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218. Nacht

„Herr, die Vertraute kam bald wieder zu dem Juwelier
in die Moschee, wo sie ihn verlassen hatte. Sie gab ihm die beiden Börsen, und
sagte: „Nehmt, und befriedigt eure Freunde.“

„Hierin ist viel mehr,“ erwiderte der Juwelier,
„als dazu nötig, aber ich wage nicht die Gnade auszuschlagen, welche eine
so großmütige Frau ihrem Diener zu erzeigen geruht. Ich bitte euch, sie zu
versichern, dass ich immerdar das Andenken ihrer Güte bewahren werde.“

Er verabredete mit der Vertrauten, dass sie ihn in dem
Hause aufsuchen sollte, wo sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, wenn sie ihm von
Seiten Schemselnihars etwas mitzuteilen hätte, und Nachrichten von dem Prinzen
von Persien einziehen wollte. Hierauf trennten sie sich.

Der Juwelier ging nach Hause, sehr vergnügt, nicht allein
darüber, dass er nun die Mittel in Händen hatte, seine Freunde völlig
befriedigen, sondern auch, weil er sah, dass niemand in Bagdad wusste, dass der
Prinz von Persien und Schemselnihar sich in seinem Haus befunden hatten, als
dasselbe geplündert wurde. Freilich hatte er den Räubern das Geheimnis
entdeckt, aber er vertraute auf ihre Verschwiegenheit. Sie hatten überdies auch
nicht so viel Verkehr mit der Welt, dass von ihrer Seite Gefahr zu befürchten
gewesen wäre, wenn sie es auch verbreitet hätten.

Gleich am folgenden Morgen ging er zu den Freunden, die
ihm gefällig gewesen waren. Es kostete ihn keine Mühe, sie zu befriedigen. Er
behielt sogar noch Geld genug übrig, um sein anderes Haus sehr anständig mit
Gerät zu versehen, welches er nun von einigen seiner Leute bewohnen ließ. Auf
solche Weise vergaß er bald der Gefahr, der er entronnen war, und ging gegen
Abend zu dem Prinzen von Persien.

Die Bedienten des Prinzen, die den Juwelier empfingen,
sagten ihm, er käme zur rechten Zeit, der Prinz wäre, seitdem er ihn nicht
gesehen, in einem Zustand, der für sein Leben fürchten ließe, und man könnte
kein einziges Wort aus ihm herausbringen.

Sie führten ihn, ohne Geräusch zu machen, in sein
Zimmer. Er fand ihn in seinem Bett liegen, mit geschlossenen Augen, und in einem
Zustand, der sein Mitleid erregte. Er grüßte ihn, indem er seine Hand
berührte, und ermahnte ihn, Mut zu fassen.

Der Prinz von Persien erkannte die Stimme des Juweliers.
Er öffnete die Augen, in denen sich seine ganze Betrübnis malte, die noch viel
stärker war, als jene, die er bei der ersten Zusammenkunft mit Schemselnihar
empfunden hatte. Er fasste seine Hand und drückte sie, um ihm seine
Freundschaft zu bezeigen, und dankte ihm mit schwacher Stimme, dass er sich die
Mühe gäbe, einen so unglücklichen und so betrübten Prinzen, als ihn, zu
besuchen.

„Prinz,“ erwiderte der Juwelier, „ich bitte
euch, schweigen wir von dem Dank, welchen ihr mir schuldig sein könntet: Ich
wünsche nur, dass die guten Dienste, welche euch zu leisten ich mich bemühte,
einen besseren Erfolg gehabt hätten. Reden wir vielmehr von eurer Gesundheit:
Nach dem Zustand, worin ich euch sehe, fürchte ich sehr, dass ihr euch selber
sinken lasst, und dass ihr nicht die nötige Nahrung zu euch nehmt.“

Die Leute, welche um den Prinzen, ihren Herrn, waren,
ergriffen diese Gelegenheit, dem Juwelier zu sagen, dass sie alle ersinnliche
Mühe anwendeten, den Prinzen zu bewegen, etwas zu genießen, dass er aber alle
Hilfe verschmähe, und schon lange Zeit nichts genossen hätte. Dieses bewog den
Juwelier, den Prinzen zu bitten, dass er sich von seinen Leuten Speise bringen
ließe und davon genösse und er erreichte es durch anhaltendes Bitten.

Nachdem der Prinz von Persien, auf Zureden des Juweliers,
reichlicher gegessen, als bisher, befahl er seinen Leuten, ihn mit demselben
allein zu lassen, und als sie hinausgegangen waren, sagte er zu ihm: „Neben
dem Unglück, das mich niederbeugt, bin ich noch äußerst betrübt über den
Verlust, welchen ihr um meinetwillen erlitten habt, und es ist billig, dass ich
daran denke, ihn euch zu vergüten. Aber zuvor bitte ich euch, mir zu sagen, ob
ihr nichts von Schemselnihar vernommen habt, seitdem ich mich von ihr trennen
musste?“

Der Juwelier ging nach Hause, und blieb dort, in der
Hoffnung, dass die Vertraute kommen würde. Sie kam auch einige Stunden danach,
aber ganz in Tränen und in großer Verwirrung. Der Juwelier, dadurch
beunruhigt, fragte sie hastig, was ihr fehlte.

„Schemselnihar, der Prinz von Persien, ihr und
ich,“ antwortete die Vertraute, „wir alle sind verloren. Hört die
traurige Neuigkeit, welche ich gestern, nachdem ich euch verlassen hatte, beim
Eintritt in den Palast vernahm. Schemselnihar hatte, eines Vergehens wegen, eine
der beiden Sklavinnen, die ihr am Tag der Zusammenkunft in eurem anderen Haus
bei ihr saht, bestrafen lassen. Die über diese üble Behandlung erboste Sklavin
fand die Tür des Palastes offen, und schlüpfte hinaus: Und wir zweifeln nicht,
dass sie einem der Verschnittenen von unserer Wache, der ihr eine Zuflucht
gegeben, alles verraten hat. Das ist noch nicht alles: Die andere Sklavin, ihre
Gefährtin, ist auch entflohen, und hat sich in den Palast des Kalifen
geflüchtet, und wir haben Ursache zu glauben, dass sie ihm alles entdeckt hat.
Hört, weshalb: Heute Abend ließ der Kalif durch zwanzig Verschnittene
Schemselnihar holen und nach seinem Palast führen. Ich habe Mittel gefunden,
mich wegzustehlen und zu kommen, um euch von allem diesen zu benachrichtigen.
Ich weiß nicht, was vorgegangen sein mag, aber ich weissage hieraus nichts
Gutes. Wie dem nun sei, ich beschwöre euch, das Geheimnis gut zu bewahren.

Der Tag, dessen Licht sich schon blicken ließ, nötigte
die Sultanin Scheherasade, bei diesen letzten Worten selber zu schweigen. Sie
fuhr in der folgenden Nacht fort, und sprach zu dem Sultan von Indien: