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140. Nacht

Der christliche Kaufmann fuhr auf folgende Weise fort dem
Sultan von Kaschghar zu erzählen:

„Ich brauchte nicht lange,“ sagte der junge Mann
zu mir, „in dem Saal zu warten. Die Dame, welche ich liebte, trat bald, mit
Perlen und Diamanten geschmückt, herein; aber sie glänzte noch mehr durch den
Glanz ihrer Augen, als durch den ihrer Edelsteine. Ihr Wuchs, welcher nun nicht
mehr durch ihre Stadtkleidung verborgen war, schien mir der feinste und
schönste von der Welt.

Ich erzählte euch nichts von der Freude, die wir
empfanden, uns wieder zu sehen, denn ich würde sie nur schwer zu schildern
vermögen. Ich sage euch deshalb nur, dass wir uns, nach dem ersten
Begrüßungen, beide auf ein Sofa setzten, wo wir uns höchst angenehm
unterhielten. Man trug uns hierauf die köstlichsten und ausgesuchtesten Speisen
auf. wir setzten uns zu Tische, und nach der Mahlzeit begannen wir, uns, bis es
Nacht wurde, zu unterhalten. Man brachte uns hierauf trefflichen Wein und
Früchte, welche zum Trinken reizten, und wir tranken beim Klang der
Instrumente, welche die Sklaven mit ihren Stimmen begleiteten. Die Dame vom
Hause sang selbst und machte mich durch ihre zu Herzen dringenden Lieder
vollends zum leidenschaftlichsten aller Liebhaber. Ich brachte hierauf die Nacht
im Genuss aller Arten von Vergnügungen zu.

Nachdem ich am anderen Morgen den mitgebrachten Beutel mit
den fünfzig Geldstücken geschickt unter das Kopfkissen gesteckt hatte, sagte
ich der Dame Lebewohl, die mich fragte, wann ich sie wieder besuchen würde.
„Teuerste Frau,“ erwiderte ich ihr, „ich verspreche euch, diesen
Abend wiederzukommen.“ Sie schien höchst über meine Antwort erfreut,
geleitete mich an die Türe, und beschwur mich, als wir uns trennten, mein
Versprechen zu halten.

Derselbe Mann, der mich hingebracht hatte, erwartete mich
mit seinem Esel. Ich bestieg ihn, und kehrte in den Khan des Mesrur zurück. Als
ich den Mann fortschickte, sagte ich ihm, dass ich ihn nicht bezahlte, damit er
mich Nachmittags zu der Stunde, die ich ihm bestimmte, abholen sollte.

Sobald ich nun wieder in meiner Wohnung war, war meine
erste Sorge, ein gutes Lamm und mehrere Gattungen von Kuchen einkaufen zu
lassen, die ich der Dame durch einen Träger schickte. Ich beschäftigte mich
hierauf mit ernsten Angelegenheiten, bis der Herr des Esels angelangt war. Ich
machte mich mit ihm auf den Weg, und begab mich zu der Dame, die mich mit eben
so vieler Freude, als an dem vergangenen Tag, aufnahm und mich mit einem ebenso
köstlichen Mahl, als das erste war, bewirtete.

Als ich am folgenden Tag von ihr ging, hinterließ ich ihr
wieder einen Beutel mit fünfzig Goldstücken, und kehrte in den Khan des Mesrur
zurück.“