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23. Nacht

Gegen das Ende der 23. Nacht weckte Dinarsade
die Sultanin, und sagte zu ihr: „Meine Schwester, ich bin äußerst
ungeduldig, die Fortsetzung der Geschichte des Fischers zu hören.“

Scheherasade nahm sie, mit Erlaubnis des
Sultans, folgendermaßen wieder auf:

„Herr, ich überlasse es Euer Majestät,
zu ermessen, wie groß das Erstaunen des Sultans war, als er die vier Fische
sah, welche der Fischer ihm überreichte. Er nahm sie, einen nach dem andern, um
sie mit Aufmerksamkeit zu betrachten, und nachdem er sie lange bewundert hatte,
sagte er zu seinem ersten Wesir: „Nimm diese Fische, und trage sie zu der
geschickten Köchin, welche der griechische Kaiser mir geschickt hat: Ich bilde
mir ein, dass sie nicht minder schmackhaft, als schön, sein werden.“

Der Wesir trug sie selber zu der Köchin, und
indem er sie ihren Händen übergab, sagte er zu ihr: „Da sind vier Fische,
welche man soeben dem Sultan gebracht hat. Er befiehlt dir, sie ihm
zuzurichten.“

Nachdem er sich dieses Auftrages entledigt
hatte, kehrte er zu dem König, seinem Herrn zurück, welcher ihm befahl, dem
Fischer vierhundert Goldstücke zu geben: Was er auch getreulich erfüllte.

Der Fischer, welcher niemals eine so große
Summe auf einmal besessen hatte, konnte kaum sein Glück fassen, und es kam ihm
vor wie ein Traum. Aber er erkannte in der Folge wohl, dass es wirklich war,
durch den guten Gebrauch, welchen er davon machte, indem er es auf die
Bedürfnisse seiner Familie verwandte.

„Aber Herr,“ fuhr Scheherasade
fort, „nachdem ich euch von dem Fischer erzählt habe, muss ich nun auch
von der Köchin des Sultans erzählen, welche wir in einer großen Verlegenheit
finden werden.

Sobald sie die Fische gereinigt hatte, welche
der Wesir ihr übergeben, setzte sie sie in einem Tiegel mit öl aufs Feuer, um
sie zu braten. Als sie dieselben auf der einen Seite genug gebraten glaubte,
kehrte sie sie um. Aber, o unerhörtes Wunder! Kaum waren sie umgedreht, als die
Wand der Küche sich auftat: Daraus trat ein Fräulein hervor, von
bewunderungswürdiger Schönheit, und herrlichem Wuchs. Sie trug ein Kleid von
ägyptischem geblümten Atlas, Ohrgehänge und ein Halsband von großen Perlen,
goldene, mit Rubinen geschmückte Armbänder, und hielt eine Rute aus Myrte in
der Hand.

Sie nahte sich dem Tiegel, zum großen
Erstaunen der Köchin, welche bei diesem Anblick unbeweglich dastand, und indem
sie einen der Fische mit der Rute berührte, sagte sie zu ihm: „Fisch, tust
du deine Pflicht?“ Als der Fisch nicht antwortete, wiederholte sie
dieselben Worte, und nun erhoben die vier Fische zugleich ihre Köpfe und
antworteten sehr deutlich: „Ja, ja: Wenn ihr rechnet, so rechnen wir auch,
wenn ihr eure Schulden bezahlt, so bezahlen wir auch die unsrigen, wenn ihr
flieht, so siegen wir und sind wir zufrieden.“

Sobald sie diese Worte ausgesprochen hatten,
stieß das Fräulein den Tiegel um, und trat in die geöffnete Wand zurück,
welche sich sogleich wieder zuschloss, und in demselben Zustand erschien, wie
zuvor.

Als die Köchin, welche alle diese Wunder
entsetzt hatten, von ihrem Schreck wieder zu sich gekommen war, ging sie hin,
die Fische wieder aufzuheben, welche in die Glut gefallen waren. Aber sie waren
alle so schwarz wie Kohlen, und gar nicht im Zustand, dem Sultan vorgesetzt zu
werden. Sie war darüber sehr bekümmert, und fing an zu weinen: „Wehe
mir,“ rief sie aus, was soll aus mir werden! Wenn ich dem Sultan erzähle,
was ich gesehen habe, so wird er mir sicher nicht glauben. In welchen Zorn wird
er nicht gegen mich geraten!“

Während sie sich so betrübte, trat der
Großwesir herein, und fragte sie, ob die Fische bereit wären. Sie erzählte
ihm alles, was ihr begegnet war, und dieser Bericht, wie man sich denken kann,
erstaunte ihn höchlich. Aber ohne dem Sultan etwas davon zu sagen, ersann er
eine Entschuldigung, welche ihm genügte.

Indessen schickte er auf der Stelle hin, und
ließ den Fischer rufen, und als dieser gekommen war, sagte er zu ihm:
„Fischer, bringe mir vier andere Fische, welche denen, die du schon
gebracht hast, ähnlich sind, denn es ist ein eigenes Unglück damit begegnet,
welches verhindert hat, sie dem Sultan vorzusetzen.“

Der Fischer sagte ihm nicht, was der Geist
ihm empfohlen hatte, sondern um sich davon loszumachen, diesen Tag noch die
verlangten Fische zu liefern, entschuldigte er sich durch die Länge des Weges,
und versprach, sie am folgenden Morgen zu bringen.

In der Tat machte sich der Fischer während
der Nacht auf, und begab sich nach dem Teich. Er warf darin sein Netz aus, und
als er es herauszog, fand er darin vier Fische, ganz wie die vorigen, jeden von
einer verschiedenen Farbe. Er kehrte alsbald zurück, und brachte sie dem
Großwesir, zu der Zeit, da er sie ihm versprochen hatte.

Dieser Minister nahm sie, und trug sie selber
abermals in die Küche, wo er sich allein mit der Köchin einschloss, welche sie
in seiner Gegenwart zurichtete, und sie auf das Feuer setzte, wie sie mit den
vier andern den vorigen Tag getan hatte. Als sie auf einer Seite gebraten waren,
und sie sie auf die andere Seite gedreht hatte, öffnete sich die Wand der
Küche abermals, und dieselbe Frau erschien mit ihrer Rute in der Hand. Sie
nahte sich dem Tiegel, schlug auf einen der Fische, sprach dieselben Worte zu
ihm, und sie gaben ihr alle mit aufgehobenen Köpfen dieselbe Antwort.

„Aber, Herr,“ fügte Scheherasade
hinzu, „da bricht schon der Tag an, und hindert mich, diese Geschichte
fortzusetzen.“

Schachriar dachte wohl, das ihr Verlauf sehr
merkwürdig sein müsste, und beschloss, ihn in der folgenden Nacht zu hören.