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144. Nacht

Der junge Mann aus Bagdad beendigte auf solche Weise die
Geschichte, die er dem christlichen Kaufmann erzählt hatte: „Das, was ihr
jetzt gehört habt,“ fuhr er fort, „muss mich entschuldigen, dass ich
bei euch mit der linken Hand gegessen habe, Gott sei Dank, noch Vermögen genug
besitze, so bitte ich euch, die Summe, die ich von euch zu fordern habe, als
Geschenk anzunehmen. Außerdem habe ich euch noch einen Vorschlag zu machen. Da
ich nach dem, was ich euch erzählt habe, nicht länger in Kairo bleiben kann,
so bin ich entschlossen abzureisen, um nie wieder hierher zu kommen. Wenn ihr
mir Gesellschaft leisten wollt, so wollen wir gemeinschaftlich Handel treiben,
und den dadurch erlangten Gewinn teilen.

Als der junge Mann aus Bagdad mit seiner Geschichte zu
Ende war,“ sagte der christliche Kaufmann, „dankte ich ihm
bestmöglichst für das mir gemachte Geschenk, und nahm seinen Vorschlag, mit
ihm zu reisen, sehr gern an, indem ich ihn versicherte, dass sein Vorteil mir
immer eben so am Herzen liegen würde, als der meinige.

Wir setzten einen Tag zu unserer Abreise fest, und als er
genommen war, machten wir uns auf den Weg. Wir sind durch Syrien und
Mesopotamien gereist, haben ganz Persien durchstrichen, und sind endlich,
nachdem wir uns in verschiedenen Städten aufgehalten haben, o Herr, in eure
Hauptstadt gekommen. Nach Verlauf einiger Zeit bezeigte mir der junge Mann sein
Verlangen, nach Persien zurückzukehren und sich dort niederzulassen: Wir
berechneten uns mit einander, und trennten uns mit gegenseitiger Zufriedenheit.
Er reiste ab, und ich, Herr, bin in dieser Stadt geblieben, wo ich die Ehre habe
in Eurer Majestät Diensten zu sein. Das ist die Geschichte, die ich euch zu
erzählen hatte. Findet ihr sie nicht erstaunenswerter, als die des Buckligen?

Der Sultan von Kaschghar geriet gegen den christlichen
Kaufmann in Zorn. „Du bist sehr dreist,“ sagte er zu ihm, „dass
du es wagst, mir eine Geschichte zu erzählen, die meiner Aufmerksamkeit so
wenig würdig ist, und sie der des Buckligen zu vergleichen. Kannst du mir
schmeicheln, mich zu überzeugen, dass die faden Abenteuer eines jungen
Wüstlings bewundernswerter sind, als die meines Lustigmachers? Ich werde euch
alle viere hängen lassen, um seinen Tod zu rächen.“

Bei diesen Worten warf sich der erschrockene Lieferant zu
den Füßen des Sultans: „Herr,“ sagte er, „ich bitte Euer
Majestät inständigst, ihren gerechten Zorn noch zurückzuhalten, mich
anzuhören, und uns allen vieren Gnade widerfahren zu lassen, wenn die
Geschichte, die ich Euer Majestät erzähle, schöner ist, als die des
Buckligen.“ – „Ich bewillige deine Bitte,“ sagte der Sultan,
„rede!“

Der Lieferant nahm hierauf das Wort und begann:

Geschichte,
welche der Lieferant des Sultans von Kaschghar erzählt

„Herr, eine sehr geachtete Person ladete mich gestern
zu der Hochzeit einer seiner Töchter ein. Ich unterließ nicht, mich am Abend
zur bestimmten Stunde einzufinden, und ich befand mich in einer Gesellschaft von
Doktoren, Justizbeamten und anderen höchst ausgezeichneten Personen der Stadt.
Nach den Feierlichkeiten trug man ein prächtiges Mahl auf. Man setzte sich zu
Tisch, und jeder aß, was ihm am besten mundete. Es gab unter anderen Gerichten
ein ganz vortreffliches, mit Knoblauch zubereitetes, von welchem alle haben
wollten. Da wir unter den Gästen einen bemerkten, der nicht von dem Gerichte
aß, obgleich es vor ihm stand, so ladeten wir ihn ein, gleich uns, zuzulangen.
Er beschwur uns, ihn nicht zu nötigen: „Ich werde mich wohl hüten,“
sagte er, „von einer Mengspeise zu essen, in welcher Knoblauch ist. Ich
habe nicht vergessen, was es mich gekostet hat, einst von einem solchen Gericht
gegessen zu haben.“ Wir baten ihn, uns zu erzählen, was ihm denn eine so
große Abneigung gegen den Knoblauch eingeflößt hätte. Aber der Herr vom
Hause sagte, ohne ihn zur Antwort zu lassen: „Ehrt ihr meinen Tisch auf
solche Weise? Das Gericht ist köstlich, ihr dürft es nicht ungekostet lassen,
und müsst mir den Gefallen erzeigen, gleich den anderen, davon zu essen.“
– „Herr,“ versetzte der Gast, der ein Kaufmann aus Bagdad war,
„glaubt nicht, dass ich aus falschem Zartgefühl mich so benehme, wenn ihr
es ausdrücklich verlangt, will ich euch wohl gehorchen, aber ich kann es nur
unter der Bedingung tun, dass ich mir nach dem Essen, mit eurer Vergünstigung,
die Hände vierzig Mal mit Kali1),
vierzig Mal mit der Asche der nämlichen Pflanze, und eben so oft mit Seife
wasche. Ihr werdet es mir nicht übel nehmen, wenn ich so verfahre, um einen
Eidschwur zu halten, den ich abgelegt habe, eine Mengspeise mit Knoblauch nur
unter dieser Bedingung zu essen.“


1)
Kali heißt eine am Meer wachsende Pflanze, die man sammelt und grün verbrennt.
Ihre Asche heißt Soda, wie auch die Pflanze selbst genannt wird. Daher al-Kali
der Chemiker.