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157. Nacht

Als ich sah, dass die Frau in mein Haus getreten war,
stand ich auf, machte die Türe zu, führte sie in einen Saal, und bat sie, sich
zu setzen. „Verehrte Frau,“ sagte ich zu ihr, „ich habe wohl
Stoffe gehabt, die würdig waren, euch gezeigt zu werden: Aber ich habe keine
mehr, was mir jetzt recht verdrießlich ist.“

Sie hob den Schleier auf, der ihr Gesicht bedeckte, und
ihre Schönheit machte einen solchen Eindruck auf mich, wie ihn noch keine Frau
auf mich gemacht hatte. „Ich bedarf keiner Stoffe,“ erwiderte sie mir,
„ich bin bloß gekommen, um euch zu besuchen, und, wenn es euch angenehm
ist, den Abend mit euch zuzubringen. Ich bitte euch nur um einen leichten
Imbiss.“

Von so gutem Glück entzückt, befahl ich meinen Leuten,
uns mehrere Gattungen von Früchten und Wein zu bringen. Wir wurden schnell
bedient, aßen, tranken und ergötzten uns bis Mitternacht. Kurz, ich hatte noch
keine Nacht so angenehm als diese zugebracht.

Am anderen Morgen wollte ich der Schönen zehn Scherifs in
die Hand drücken. Aber sie zog sie heftig zurück. „Ich habe euch nicht
aus Eigennutz besucht, und ihr beleidigt mich. Weit entfernt, Geld von euch zu
nehmen, will ich, dass ihr welches von mir nehmt, denn sonst komme ich nicht
wieder.“ Zugleich zog sie zehn Scherifs aus ihrem Beutel und zwang mich,
sie anzunehmen. „Erwartet mich in drei Tagen nach Sonnenuntergang.“
Mit diesen Worten nahm sie Abschied von mir, und ich fühlte, als sie ging, dass
sie mein Herz mit sich nahm.

Nach drei Tagen verfehlte sie nicht, sich zur bestimmten
Stunde einzufinden, und ich empfing sie mit aller Freude eines ungeduldig
Wartenden. Wir brachten den Abend und die Nacht wie das erste Mal zu, und als sie
mich am folgenden Morgen verließ, versprach sie, mich zu besuchen, ging aber
nicht, ohne mir vorher wieder zehn Scherifs gegeben zu haben.

Sie kam zum dritten Mal, und als der Wein uns beiden die
Köpfe erhitzt hatte, sagte sie zu mir: „Mein liebes Herz, was denkst du
von mir, bin ich nicht schön und unterhaltend?“ – „Diese Frage, meine
Liebste, scheint mir sehr unnötig. Alle die Beweise von Liebe, die ich euch
gebe, müssen euch überzeugen, dass ich euch sehr lieb habe. Ich bin
hocherfreut, euch zu sehen und zu besitzen! Ihr seid meine Königin, meine
Sultanin! Ihr macht das ganze Glück meines Lebens aus!“ – „O,“
sagte sie zu mir, „ich bin überzeugt, dass ihr aufhören würdet, diese
Sprache gegen mich zu führen, wenn ihr eine meiner Freundinnen gesehen hättet,
die viel jünger und schöner ist, als ich! Sie besitzt eine so fröhliche
Laune, dass sie die schwermütigsten Leute zum Lachen bringen würde. Ich muss
sie zu euch hierher bringen. Ich habe ihr von euch erzählt, und nach dem, was
ich ihr von euch gesagt habe, stirbt sie vor Begierde, euch zu besuchen. Sie hat
mich gebeten, ihr dieses Vergnügen zu verschaffen, aber ich habe es nicht
gewagt, ihre Bitte zu erfüllen, ohne vorher mit euch deshalb gesprochen zu
haben.“ – „Meine Beste,“ sagte ich zu ihr, „ihr könnt tun,
was euch beliebt. Was ihr mir aber auch von eurer Freundin sagen mögt, ich
fordere alle ihre Reize auf und heraus, euch mein Herz zu rauben. Es hängt so
fest an euch, dass nichts im Stande ist es loszureißen.“ – „Nehmt
euch wohl in Acht,“ erwidere sie, „ich sage euch, dass ich euere Liebe
auf eine schwere Probe setzen werde.“

Dabei blieb es, und als sie mich am anderen Morgen
verließ, gab sie mir, statt zehn Scherifs, fünfzehn, die ich anzunehmen
genötigt war. „Erinnert euch,“ sagte sie zu mir, „dass ihr in
zwei Tagen eine neuen Gast bei euch haben werdet. Denkt darauf, sie gut zu
empfangen. Wir werden zur gewohnten Stunde nach Sonnenuntergang kommen.“

Ich ließ an dem bestimmten Tag den Saal schmücken und
einen guten Imbiss bereiten.“