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156. Nacht

Meine Oheime hatten meinem Vater nichts entgegenzusetzen,
und stimmten alle dem bei, was er von Kairo, vom Nil und vom ganzen Königreich
ägypten sagte. Was mich betraf, so war meine Einbildungskraft so voll davon,
dass ich die nächste Nacht fast schlaflos zubrachte.

Kurze Zeit nachher gaben meine Oheime selbst zu erkennen,
welche Eindruck die Schilderungen meines Vaters auf sie gemacht hatte. Sie
machten ihm den Vorschlag zu einer gemeinschaftlichen Reise nach ägypten. Er
nahm ihn an, und da sie reiche Kaufleute waren, so beschlossen sie, Waren
mitzunehmen, die sie dort verhandeln könnten.

Ich erfuhr, dass sie sich zur Reise vorbereiteten. Ich
suchte meinen Vater auf, und bat ihn mit tränenden Augen, er möchte mir
erlauben, ihn zu begleiten, und mir eine Anzahl Waren zu einem eigenen Geschäft
bewilligen. „Du bist noch zu jung,“ sagte er zu mir, „um eine
Reise nach ägypten zu unternehmen, die Beschwerde ist zu groß, und ich bin
überzeugt, dass diese Reise dir verderblich sein würde.“

Diese Worte nahmen mir die Reiselust nicht. Ich wandte die
Fürsprache meiner Oheime bei meinem Vater an, und sie bewirkten endlich, dass
ich, jedoch nur bis Damask, mitreisen und dort, während sie nach ägypten
gingen, bleiben sollte. „Die Stadt Damask,“ sagte mein Vater,
„hat auch ihre Schönheiten, und er muss sich mit der Erlaubnis begnügen,
dorthin zu reisen.“ Wie begierig ich auch war, ägypten, nach allem, was
ich davon gehört hatte, zu sehen, so war er doch mein Vater, und ich unterwarf
mich seinem Willen. Ich reiste also mit meinen Oheimen und ihm nach Mussul ab.
Wir reisten durch Mesopotamien, gingen über den Euphrat, und kamen in Aleppo
an, wo wir einige Tage verweilten; und von dort begaben wir uns nach Damask,
dessen Ansicht mich sehr angenehm überraschte. Wir kehrten alle in demselben
Khan ein. Wir brachten einige Tage damit zu, in allen den köstlichen Gärten
der Umgegend spazieren zu gehen, und wir waren einstimmig der Meinung, dass man
Recht habe zu sagen, Damask liege inmitten eines Paradieses.

Meine Oheime dachten endlich darauf, ihren Weg
fortzusetzen: Doch besorgten sie vorher den Verkauf meiner Waren, was sie auf
eine so vorteilhafte Weise taten, dass mir ein Gewinn von fünfhundert Prozent
zu Teil wurde. Dieser Verkauf verschaffte mir eine ansehnliche Summe, deren
Besitz mir große Freude machte.

Mein Vater und meine Oheime ließen mich also in Damask und setzten ihre Reise
fort. Nach ihrer Abreise nahm ich mich sehr in Acht, mein Geld nicht
unnützerweise zu verschwenden. Ich mietete jedoch ein prächtiges Haus. Es war
ganz von Marmor, mit goldenen und azurnen Laubwerkgemälden geziert, auch hatte
es einen Garten mit sehr schönen Springbrunnen. Ich richtete es ein, zwar nicht
so reich, als seine Pracht es verlangte, aber doch anständig genug für einen
Mann von meinem Stande. Es hatte einst einem der vornehmsten Herren der Stadt,
Namens Modoun Abdurraham gehört, und es gehörte damals einem reichen
Juwelenhändler, welchem ich monatlich nur zwei Scherifs1)
bezahlte. Ich hatte eine zahlreiche Dienerschaft, ich lebte mit Anstand. Ich
bewirtete zuweilen die Leute, mit denen ich Bekanntschaft gemacht hatte, und
ließ mich zuweilen von ihnen bewirten, und so brachte ich, die Rückkehr meines
Vaters erwartend, meine Zeit in Damask zu. Meine Ruhe wurde durch keine
Leidenschaft gestört, und der Umgang mit wackeren, anständigen Leuten machte
meine einzige Beschäftigung aus.

Eines Tages, als ich an der Türe meines Hauses saß, und
frische Luft schöpfte, kam eine sehr sorgfältig gekleidete, und dem Anschein
nach, sehr wohl gebildete Frau auf mich zu, und fragte mich, ob ich keine Stoffe
verkaufte? Dies sagend, trat sie in meine Wohnung.


1)
Scherif, so viel als Zeckine. Das Wort findet sich auch in altfranz. Schriften.

Daher unser Scherflein.