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153. Nacht

Die Frauen wendeten, um mein Blut zu stillen, nicht bloß
die erwähnte Wurzel an, sondern auch Balsam aus Mekka, dem man nicht in dem
Verdacht haben konnte, verfälscht zu sein, weil er aus der Apotheke des Kalifen
kam.

Durch die Kraft dieses Wunderbalsams wurde ich in wenigen
Tagen vollkommen geheilt, und meine Frau und ich, wir blieben zusammen, als ob
ich niemals eine Mengspeise mit Knoblauch gegessen hätte.

Da ich sonst immer meiner Freiheit genossen hatte, so langweilte es mich sehr,
stets in dem Palast des Kalifen eingeschlossen zu sein. Ich wollte jedoch meiner
Gattin nichts davon merken lassen, aus Furcht, ihr zu missfallen. Sie merkte es
aber doch, und wünschte selbst sehr, herauszukommen. Die Erkenntlichkeit allein
ließ sie bei Sobeïde bleiben. Aber sie hatte Verstand, und wusste ihrer
Gebieterin so gut vorzustellen, welchen Zwang es mich kostete, nicht in der
Stadt, wie ich sonst immer getan, mit Leuten meines Standes zu leben, dass diese
gute Fürstin sich lieber des Vergnügens beraubte, ihre Günstlingin um sich zu
haben, als das, was wir beide gleich sehnlich wünschten, nicht zu bewilligen.

Demnach sah ich, einen Monat nach unserer Verheiratung,
meine Gattin nebst mehreren Verschnittenen erscheinen, wovon jeder einen Sack
mit Geld trug. Als sie sich entfernt hatten, sagte sie: „Ihr habt mir
nichts über die Langeweile geäußert, welche euch der Aufenthalt am Hof
verursacht. Aber ich habe sie wohl bemerkt, und habe glücklicherweise ein
Mittel gefunden, euch zufrieden zu stellen. Sobeïde, meine Gebieterin, erlaubt
uns, den Palast zu verlassen, und hier sind fünfzigtausend Zeckinen, welche sie
uns zum Geschenk macht, um uns in den Stand zu setzen, dass wir bequem in der
Stadt leben können. Nehmt zehntausend davon und geht, uns ein Haus zu
kaufen.“

Ich fand sehr bald eines für diese Summe, und nachdem ich
es prächtig hatte einrichten lassen, zogen wir hinein. Wir kauften eine große
Anzahl Sklaven und Sklavinnen, und sorgten für schöne Kleider. Kurz, wir
fingen ein höchst angenehmes Leben an. Aber die Herrlichkeit dauerte nicht
lange: Am Ende eines Jahres erkrankte meine Frau, und starb in wenigen Tagen.

Ich hätte mich wieder verheiraten und nach wie vor
anständig in Bagdad leben können, aber die Neigung, die Welt zu sehen,
flößte mir ein anderes Vorhaben ein. Ich verkaufte mein Haus, und nachdem ich
mehrere Arten von Waren eingekauft hatte, schloss ich mich einer Karawane an,
und zog nach Persien. Von dort nahm ich meinen Weg nach Samarkand1),
von wo ich in diese Stadt gekommen bin, und mich hier selbst niedergelassen
habe.“

„Dies, o Herr,“ sagte der Lieferant zu dem
Sultan von Kaschghar, „ist die Geschichte, welche in der Gesellschaft, in
der ich mich gestern befand, der Kaufmann von Bagdad erzählte.“

„Diese Geschichte,“ sagte der Sultan, „hat
wohl etwas Außergewöhnliches, aber sie ist der des kleinen Buckligen doch
nicht zu vergleichen.“

Hierauf warf sich nun der jüdische Arzt, der sich
genähert hatte, vor dem Thron dieses Fürsten nieder, und sagte, nachdem er
wieder aufgestanden war: „Herr, wenn Euere Majestät die Güte haben will,
auch mich anzuhören, so schmeichele ich mir, dass ihr mit der Geschichte, die
ich euch erzählen will, zufrieden sein werdet!“ – „Wohlan,
erzähle!“, sagte der Sultan, „wenn sie aber nicht erstaunenswerter
ist, als die des kleinen Buckligen, so hoffe nicht, dass ich dir das Leben
schenke.“

Die Sultanin Scheherasade hielt inne, weil es tagte, in
der nächsten Nacht aber fuhr sie fort, wie folgt:


1)
Samarkand, eine alte große Stadt Asiens, im Land der Usbeken, Hauptstadt des
Königreichs desselben Namens, mit einer berühmten Akademie, und einem Schloss,
welches der gewöhnliche Sitz Tamerlans war. Sie treibt einen großen Handel,
besonders mit Früchten, die auf ihrem Gebiet ausnehmend gedeihen. Sie hat eine
schöne Lage am Sogd-Fluss, ziemlich nah an der persischen Grenze.