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158. Nacht

Der junge Mann aus Mussul sagte, in seiner an den
jüdischen Arzt gerichteten Erzählung fortfahrend:

„Ich erwartete die beiden Schönen mit Ungeduld, und
sie kamen bei anbrechender Nacht. Beide entschleierten sich: Und wenn ich von
der Schönheit der ersten überrascht gewesen war, so hatte ich noch weit mehr
Ursache, es beim Anblick ihrer Freundin zu sein. Sie hatte regelmäßige Züge,
ein vollkommenes Gesicht, lebhafte Farbe und so glanzvolle Augen, dass ich ihren
Glanz kaum ertragen konnte.

Ich dankte ihr für die Ehre, die sie mir erzeigte, und
bat sie, mich zu entschuldigen, wenn ich sie nicht nach Verdienst
empfinge.“ – „Lassen wir die höflichen Redensarten,“ sagte sie
zu mir, „es käme eigentlich mir zu, euch der gleichen hören zu lassen, da
ihr erlaubt habt, dass meine Freundin mich hierher bringen darf, weil ihr mich
aber bei euch dulden wollte, so lassen wir die Umstände, und denken wir nur
daran, uns zu ergötzen.“

Da ich Befehle gegeben hatte, dass man uns den Imbiss
auftragen sollte, sobald die Frauen angekommen wären, so setzten wir uns bald
zu Tisch. Ich saß der Neuangelangten gegenüber, und sie hörte nicht auf, mich
lächelnd anzusehen. Ich konnte ihren siegenden Blicken nicht widerstehen, und
sie machte sich zur Herrin meines Herzens, ohne dass ich mich dessen erwehren
konnte. Aber sie fühlte auch selbst Liebe, indem sie mir welche einflößte,
und weit entfernt, sich Zwang anzutun, sagte sie mir sehr lebhafte Dinge.

Die andere Schöne, welche das beobachtete, lachte anfangs
nur darüber. „Ich habe es euch wohl gesagt,“ sagte sie, indem sie das
Wort an mich richtete, „dass ihr meine Freundin liebenswürdig finden
würdet, und ich merke wohl, dass ihr euren Schwur, mir treu zu bleiben, schon
verletzt habt.“ – „Meine Verehrteste,“ antwortete ich, indem ich
lachte, wie sie, „ihr würdet Ursache haben, euch über mich zu beklagen,
wenn ich es gegen eine Frau, die ihr mir zugeführt habt und die ihr liebt, an
Höflichkeit fehlen ließe, und ihr könntet mir beide den Vorwurf machen, dass
ich es nicht verstände, den artigen Wirt zu machen.“

Wir fuhren fort zu trinken, aber je mehr der Wein uns
erhitzte, je zuvorkommender wurden wir, die neue Schöne und ich, gegeneinander,
so, dass sich ihrer Freundin eine heftige Eifersucht bemächtigte, von welcher
sie uns bald einen sehr traurigen Beweis gab. Sie stand auf und ging hinaus,
indem sie uns sagte, sie würde wiederkommen, aber wenige Augenblicke nachher
veränderte sich das Gesicht der bei mir gebliebenen Schönen. Sie bekam heftige
Krämpfe und gab endlich in meinen Armen ihren Geist auf, während ich Leute
herbeirief, die mir helfen sollten, ihr beizustehen.

Ich gehe aus dem Zimmer, ich frage nach dem anderen
Fräulein. Meine Leute sagen mir, dass sie die Haustüre geöffnet habe und
fort gegangen sei. Ich schöpfte also Verdacht, – und nichts war
wahrscheinlicher, – dass sie es wäre, die den Tod ihrer Freundin veranlasst
hätte. In der Tat war sie so geschickt und boshaft gewesen, in die letzte
Schale, welche sie selbst ihr dargereicht hatte, ein sehr heftiges Gift zu tun.

Ich war lebhaft über diesen Unfall betrübt. „Was
soll ich tun?“, sagte ich zu mir selbst, „was soll aus mir
werden?“

Da ich glaubte, dass keine Zeit zu verlieren wäre, so
ließ ich bei dem Scheine des Mondes und ohne Geräusch eine der großen
Marmorplatten, mit welchen der Hof meines Hauses gepflastert war, aufheben und
schnell ein Grab graben, in welches sie den Leichnam der jungen Frau begruben.
nachdem die Marmorplatte wieder an ihren Ort gelegt war, nahm ich ein Reisekleid
und was ich an Geld hatte, und verschloss alles, sogar die Haustüre, die ich
mit meinem Siegel besiegelte. ich ging zu dem Juwelenhändler, der des Hauses
Eigentümer war, bezahlte ihm den schuldigen Mietzins und noch auf ein Jahr
voraus, gab ihm den Schlüssel, und bat ihn, mir denselben aufzubewahren:
„Ein dringendes Geschäft,“ sagte ich zu ihm, „nötigt mich,
einige Zeit abwesend zu sein, und ich muss zu meinen Oheimen nach Kairo.“
Ich nahm hierauf Abschied von ihm, stieg sogleich zu Pferde, und reiste mit
meinen Leuten, die meiner warteten, ab.