gewalt der Königin Labe. Es ist eure, es ist meine
Pflicht, hinzueilen und ihn zu befreien: Es ist keine Zeit dabei zu
verlieren!“