Project Description

213. Nacht

„Schemselnihar sagte dem Juwelier noch mehrere
verbindliche Sachen, und begab sich dann nach ihrem Palast zurück.

Der Juwelier ging sogleich hin, dem Prinzen von Persien
von diesem Besuch Nachricht zu geben. Dieser sagte zu ihm, als er ihn erblickte:
„Ich erwartete euch mit Ungeduld. Die vertraute Sklavin hat mir einen Brief
von ihrer Gebieterin überbracht, aber dieser Brief hat mich keineswegs
getröstet. Was auch die liebenswürdige Schemselnihar mir entbieten mag, ich
wage nicht, etwas zu hoffen, und meine Geduld ist am Ende. Ich weiß keinen Rat
mehr. Die Abreise Ebn Thahers bringt mich zur Verzweiflung. Er war meine
Stütze. Mit ihm habe ich alles verloren. Durch den Zutritt, welchen er bei
Schemselnihar hatte, konnte ich mir noch mit einiger Hoffnung schmeicheln.“

Auf diese Worte, welche der Prinz mit solcher
Lebhaftigkeit aussprach, dass er dem Juwelier keine Zeit ließ, zu Wort zu
kommen, konnte dieser ein sanftes Lächeln nicht unterdrücken, was den Prinzen
veranlasste, folgende Verse auszusprechen:

„Wenn derjenige, der bei meinem Anblick über meine
Betrübnis lachen kann, das erfahren hätte, was mich betroffen hat, so würde
es ihn zum Weinen bringen.
Denn nur der Mann, der ähnliche Trübsal erduldet hat, kann Mitleid empfinden
mit dem, der unter denselben Unglücksfällen leidet.“

Der Juwelier bemühte sich nun, den Prinzen zu versichern,
dass niemand aufrichtigeren Teil nehmen könnte an einem Leiden, als er; und
wenn er nur die Geduld haben wollte, ihn anzuhören, so würde er sehen, dass er
ihm Linderung verschaffen könnte.

Auf diese Rede schwieg der Prinz und hörte ihn an.
„Ich sehe wohl,“ fuhr nun der Juwelier fort, „das einzige Mittel,
euch zufrieden zu stellen, ist, zu bewirken, dass ihr ungehindert euch mit
Schemselnihar unterhalten könnt. Diese Genugtuung will ich euch verschaffen,
und gleich morgen dazu tun. Ihr dürft es nicht wagen, den Palast Schemselnihars
zu betreten: Ihr wisst aus Erfahrung, dass das ein sehr gefährlicher Schritt
ist. Ich weiß einen gelegeneren Ort für diese Zusammenkunft, wo ihr in
Sicherheit seid.“

Als der Juwelier diese Worte aussprach, umarmte ihn der
Prinz mit Entzücken, und sagte: „Ihr erweckt durch dieses reizende
Versprechen einen unglücklichen Liebenden vom Tod, zu welchem er sich schon
verurteilt hatte. Wie ich sehe, so ist mir der Verlust Ebn Thahers völlig
ersetzt. Alles, was ihr tut, ist wohlgetan: Ich überlasse mich euch
gänzlich.“

Nachdem der Prinz dem Juwelier für den Eifer gedankt
hatte, welchen er ihm bezeigte, ging der Juwelier nach Hause.

Gleich am folgenden Morgen kam die Vertraute wieder zu
ihm. Er sagte ihr, dass er dem Prinzen von Persien Hoffnung gemacht hätte,
recht bald Schemselnihar zu sehen. „Ich komme gerade deshalb,“
antwortete sie ihm, „um die Maßregeln dazu mit euch zu verabreden. Mir
scheint,“ fuhr sie fort, „dieses Haus sehr bequem für ihre
Zusammenkunft.“

„Ich könnte wohl,“ sagte er darauf, „sie
beide hierher kommen lassen, aber ich habe bedacht, dass sie in einem anderen
Haus, das mir gehört, und wo gegenwärtig niemand wohnt, noch ungestörter
sind. Ich werde es bald zu ihrem Empfang einrichten lassen.“

„Unter diesen Umständen,“ erwiderte die
Vertraute, „kommt es nur noch auf Schemselnihars Einwilligung an. Ich gehe,
ihr davon zu sagen, und ich werde euch in kurzer Zeit ihre Antwort
bringen.“

In der Tat war sie sehr geschwind. Sie kam bald wieder,
und meldete dem Juwelier, dass ihre Gebieterin nicht verfehlen würde, sich
gegen Abend am verabredeten Ort einzustellen. Zu gleicher Zeit übergab sie ihm
eine Börse, mit dem Auftrag, dafür ein Mahl bereiten zu lassen.

Er führte sie sogleich nach dem Haus, wo die Liebenden
zusammenkommen sollten, damit sie den Ort wüsste, und ihre Gebieterin dahin
führen könnte. Und sobald sie weg war, ging er hin zu seinen Freunden, und
borgte von ihnen goldenes und silbernes Geschirr, Teppiche, reiche Kissen und
anderes Hausgerät, womit er dieses Haus sehr prächtig ausschmückte. Als er
alles darin angeordnet hatte, begab er sich zu dem Prinzen von Persien.

Stellt euch die Freude des Prinzen vor, als der Juwelier
ihm sagte, er käme, um ihn in das Haus zu führen, welches er zu seinem und
Schemselnihars Empfang in Bereitschaft gesetzt hatte. Diese Nachricht ließ ihn
all seiner Sorgen und Leiden vergessen. Er legte ein prächtiges Kleid an, und
ging ohne Gefolge mit dem Juwelier, der ihn durch mehrere abgelegene Gassen
führte, damit niemand sie beobachtete, und ihn endlich in das Haus brachte, wo
sie sich bis zur Ankunft Schemselnihars miteinander unterhielten.

Diese leidenschaftlich Liebende ließ sie nicht zu lange
warten. Sie kam gleich nach dem Abendgebet, mit ihrer Vertrauten und zwei
anderen Sklavinnen. Ich kann euch das übermaß der Freude nicht ausdrücken,
von welchem die beiden Liebenden ergriffen wurden, als sie einander erblickten.
Sie setzten sich auf das Sofa, und sahen sich einige Zeit an, ohne sprechen zu
können, so sehr waren sie außer sich. Aber als sie den Gebrauch der Sprache
wieder erlangt hatten, entschädigten sie sich hinlänglich für dieses
Stillschweigen. Sie sagten sich so zärtliche Dinge, dass der Juwelier die
Vertraute und die beiden Sklavinnen darüber weinten.

Der Juwelier trocknete jedoch seine Tränen, um das Mahl
zu besorgen, welches er selber auftrug.
Die Liebenden aßen und tranken wenig, und setzten sich danach beide auf das
Sofa. Schemselnihar fragte den Juwelier, ob er nicht eine Laute oder irgend ein
anderes Saitenspiel hätte. Der Juwelier, der für alles gesorgt hatte, was ihr
Vergnügen machen könnte, brachte ihr eine Laute. Sie stimmte dieselbe, und
sang …“.

Hierauf hielt Scheherasade inne, weil der Tag eben
anbrach. In der folgenden Nacht fuhr sie also fort: