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192. Nacht

Der falsche Kalif begann nun seine Erzählung, wie folgt:

„Mein Vater hieß Mohammed und ich heiße Ali Schach.
Mein Vater hinterließ bei seinem Tod ein seltenes Vermögen: Eine Million
Zechinen in barem Gold, zwanzig Gärten, zehn Dampfbäder, zwanzig Gasthäuser,
vierzig Häuser, fünfzehn Mühlen, zwölf Märkte, jeden zu vierundzwanzig
Kaufläden, außerdem eine Menge von Edelsteinen aller Art. Nachdem ich ihm die
letzten Pflichten erzeigt hatte, Almosen an die Armen verteilt und Schulden
bezahlt hatte, trat ich seinen Handel an. Ich beschäftigte mich nämlich mit
Einkauf und Verkauf von Edelsteinen.

Als ich eines Tages ganz ruhig in meinem Laden saß,
umgeben von meinen Sklaven und Bedienten, kam auf einmal ein junges Mädchen von
hoher Schönheit auf mich zu. Du hast eine treue Schilderung von ihr in
folgenden Versen:

„Der Mond in der Mitte des Nachthimmels ist nicht so
glänzend als sie. Ihr halbgeöffneter Schleier ließ prachtvolle Haarlocken
durchblicken. Ich fragte sie nach ihrem Namen. “ – „Ich bin die,“
antwortete sie, „welche die Herzen aller derer entflammt, die mich
anblicken.“ Ich suchte ihr meine Liebe und meine Wünsche zu schildern. Sie
begnügte sich, mir zu sagen: „Du merkst wohl nicht, dass du zu einem
Steinfelsen sprichst.“ – „Wenn du ein Steinfelsen bist,“
erwiderte ich, „so weiß ich wenigstens, dass Gott auch Felsen zu erweichen
versteht, und Wasser aus ihnen hervorquellen lässt.“

Je näher sie kam, einen desto tieferen Eindruck machte
der Anblick ihrer Reize auf mein Gemüt. Ich wurde leidenschaftlich für sie
eingenommen, und meine Augen hafteten starr auf ihr. Sie saß auf einer
stattlichen Mauleselin, begleitet von drei Sklaven von der seltensten
Schönheit. Sie stieg an der Tür meines Ladens ab und setzte sich in demselben
nieder, während ihre Sklaven in der ehrerbietigsten Stellung neben ihr stehen
blieben. In dem Augenblick, wo ihr Fuß meine Schwelle berührte, richtete ich
folgende Verse an sie:

„Sei gegrüßt, oh Frühling, der bei mir einkehrt, bekränzt mit Anemonen,
Narzissen, Perlen und Rosen!“

Sie grüßte mich voll Huld und ich erwiderte ihren Gruß
mit den Worten: „Edle Frau, eure Gegenwart ist ein Zeichen von der
glücklichsten Vorbedeutung. Bedürft ihr vielleicht meiner Dienste?“ –
„Oh ja, gar sehr, und in einer sehr wichtigen Sache, denn, wenn du mir
verschaffst, was ich wünsche, so werde ich dir dafür zu großen Dank
verpflichtet sein.“ – „Was steht euch zu Diensten?“ – „Ich
wünsche ein schönes Diamanten-Halsband.“ – „Ich kann euch mehrere
dergleichen zeigen.“ Ich legte ihr hierauf ein Halsband zu dem Preise von
zweihundert Zechinen hin. „Ich wünschte ein noch kostbareres.“ Ich
zeigte ihr eines von vierhundert Zechinen. Sie nahm es auch noch nicht an. So
machte sie es mit mehreren anderen, bis ich ihr endlich eines von siebzigtausend
Zechinen wies. Bei dem Anblick desselben rief sie: „Das ist’s, was ich
schon so lange suchte. Wie viel willst du dafür?“ – „Ich habe bereits
den Preis aufs genauste gesagt,“ erwiderte ich. „Soviel kostet es mich
selber.“ – „Da es so ist, so werde ich dir tausend Zechinen als Profit
obendrein geben.“ – „Ich mag von euch keinen Profit nehmen.“ –
„Das ist nicht recht. Du bist Kaufmann, und musst von deinem Handel
leben.“ Sie stand sodann auf, bestieg ihre Mauleselin wieder, und sagte
mir, ich möchte mitkommen, um mein Geld in Empfang zu nehmen. Ich verschloss
meinen Laden, und sie führte mich nach einem großen Gebäude, über dessen
Eingang folgende Verse mit goldenen Buchstaben geschrieben waren:

„Friedliche Wohnung, möge nie der Unmut und die
schwarze Sorge in deinen Umkreis dringen, und möge dein Besitzer stets hier von
den Streichen des Schicksals gesichert leben! Das schönste Haus ist dasjenige,
welches, wie du, jedermann offen steht, und worin die Gäste nach Bequemlichkeit
Platz finden.“

Beim Eintritt in das Gebäude, fuhr Ali Schach fort, wurde
ich von der Pracht und dem Aufwand überrascht, der sich da zur Schau bot, und
ich war darüber ganz in Gedanken vertieft, als eine Sklavin zu mir trat und
sagte: „Meine Gebieterin sendet mich, um dir zu sagen, es zieme sich nicht
für dich, so dazustehen. Sie lässt dich einladen, in den Saal herein zu treten
und da auszuruhen, bis zu der Ankunft ihres Zahlmeisters, der dir die
verabredete Summe auszahlen wird.“ Ich folgte ihr. Sie hieß mich auf einem
prachtvollen Sofa Platz nehmen, und meine Augen waren ganz geblendet, von dem
Reichtum der Teppiche und von der Schönheit der Gemälde und Inschriften, womit
der Saal verziert war. Ich hatte mich kaum gesetzt, als eine andere Sklavin
erschien und mich bat, in das innere Zimmer einzutreten. Ich glaubte in einen
Zauberpalast versetzt zu sein, aber was mich am meisten überraschte, war ein
goldener Thron, über welchem ein Thronhimmel hing, mit zwei seidenen
Vorhängen, die zu beiden Seiten emporgezogen waren und durch welche man ein
junges Mädchen sitzen sah. Ich erkannte in ihr sehr bald diejenige, welche mein
Halsband gekauft hatte. Es war um ihren Hals befestigt, und glänzte wie die
Sterne im Nachtdunkel. Ihr entschleiertes Gesicht hatte den Glanz des Vollmonds.

Bei dem Anblick so vieler Reize wurde ich ganz betäubt,
ein verzehrendes Feuer durchloderte mein Herz, und ich war fast nicht mehr Herr
meines Entzückens. Sobald sie mich erblickte stand sie auf, kam mir entgegen,
und sagte: „Der schönste der Liebenden fliegt sonst gewöhnlich seiner
Geliebten entgegen, und ich mache es umgekehrt.“ – „Einziges und
vollkommenstes Ideal der Schönheit,“ antwortete ich, „alle meine
Huldigungen gebühren dir allein. Der geringste deiner Reize wäre hinlänglich,
eine Sterbliche schön zu machen.“ – „Ali Schach,“ sagte sie zu
mir, „ich kann dir nicht länger die Liebe verhehlen, die ich zu dir
gefasst habe, lange schon sehnte ich mich nach dem Glück, dich zu sehen.“
Indem sie so sprach, stürzte sie in meine Arme, umschlang mich, und drückte
mich fest an ihre Brust. Ich wollte den günstigen Augenblick benutzen. Indessen
sie bemerkte sogleich meine Absicht und sagte zu mir: „Ali Schach, solltest
du wohl die Rechte, die ich dir über mein Herz eingeräumt, auf die strafbarste
Weise missbrauchen wollen? Merke dir wohl, dass ich aus einer berühmten Familie
stamme, und dass ich die Gesetze der Schamhaftigkeit und die Pflichten, die mir
meine Geburt auflegt, wohl zu achten weiß. Weißt du nicht, wer ich bin?“
– „Nein, schöne Frau!“ – „Du hältst in dienen Armen Sytt ad
dunya1), die Tochter eines
Barmekiden und die Schwester des Großwesirs
Giafar.“ Bei diesen Worten ward ich von Entsetzen ergriffen, meine Augen
hefteten sich an den Boden, und mit einer zitternden Stimme sagte ich:
„Edle Frau, die Schuld lag nicht an mir, sondern an der Allgewalt eurer
Reize.“ – „Fürchte nichts,“ sagte sie hierauf, „wir werden
bald durch ein rechtmäßiges Band vereinigt sein, ich darf über meine Hand
frei verfügen. Der Kadi von Bagdad ist mein Vormund, und du kannst mich von
diesem Augenblick an als deine Gemahlin betrachten.“ Sogleich ließ sie den
Kadi und Zeugen holen, und sagte zu dem ersten: „Hier ist der
Juwelenhändler Ali Schach, der mich zur Ehe begehrt, und mir dies Halsband,
welches ich trage, zum Brautgeschenk gegeben hat. Ich habe seinen Antrag
genehmigt, und will ihn zu meinem Ehegatten.“ Der Kadi machte keine
Schwierigkeit, er fasste unseren Ehevertrag ab, und er empfing, so wie auch die
Zeugen, reiche Geschenke. Als sie alle entlassen waren, befahl Sytt ad dunya
ihren Sklaven, das Hochzeitmahl anzurichten. Man trug uns die ausgesuchtesten
Speisen und die auserlesensten Weine auf. Von dem herrlichen Schmause erhitzt,
legten wir diejenigen unserer Kleider ab, die uns unbequem waren. Eine junge
Sängerin kam, um uns durch ihr Lautenspiel zu erheitern, und entfaltete den
ganzen Zauber ihrer Stimme in dem Lied:

„Freund, ich beschwöre dich bei dem Namen des
Höchsten, eile zu meiner Gebieterin, und unterlass nichts, um sie zu bewegen,
mich zu sprechen. Stelle ihr die Ungerechtigkeit ihrer Sprödigkeit vor.
Vielleicht werden deine zarten Vorwürfe sie sanfter machen. Scheint sie deinen
Reden einige Aufmerksamkeit zu schenken, so sage ihr im Laufe des Gesprächs:
Warum willst du den, der dich anbetet, zur Verzweiflung bringen? Sollte ihr ein
Lächeln entschlüpfen, so fahre du mit derselben Sanftheit fort, und erdreiste
dich, ihr zu sagen: Wie wenig würde es dich kosten, ihn glücklich zu machen,
wenn du ihm auch nur eine einzige Zusammenkunft bewilligtest? – Bemerkst du dann
die geringste Veränderung in ihren Minen, oder irgend ein Zeichen von Zorn, so
suche sie zu beruhigen, und, wofern es nötig ist, sage sogar: Ich kenne ihn
nicht.“

Die Musik nebst der melodischen Stimme entflammte meine
Sinne und erfüllte meine Seele mit Luft. Zehn Sängerinnen sangen darauf die
anmutigsten Lieder. Endlich ergriff meine Neuvermählte selber eine Laute,
stimmte sie, spielte dann noch weit vorzüglicher als alle vorigen und sang dazu
folgenden Gesang:

„Das Antlitz meines Geliebten hat den Glanz des
Mondes: Aber das Nachtgestirn hat nicht jenes anmutige Lächeln, das mich
bezaubert. Wie schlank und dünn ist sein Wuchs! Jener Binsenstängel darf sich
mit ihm an Zierlichkeit und Geschmeidigkeit messen! Der dunkle Streif seiner
Oberlippe macht mich eifersüchtig. Doch was mich tröstet, ist, zu sehen, wie
der Kristall gegen die Perlen seiner Zähne weit zurücksteht. Wenn ich ihn in
meinen Armen halte, so fühle ich die Luft durch meine Adern rollen, und mein
inneres Feuer nimmt immer mehr überhand. Nein, ich werde nicht eher völlige
Befriedigung fühlen, als bis ich meine Seele in die seinige verschmolzen
sehe.“

Von Bewunderung und Entzücken hingerissen, rief ich aus:
„Wiederhole dies letzte Lied, meine Vielgeliebte, wiederhole es, ich
beschwöre dich!“ Sie lächelte und sagte zu mir: „Ja, aber unter der
Bedingung, dass du nachher auch singest.“ – „Ich verspreche dir
es.“ – Sie wiederholte es, indem sie fortwährend ihre schönen
schmachtenden Augen auf mich heftete. Als sie geendigt hatte, richtete ich
folgende Verse an sie:

„Dank dem Höchsten, der an dich alle nur
ersinnlichen Reize verschwendet hat. Ich reihe mich mit Vergnügen unter die
Zahl deiner Sklaven. Oh du, die du durch einen Blick deines Auges die Herzen der
Sterblichen fesselst, wie konnte ich mich sichern vor dem mächtigen Zauber
deiner Blicke! Deine Gesichtsfarbe ist so klar und so frisch wie das Wasser der
Springquellen, und Rosen blühen auf deinen Wangen. Du bist zu gleicher Zeit die
Qual und die Wonne meines Lebens. Welche Freudigkeit flößt mir deine Person
ein! Habe Mitleid mit einem Unglücklichen, den alle Flammen der Liebe
verzehren. Ich kann nirgends anders das Glück finden, als in deinem
Besitze.“

„Wie viel Süßigkeit auch immer die von dir
gefundenen Verse für mich haben mögen,“ fuhr ich fort, „so würde
ich doch dessen weit mehr von deinen Lippen kosten.“

Dieser sinnreiche Einfall brachte die junge Prinzessin zum
Lachen. „Ich werde mich wohl hüten, dir zu widersprechen,“ rief sie
aus. „Es ist Zeit, uns zurückzuziehen um andere Genüsse zu kosten.
Sklavinnen, entfernt euch, ihr werdet jetzt Ruhe nötig haben.“ Wir waren
sehr bald allein. Sie nahm mich nun bei der Hand und führte mich in das Zimmer,
wo das Hochzeitbett bereitet war. Das Bettgestell war aus Ebenholz und mit Gold
überzogen.

Meine junge Gemahlin war so gefällig, mich auszukleiden.
Jeden Augenblick unterbrach sie ihr Geschäft dadurch, dass sie mich an ihren
Busen drückte, der von Moschus und Ambra duftete. Kaum war sie im Bett, als ich
auch schon ihre süßeste Gunstbezeugung zu erlangen trachtete, aber sie
verteidigte sich, verhüllte ihr Gesicht, und entschlüpfte meinen Armen wie
eine schüchterne Gazelle.

Betroffen über ihren Widerstand, rief ich:
„Geliebte, was soll ich von diesem seltsamen Benehmen denken? Ich bin nun
in Hinsicht deiner Gesinnungen zweifelhaft und weiß nicht, ob ich dir Liebe
oder Hass eingeflößt habe.“ – „Höre Ali,“ sagte sie zu mir,
„wünschest du mich wohl zu besitzen?“ – „Ganz gewiss, und um
jeden Preis.“ – „Nun, so habe ich dir bloß eine Bedingung zu machen.
Wenn du diese erfüllst, so wirst du der geliebteste, der glücklichste der
Sterblichen sein: Solltest du sie aber verletzen, so kannst du auf meinen Zorn
und auf meine Rache rechnen.“ Ich ging alle Bedingungen, die sie etwa
machen würde im voraus ein. „Nun gut,“ fuhr sie fort, „ich
verlange, dass du nie ein anderes Weib erkennest außer mir.“ – „Ich
schwöre es dir,“ rief ich. Nun überließ sie, mit vollem Vertrauen auf
meinen Schwur, sich ganz meinem Ungestüm, und wir brachten die ganze Nacht in
Wonne hin, wie sie jener Dichter so schön schildert:

„Köstliche Nacht, im Schoße der Wolllust verlebt:
Der Nachhall deiner Wonne wird mein ganzes Leben lang dauern. Eine junge
Schöne, munter und lebhaft wie eine Gazelle, reichte mir meinen Becher,
gefüllt mit funkelndem Trank. Ihr Wuchs ist so zart wie der Tag, und ihre
harmonische Stimme weckt Sehnsucht in jedermanns Herzen. Beim Anblick so vieler
Reize entbrannte ein verzehrendes Feuer in meinen Adern. Ihr Lächeln erregte es
nur noch mehr. Ein Duft, süßer als Ambra, wehte aus ihrem Munde. Zähne, oder
vielmehr Perlen von blendender Weiße, schmückten ihn. Die süßen Töne ihrer
Stimme machten mich vollends trunken. Aber wie ward mir, als sie damit noch den
Klang eines melodischen Instruments vereinigte! Bald darauf stand sie auf, und
ahmte in ihrem leicht hinschwebenden Gang das Schwanken der vom Morgenlüftchen
bewegten Zypresse nach. Ich war nicht mehr Herr meiner selbst. Zu ihr
hinfliegen, sie in meine Arme schließen, sie mit tausend feurigen Küssen
bedecken, war für mich nur Eins. Allmächtiger Gott, welche reizende Schätze
entdeckte ich! Meine Geliebte teilte meinen Rausch. Wir waren allein, und vor
allen Zudringlichen und Missgünstigen sicher. Hütet euch wohl, Neugierige, in
die Geheimnisse der Liebe eindringen zu wollen!“

Als die Morgenröte anbrach, fuhr Ali Schach fort, fand
sie uns beide noch einander in den Armen liegend. Die ganze Nacht war vergangen,
ohne dass wir auch nur ein Auge geschlossen hätten. Indessen, dem übermaß von
Lust und Ermattung erliegend, überließ ich mich endlich dem Schlaf. Ich
schlief noch ganz fest, als eine leichte Hand über meine Schenkel und Füße
hinfuhr und mich aus meiner Schlaftrunkenheit weckte. Ich öffnete die Augen und
erblickte eine junge Sklavin damit beschäftigt, mich zu kraulen. Meine Blicke
hefteten sich unwillkürlich auf sie. Ich empfand das heftigste Verlangen. Der
Teufel führte mich in Versuchung, und gewiss war er es selber, der sich unter
der Gestalt dieses jungen Mädchens zu mir hereingeschlichen hatte, denn sie war
von hinreißender Schönheit. „Mein Kind,“ sagte ich zu ihr,
„woher kommst du? Wer bist du?“ – „Ihr seht hier eine eurer
Sklavinnen vor euch, die sich sehr glücklich schätzen würde, wenn sie euch zu
gefallen im Stande wäre, und deren Gefühle nur zu sehr mit ihren Pflichten
übereinstimmen.“ – „Aber ich erblicke ja nicht Sytt a dunya. Wo ist
sie denn geblieben?“ – „Sie befindet sich im Bad, und hat mir
befohlen, euch zu wecken, damit ihr nachkommen könntet. Allein,
liebenswürdigster Gebieter, dürfte ich nicht in diesem Augenblick bei euch
Sytt a dunya’s Stelle vertreten? Vielleicht würdet ihr in meinen Armen nicht
weniger Genuss und Vergnügen finden, als in den ihrigen.“ – „Kann ich
auf deine Verschwiegenheit rechnen?“ – „Ich muss euch darum
bitten.“ – Ihre zärtlichen Geständnisse entflammten meine
Einbildungskraft. Ich ergriff sie, um sie an meine Brust zu drücken. Aber wie
groß war mein Erstaunen, als ich sah, dass sie sich sträubte. „Warum denn
dieser Widerstand?“, rief ich aus.

Kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen, als Sytt a dunya
mit Zorn funkelnden Augen und mit einer Peitsche herein trat.
„Verräter,“ rief sie, „wo sind deine Schwüre? Kaum hast du sie
getan, so sind sie auch schon gebrochen. Diese Sklavin hat bei dir bereits den
Vorzug vor mir. Aber vernimm jetzt, dass ich sie selber zu dir geschickt habe,
um deine Gesinnungen zu prüfen. Ich habe alles gesehen, alles gehört, und darf
jetzt an deiner Untreue nicht mehr zweifeln. Ungeheuer, wie du, verdienen nicht
zu leben.

In diesem Augenblick rief sie ihre Sklavinnen. Zwanzig
Frauen ergriffen und banden mich, und man schickte sodann nach dem
Polizeirichter. Sobald er kam, übergab man mich an ihn, und Sytt a dunya sagte
zu ihm: „Hier ist ein Räuber, der auf frischer Tat ertappt worden. Er hat
uns verschiedene Sachen von Wert gestohlen. Lass ihn mit Ruten hauen, bis er
seinen Diebstahl eingesteht. Vor allen Dingen aber setze ihn ja nicht in
Freiheit, ohne meine Genehmigung.“

Nach dieser Anempfehlung verhüllte man mir den Kopf, und
führte mich in das Haus des Polizeirichters. überall, auf meinem ganzen Weg,
rief man: „Ein Dieb, ein Dieb!“ Bei meiner Ankunft befahl der
Polizeibeamte seinen Leuten, mir Stockschläge zu geben, bis ich das Verbrechen,
dessen ich angeklagt war, eingestanden haben würde. Auf der Stelle fing man an,
mich zu entkleiden und mit verdoppelten Hieben mich auf den Rücken zu schlagen,
indem man immerfort rief: „Wo sind die Sachen, die du genommen hast?“
Ich mochte zu ihnen immerhin sagen: „Ich habe ja gar nichts genommen. Ich
bin unschuldig.“ Alle meine Beteuerungen halfen nichts, und sie schlugen
immerfort auf mich los, bis ich die Besinnung verlor. Als der Beamte mich in
diesem Zustand sah, ließ er mich in ein finsteres Loch werfen. Die Nacht kam
heran, und meine sich abkühlenden Wunden verursachten mir brennende Schmerzen,
welche mir dumpfe Seufzer entlockten. Während ich mich so beklagte, öffnete
sich auf einmal die Mauer, und ein junges Mädchen, glänzend wie die Sonne nach
einem Ungewitter, trat daraus hervor, näherte sich mir und sagte: „Junger
Mann, du hast mir diese Nacht viel Unruhe gemacht. Seit langer Zeit habe ich
hier meinen Aufenthalt, ich habe schon viele Gefangene hier gesehen, aber keiner
hat so bitter Klagen geführt als du.“ – „Schöne Unbekannte,“
sagte ich zu ihr, „solltest du die Ursache meiner Klagen wissen, so
würdest du, anstatt sie zu tadeln, ihnen dein Mitleid schenken. Sieh einmal die
schreckliche Behandlung an, die ich hier erfahren habe.“ Zugleich zeigte
ich ihr die Wunden, womit ich bedeckt war. Sie konnte sich beim Anblick
derselben einer Anwandlung von Mitleid nicht erwehren, und sagte: „Solltest
du bloß durch Zufall ein Dieb gewesen sein?“ – „Nein, ganz und gar
nicht,“ antwortete ich, „ich schwöre es bei dem Allmächtigen, nie
habe ich etwas entwendet, nie einem etwas zu Leide getan. Meine Leiden sind
einzig und allein das Werk eines feindlichen Geschicks.“ Die Unbefangenheit
meiner Antwort überzeugte sie. Ich erregte sogar ihre Neugierde und Teilnahme
und sie bat mich, ihr meine Abenteuer zu erzählen. Ich suchte ihren Wunsch mit
der größten Aufrichtigkeit zu befriedigen. Nachdem sie meine Erzählung
angehört hatte, sagte sie zu mir: „Würdest du wohl dich zu rächen
wünschen? Wenn du willst, so werde ich zu der grausamen Sytt ad dunya einen
meiner Diener senden, der sie quälen und sogar verhindern wird, Nahrung zu sich
zu nehmen.“ – „Gott behüte,“ erwiderte ich, „dass ich je
einwillige, ihr den geringsten Schmerz zu verursachen. Sie ist immer noch meine
Heißgeliebte, und mein Herz gehört ihr. Ich werde selbst ihre
Ungerechtigkeiten stets verehren.“

„Junger Mann, ich begreife dich nicht. Die Grausame
hat dich in die Hände des Polizeirichters gebracht, der an dir eine ebenso
strenge als ungerechte Strafe vollzogen hat, und jetzt, wo Gelegenheit ist, dich
zu rächen, verschmähst du meine Anträge.“ – „Erinnere dich,“
sagte ich darauf zu ihr, „jenes alten Sprichwortes: Die Schläge von der
Hand einer Freundin scheinen so süß wie Weintrauben, und die Steine, die sie
auf uns wirft, sind Granatäpfelkörner.“ Zugleich zerfloss ich in Tränen,
und sagte folgende Verse:

„Lebe glücklich, meine zarte Freundin, lass mich
seufzen und im Stillen dich anbeten. Ich werde stets alles lieben, was von dir
kommt, und selbst deine Härte wird mir eine Wohltat dünken.“

Die schöne Unbekannte lächelte. „Junger Mann,“
sagte sie zu mir, „diese Gesinnungen gefallen mir, denn sie zeigen die
Reinheit deines Herzens an. Es würde nur von dir abhängen, augenblicklich aus
diesem Gefängnis herauszukommen. Ich würde dich in einen prächtigen Palast
führen, deine Vielgeliebte würdest du da in tiefem Schlummer antreffen, und
sie würde nicht eher erwachen, als bis du sie in deine Arme schließen
würdest. Aber ich fürchte bloß, dass sie, anstatt über die Aufrichtigkeit
deiner Rückkehr erfreut zu sein, immerfort noch böse sein und dich fragen
könnte, wer dein Befreier gewesen? Du würdest ihr dann antworten: Es war eine
Frau, die ich nicht kenne. Da sie nun mich noch viel weniger kennen und nicht
wissen würde, wie gefährlich es ist, mir zu missfallen, so wäre es möglich,
dass sie dich wieder in die Hände des Polizeirichters ablieferte, der dann
nicht unterlassen würde, dir, bevor ich es noch erführe, den Kopf abschlagen
zu lassen. Um für eine solche Ungerechtigkeit Rache zu nehmen, müsste ich dann
einen meiner Diener zu ihr mit dem Auftrag absenden, sie zu misshandeln und bis
auf den Tod zu peitschen. Allein du hast mir zu viel Freundschaft eingeflößt,
als dass ich dich einer so großen Gefahr aussetzen könnte. Ich habe ein
sicheres Mittel, das mit keiner Gefahr verknüpft ist. Ich werde dir nämlich
einen Talisman geben, der dir nichts zu wünschen übrig lassen wird. Du wirst
dann keine Macht der Erde fürchten dürfen, und nichts wird dir unmöglich
sein. Deine Heißgeliebte wird ganz von deiner Willkür abhängen, du wirst sie
nach deinem Gutdünken verderben oder begnadigen können, du wirst unumschränkt
in der Stadt Bagdad gebieten können, und wirst von keiner Seite her den
mindesten Widerstand finden. Es wird bloß von dir abhängen, den Kalifen
abzusetzen, ihn umbringen zu lassen, und sogar diese Hauptstadt von Grund aus zu
zerstören.“ Mit diesen Worten zog sie einen Ring aus ihrem Busen, den sie
mir an den Finger steckte, und dabei sagte: „Sobald du etwas wünschen
solltest, darfst du nur den Kasten dieses Ringes drehen, und sogleich wirst du
vor dir meinen vertrauten Diener erscheinen sehen, dessen Macht, sozusagen,
unbeschränkt ist. Es ist einer von jenen Geistern, die sich gegen Salomon
empörten, und wird pünktlich alle deine Befehle vollziehen. Probiere in meiner
Gegenwart die Eigenschaft des Ringes.“


1)
Diesen Namen, welcher so viel als Gebieterin der Welt bedeutet, hatte wirklich
eine Prinzessin aus dem erlauchten und unglücklichen Hause der Barmekiden.