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148. Nacht

Ich empfing den Verschnittenen sehr freundschaftlich und
erkundigte mich bei ihm nach dem Befinden seiner Gebieterin. „Ihr
seid,“ sagte er, „der glücklichste Liebhaber von der Welt. Sie ist
krank vor Liebe. Es ist nicht möglich, dass man mehr Lust haben kann, euch zu
sehen, als sie hat, und wenn sie über ihre Handlungen gebieten könnte, so
würde sie zu euch kommen und gern alle Augenblicke ihres Lebens mit euch
zubringen.“ – „Ihrem edlen Wesen und ihrem seinen Benehmen nach,“
sagte ich zu ihm, „habe ich eine Dame von Stande vermutet.“ –
„Ihr habt euch in dieser Vermutung nicht betrogen,“ versetzte der
Verschnittene. „Sie ist der Liebling Sobeïdes, der Gemahlin des Kalifen,
welche sie um so mehr liebt, da sie sie von Kind auf erzogen hat, und sich bei
allen Einkäufen auf sie verlässt. Da sie die Absicht hat, sich zu verheiraten,
so hat sie der Gemahlin des Beherrschers der Gläubigen erklärt, dass sie die
Augen auf euch geworfen habe, und hat sie um ihre Zustimmung gebeten. Sobeïde
hat ihr gesagt, dass sie einwillige, dass sie euch aber vorher sehen wolle, um
sich zu überzeugen, ob sie eine gute Wahl getroffen habe, und dass sie in
diesem Falle die Hochzeitskosten tragen würde. Ihr seht also, dass euer Glück
gemacht ist. Wenn ihr der Günstlingin gefallen habt, so werdet ihr der Herrin,
die nur darauf bedacht ist, ihr Vergnügen zu machen, und die ihrer Neigung
keinen Zwang antun wird, nicht minder gefallen. Es kommt also nur darauf an,
dass ihr in den Palast kommt, und ihr seht mich deshalb hier. Entschließt
euch.“ – „Ich bin völlig entschlossen,“ erwiderte ich ihm,
„und ich bin bereit, euch zu folgen, wohin ihr mich führen werdet.“ –
„Das ist gut,“ sagte der Verschnittene, „aber ihr wisst, dass in
die Zimmer der Damen des Palastes keine Männer kommen dürfen, und dass man
euch nur durch Maßregeln, die eine große Heimlichkeit erfordern, einführen
kann. Die Lieblingin hat sichere genommen. Tut eurerseits alles, was von euch
abhängt, seid jedoch vor allem vorsichtig und verschwiegen, denn es geht um
euer Leben.“

Ich versichere ihn, das ich alles tun würde, was man mir
beföhle. „Ihr müsst euch also,“ sagte er zu mir, „beim Eintritt
der Nacht in die Moschee begeben, welche Sobeïde, die Gemahlin des Kalifen, am
Ufer des Tigris hat erbauen lassen, und dort warten, bis man euch abholt.“
Ich willigte in alles, was er wollte.

Ich erwartete das Ende des Tages mit Ungeduld, und als es
da war, machte ich mich auf den Weg. Ich wohnte dem Gebet anderthalb Stunden
nach Sonnenuntergang in der Moschee bei, in welcher ich der letzte blieb.

Ich sah alsbald einen Kahn ankommen, dessen Ruderer lauter
Verschnittene waren. Sie stiegen ans Land und trugen mehrere große Kisten in
die Moschee, worauf sie sich weg begaben. Es blieb nur ein einziger zurück, den
ich für denselben erkannte, der die Dame immer begleitet und am Morgen mit mir
gesprochen hatte.

Ich sah nun auch die Dame eintreten, ging ihr entgegen,
und bezeigte ihr meine Bereitwilligkeit, ihre Befehle zu vollziehen. „Wir
haben,“ sagte sie zu mir, „keine Zeit zu verlieren.“ sie öffnete
hierauf eine der Kisten und befahl, dass ich mich hineinlegen sollte: „Das
ist,“ setzte sie hinzu, „eine zu eurer und zu meiner Sicherheit
nötige Sache. Fürchtet nichts, und lasst mich für das übrige sorgen.“
ich war schon zu weit gegangen, um wieder zurück zu können. Ich tat was sie
verlangte, und sie verschloss sogleich die Kiste mit einem Schlüssel. Hierauf
rief der Verschnittene, der ihr Vertrauter war, die anderen Verschnittenen,
welche die Kisten in die Moschee getragen hatten, und ließ sie alle in den Kahn
zurücktragen. Da sich hierauf die Dame und ihr Verschnittener wieder
eingeschifft hatten, so ruderte man fort, um mich in die Wohnung Sobeïdes zu
bringen.

Während dieser Zeit stellte ich ernsthafte Betrachtungen
an, und die Gefahr bedenkend, in welcher ich mich befand, bereute ich es, mich
ihr ausgesetzt zu haben. Ich nahm meine Zuflucht zu Gebeten und Gelübden, zu
welchen es eben nicht die rechte Zeit war.

Der Kahn landete an der Pforte des Palastes des Kalifen,
man lud die Kisten ab, welche in das Zimmer des Befehlshabers der Verschnittenen
gebracht wurden, der den Schlüssel zu den Zimmern der Frauen in Verwahrung hat,
und ohne strenge Durchsuchung nichts einlässt. Dieser Befehlshaber hatte sich
schlafen gelegt. Man musste ihn wecken und aufstehen heißen.