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18. Nacht

Aber am folgenden Morgen, als der Kaiser soeben den Tod
seines Sohnes befehlen wollte, trat abermals ein Wesir hervor und flehte für
ihn die Gnade des Fürsten an; und um den Einfluss der Sultanin zu schwächen,
bestätigte er die Bosheit der Weiber und erzählte folgende Geschichte.

Der
Holzhauer und der Geist

Ahmed, ein armer Holzhauer von Bagdad, hatte ein
widerspenstiges, geiziges und zänkisches Weib, welche ihm nicht einen
Augenblick Ruhe ließ. Wenn er etwas Geld erwarb, so strebte sie immer, sich
desselben zu bemächtigen.

Eines Tages hatte dieser arme Mann einige Pfennige
beiseite gelegt, um sich ein Seil zu kaufen: Die Frau gewahrte es, und sagte zu
ihm: „Ha, Nichtswürdiger, es scheint, dass du ein sauberes Leben führst.
Ohne Zweifel ist dieses Geld, das zu verheimlichst, irgend einer Buhlerin
bestimmt: Aber Geduld, ich will dich schon besser in Ordnung halten, du sollst
nimmer ohne mich ausgehen.“

Der arme Holzhauer hatte bisher wenigstens so lange Ruhe
gehabt, als er allein im Walde war. Man denke sich nun seine Verzweiflung, als
er beim Weggehen sein Weib einen Esel besteigen und ihm nach dem Berge folgen
sah, wohin er zu arbeiten ging. „Mindestens werde ich nun doch
wissen,“ sagte sie zu ihm, „was du tust, wenn du das Haus
verlässt.“

Ahmed wusste nicht, wie er sich davon befreien sollte, als
ihm plötzlich ein glücklicher Gedanke einkam. Es war in der Nähe des Ortes,
wo er arbeitete, ein sehr tiefer Brunnen: „Liebe Frau,“ sagte er zu
ihr, „da du doch einmal hier bist, so will ich dich bitten, mir einen
Dienst zu leisten. Es ist schon lange her, dass man mir von einem Schatz in
diesem Brunnen gesagt hat: Du musst mich an dieses Seil binden und mich daran
hinunterlassen.“ – „Mitnichten,“ antwortete sie, „du sollst
mich daran befestigen; ich kann eben so gut hinabsteigen, als du: Du wärst im
Stande, den Schatz für dich allein zu behalten.“

Ahmed willigte in diesen Vorschlag. Er band seine Frau an
das Seil und ließ sie in den Brunnen hinab gleiten. Als er spürte, dass sie
auf dem Grunde war, ließ er den Strick los, und sagte zu ihr: „Teure
Ehehälfte, ich werde nun doch einige Augenblicke Ruhe genießen. Ihr werdet die
Gefälligkeit haben, dort unten zu bleiben, bis ich wiederkomme, euch heraus zu
ziehen.“ Und ohne auf ihre Bitten und Drohungen zu hören, ging er ruhig
wieder an seine Arbeit.

Einige Zeit danach, als er durch diese Lehre seine Frau
gebessert wähnte, warf er ihr wieder das Seil hinab: „Macht,“ rief er
ihr zu, „bindet euch fest, damit ich euch wieder herausziehe.“ Danach
zog er eine schwere Last empor. Aber wie groß war sein Erstaunen, als er am
Ende des Seils einen Geist erblickte.

„Wie großen Dank habe ich dir zu sagen!“,
redete dieser ihn an. „Ich gehöre unter die Zahl der Geister, welche sich
nicht in die Luft emporschwingen können; ich hatte diesen Brunnen zu meiner
Wohnung erwählt, als ohne Zweifel ein mir feindlicher Geist das
allerboshafteste Weib von der Welt zu mir hinab ließ, welche nicht aufgehört
hat, mich rasend zu machen, seitdem sie meine Gesellschafterin geworden ist. Wie
sehr weiß ich es dir Dank, mich befreit zu haben! Ein so wichtiger Dienst soll
nicht unbelohnt bleiben. Höre, was ich für dich tun kann. Ich weiß, dass der
König von Indien eine reizende Tochter hat, ich gehe hin, von ihr Besitz zu
nehmen, und sie wahnwitzig zu machen. Der König, ihr Vater, wird sich
vergeblich bemühen, sie durch seine ärzte heilen zu lassen: Hier habe ich aber
einige Blätter, welche man nur ins Wasser zu tauchen und damit der Prinzessin
das Gesicht zu reiben braucht, um mich zu zwingen, sie augenblicklich zu
verlassen. Ich gebe sie dir, du kannst davon Gebrauch zu machen.“

Ahmed dankte dem Geist, und begab sich auf den Weg nach
der Hauptstadt von Indien. Als er das Ziel seiner Reise erreicht hatte, vernahm
er, dass die Tollheit der Prinzessin den ganzen Hof in die größte Bestürzung
versetzt hatte, und dass der König, ihr Vater, nachdem er die Kunst der
geschicktesten ärzte vergeblich versucht, ihre Hand demjenigen versprochen
hatte, der sie heilen würde.

Ahmed erbot sich mit Zuversicht dazu, er benetzte seine
Blätter, rieb damit das Gesicht der Prinzessin: und die Bezauberung verschwand
augenblicklich. Der König von Indien erkannte den von Ahmed geleisteten Dienst,
bewilligte ihm seine Tochter, und die Hochzeit wurde mit dem größten Pompe
gefeiert.

Als der Geist aber den Leib der Prinzessin verlassen,
hatte er den Leib der Prinzessin von China, in welche er verliebt war, zur
Wohnung eingenommen. Der Kaiser von China, welcher von der wunderbaren Heilung
der Prinzessin von Indien gehört hatte, schickte einen Abgesandten hin, und
ließ den Ahmed bitten, zu geruhen, an seinen Hof zu kommen, um seine Tochter
der Gesundheit wieder zu geben. Ahmed säumte nicht, dahin zu reisen.

Aber wie groß war seine Verwunderung, als er bei seiner
Ankunft erkannte, dass die Prinzessin von China von demselben Geist besessen
war, welchen er aus dem Brunnen gezogen hatte. „He, wie,“ sprach der
Geist zu ihm, „du bist es, Ahmed, den ich mit Wohltaten überhäuft habe,
und der mir jetzt eine Prinzessin entreißen will, die ich liebe? Hüte dich
wohl davor: Wenn du mich zwingst, von hinnen zu weichen, so gehe ich geradewegs
nach Indien und töte deine Gemahlin.“

Ahmed war nicht wenig erschrocken über diese Drohung, und
er stand schon in Begriff, dem Kaiser von China die Unzulänglichkeit seiner
Kunst zu erklären, als ihm eine List in den Sinn kam. „Bei Gott! Mein
guter Geist,“ antwortete er ihm, „nicht um die Prinzessin zu heilen,
bin ich her gekommen: Im Gegenteil komme ich, dich zu bitten, mir deinen
Beistand zu leisten. Du erinnerst dich noch wohl jenes Weibes, mit welchem du in
dem Brunnen einige verdrießliche Augenblicke zubrachtest; nun wohl, es war
meine Frau. Ich weiß nicht, wer sie mag herausgezogen haben, aber, kurz, sie
ist in Freiheit, und sie tritt ein, wo ich austrete, und verfolgt mich überall:
in einem Augenblick wird sie hier sein, und ich komme, deinen Beistand
anzuflehen.“

„Meinen Beistand?“, erwiderte lebhaft der Geist.
„Gott behüte mich, dass ich je wieder mit einem solchen Weibe zusammen
komme. Ahmed, mein Freund, ziehe dich daraus, so gut du kannst: was mich
betrifft, ich weiß nicht zu helfen, ich flüchte mich augenblicklich.“

Bei diesen Worten machte sich der Geist fort; die
Prinzessin von China ward wieder gesund, und Ahmed, von den Gunstbezeugungen des
Königs überhäuft, kehrte in die Staaten seines Schweigervaters zurück.

„Ihr seht, Herr,“ fuhr der Wesir fort,
„dass die Bosheit der Weiber gar groß ist, weil sie den Teufeln selber
furchtbar ist. Wie könnten wohl die Männer sich davor sichern? Seit mehreren
Tagen schon sind die Ränke einer einzigen Frau im Stande, die Wesire, das Volk
und die Großen in Unruhe zu setzen. Seid auf eurer Hut gegen diese Umtriebe,
und verschiebt noch den Tod eures Sohnes.“

Der Kaiser, gerührt von der Rede des Wesirs, ließ seinen
Sohn ins Gefängnis zurückführen, und ritt auf die Jagd.

Am Abend, als Sindbad heimkam, erneute die Königin
Chansade ihr Andringen, dass er seinen Sohn umbringen ließ; und um das
Vertrauen zu erschüttern, welches der Kaiser in seine Wesire setzte, erzählte
sie ihm folgende Geschichte:

Der
König Papagei

Ein König von Indien hatte von einem Derwisch eine
Zauberformel erlernt, vermöge welcher er in den Leib eines Tieres übergehen
konnte; und manchmal hatte er diese Verzauberung versucht.

Eines Tages, als er mit einem seiner Wesire auf der Jagd
war, erlegte er einen Rehbock; und um dem Wesir seine Zaubermacht zu zeigen,
sprach er seine Formel aus, und nahm den Leib dieses Tieres an; und der Minister
sah zu seinem großem Erstaunen den Leib des Königs leblos hinsinken, während
der Leichnam des Rehbocks sich belebte und anfing zu springen.

Als der König wieder in seine natürliche Gestalt
zurückgekehrt war, beschwur der Wesir seinen Herrn, ihn diese köstliche Formel
zu lehren; und der König hatte die Unklugheit, den Bitten seines Ministers
nachzugeben.

Einige Zeit darauf bemerkte der Wesir einen toten Papagei
am Fuße eines der Bäume in der Nähe des Palastes, und sprach zu dem König:
„Herr, gestattet euch eure Formel auch, in den Leib eines Vogels
überzugehen?“ – „Sicherlich,“ antwortete der König, und
sogleich belebte er den Leichnam des Papageis, und setzte sich auf den Baum.

Sobald der Wesir sah, dass der König seinen Leib
verlassen hatte, so las er auch die Zauberformel, und bemächtigte sich
desselben, und ließ die Seele eines Sklaven seinen eigenen Leib einnehmen.

Man kann sich den Verdruss und den Schmerz des Königs
denken, als er die Treulosigkeit seines Wesirs sah; er flog hinweg, ganz
verwirrt, von ihm so angeführt zu sein.

Unterdessen bemächtigte sich der Wesir der Herrschaft des
Reichs. Er hatte sogar die Frechheit, in das Innere des Harems zu gehen, und auf
alle Weise die Stelle seines Herrn einzunehmen.

Der arme Papagei, nachdem er eine Zeitlang umhergeirrt
war, entschloss sich endlich, in das Haus eines Gärtners zu fliegen. Er ließ
sich fangen, in einen Käfig setzen, und auf den Markt bringen. Da er sehr
geläufig sprach, so überbot man sich, um ihn zu besitzen. Er erstaunte alle
Welt durch seine treffenden und lebhaften Antworten. Sein Preis wurde so hoch
gesteigert, dass allein die Königin einen so kostbaren Vogel kaufen konnte.

Er wurde also in den Harem gebracht und in die
Schlafkammer der Königin gesetzt. Und hier hatte der arme Papagei das Herzleid,
zur Nacht seinen schandbaren Wesir kommen und ungescheut das Bett der Königin
teilen zu sehen, während er, auf einer Stange seines Käfigs sitzend, seinen
Verdruss hinabwürgen musste.

Am folgenden Morgen unterhielten sich der Wesir und die
Königin miteinander; und der Papagei, in einem Winkel versteckt, hörte ihr
Gespräch an. „Wisst ihr,“ sagte der Wesir, „dass ich die Macht
habe, in den Leib eines jeden Tieres überzugehen, sobald er tot ist?“ –
„Es würde mich sehr ergötzen, eine solche Verwandlung zu sehen,“
antwortete die Königin, „ich bitte euch, versagt mir nicht das
Vergnügen.“

Da ließ der Wesir eine tote Gans bringen, und ging in
ihre Leiche über. Sogleich sprach der König Papagei auch seine Zauberformel
aus, und nahm seinen Leib wieder ein; dann ergriff er die Gans beim Hals und
zerschmetterte sie gegen die Wand. „In welcher Wut seit ihr, Herr!“
rief die Königin aus, „und warum erzürnt ihr euch so heftig?“ –

Man kann sich denken, wie groß ihr Erstaunen und ihre
Beschämung war, als ihr Gemahl ihr sein grausames Missgeschick erzählte.

„Ihr seht, Herr,“ fuhr Chansade fort,
„welches Vertrauen man auf einen Wesir haben kann.“ Und sie suchte
ihrem Gemahl die Notwendigkeit zu beweisen, seinen Sohn töten zu lassen. Der
König versprach ihr auch diese Genugtuung.

„Aber der Tag bricht an,“ sagte Scheherasade,
„wenn Euere Majestät es erlaubt, so wollen wir morgen fortfahren.“