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270. Nacht

Sobald sie diese Worte ausgesprochen hatte, verwandelte
sich der König Beder, mit ebenso viel Verdruss als Erstaunen in einen Vogel von
dieser Gestalt. „Nimm ihn,“ sagte sie sogleich zu einer ihrer Frauen,
„und trag ihn auf das dürre Eiland.“

Diese Insel war nichts als ein scheußlicher Fels, wo es
keinen Tropfen Wasser gab.

Die Frau nahm den Vogel, und indem sie den Befehl der
Prinzessin Giäuhare vollzog, hatte sie jedoch Mitleid mit dem Schicksal des
Königs Beder. „Es wäre doch Schade,“ sprach sie bei sich selber,
„dass ein des Lebens so würdiger Prinz vor Hunger und Durst verschmachten
sollte. Die Prinzessin, sonst so gut und sanft, bereut vielleicht noch selber
einen so grausamen Befehl, wenn sich ihr heftiger Zorn gelegt hat. Es ist
besser, dass ich ihn nach einem Ort trage, wo er vergnügter sterben kann.“

Sie trug ihn also auf eine wohl bevölkerte Insel, und
ließ ihn auf einem sehr angenehmen Gefilde, das mit Fruchtbäumen aller Art
besetzt und von mehreren Bächen bewässert war.

Aber kehren wir jetzt wieder zum König Saleh zurück.

Nachdem er selber die Prinzessin Giäuhare gesucht, und
sie überall im Palast hatte suchen lassen, ohne sie zu finden, ließ er den
König von Samandal in seinem eigenen Palast, unter guter Bewachung, einsperren.
Als er die nötigen Befehle zur Regierung des Reiches während seiner
Abwesenheit erteilt hatte, begab er sich zu der Königin, seiner Mutter, um ihr
von dem Erfolg seiner Unternehmung Bericht abzustatten.

Er fragte gleich bei seiner Ankunft nach seinem Neffen,
und vernahm mit großer Verwunderung und Verdruss, dass er verschwunden war.
„Man brachte uns die Nachricht,“ sagte ihm die Königin, „von der
großen Gefahr, in welcher du im Palast des Königs von Samandal schwebtest, und
während ich Befehle erteilte, um dir neue Hilfe zu senden, oder dich zu
rächen, verschwand er. Er muss über die Nachricht von deiner Gefahr
erschrocken sein, und sich bei uns nicht mehr sicher geglaubt haben.“

Diese Neuigkeit betrübte sehr den König Saleh, der nun
die zu große Willfährigkeit bereute, mit welcher er dem Verlangen des jungen
Königs nachgegeben hatte, ohne zuvor mit der Königin Gülnare deshalb zu
sprechen. Er sandte auf allen Seiten nach ihm aus, aber welche Mühe er sich
auch gab, er bekam keine Kunde von ihm. Anstatt der Freude, dass er eine Heirat,
die er als sein Werk ansah, schon so weit gefördert hatte, war das Leid über
diesen unvermuteten Unfall um so kränkender. In Erwartung guter oder schlimmer
Nachrichten von seinem Neffen, ließ er sein Königreich unter der Verwaltung
seiner Mutter, und ging hin und regierte das Reich des Königs von Samandal,
welchen er fortwährend mit großer Vorsicht, obwohl mit allen seinem Rang
gebührenden Rücksichten, bewachen ließ.

Denselben Tag, wo der König Saleh nach dem Königreich
Samandal zurückgekehrt war, kam die Königin Gülnare, Mutter des Königs
Beder, zu der Königin, ihrer Mutter. Sie hatte sich nicht gewundert, den
König, ihren Sohn, am Tag seiner Abreise nicht zurückkommen zu sehen. Sie
hatte sich eingebildet, dass die Hitze der Jagd, wie ihm das schon einige Mal
begegnet war, ihn weiter geführt, als er sich vorgesetzt hatte. Als sie ihn
aber am andern Morgen und auch den folgenden Tag nicht zurückkommen sah, so
geriet sie darüber in eine Unruhe, welche man leicht nach ihrer Zärtlichkeit
für ihn ermessen konnte. Diese Unruhe ward noch viel größer, als sie von den
Offizieren, die ihn begleitet hatten und genötigt waren, heim zu kommen,
nachdem sie ihn und Saleh lange vergeblich gesucht hatten, vernahm, dass beiden
etwas widriges begegnet, oder sie beisammen an irgend einem Ort sein müssten,
welchen sie nicht erforschen könnten, dass sie wohl ihre Pferde gefunden, aber
von ihnen selber keine Kunde erlangen könnten, wie viele Mühe sie sich auch
deshalb gegeben hätten.

Auf diesen Befehl hatte die Königin Gülnare beschlossen,
sich zu verstellen und ihre Betrübnis zu verbergen, und den Boten aufgetragen,
sogleich wieder umzukehren und neue Nachsuchungen anzustellen. Während dieser
Zeit hatte sie ihren Entschluss gefasst, und, nachdem sie ihren Frauen gesagt,
dass sie allein sein wollte, sich ins Meer gestürzt, um sich über ihren
Verdacht aufzuklären, dass wohl der König Saleh den König von Persien mit
sich geführt haben könnte.

Diese große Königin wäre von der Königin, ihrer
Mutter, mit großem Vergnügen empfangen worden, wenn diese nicht sogleich bei
ihrem Anblick den Beweggrund ihres Kommens gemerkt hätte. „Meine
Tochter,“ sprach sie zu ihr, „du kommst nicht, mich zu besuchen, ich
sehe es wohl, sondern du kommst um dich bei mir nach deinem Sohn zu erkundigen.
Aber was ich dir davon zu sagen weiß, kann nur deine Betrübnis noch vermehren,
sowohl wie die meinige. Ich hatte eine große Freude, ihn mit seinem Onkel
herkommen zu sehen, aber ich hatte nicht sobald vernommen, dass er, ohne dir
etwas zu sagen, abgereist wäre, als ich den Kummer teilte, welchen du darüber
empfinden musstest.“

Sie erzählte ihr hierauf, mit welchem Eifer der König
Saleh selber hingegangen wäre, um die Prinzessin Giäuhare zu werben, und was
darauf erfolgt, bis zu dem Augenblick, wo der König Beder verschwunden war.

„Ich habe Leute nach ihm ausgeschickt,“ fügte
sie hinzu, „und der König, mein Sohn, welcher soeben abgereist ist, um das
Königreich Samandal zu regieren, hat seinerseits auch alle Mühe angewendet.
Alles ist bis jetzt vergeblich gewesen, aber wir müssen hoffen, dass wir ihn
wieder sehen werden, wenn wir es am wenigsten vermuten.“

Die trostlose Gülnare beruhigte sich nicht sogleich bei
dieser Hoffnung. Sie hielt ihren lieben Sohn für verloren, und weinte
bitterlich, indem sie alle Schuld auf ihren Bruder schob.

Die Königin, ihre Mutter, gab ihr zu bedenken, dass sie
sich einigen Zwang antun müsste, um nicht ihrem Schmerz zu erliegen. „Es
ist wahr,“ sprach sie zu ihr, „der König, dein Bruder, hätte nicht
so unvorsichtig von dieser Heirat mit dir reden, noch darein willigen sollen,
den König, meinen Enkel, mitzunehmen, ohne dich zuvor davon zu benachrichtigen.
Es es aber keineswegs gewiss ist, dass der König von Persien umgekommen, so
darfst du nichts verabsäumen, ihm sein Königreich zu erhalten. Verliere also
keine Zeit, sondern kehre nach deiner Hauptstadt zurück. Deine Gegenwart ist
dort notwendig, und es wird dir nicht schwer fallen, alles in dem friedlichen
Stand zu erhalten, worin es sich befindet, indem du bekannt machen lässt, dass
es dem König von Persien gefallen hat, uns zu besuchen.“

Es bedurfte nicht weniger, als eines so starken Antriebes,
wie dieser war, um die Königin Gülnare zur Nachgiebigkeit zu bewegen. Sie nahm
Abschied von der Königin, ihrer Mutter, und war schon wieder im Palast der
Hauptstadt von Persien, bevor man ihre Abwesenheit bemerkt hatte.

Sie fertigte sogleich Boten ab, um die Leute, welche sie
zur Aufsuchung ihres Sohnes ausgeschickt hatte, zurück zu rufen, und ihnen zu
sagen, sie wüsste schon, wo er wäre, und man würde ihn bald wieder sehen. Sie
ließ das Gerücht davon auch durch die ganze Stadt verbreiten und führte
unterdessen die Regierung mit dem ersten Minister und dem Staatsrat ebenso
ruhig, als wenn der König Beder gegenwärtig gewesen wäre.

Um nun auf den König Beder zurück zu kommen, welchen
eine Frau der Prinzessin Giäuhare auf die Insel getragen und dort gelassen
hatte, wie ich gesagt habe, so war dieser Fürst in großer Bestürzung, als er
sich allein und in der Gestalt eines Vogels sah. Er fühlte sich in diesem
Zustand umso unglücklicher, als er nicht wusste, wo er war, noch in welcher
Weltgegend das Königreich Persien lag. Und wenn er dies auch gewusst und seinen
Flügeln Stärke genug zugetraut hätte, sich über so viele Meere zu wagen und
dorthin zu gelangen, was hätte er anders damit gewonnen, als dieselbe Mühe und
dieselbe Schwierigkeit, wie hier, nämlich, auch nur für einen Menschen erkannt
zu werden, geschweige für den König von Persien? Er war also gezwungen, zu
bleiben, wo er war, von der Nahrung der Vögel seiner Gattung zu leben und die
Nacht auf einem Baum zuzubringen.

Nach Verlauf etlicher Tage kam ein Bauer, der sehr
geschickt im Vogelstellen war, in die Gegend seines Aufenthaltes, und hatte eine
große Freude, als er einen so schönen Vogel erblickte, von einer ihm noch
unbekannten Gattung, obwohl er schon lange Jahre den Vogelfang trieb. Er wandte
alle ihm mögliche Geschicklichkeit an, und stellte seine Netze so gut, dass er
den Vogel fing. Erfreut über einen so guten Fang, welcher seiner Schätzung
nach, der Seltenheit wegen, ihm mehr einbringen musste, als viele andere Vögel
zusammen, wie er sie gewöhnlich fing, setzte er ihn in einen Käfig, und trug
ihn nach der Stadt.

Sobald er damit auf den Markt kam, hielt ein Bürger ihn
an, und fragte ihn, wie teuer er den Vogel verkaufen wollte.

Anstatt auf diese Frage zu antworten, fragte der Bauer
wiederum den Bürger, was er mit dem Vogel machen gedächte, wenn er ihn gekauft
hätte.

„Guter Freund,“ erwiderte der Bürger, „Was
meinst du, dass ich sonst mit ihm tun soll, als ihn braten lassen, um ihn zu
essen.“

„Demnach,“ versetzte der Bauer, „gedächtet
ihr ihn wohl gut bezahlt zu haben, wenn ihr mir die kleinste Silbermünze für
ihn gebt. Ich halte ihn weit höher, und es wäre nicht euer Handel, mir ein
Goldstück dafür zu geben. Ich bin doch schon alt, aber so lange ich denken
kann, habe ich noch nie seinesgleichen gesehen. Ich will dem König ein Geschenk
damit machen: Er wird sich besser auf den Wert desselben verstehen, als
ihr.“

Anstatt auf dem Markt sich aufzuhalten, ging der Bauer
nach dem Palast, und blieb vor der Wohnung des Königs stehen. Der König stand
an einem Fenster, wo er alles sah, was auf dem Platz vorging. Als er den
schönen Vogel erblickte, sandte er einen Befehlshaber der Verschnittenen hin,
mit dem Auftrag, ihm denselben zu kaufen.

Der Verschnittene kam zu dem Bauern, und fragte ihn, wie
teuer er den Vogel verkaufen wollte. „Wenn es für Seine Majestät
ist,“ antwortete der Bauer, „so bitte ich sie, zu genehmigen, dass ich
ihr ein Geschenk damit mache, und ersuche euch, ihn hineinzutragen.“

Er Verschnittene trug den Vogel zu dem König, und der
König fand ihn so sonderbar, dass er dem Verschnittenen befahl, dem Bauern zehn
Goldstücke hinzugeben, mit welchen dieser sehr vergnügt nach Hause ging.
Hierauf setzte er den Vogel in einen prächtigen Käfig, und gab ihm Körner und
Wasser in kostbaren Gefäßen.

Der König, der gerade im Begriff war, zu Pferd zu
steigen, um auf die Jagd zu reiten, so dass er nicht Zeit hatte, den Vogel genau
zu betrachten, ließ ihn sich gleich bei seiner Heimkunft bringen.

Der Verschnittene brachte den Käfig: Um ihn besser zu
betrachten, öffnete der König selber die Türe, und nahm den Vogel auf seine
Hand. Indem er ihn mit großer Verwunderung ansah, fragte er den Verschnittenen,
ob er gefressen hätte. „Herr,“ antwortete dieser, „Euer
Majestät kann sehen, dass sein Futtergefäß noch voll ist, und ich habe nicht
bemerkt, dass er es berührt hat.“ Der König befahl, ihm Futter
verschiedener Art zu geben, damit er sich aussuchen könnte, was ihm schmeckte.

Da der Tisch schon gedeckt war, so wurde aufgetragen,
während der König diese Vorschrift erteilte. Sobald die Schüsseln aufgesetzt
waren, schlug der Vogel mit den Flügeln, entschlüpfte der Hand des Königs,
flog auf den Tisch, und begann das Brot und die Speisen anzupicken, bald die
eine, bald die andere Schüssel.

Der König war so erstaunt hierüber, dass er den
Befehlshaber der Verschnittenen zu der Königin schickte, damit sie dieses
Wunder zu schauen käme. Der Verschnittene erzählte der Königin mit wenigen
Worten die Sache, und die Königin kam sogleich. Aber sobald sie den Vogel
erblickte, bedeckte sie ihr Antlitz mit dem Schleier, und wollte wieder
weggehen. Der König, über diese Handlung umso mehr verwundert, als nur
Verschnittene und die Frauen ihres Gefolges im Zimmer waren, fragte sie, warum
sie sich so gebärdete.

„Herr,“ antwortete die Königin, „Euer
Majestät wird nicht verwundert darüber sein, wenn ihr vernehmt, dass dieser
Vogel nicht ein Vogel ist, wie ihr euch einbildet, sondern ein Mann.“

„Herrin,“ erwiderte der König, noch erstaunter
als zuvor, „ihr wollt ohne Zweifel euren Scherz mit mir treiben. Ihr werdet
mich nimmer überreden, dass dieser Vogel ein Mann ist.“

„Herr, Gott verhüte, dass ich mit Euer Majestät
Scherz treibe! Nichts ist wahrhafter, als was ich die Ehre habe euch zu sagen:
Und ich versichere euch, es ist der König von Persien, Namens Beder, Sohn der
berühmten Gülnare, der Prinzessin eines der größten Königsreichs des
Meeres, und Enkel der Königin Farasche1), der Mutter Gülnares und Salehs. Es
ist die Prinzessin Giäuhare, Tochter des Königs von Samandal, welche ihn so
verwandelt hat.“

Kurz, damit der König nicht mehr daran zweifeln konnte,
so erzählte sie ihm, wie und warum die Prinzessin Giäuhare also die üble
Behandlung gerächt hatte, welche ihrem Vater, dem König von Samandal, von dem
König Saleh widerfahren war.

Der König glaubte umso leichter alles, was die Königin
ihm von dieser Geschichte erzählte, da er sie als eine der zauberkundigsten
Frauen kannte, die es jemals auf der Welt gab, und da ihr nichts verborgen
blieb, was vorging, so dass er durch ihre Vermittlung von den bösen Absichten
seiner Nachbarkönige gegen ihn alsbald unterrichtet war, und ihnen zuvorkam. Er
hatte Mitleid mit dem König von Persien, und bat die Königin inständig, die
Bezauberung aufzulösen, welche ihn in dieser Gestalt festhielt.

Die Königin bewilligte es mit vielem Vergnügen.
„Herr,“ sagte sie zu dem König, „Euer Majestät geruhe, mit dem
Vogel in ihr Gemach zu treten, und ich will euch in wenigen Augenblicken einen
König sehen lassen, welcher der Achtung würdig ist, welche ihr für ihn
hegt.“

Der Vogel, welcher aufgehört hatte zu essen, um auf die
Unterredung des Königs und der Königin zu merken, machte dem König nicht die
Mühe, ihn erst zu fangen. Er flog voran in das Gemach, und die Königin kam
bald danach hinein, mit einem Gefäß voll Wasser in der Hand. Sie sprach über
das Gefäß einige, dem König unverständliche Worte, bis das Wasser anfing zu
sieden. Sogleich nahm sie etwas davon in die Hand, bespritze damit den Vogel,
indem sie sprach:

„Durch die Kraft der heiligen und geheimnisvollen
Worte, welche ich soeben ausgesprochen habe, und im Namen des Schöpfers des
Himmels und der Erden, welcher die Toten auferweckt und das Weltall in seinem
Stand erhält, verlass diese Vogelgestalt, und nimm die Gestalt wieder an,
welche du von deinem Schöpfer empfangen hast.“

Kaum hatte die Königin diese Worte ausgesprochen, als der
König, anstatt des Vogels, einen jungen, schön gewachsenen Prinzen erscheinen
sah, dessen edler Anstand und herrliche Miene ihn bezauberte.

Der König Beder warf sich sogleich auf die Knie und
dankte Gott für die erzeigte Gnade. Alsdann ergriff er, indem er wieder
aufstand, die Hand des Königs und küsste sie, um ihm seine innige
Erkenntlichkeit auszudrücken. Aber der König umarmte ihn mit großer Freude,
und bezeugte ihm, wie viel Vergnügen es ihm machte, ihn zu sehen. Beder wollte
auch der Königin danken, aber sie hatte sich schon in ihr Gemach
zurückgezogen.

Der König setze sich mit ihm zu Tisch, und nach der
Mahlzeit bat er ihn, zu erzählen, wie die Prinzessin Giäuhare so unmenschlich
hätte sein können, einen so liebenswürdigen Prinzen, wie er wäre, in einen
Vogel zu verwandeln. Der König von Persien befriedigte sogleich seine Neugier.

Als er geendigt hatte, konnte der König, voll Unwillens
über das Verfahren der Prinzessin, sich nicht enthalten, sie zu tadeln.
„Es war löblich von der Prinzessin von Samandal,“ sprach er,
„dass sie bei der Behandlung ihres Vaters nicht gleichgültig blieb, dass
sie aber die Rache so weit trieb, gegen einen Prinzen, der daran unschuldig war,
das ist etwas, das sie nimmer verantworten kann. Aber lassen wir dies jetzt
beiseite, und sagt mir, worin ich euch sonst noch dienen kann.“

„Herr,“ antwortete der König Beder, „meine
Verpflichtung gegen Euer Majestät ist so groß, dass ich mein ganzes Leben lang
bei euch bleiben müsste, um euch meine Dankbarkeit dafür zu bezeugen. Da ihr
aber eurer Großmut keine Schranken setzt, so bitte ich euch, mir gütigst eins
eurer Schiffe zu bewilligen, um mich nach Persien zurückzuführen, wo ich
fürchten muss, dass meine nur schon zu lange Abwesenheit Verwirrung angerichtet
hat, und wohl gar die Königin, meine Mutter, der ich meine Abreise verborgen
habe, in der Ungewissheit über mein Schicksal, vor Schmerz gestorben sein
mag.“

Der König gewährte ihm mit der größten Willfährigkeit
von der Welt seine Bitte, und ohne Aufschub gab er Befehl zur Ausrüstung eines
der stärksten Schiffe und der schnellsten Segler von seiner zahlreichen Flotte.

Das Schiff wurde alsbald mit allem Nötigen versehen, mit
Matrosen, Soldaten, Lebensmitteln und Kriegsvorrat. Sobald der Wind günstig
war, schiffte sich Beder darauf ein, nachdem er vom König Abschied genommen,
und ihm für alle die Wohltaten gedankt hatte, welche er ihm schuldig war.

Das Schiff ging unter Segel, in welche der Wind blies und
es bald auf seiner Fahrt beträchtlich vorwärts trieb. Am elften Tag ward es
etwas widrig. Er nahm zu, und ward zuletzt so heftig, dass er zum wütenden
Sturm anwuchs. Das Schiff kam nicht allein von seinem Weg ab, sondern es wurde
auch so stark hin- und hergeworfen, dass alle seine Masten zerbrachen, und es
so, ein Spiel der Wellen, auf eine Klippe stieß und scheiterte.

Der größte Teil der Mannschaft ertrank sogleich. Einige
vertrauten der Kraft ihrer Arme, um sich durch Schwimmen zu retten, und andere
hielten sich an ein Stück Holz oder an ein Brett.

Beder war unter diesen letzten, und bald von der
Strömung, bald von den Wogen fortgerissen, war er in großer Ungewissheit über
sein Schicksal. Endlich gewahrte er, dass er dem Land nahe war, und unweit einer
ansehnlich erscheinenden Stadt. Er wandte alle ihm übrige Kraft an, das Land zu
erreichen, und kam endlich so nahe ans Ufer, wo das Meer ruhig war, dass er den
Grund berührte. Sogleich ließ er das Stück Holz fahren, welches ihm so große
Hilfe gewährt hatte.

Aber indem er aus dem Wasser vorschritt, das Trockene zu
erreichen, war er sehr verwundert, als er von allen Seiten Pferde, Kamele,
Maulesel, Esel, Ochsen, Kühe, Stiere und andere Tiere, die am Ufer standen,
herbeilaufen sah, um ihn zu hindern, dasselbe zu betreten. Er hatte alle Mühe
von der Welt, ihre Abwehr zu überwinden, und sich einen Weg durch sie hin zu
bahnen. Als er endlich zum Ziel kam, setzte er sich auf einen Felsen in
Sicherheit, bis er sich etwas erholt und seine Kleider an der Sonne getrocknet
hatte.

Als er hierauf weiter in die Stadt gehen wollte, fand er
abermals dieselbe Schwierigkeit mit denselben Tieren, als wenn sie ihn von
seinem Vorhaben abermals abwendig machen und ihm zu verstehen geben wollten,
dass Gefahr für ihn dabei wäre.

Der König Beder trat in die Stadt, und sah hier viele
schöne und breite Straßen, aber zu seiner großen Verwunderung begegnete er
keinem einzigen Menschen. Diese große Einsamkeit ließ ihn ahnen, dass die
vielen Tiere nicht ohne Grund alles mögliche getan hätten, um ihn von dem
Eintritt in die Stadt abzuhalten. Gleichwohl schritt er weiter, und bemerkte
mehrere offene Läden, welche ihm anzeigten, dass die Stadt doch nicht so
unbewohnt war, als er gedacht hatte. Er näherte sich einem dieser Läden, wo
verschiedene Arten Früchte auf sehr einladende Weise zum Verkauf ausgestellt
waren, und grüßte den Greis, der darin saß.


1)
Farasche, arabisch Faradsch, heißt Freude, Ergötzen.