Project Description

236. Nacht

„Herr, der Prinz Kamaralsaman war, wie man denken
kann, in der äußersten Betrübnis, als er sich gezwungen sah, noch länger in
einem Land zu bleiben, wo er keinen Umgang hatte, noch haben wollte, und
abermals ein Jahr auf die Gelegenheit zu warten, welche er jetzt versäumt
hatte. Noch trostloser war für ihn, dass er den Talisman der Prinzessin Badur
wieder aus den Händen gegeben hatte, den er nun für verloren hielt.

Es blieb ihm nichts anderes übrig, als nach dem Garten,
den er verlassen hatte, zurückzukehren, ihn von dem Eigentümer zu mieten, und
fort zu fahren denselben zu bauen, unter Tränen über sein Unglück und
Missgeschick. Da er allein nicht den Anbau zu bestreiten vermochte, so nahm er
einen Burschen in Dienst. Und um auch den andern Teil des Schatzes, welcher
durch den Tod des Gärtners ihm zugefallen war, in Sicherheit zu bringen, tat er
den Goldstaub in fünfzig andere Krüge, die er oben mit Oliven füllte, um sie
zu seiner Zeit mit sich einzuschiffen.

Während der Prinz Kamaralsaman ein neues Jahr des
Kummers, des Schmerzes und der Sehnsucht begann, setzte das Schiff seine Fahrt
mit sehr günstigem Wind fort, und langte glücklich in die Hauptstadt der
Ebenholzinsel an.

Da der Palast am Ufer des Meeres stand, so erblickte der
neue König, oder vielmehr die Prinzessin Badur, das Schiff, als es mit wehenden
Flaggen in den Hafen einlief, und fragte, was für ein Schiff es wäre, worauf
man ihr sagte: Dass es alljährlich in derselben Jahreszeit von der Stadt der
Götzendiener käme und gewöhnlich mit reichen Waren beladen wäre.

Die Prinzessin, mitten in dem sie umgebenden Glanze doch
immer mit dem Andenken Kamaralsamans beschäftigt, gedachte, dass Kamaralsaman
sich darauf eingeschifft haben könnte, und es fiel ihr ein, ihm zuvorzukommen
und entgegen zu gehen, nicht, um sich zu erkennen zu geben (denn sie war wohl
gewiss, dass er sie nicht erkennen würde) sondern um sich seiner zu versichern,
und danach die besten Maßregeln zu ihrer Wiedervereinigung zu nehmen.

Unter dem Vorwand, sich selber nach den Waren zu
erkundigen, sie zuerst zu sehen und die ihr anstehenden auszuwählen, befahl
sie, ihr ein Pferd vorzuführen. Sie begab sich nach dem Hafen, in Begleitung
mehrerer Beamten, die bei ihr waren, und kam gerade dort an, als der Hauptmann
ans Land getreten war. Sie ließ ihn vor sich kommen, und fragte: Woher er
käme, wie lange er unterwegs gewesen, was für gute oder schlimme Abenteuer ihm
auf der Fahrt zugestoßen, ob er nicht einen oder den anderen ausgezeichneten
Fremden mitbrächte, und vor allem, womit sein Schiff beladen wäre.

Der Schiffshauptmann beantwortete alle ihre Fragen. In
Betreff der Fremden versicherte er, es wären nur Kaufleute, die gewöhnlich
herkämen, und sehr reiche Stoffe aus verschiedenen Ländern mitbrächten,
desgleichen seine Leinwand, bemalte und unbemalte, Juwelen, Moschus, grauen
Ambra, Kampfer, Zibeth, Gewürze, Arzneiwaren, Oliven und mehrere andere Waren.

Die Prinzessin Badur liebte leidenschaftlich die Oliven.
Sobald sie diese nennen hörte, sagte sie zu dem Hauptmann: „Ich nehme alle
in Beschlag, die ihr habt. Lasst sie unverzüglich ausschiffen, um den Handel
abzuschließen. Was die übrigen Waren betrifft, so sagt den Kaufleuten, sie
sollen das Schönste davon mir bringen, bevor sie es jemand anders zeigen.“

„Herr,“ erwiderte der Hauptmann, „es sind
fünfzig sehr große Krüge: Aber sie gehören einem Kaufmann, der
zurückgeblieben ist. Ich selber hatte ihn von der Abfahrt des Schiffes
benachrichtigt, und wartete lange auf ihn. Da ich aber sah, dass er nicht kam,
und seine Zögerung mich verhinderte, den günstigen Wind zu benutzen, so verlor
ich die Geduld, und ging unter Segel.“

„Lasst sie gleichwohl ausschiffen,“ sagte die
Prinzessin, „das soll uns nicht hindern, den Handel darüber
abzuschließen.“

Der Hauptmann schickte sein Boot nach dem Schiff, und es
kam alsbald mit den Oliven beladen wieder. Die Prinzessin fragte, was die
fünfzig Krüge auf der Ebenholzinsel gelten könnten.

„Herr,“ antwortete der Hauptmann, „der
Kaufmann ist sehr arm: Euer Majestät wird im keine sonderliche Gnade antun,
wenn sie ihm tausend Silberstücke gibt.“

„Damit er zufrieden sein,“ erwiderte die
Prinzessin, „und in Betracht dessen, was ihr mir von seiner Armut sagt,
soll man euch tausend Goldstücke auszahlen, die ihr ihm überliefern
werdet.“

Sie erteilte sogleich Befehl zur Auszahlung, und nachdem
sie in ihrer Gegenwart die Krüge hatte wegtragen lassen, kehrte sie nach dem
Palast zurück.

Da die Nacht herannahte, begab sich die Prinzessin Badur
in den inneren Palast, ging in das Zimmer der Prinzessin Ha