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237. Nacht

„Herr, das Schiff war nicht minder glücklich bei der
überfahrt mit dem Prinzen nach der Ebenholzinsel, als es bei der Ausfahrt
gewesen war, um ihn aus der Stadt der Götzendiener zu holen. Obwohl es schon
Nacht war, als der Hauptmann in dem Hafen anlegte, so unterließ er jedoch
nicht, sogleich ans Land zu gehen und Kamaralsaman nach dem Palast zu führen,
wo er dem König vorgestellt zu werden verlangte.

Die Prinzessin Badur, die sich schon in den inneren Palast
zurückgezogen hatte, war nicht sobald von seiner Wiederkehr und Kamaralsamans
Ankunft benachrichtigt, als sie heraus kam, mit ihm zu sprechen. Zuerst warf sie
die Augen auf den Prinzen, ihren Gemahl, um welchen sie seit ihrer Trennung so
viele Tränen vergossen hatte, und erkannte ihn sogleich unter seinem schlechten
Kleid. Der Prinz dagegen, der vor einem König zitterte, dem er von einer
eingebildeten Schuld Rechenschaft geben sollte, hatte nicht einmal einen
Gedanken daran, dass es diejenige wäre, die er so sehnlich wieder zu finden
wünschte. Hätte die Prinzessin ihrer Neigung folgen dürfen, so wäre sie auf
ihn zugestürzt, und hätte sich durch eine Umarmung zu erkennen gegeben, aber
sie glaubte, es wäre für sie beide rätlich, noch eine Weile die Rolle des
Königs fortzuspielen, bevor sie sich zu erkennen gäbe. Sie begnügte sich also
damit, dass sie einem gegenwärtigen Beamten befahl, Sorge für ihn zu tragen,
und ihn bis Morgen wohl zu pflegen.

Nachdem die Prinzessin Badur für den Prinzen Kamaralsaman
gesorgt hatte, belohnte sie auch den wichtigen Dienst, welchen der
Schiffshauptmann ihr geleistet hatte: Sie befahl einem anderen Beamten, auf der
Stelle hinzugehen und die an seine Waren gelegten Siegel abzunehmen, und
entließ ihn mit einem kostbaren Diamant, der ihn für die gemachte Fahrt weit
über die Unkosten derselben belohnte. Ja, sie sagte ihm noch, dass er die für
die Olivenkrüge bezahlten tausend Goldstücke nur behalten möchte. Sie würde
sich schon mit dem von ihm hergeführten Kaufmann abfinden.

Endlich begab sie sich wieder in das Zimmer der Prinzessin
der Ebenholzinsel, der sie ihre Freude mitteilte, dabei jedoch sie bat, ihr
Geheimnis noch zu bewahren, und ihr die Maßregeln vertraute, welche sie für
dienlich hielt zu beobachten, bevor sie sich dem Prinzen Kamaralsaman und ihn
selber für das zu erkennen gäbe, was er wäre. „Es ist,“ fügte sie
hinzu, „ein so großer Abstand von einem Gärtner zu einem hohen Fürsten,
dass es gefährlich wäre, ihn in einem Augenblick aus dem niedrigsten Stand des
Volkes zur höchsten Stufe hinüber springen zu lassen, so gerecht es auch
wäre.“

Die Prinzessin der Ebenholzinsel, weit entfernt,
treubrüchig zu werden, ging gern in ihren Plan ein, und versicherte ihr, dass
sie selber mit größtem Vergnügen alles tun würde, was sie wünschte.

Am folgenden Morgen, nachdem die Prinzessin von China,
unter dem Namen, Kleid und Ansehen eines Königs der Ebenholzinsel, dafür
gesorgt hatte, dass der Prinz Kamaralsaman frühzeitig in ein Bad war geführt
worden und das Kleid eines Emirs oder Statthalters angelegt hatte, ließ sie ihn
in die Ratsversammlung einführen, wo er durch sein schönes Aussehen und durch
das königliche Wesen seiner ganzen Person die Augen aller gegenwärtigen Herren
auf sich zog.

Die Prinzessin Badur selber war bezaubert, ihn so
liebenswürdig wieder zu sehen, wie sie ihn sonst so oft gesehen hatte, und dies
ermutigte sie noch mehr, in der vollen Versammlung sein Lob zu erheben. Nachdem
er, auf ihren Befehl, seinen Sitz im Range der Emire eingenommen hatte, sprach
sie, indem sie sich zu den übrigen Emiren wandte: „Ihr Herren,
Kamaralsaman, den ich euch heute zum Genossen gebe, ist der Stelle nicht
unwürdig, welche er unter euch einnimmt: Ich kenne ihn hinlänglich von meinen
Reisen her, um für ihn Bürge zu sein. Ich kann euch versichern, dass er sich
sowohl durch seine Tapferkeit und tausend andere gute Eigenschaften, als durch
die Größe seines Geistes, auszeichnen wird.“

Kamaralsaman war höchst erstaunt, als er den König der
Ebenholzinsel, den er weit entfernt war für eine Frau, geschweige für seine
geliebte Prinzessin zu halten, sich nennen, und ihn versichern hörte, dass er
ihn kenne. Da er gewiss war, dass er nirgendwo mit ihm zusammengekommen, so war
er noch erstaunter über die unmäßigen Lobsprüche, welche er hier von ihm
empfing.

Diese zwar mit vieler Würde ausgesprochenen
Lobeserhebungen brachten ihn jedoch nicht außer Fassung. Er empfing sie mit
einer Bescheidenheit, die genügend bezeugte, dass er sie verdiente, aber dass
sie ihn nicht eitel machten. Er warf sich vor dem Thron des Königs nieder, und
indem er sich wieder erhub, sprach er:

„Herr, ich habe keine Worte, um Euer Majestät für
die große Ehre zu danken, die sie mir erweist. Noch weniger vermag ich es für
so viel Güte. Ich werde alles tun, was in meinen Kräften steht, um mich
derselben würdig zu machen.“

Von der Ratsversammlung wurde der Prinz durch einen
Beamten in einen Palast geführt, welchen die Prinzessin Badur schon eigens für
ihn hatte einrichten lassen. Hier fand er Hausbeamte und Gesinde, seiner Befehle
gewärtig, und einen Marstall voll sehr schöner Pferde. Die Prinzessin hatte
dafür gesorgt, dass er die Emirswürde auch behaupten könnte, womit er soeben
war beehrt worden. Als er in seine Zimmer getreten war, überreichte sein
Haushofmeister ihm eine Kasse voll Goldstücke. Je weniger er begreifen konnte,
woher dieses große Glück ihm käme, um so mehr war er in Verwunderung
darüber. Nimmermehr hatte er einen Gedanken daran, dass die Prinzessin von
China die Ursache desselben wäre.

Nach Verlauf von zwei oder drei Jahren wollte die
Prinzessin Badur dem Prinzen Kamaralsaman noch mehr Zutritt zu ihr geben und
zugleich ihn noch mehr auszeichnen, sie begnadigte ihn also mit der Stelle des
Großschatzmeisters, die eben erledigt war. Er verwaltete dieses Amt mit der
höchsten Strenge, und verpflichtete sich dabei gleichwohl alle Welt, so dass er
sich durch seine Gerechtigkeit und Freigebigkeit nicht allein die Freundschaft
aller Herren des Hofes erwarb, sondern selbst das Herz des ganzes Volkes gewann.

Kamaralsaman wäre der glücklichste aller Menschen
gewesen, weil er sich in so hoher Gunst bei einem fremden König sah, die noch
täglich zunahm, wenn er nur seine Prinzessin gehabt hätte. Mitten in seinem
Glück ließ er nicht ab, sich zu härmen, da er keine Kunde von ihr in einem
Land vernahm, durch welches sie, wie es schien, hätte kommen müssen, nachdem
sie auf eine für beide so schmerzliche Weise getrennt worden war.

Er hätte auf die Spur kommen können, wenn die Prinzessin
den Namen Kamaralsaman, welchen sie mit seinem Kleid angenommen, behalten
hätte. Aber sie hatte denselben bei ihrer Thronbesteigung abgelegt und zu Ehren
des alten Königs, ihres Schwähers, den Namen Armanos angenommen.
Solchergestalt kannte man sie nicht anders, als unter dem Namen Königs Armanos
des Jüngern. Nur einige Hofleute erinnerten sich noch des Namens Kamaralsaman,
wie sie sich bei ihrer Ankunft auf der Ebenholzinsel nennen ließ. Kamaralsaman
war noch nicht vertraut genug mit ihnen geworden, um dieses zu wissen, aber
endlich konnte er es wohl erfahren.

Da nun die Prinzessin Badur fürchtete, dass dies
geschähe, aber wünschte, dass Kamaralsaman ihre wieder Erkennung nur ihr allein
verdanken sollte, so beschloss sie, ihrer eigenen Qual und zugleich den Leiden
Kamaralsamans ein Ende zu machen. Denn sie hatte bemerkt, so oft sie sich von
seinen Amtsgeschäften mit ihm unterhielt, dass er von Zeit zu Zeit Seufzer
ausstieß, die nur ihr gelten konnten. Und sie selber lebte in einem Zwang, von
welchem sie sich nunmehr befreien wollte. Die Freundschaft der Großen, die
Gunst und die Liebe des Volks, alles trug übrigens dazu bei, sie der Krone der
Ebenholzinsel ohne Hindernis zu versichern.

Sobald die Prinzessin Badur, im Einverständnis mit der
Prinzessin Ha