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147. Nacht

„Ich hatte,“ fuhr der Kaufmann fort, „meine
Gläubiger um eine achttägige Frist gebeten. Da diese nun vorbei war, drängten
sie mich, sie zu bezahlen. Ich bat sie, mir dieselbe Frist nochmals zu
bewilligen: Sie taten es, aber schon am folgenden Tage sah ich die Dame auf
ihrer Mauleselin, mit demselben Gefolge und zu derselben Stunde, wie das
erste Mal, ankommen.

Sie kam gerade auf meinen Laden zu. „Ich habe euch
ein wenig warten lassen,“ sagte sie, „aber nun bringe ich euch das
Geld für die neulich mitgenommenen Stoffe. Trage es zu einem Wechsler, damit er
untersuche, ob es von gutem Gehalt und richtig gezählt ist.“

Der Verschnittene, der das Geld hatte, ging mit mir zum
Wechsler, und die Summe fand sich richtig und in gewichtiger Geldsorte. Ich
kehrte zurück, und hatte wieder das Glück, die Dame zu unterhalten, bis alle
Läden des Besasthans offen waren. Obgleich wir nur von sehr gewöhnlichen
Dingen sprachen, so wusste sie ihnen doch eine Wendung zu geben, welche
dieselben neu erscheinen ließ, und mir bewies, dass ich mich nicht geirrt
hatte, als ich ihr, schon bei unserer ersten Unterredung, viel Verstand
zuschrieb.

Als die Kaufleute gekommen waren und ihre Läden geöffnet
hatte, brachte ich denjenigen, bei welchen ich Stoffe auf Borg genommen hatte,
das schuldige Geld, und erlangte von ihnen ohne Mühe, dass sie mir andere von
der Dame verlangte anvertrauten. Ich nahm dergleichen für tausend Goldstücke,
und die Dame nahm die Ware wieder mit, ohne sie zu bezahlen, ohne mir etwas zu
sagen, und ohne sich zu erkennen zu geben. Es wunderte mich sehr, dass sie mir
nichts zurück ließ, und dass ich ohne Bürgschaft und ohne die Gewissheit
einer Entschädigung blieb, im Fall ich sie nicht wieder sähe. „Sie zahlt
mir eine sehr ansehnliche Summe,“ sagte ich zu mir selbst, „aber sie
bleibt mir eine noch ansehnlichere schuldig. Sollte sie eine Betrügerin sein,
und wäre es möglich, dass sie mich nur gelockt hätte, um mich um so tiefer
ins Verderben zu bringen? Die Kaufleute kennen sie nicht, und werden sich an
mich halten.“

Meine Liebe war nicht mächtig genug, um mich an sehr
trübseligen Betrachtungen zu hindern. Meine Unruhe vermehrte sich von Tage zu
Tage, einen ganzen Monat hindurch, welcher verfloss, ohne dass ich von der Dame
irgend etwas erfuhr. Endlich wurden die Kaufleute ungeduldig, und ich war, um
sie zu befriedigen, schon darauf gefasst, alles, was ich hatte, verkaufen zu
müssen, als ich sie eines Morgens in demselben Aufzug, wie früher,
wiederkommen sah.

„Nehmt eure Goldwaage,“ sagte sie zu mir,
„um das Gold zu wägen, welches ich euch mitbringe.“ Diese Worte
zerstreuten meine Besorgnis und verdoppelten meine Liebe vollends. Ehe sie die
Goldstücke aufzählte, legte sie mir mehrere Fragen vor. Unter anderen fragte
sie mich, ob ich verheiratet wäre. Ich antwortete ihr, dass ich es nicht wäre
und es auch niemals gewesen. Hierauf sagte sie zu dem Verschnittenen, indem sie
ihm das Gold gab: „Leiht uns euren Beistand, um unsere Angelegenheit zu
Ende zu bringen!“ Der Verschnittene lachte, und ließ mich, nachdem er mich
bei Seite gezogen hatte, das Gold wägen. Während ich wog, sagte er mir ins
Ohr: „Ich sehe es euch wohl an, dass ihr meine Gebieterin liebt, und ich
bin erstaunt, dass ihr nicht dreist genug seid, ihr eure Liebe zu entdecken. Sie
liebt euch noch mehr, als ihr sie liebt. Glaubt nur nicht, dass sie eurer Stoffe
bedarf. Sie kommt bloß, weil ihr ihr eine heftige Leidenschaft eingeflößt
habt, und sie hat euch auch nur deshalb gefragt, ob ihr verheiratet seid. Ihr
dürft nur sprechen, und es steht nur bei euch, sie zu heiraten, wenn ihr
wollt.“ – „Es ist wahr,“ entgegnete ich ihm, „dass ich seit
ich sie zum ersten Mal sah, Liebe für sie empfinde, aber ich wagte es nicht,
auf das Glück, ihr zu gefallen, Anspruch zu machen. Ich bin mit Leib und Seele
der ihrige, und ich werde nicht unterlassen, euch für den guten Dienst, den ihr
mir leistet, erkenntlich zu sein.“

Ich war endlich mit dem Abwägen der Goldstücke fertig,
und während ich sie wieder in den Beutel tat, wendete sich der Verschnittene zu
der Dame und sagte ihr, dass ich sehr zufrieden wäre, dies war das unter ihnen
verabredete Wort. Sogleich stand die Dame von ihrem Sitz auf und entfernte sich,
indem sie mir sagte, dass sie mir den Verschnittenen senden, und dass ich nur
tun möchte, was er mir von Seiten ihrer sagen würde.

Ich brachte jedem Kaufmann das ihm gebührende Geld, und erwartete einige Tage
hindurch den Verschnittenen mit Ungeduld. Endlich kam er.