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14. Nacht

„Meine Schwester,“ rief Dinarsade am Ende der
vierzehnten Nacht, „ich bitte dich, nimm die Geschichte des Fischers wieder
auf; du bist da stehen geblieben, wo der Griechische König die Unschuld des
Arztes Duban behauptet, und ihn so kräftig verteidigt.“ – „Ich
erinnere mich wohl daran,“ antwortete Scheherasade; „du sollst
sogleich den Verfolg davon hören.“

„Herr,“ fuhr sie fort, stets an Schachriar das
Wort richtend, „was der griechische König von dem König Sindbad sagte,
reizte die Neugier des Wesirs, so dass er zu ihm sagte: „ich bitte Euer
Majestät um Verzeihung, wenn ich die Dreistigkeit habe, zu fragen, was denn die
Wesire des Königs Sindbad zu ihrem Herrn sagten, um ihn abzuhalten, den
Prinzen, seinen Sohn, töten zu lassen.“ Der griechische König hatte die
Gefälligkeit, seine Neugier zu befriedigen, und begann also:

Die
vierzig Wesire

„Es herrschte einst in Persien ein mächtiger König,
Namens Sindbad. Ganz Asien gehorchte seinen Geboten. Er war der reichste König
auf Erden; seine Tapferkeit glich seiner Macht; und wenn er ehrgeizig genug
gewesen wäre, nach der Herrschaft der Welt zu trachten, so hätte er sie
erobern können. Aber zufrieden, über weite und blühende Länder zu herrschen,
dachte er nicht daran, sch derer seiner Nachbarn zu bemächtigen. Er hatte kein
anderes Ziel im Auge, als die Wohlfahrt seiner Völker, welche sich auch so
glücklich fühlten, dass sie jeden Tag seiner Regierung segneten. Alle andere
Völker beneideten sie deshalb, und wünschten, so wie sie, zu seinen Untertanen
zu gehören.

Dieser große Kaiser hatte einen Sohn, welcher die
Bewunderung aller war, die ihn sahen. Er war Nurgehan genannt, das heißt,
Licht der Welt. Dieser junge Prinz war von stattlichem Wuchse und himmlischer
Schönheit, und verband mit diesen glänzenden Gaben alle empfehlenswerte
Geschicklichkeiten. Er konnte bewundernswürdig in verschiedenen Sprachen
schreiben; er war ein vortrefflicher Bogenschütze; kurz, es gibt fast keine
Wissenschaft, die er nicht besaß, oder davon er mindestens nicht eine
genügende Einsicht hatte.

Er war das lebendige Ebenbild der Sultanin, seiner Mutter,
welche man den Schönheiten von Kaschemir verglich. Sindbad liebte seine
Gemahlin zärtlich. Davon gab er eben so aufrichtige als schmerzliche Beweise,
als durch einen verhängnisvollen Beschluss des Schicksals, sie nach einer
langen Krankheit starb. Er empfand darüber einen so lebhaften Schmerz, dass es
unmöglich ist, ihn auszudrücken. Gleichwohl tat die Zeit ihre gewöhnliche
Wirkung; der Kaiser tröstete sich, und die Reize einer neuen Frau ließen ihn
die vergessen, die er verloren hatte.

Er vermählte sich mit der Prinzessin Chansade1), der
Tochter eines benachbarten Königs. Sie war schön, sie hatte Geist: aber sie
vermochte ihren Leidenschaften nichts zu versagen. Sie konnte den jungen Prinzen
nicht sehen, ohne die heftigste Liebe für ihn zu empfinden; und weit entfernt,
ihre Kräfte aufzubieten, und sie zu besiegen, gab sie sich ihr hin, und beschloss,
sie dem Prinzen zu erklären, sobald sie Gelegenheit dazu fände.

Unterdessen befliss Nurgehan sich der Wissenschaften, und
machte große Fortschritte in der Sterndeutung, worin ihn sein Lehrer Abuschamar
unterrichtete, ein Mann von tiefem Wissen, und der geschickteste Sterndeuter in
Asien.

Dieser gelehrte Mann stellte eines Tages dem Prinzen,
seinem Schüler, das Horoskop, und erkannte durch seine untrüglichen
Beobachtungen, dass derselbe von einem furchtbaren Unglücke bedroht würde; er
sprach zu ihm: „Prinz, ich habe die Sterne über eure Bestimmung befragt,
und sie euch wenig günstig befunden. Ein trauriges Schicksal steht euch bevor,
und Ihr sehet mich deshalb von Schmerz durchdrungen.“

Nurgehan erblasste bei diesen Worten; sein Lehrer aber
beruhigte ihn, indem er ihm sagte: „Glaubet indessen nicht, dass meine
Zärtlichkeit für euch und meine Kunst dem feindlichen Geschicke weichen,
welches euch bedroht; euer Untergang steht freilich in den Sternen geschrieben,
aber es ist nicht unmöglich, ihm zuvorzukommen. Mein Buch hat mir das Mittel
dazu gezeigt. Ihr müsst nämlich vierzig Tage stumm sein. Was man auch zu euch
spreche, antwortet nichts darauf; und was auch immer euch begegne, hütet euch
wohl ein Stillschweigen zu brechen, von welchem euer Leben abhängt.“

Der Prinz versprach, vierzig Tage lang zu schweigen. Nach
diesem Versprechen schrieb sein Lehrer einige Namen2) auf, und hängte sie ihm
um den Hals; darauf begab er sich in ein unterirdisches Gemach, welches er nur
allein wusste, und verbarg sich dort, um nicht genötigt zu werden, die Neugier
des Kaisers zu befriedigen, und ihm Dinge zu entdecken, die er ihm nicht
entdecken wollte.

Sindbad, welcher nicht lange sein konnte, ohne seinen Sohn
zu sehen, ließ ihn zu sich kommen, und tat ihm verschiedene Fragen, auf welche
der Prinz nicht antwortete. Der Kaiser war sehr verwundert darob, und rief aus:
„O mein Sohn, warum redest du nicht? hast du die Sprache verloren? was hat
man dir getan? Was ist dir begegnet? Zerstreue die Unruhe, welche mir dein
Stillschweigen verursacht.“ Diese Worte taten nicht mehr Wirkung, als die
ersten. Der Prinz sah seinen Vater traurig an, und senkte dann die Augen, ohne
ein einziges Wort zu sagen.

Darauf wandte der König sich an den Hofmeister seines
Sohnes, und sagte zu ihm: „Der Prinz hat einen geheimen Kummer, der ihn
verzehrt. Führ‘ ihn in das Zimmer der Sultanin, seiner Stiefmutter, vielleicht
eröffnet ihr sich sein Herz.“

Der Hofmeister gehorchte dem Befehle des Kaisers; er
führte Nurgehan zu der Sultanin Chansade: „Herrin,“ sagte er zu
dieser Fürstin, „es scheint, dass der Prinz die Sprache verloren hat.
Seine Seele ist der Raub einer unseligen Betrübnis, deren Ursache er
hartnäckig verhehlt. Der Kaiser sendet ihn zu euch, weil er hofft, dass Eure
Gegenwart seine Schwermut verbannen wird.“

Die Sultanin empfand bei diesen Worten eine angenehme
Unruhe. „Ich muss,“ sagte sie bei sich selber, „diesen
glücklichen Augenblick benutzen, auf welchen ich so lange gewartet habe. Ich
habe nichts zu befürchten, wenn ich mich erkläre. Hat Nurgehan die Sprache
verloren, so kann er seinem Vater nicht wieder sagen, was ich ihm gesagt habe;
und ist er unbescheiden genug, um meine Liebe zu offenbaren, so werde ich sagen,
dass ich dergleichen zu ihm geredet habe, bloß um ihn zum Sprechen zu
bewegen.“ Kurz, Chansade ergriff diese Gelegenheit, als die günstigste,
welche sie jemals finden konnte, ließ alle Gegenwärtigen aus ihrem Zimmer
treten, und blieb allein mit dem Prinzen.

Sie begann damit, ihm um den Hals zu fallen, und ihn
inbrünstig zu umarmen: „Geliebter Prinz,“ sagte sie zu ihm, „was
ist es, das dich so betrübt? Verbirg mir es nicht, mir, die ich dich
zärtlicher liebe, als wenn du mein eigener Sohn wärest.“

Der Prinz, gerührt von den Zeichen der Freundschaft,
welche seine Stiefmutter ihm gab, bemühte sich, durch seine Blicke und Gebärden
ihr begreiflich zu machen, dass er innigst betrübt wäre, ihr nicht antworten
zu können. Sie legte diese Gebärden und Blicke falsch aus, und bildete sich
ein, dass er von demselben entbrenne, welches sie verzehrte, und dass er ohne
Zweifel sich nicht hätte erwehren können, Liebe für sie zu empfinden, so wie
sie sich nicht hatte enthalten können ihn zu lieben; und dass er aus Ehrfurcht
vor seinem Vater nicht wagte, seine Empfindungen zu entdecken.

Bezaubert durch diesen Irrtum fuhr sie fort, mit aller
Leidenschaft, deren nur eine Frau fähig ist, welche die Tugend und die Vernunft
verlassen hat: „O mein König! O meine Seele! Brich dieses grausame
Schweigen, welches uns beide quält. Du weißt, dass alles, was der Kaiser
besitzt, in meiner Gewalt steht. Willst du dich mit mir verständigen, und
einwilligen, was ich dir antrage, so sollst du in kurzer Zeit auf dem Gipfel
deiner Wünsche sein. Du bist jung, Prinz; wie du, bin auch ich noch jung. Ich
passe für dich besser, als für deinen Vater, dessen hohes Alter mein Leben
traurig und langweilig macht. Du antwortest nicht? Verpflichte dich durch einen
unverletzlichen Eid, mich zu deiner Gemahlin zu nehmen, und ich verspreche dir,
dich bald zum Kaiser zu machen und den Tod deines Vaters zu beschleunigen. Ich
schwöre bei dem großen Gott, Schöpfer Himmels und der Erden, dass meine Worte
ohne Arglist sind. Verbinde dich also durch denselben Eid, und versichere mich, dass
du die Hand empfangen willst, welche dich krönen wird.“

Nurgehan gab keine Antwort auf diese Rede; und da er
darüber betroffen schien, fuhr die Sultanin fort: „Ich sehe wohl ein,
Prinz, dass mein Vorschlag dich überrascht. Du zweifelst, ob ich ihn ausführen
könne. Aber vernimm, auf welche Weise ich den Kaiser sterben lassen will. Es
befinden sich in dem Schatze alle Arten von Gift. Da sind welche, die das Leben
einen Monat, nachdem es genommen ist, enden. Andere sind, welche erst binnen
zwei Monaten töten. Es sind selbst welche, die noch langsamer ihre Wirkung tun.
Wir wollen uns dieser letzten bedienen. Der Kaiser wird krank, und geht allmählich
seiner Bestimmung entgegen, ohne dass das Volk in uns die Urheber seines Todes
argwöhnen kann. Darauf besteigst du den Thron. Das ganze Land erkennt dich für
seinen Herrn, und das Heer gehorcht dir.“

Wenn der Sohn des Kaisers auch hätte reden wollen, so
würde er nicht die Kraft dazu gehabt haben, so erstaunt war er, diesen
schrecklichen Antrag zu hören.

Die Sultanin, als sie ihn so nachdenklich sah, fügte
hinzu: „Prinz, wenn du etwa in Verlegenheit bist, wie du die Gemahlin
deines Vaters zur Frau nehmen könntest, so will ich es dich lehren. Nach dem
Tode des Kaisers darfst du mich nur in mein Vaterland heimsenden, und mir
heimlich einen deiner Hauptleute mit etlichen Soldaten folgen lassen: sie fallen
als Räuber über uns her, und entführen mich. Darnach bringe man das Gerücht
in Umlauf, dass ich auf dem Wege getötet worden, und einige Tage darauf kaufst
du mich von dem Hauptmanne, so wie man Sklavinnen kauft. Durch dieses Mittel
kannst du mein Mann werden, und so werden wir beide in der süßesten
Vereinigung leben.“

Hier hielt die Fürstin inne, um dem Prinzen Zeit zu
lassen, ein schon zu langes Stillschweigen zu brechen; da er aber immer noch
nicht antwortete, so verlor sie alle Zurückhaltung, sie drückte ihn fest in
ihre Arme und küsste ihn mit Inbrunst. Aber Nurgehan, entrüstet über die
Schamlosigkeit seiner Stiefmutter, riss sich ungestüm aus ihren Armen los, und
schlug sie so unsanft ins Gesicht, dass ihr der Mund davon blutete.
Auf der Stelle wechselte der Zorn mit der Zärtlichkeit in dem Herzen der
Sultanin. Ihre Augen, die einen Augenblick zuvor nur von dem Feuer der Liebe
glänzten, funkelten jetzo vor Wut. „Ha, Niederträchtiger!“ rief sie
aus, „so behandelst du eine Fürstin, die dich anbetet? Barbar! Wenn ich,
indem ich dir die Stelle deines Vaters anbiete, deine wilde Tugend empöre; wenn
du mich, nach diesem Antrage, mit Abscheu betrachtest: solltest du nicht die
Leidenschaft einer Frau entschuldigen, welche eine törige Liebe verblendet? Ich
verdiente eher dein Mitleid, als die schändliche Behandlung, welche mir von dir
widerfahren ist. Wohlan, folge nur deiner Rohheit. Verdoppele, wenn du kannst,
deinen Hass gegen mich. Du kannst mich nie so sehr hassen, als ich in diesem
Augenblick dich hasse. Fliehe meine Gegenwart, und fürchte die Rache einer
Frau, deren Gunst zu verschmäht hast.“

Sie hatte nicht nötig, dem Prinzen zu befehlen, sich zu
entfernen: er hatte dies schon getan, sobald er die Sultanin geschlagen hatte;
so dass er nicht die Hälfte von ihren Vorwürfen und Drohungen hörte.

Chansade atmete nichts als Wut und Rache. Sie beschloss Nurgehans Verderben. In
dieser Absicht zerriss sie ihre Kleider, zerraufte ihr Haar, rieb sich das ganze
Gesicht mit dem Blute, welches ihr aus der Nase floss, und ließ ihr Zimmer von
ihrem Geschrei und Wehklagen widerhallen.

Der Kaiser kam bald darauf, sich zu erkundigen, ob sein
Sohn endlich sein Stillschweigen gebrochen hätte. Wie erstaunte er aber, als er
die Sultanin auf dem Sofa sitzend fand mit zerstreuten Haaren und blutigem
Gesichte! Da er sie liebte, so war er außer sich vor Zorn und Schmerz: „O
geliebte Seele meiner Seele,“ reif er aus, „wer hat dich in diesen
kläglichen Zustand versetzt! Nenne mir ihn schleunigst. Du solltest jetzt schon
gerächt sein.“

Die listige Königin verdoppelte bei dieser Anrede ihr
Weinen, und antwortete also: „Herr, du bist Vater! warum kann ich dir nicht
verbergen, was du zu wissen wünschest? Wenn du erstaunt bist über die
Verwirrung, in welcher ich bin, wie groß wird erst dein Erstaunen sein, wenn du
erfährst, dass es das Werk deines Sohnes ist?“ – „Meines Sohnes?
großer Gott!“ unterbrach sie der Kaiser. „Ach, meine Frau, was sagst
du mir da? Wie! sein Hass gegen eine Stiefmutter konnte ihn dahin bringen, dir
solchen Schimpf anzutun! Die Ehrfurcht, welche er mir schuldig ist, hat ihn
nicht zurückhalten können?“ – „Herr,“ erwiderte die Sultanin,
„er ist noch viel schuldiger, als du denkst. Ach! welche Frau hätte seiner
bescheidenen Miene, diesem Anscheine der Tugend, welcher so gut auf seinem
Gesichte ausgedrückt ist, misstrauet? Ich saß auf diesem Sofa, als er herein
trat; ich ließ alle Gegenwärtigen herausgehen, um Stillschweigens zu
entdecken. Er hat sie mir leider nur zu deutlich erklärt! Sobald er sich allein
sah mit mir, setzte er sich an meine Seite, und sprach zu mir; „Meine
Königin, ich muss dieses Schweigen brechen, welches ich bisher beobachtet habe,
und wovon du die einzige Ursache bist, Ich bete dich an, und die Verzweiflung,
dich nicht allein sprechen zu können, stürzte mich in eine Schwermut, welche
mich zu verzehren drohte. Wie glücklich bin ich, diese Gelegenheit gefunden zu
haben, dich ohne Zeugen zu sprechen! Genehmigst du meine Liebe, so bin ich
entschlossen, meinen Vater zu töten und dich zu heiraten. Seine Völker sowohl
als ich, sind so schon seiner langen Regierung überdrüssig.“ „Erlass
mir, Herr,“ fuhr die Sultanin fort, „dir Wort für Wort alles zu
wiederholen, was er zu mir gesagt hat. Ich zittere noch vor Entsetzen darüber.
Es genüge dir, zu erfahren, dass du dem schändlichen Prinzen das Leben gegeben
hast. Als er bemerkte, dass, anstatt mich zu überreden, sein Antrag mich
empörte, streckte er ungestüm die Hand nach mir aus, um mir Gewalt anzutun.
Ich widerstand: er zerriss meine Kleider, schlug mich, und hätte mir ohne
Zweifel das Leben genommen, um sich zu rechtfertigen und mir im Tode das
Verbrechen aufzubürden, dessen ich ihn anklage: aber er fürchtete, dass meine
Frauen, die ich entfernt hatte, wiederkommen und ihn dabei betreffen möchten.
Er entfloh also, und ließ mich in dem Zustande zurück, in welchem du mich
siehst.“

Sie sagte dieses mit allen Zeichen einer tief betrübten Frau. Der Kaiser hielt
alles für wahr; und wie groß auch seien Zärtlichkeit für seinen Sohn war;
doch ließ er sich von den Aufwallungen seines Zornes hinreißen. Er verließ
das Zimmer der Fürstin, ließ den Scharfrichter kommen, und befahl ihm, alles
zu der Hinrichtung des Prinzen Nurgehan vorzubereiten.

Aber bald vernahmen die Wesire den grausamen Befehl,
welchen der Kaiser erteilt hatte; sie verwunderten sich, dass er, ohne sie zu Rate
zu ziehen, den Entschluss gefasst hatte, seinen Sohn töten zu lassen. Sie
versammelten sich alle, und begaben sich zu dem erzürnten Fürsten, zu welchem
einer von ihnen also sprach:

„O Beherrscher der Welt, wir flehen dich an, uns nur
heute noch das Leben des Prinzen zu bewilligen, und uns zu unterrichten, welches
große Verbrechen er begangen haben kann, um gegen sein Leben den Arm eines
Vaters zu bewaffnen, welcher doch langsam sein soll, seine Kinder zu
strafen.“

Der Kaiser erzählte ihnen alles, was die Sultanin ihm
gesagt hatte.

Darauf nahm der älteste Wesir das Wort und sprach:
„O König, hüte dich wohl, den Aufwallungen der Wut zu folgen, welche eine
Frau dir angibt, und eine Handlung zu begehen, welche den Geboten Gottes und der
Gerechtigkeit, welche die Propheten lehren, widerstreitet. Die Königin klagt
den jungen Prinzen an, ohne Zeugen gegen ihn vorzubringen; sie verlangt seinen
Tod, weil er sie liebt, und weil er, wie sie sagt, mit Gewalt seine Leidenschaft
hat befriedigen wollen! Aber seit wann halten die Frauen ihre Keuschheit so hoch
in Ehren, dass sie den Tod der Männer verlangen, die es wagen, sie anzutasten?
Ohne Zweifel gibt es tugendhafte genug, um einen verwegenen Angriff würdig
abzuweisen; aber indem ihre Tugend ihn verdammt, entschuldigt ihn zugleich ihre
Eitelkeit, und leicht verzeihen sie ein Verbrechen, welches ihre Schönheit veranlasste.
Darum hüte dich wohl, Herr, deinen Sohn der Verleumdung, ja vielleicht der Wut
einer Person aufzuopfern, welche ihn verderben will, weil sie ihn nicht
verführen konnte. Euer Majestät möge bedenken, dass die Frauen arglistig
sind. Die Geschichte des Scheichs3) Schahabeddin beweiset hinlänglich, wie
sehr ihre Bosheit zu befürchten ist.“

Der Kaiser wünschte die Geschichte zu hören, und der Wesir
erzählte sie folgendermaßen:

Geschichte
des Scheichs Schahabeddin

Der Sultan von ägypten versammelte eines Tages alle
Gelehrten seines Reichs in seinem Palast; da erhub sich unter ihnen ein Streit.
Man sagt, dass der Engel Gabriel den Mohammed aus seinem Bette entrückte und
ihm alles zeigte, was in den sieben Himmeln, im Paradies und in der Hölle ist,
und dass der große Prophet, nachdem er achtzigtausend Unterredungen mit Gott
gehabt, von demselben Engel in sein Bett zurück gebracht wurde. Dabei behauptet
man, dass alle diese Dinge in so kurzer Zeit vorgegangen wären, dass Mohammed
bei seiner Rückkunft sein Bette noch ganz warm gefunden; ja sogar, dass er
einen Topf wieder aufgehoben, dessen Wasser noch nicht ausgeflossen war, obwohl
derselbe in eben dem Augenblick umgefallen war, als der Engel Gabriel den
Propheten entrückt hatte.

Der Sultan, welcher in dieser Versammlung den Vorsitz
hatte, behauptete, dass solches unmöglich wäre. „Ihr versichert,“
sprach er, „dass es sieben Himmel gibt, je fünfhundert Jahrreisen von
einander entfernt, und dass jeder Himmel eben so tief, als von dem andern
entfernt ist. Wie ist es nun möglich, dass Mohammed, nachdem er alle diese
Himmel durchfahren und mit Gott achtzigtausend Unterredungen gehabt, bei der
Rückkehr sein Bette noch warm und seinen umgeworfenen Topf noch nicht vom
Wasser ausgeleert gefunden habe? Wer könnte leichtgläubig genug sein, um einer
so lächerlichen Fabel Glauben beizumessen? Wisset ihr denn nicht, dass wenn ihr
einen Topf voll Wasser umwerfet, und ihn auf der Stelle aufhebt, ihr doch nichts
mehr darin findet?“

Die Gelehrten antworteten, dass solches freilich nicht
natürlich zuginge; dass aber der Allmacht Gottes alles möglich wäre. Der
Sultan von ägypten, welcher zu den Freigeistern gehörte, und sich zum
Grundsatze gemacht hatte, nichts zu glauben, was die Vernunft beleidigte, wollte
von diesem Wunder nichts wissen, und die Gelehrten gingen auseinander.

Dieser Streit machte Aufsehen in ägypten. Die Nachricht
davon kam auch zu dem gelehrten Scheich Schahabeddin, welcher aus gewissen
Ursachen, auf welche es hier nicht ankömmt, bei der Versammlung nicht zugegen
sein konnte. Er begab sich sogleich nach dem Palast des Sultans, in der
größten Hitze des Tages.

Sobald der Sultan von der Ankunft des Scheichs an seinem
Hofe benachrichtigt war, ging er ihm entgegen, führte ihn in ein prächtiges
Zimmer, ließ ihn hier nieder sitzen, und sprach zu ihm: „Scheich, es war
nicht nötig, dass du dir die Mühe gabst, hierher zu kommen: du durftest nur
einen deiner Diener senden, und wir hätten ihm gern alles gewährt, was er von
uns für dich verlangt hätte.“ – „Herr,“ antwortete der
Gelehrte, „ich komme gerade deshalb, um die Ehre zu haben, mit Euer
Majestät zu reden.“ Der Sultan, welcher wusste, dass der Scheich in dem
Rufe stand, vor Fürsten stolz zu sein4), erzeigte sich sehr freundlich und
höflich gegen ihn.

Nun hatte das Zimmer, in welchem sie sich befanden, vier
Fenster, nach den vier Weltgegenden. Der Scheich hat den König, sie
verschließen zu lassen. Nachdem dies getan war, setzten sie noch einige Zeit
ihre Unterredung fort; worauf der Scheich das eine Fenster wieder öffnen ließ,
welches die Aussicht auf einen Berg, Namens Kiselbagi, das heißt der rote Berg,
hatte, und bat den König, hinaus zu schauen. Der Sultan stellte sich ans
Fenster, und sah auf dem Berge und in der Ebene bewaffnete Krieger mit Schilden
und Panzerhemden. Sie saßen alle zu Pferde, mit bloßem Schwerte, und sprengten
mit verhängten Zügeln, und zahllos, wie das Heer der Sterne gegen den Palast
an.

Bei diesem Schauspiele verwandelte der Fürst seine Farbe,
und rief ganz erschrocken aus: „O Himmel, was ist das für ein furchtbares
Kriegsheer, welches sich meinem Palast nähert.“ – „Seid ohne Furcht,
Herr,“ sagte der Scheich, „es ist nichts.“ Indem er dies sagte, schloss
er selber das Fenster, und öffnete es dann sogleich wieder: da sah der König
niemand, weder auf dem Berge, noch in der Ebene.

Das andere Fenster war der Stadt zugekehrt. Der Scheich
ließ es öffnen; und der Sultan sah die Stadt Kahiro5) ganz in Flammen, welche
hoch in der Luft emporstiegen. „Welche Feuersbrunst!“ rief der
erstaunte König aus: „da liegt meine Stadt, meine schöne Stadt Kairo, in
der Asche!“ – „Sei ohne Furcht, Herr,“ sagte der Scheich,
„es ist nichts.“ Zu gleicher Zeit schloss er das Fenster, und als er
es wieder öffnete, sah der König nichts von den Flammen, welche ihn so sehr
erschreckt hatten.

Der Scheich ließ nun das dritte Fenster öffnen, durch
welches der Sultan den Nil erblickte, wie er seine Ufer überstieg und seine
Wogen wütend gegen den Palast heran stürzten. Obschon der König, nachdem er
das Kriegsherr und die Flammen wieder verschwinden gesehen, über dieses neue
Wunder nicht erschrecken durfte, so konnte er sich jedoch der Furcht nicht
erwehren. „Ah, es ist um uns geschehen,“ rief er dennoch aus,
„alles ist verloren; diese furchtbare überschwemmung wird meinen Palast
fortreißen und mich mit meinem ganzen Volke ersäufen!“ „Fürchtet
euch nicht, Herr,“ sagte der Scheich, „es ist nichts.“ In der Tat,
als der Scheich das Fenster geschlossen und wieder geöffnet hatte, da floss der
Nil wie gewöhnlich in seinen Ufern dahin.

Er ließ endlich das vierte Fenster öffnen, welches die
Aussicht auf eine dürre Wüste hatte. So sehr der König über die vorigen
Erscheinungen erschrocken war, so viel Vergnügen machte ihm dieser Anblick.
Seine Augen, gewohnt, durch dieses Fenster nur eine unfruchtbare Gegend zu
sehen, wurden angenehm überrascht, hier nun Weinberge zu schauen, und Gärten
voll der schönsten Früchte von der Welt, und Bäche, welche mit süßem
Gemurmel dahin rieselten, und deren Ufer mit Rosen, Basiliken, Balsam-Stauden
und Narzissen geschmückt, dem Auge einen lachenden Anblick und dem Geruch eine
Mischung von süßen Düften darboten. Zwischen diesen Blumen sah man eine
zahllose Menge von Turteltauben und Nachtigallen, von welchen einige schon
erschöpft waren von ihrem lauten Gezwitscher, während die andern noch mit
ihren zärtlichen und klagenden Tönen die Luft erschütterten.

Der König, entzückt von allen den wunderbaren
Gegenständen, welche seinem Blicke sich darboten, glaubte den Garten von Gram6) zu sehen. „Ah, welche Veränderung!“, rief er im übermaße
seiner Bewunderung aus: „der schöne Garten; welch ein reizender
Aufenthalt! Welche Lust werde ich haben, täglich darin zu wandeln!“ –
„Freuet euch nicht so sehr, Herr,“ sagte der Scheich, „was ihr da
sehet, ist nichts.“ Mit diesen Worten schloss der Scheich das Fenster, und
öffnete es sogleich wieder: und der Sultan sah, anstatt jener reizenden Bilde,
wieder nur die Wüste.

„Herr,“ sagte hierauf der Scheich, „ich
habe euch hier wohl Wunderdinge genug gezeigt: aber alles dieses ist nichts, in
Vergleich mit dem großen Wunder, welches ich Euer Majestät noch sehen lassen
will. Befehlet, dass man eine Kufe mit Wasser hierher bringe.“

Der König gab einem seiner Leute den Befehl; und als die
Kufe im Zimmer stand, sprach der Scheich zum Sultan: „Habet die Güte und lasst
euch ganz nackt ins Wasser heben, und ein Tuch um eure Hüften gürten.“
Der König hatte die Gefälligkeit, sich ganz zu entkleiden und ein Tuch
umgürten zu lassen. Da sprach der Scheich zu ihm: „Herr, tauchet den Kopf
ins Wasser, und zieht ihn wieder zurück.“

Der König tauchte den Kopf in die Kufe, und im Augenblick
befand er sich auf einem Berge am Ufer des Meeres. Dies unerhörte Wunder
erstaunte ihn noch weit mehr, als die vorigen. „Ha, Scheich!“ rief er
aus, außer sich vor Zorn, „treuloser Scheich, der du mich so grausam
betrogen hast! Du hast mir meinen Thron rauben wollen; wenn ich aber je wieder
nach ägypten komme, von wo deine verfluchte Schwarzkunst mich entzückt hat, so
schwöre ich, mich an dir zu rächen!“

Er fuhr noch in seinen Verwünschungen gegen den Scheich
fort; aber bedenkend, dass alle seine Drohungen und Klagen unnütz wären, fasste
er einen herzhaften Entschluss, und ging zu einigen Leuten, welche im Walde Holz
fällten, beschloss aber, ihnen nicht seinen Stand zu entdecken; „denn wenn
ich auch,“ sprach er bei sich selber, „ihnen sage, dass ich ein König
bin, so werden sie mir doch nicht glauben, und mich für einen Narren oder
Betrüger halten.“

Die Holzhauer fragten ihn, wer er wäre. „Gute
Leute,“ antwortete er, „ich bin ein Kaufmann, ich habe Schiffbruch
gelitten und auf einem Brette mich gerettet: ich bemerkte euch, und komme zu
euch. Die Lage, worin ihr mich sehet, muss euer Mitleid erregen.“

Sie waren gerührt von seinem Unglück; aber sie waren
selber in zu tiefem Elende, um das seinige erleichtern zu können. Dennoch
unterließen sie nicht, ihm, der eine einen alten Rock, der andere ein Paar alte
Schuhe, zu geben; und als sie ihn so eben in den Stand gesetzt hatten, mit
Anstand in ihrer Stadt zu erscheinen, welche hinter dem Berge lag, so führten
sie ihn dahin.

Sobald sie dort angelangt waren, nahmen alle Abschied von
ihm, gingen heim zu den Ihrigen, und überließen ihn der Vorsehung.

Der Sultan blieb also allein. Welches Vergnügen sonst
auch neue Gegenstände gewähren, so war er jedoch zu sehr mit seinem Abenteuer
beschäftigt, um auf die Dinge zu achten, welche sich seinem Blicke darboten. Er
ging die Straßen auf und ab, ohne zu wissen, was aus ihm werden sollte. Schon
war er müde, und suchte mit den Augen einen Ort, um sich auszuruhen.

Er stand still vor dem Hause eines alten Hufschmieds,
welcher ihm ansah, dass er müde war, und ihn einzutreten bat. Der König ging
hinein und setzte sich auf eine Bank an der Türe. „Junger Mann,“
sagte der Greis zu ihm, „darf ich euch fragen, welches euer Gewerbe ist,
und wie ihr hierher gekommen seid?“ Der Sultan gab ihm dieselbe Antwort,
welche er den Holzbauern gegeben hatte. „Ich begegnete,“ fügte er
hinzu, „guten Leuten, welche auf dem Berge Holz fällten, ich erzählte
ihnen mein Unglück, und sie waren großmütig genug, mir diesen alten Rock und
diese alten Schuhe zu schenken.“ – „Es freut mich,“ sagte darauf
der Schmid, „dass ihr dem Schiffbruch entronnen seid. Tröstet euch über
den Verlust eurer Güter; ihr seid noch jung, und werdet vielleicht nicht
unglücklich sein in dieser Stadt, deren Gewohnheiten den Fremden sehr vorteilhaft
sind, welche sich niederlassen wollen. Habt ihr nicht diese Absicht?“ –
„Gewiss,“ antwortete der Sultan, „ich verlange nichts anderes,
als hier zu bleiben, vorausgesetzt, dass mein Gewerbe hier gut geht.“ –
„Wohlan,“ fuhr der Greis fort, „so befolget den Rath, welchen ich
euch geben will: Gehet sogleich zu den öffentlichen Bädern der Frauen, setzet
euch dort an die Türe, und fraget jede Frau, welche herauskömmt, ob sie einen
Mann habe: diejenige, welche es verneint, wird eure Frau, nach dem Brauche des
Landes.“

Der Sultan, entschlossen, diesem Rate zu folgen, stand
auf, nahm von dem Greise Abschied, und begab sich an die Tür der Bäder.

Es währte nicht lange, so sah er eine Frau von
bezaubernder Schönheit herauskommen. „Ah, wie glücklich wäre ich,“
sprach er bei sich selber, „wenn diese liebenswürdige Frau noch unverheiratet
wäre! Ich würde mich über all mein Unglück trösten, wenn ich sie besitzen
könnte.“ Er hielt sie an, und fragte: „Schöne Frau, habt ihr schon
einen Mann?“ – „Ja, ich habe einen,“ antwortete sie. „Desto
schlimmer,“ versetzte darauf der König, „ihr wäret sonst wohl meine
Sache.“

Die Frau ging ihres Weges, und bald darauf trat eine
andere heraus, von einer schrecklichen Hässlichkeit. Der Sultan entsetzte sich
bei ihrem Anblick: „Ha, welch ein scheußlicher Gegenstand,“ sprach er
bei sich selber, „ich will lieber Hungers sterben, als mit einem solchen
Geschöpfe leben. Mag sie gehen, ohne dass ich sie frage, ob sie verheiratet
ist; ich fürchte, sie möchte Nein sagen. Aber der Schmid hat mir gesagt, dass
ich allen Frauen diese Frage tun soll; ohne Zweifel ist das die Regel: ich muss
mich ihr also wohl unterwerfen. Was weiß ich, ob sie nicht einen Mann hat?
Irgend ein unglücklicher Fremdling, welchen sein Missgeschick hierher geführt
hat, wie mich, kann sie geheiratet haben.“

Kurz, der König entschloss sich, sie zu fragen, ob sie verheiratet
wäre. Sie antwortete mit Ja; und diese Antwort machte ihm eben so viel
Vergnügen, als die vorige ihm Verdruss gemacht hatte.

Es kam eine dritte Frau heraus, eben so hässlich als die
letzte. „O Himmel!“ sagte der König, sobald er sie erblickte,
„da ist eine noch scheußlicher als die andere. Was hilft’s: da ich einmal
begonnen habe, so will ich auch durch. Wenn diese hier einen Mann hat, so muss
ich bekennen, dass es Männer gibt, die noch mehr zu beklagen sind als
ich.“

Als sie an ihm vorüber ging, redete er sie an und sprach
zitternd: „Schöne Frau, seid ihr schon verheiratet?“ – „Ja,
junger Mann,“ antwortete sie, ohne sich aufzuhalten. „ich bin sehr
froh darüber,“ erwiderte der Sultan. „Welches Glück,“ fuhr er
fort, „diesen beiden Weibern entronnen zu sein! Aber es ist noch nicht Zeit
mich zu freuen; alle Frauen sind noch nicht aus dem Bade gekommen. Ich habe sie
noch nicht gesehen, die mir bestimmt ist: ich werde bei dem Tausche vielleicht
nichts gewinnen.“

Er erwartete, noch eine so hässliche zu erblicken, als
die beiden letzten: da erschien eine vierte, deren Schönheit noch die erste
übertraf, die er schön gefunden hatte. „Welcher Abstand!“ rief er
aus, „Tag und Nacht sind nicht so entgegengesetzt, als diese schöne Frau
und die beiden vorhergehenden Weiber. Kann man an demselben Orte Engel und
Dämonen finden?“

Er nahte sich ihr mit großem Eifer, und fragte sie:
„Liebenswürdige Frau, seid ihr schon verheiratet?“ Sie antwortete
Nein, indem sie ihn mit eben so viel Stolz als Aufmerksamkeit betrachtete.
Darauf ging sie weiter, und ließ den König in äußerster überraschung
zurück.

„Was soll ich hievon denken?“ sagte er.
„Der alte Schmid muss mir was aufgeheftet haben. Wenn ich nach den Gesetzen
des Landes diese Frau heiraten soll, warum ist sie so grob fort gegangen? und
warum hat sie ein so stolzes und hochmütiges Wesen angenommen? Sie maß mich
vom Haupte bis zu den Füßen, und ich sah in ihrem Blicken Zeichen der
Verachtung. Es ist wahr, sie hat nicht groß Unrecht; ich muss mir selber
Gerechtigkeit widerfahren lassen: dieser abgenutzte Rock voll Löcher erhebt
eben nicht mein gutes Aussehen, und ist keineswegs geeignet, eine Frau für mich
einzunehmen. Ich verzeihe ihr den Wunsch, dass sie es besser hätte treffen
mögen.“

Während er diese Betrachtungen anstellte, nahte sich ihm
ein Sklave und sprach zu ihm: „Herr, ich suche einen ganz zerlumpten
Fremden; und nach eurem Aussehen zu urteilen, seid ihr es. Bemühet euch, wenn
es euch gefällt, mir zu folgen. Ich werde euch an einen Ort führen, wo ihr mit
großer Ungeduld erwartet werdet.“

Der König folgte dem Sklaven, welcher ihn zu einem
großen Hause führte, und ihn in ein sehr sauberes Gemach eintreten, und dort
einen Augenblick verziehen hieß. Der Sultan blieb hier zwei Stunden, ohne
jemand zu sehen, ausgenommen den Sklaven, welcher von Zeit zu Zeit kam, ihm zu
sagen, dass er nicht ungeduldig werden möchte.

Endlich erschienen vier reich gekleidete Frauen, und
begleiteten eine andere, welche ganz von Edelsteinen strahlte, aber noch mehr
durch ihre unvergleichliche Schönheit hervorglänzte. Der Sultan hatte nicht
sobald die Augen auf sie geworfen, als er sie für die letzte Frau erkannte,
welche er aus dem Bade gehen sah. Sie näherte sich ihm freundlich und sprach
lächelnd zu ihm: „Verzeihet, wenn ich euch ein wenig habe warten lassen.
Ich wollte mich vor meinem Herrn und Meister nicht im nachlässigen Anzuge
zeigen. Ihr seid in eurem Hause. Alles, was ihr hier sehet, gehört euch. Ihr
dürft nur befehlen, was ihr wünschet, ich bin bereit, euch zu gehorchen.“

„Schöne Frau,“ antwortete der Sultan, „vor
einem Augenblick beklagte ich mein Schicksal, und jetzo bin ich der
glücklichste der Menschen. Aber da ich euer Mann bin, warum habt ihr mich
vorhin so stolz angesehen? Ich glaubte, dass mein Anblick euch stutzig machte,
und aufrichtig zu gestehen, ich konnte es euch nicht übel nehmen.“ –
„Herr,“ antwortete die Frau, „ich hütete mich wohl, anders zu tun.
Die Frauen dieser Stadt sind genötigt, öffentlich stolz zu erscheinen. Das ist
der Brauch. Zur Vergeltung dafür sind sie sehr freundlich daheim.“ –
„Desto besser,“ erwiderte der König, „sie sind um so
erfreulicher. Wenn ich denn Herr hier bin, so befehle ich, dass man mir einen
Schneider und Schuster kommen lasse. Ich schäme mich hier vor euch in diesem
schlechten Rock und diesen alten Schuhen, welche keineswegs dem Range
entsprechen, welchen ich bisher in der Welt behauptet habe.“ – „Ich
bin diesem Befehle schon zuvorgekommen,“ sagte die Frau, „und habe
einen Sklaven zu einem jüdischen Handelsmann geschickt, welcher ganz fertige
Kleider verkauft, und euch auf der Stelle alle Sachen verschaffen wird, deren
ihr nötig habt. Unterdessen kommet, euch zu erfrischen.“

Indem sie dieses sagte, fasste sie ihn bei der Hand und
führte ihn in einen Saal, wo eine Tafel, bedeckt mit allen Arten von Früchten
und eingemachten Sachen stand. Sie setzten sich beide an die Tafel, und während
sie aßen, sangen die vier Frauen, welche hinter ihnen standen, mehrere Lieder
des Dichtes Bada Saudai7). Sie spielten zugleich auf verschiedenen
Instrumenten, und zuletzt nahm noch ihre Herrin eine Laute, begleitete sie mit
ihrer Stimme, und bezauberte den Sultan durch ihren Gesang und ihr Spiel.

Dieses Konzert wurde durch die Ankunft des jüdischen
Kaufmanns unterbrochen, welcher mit einigen Bedienten in den Saal trat, die Pakete
herein trugen und öffneten: drinnen waren Kleider von verschiedenen Farben. Man
beschaute alle, eins nach dem andern, und wählte eine Weste von weißer Seide
mit goldenen Blumen, und einen Rock von veilchenfarbigem Tuche. Der Jude
besorgte das übrige der Kleidung, und ging mit seinen Leuten weg.

Jetzo bewunderte die Frau das gute Aussehen des Königs,
und war sehr zufrieden, einen solchen Mann zu haben; so wie er sehr vergnügt
war, eine so schöne Frau zu besitzen.

Er lebte hierauf sieben Jahre mit dieser Frau, von welcher
er sieben Töchter und sieben Söhne hatte. Weil aber beide den Aufwand liebten,
und nur daran dachten, sich gütlich zu tun und sich zu erfreuen, so kam es
dahin, dass endlich alle Güter der Frau verschwendet waren. Man musste sich der
dienenden Frauen und Sklaven entledigen, und das Hausgeräte verkaufen, um zu
bestehen.

Als die Frau des Sultans sich so in das äußerste Elend
versetzt sah, sprach sie zu ihrem Manne: „So lange ich etwas besaß, hast
du es nicht gespart. Du hast im Müßiggange gelebt. Es ist gegenwärtig an dir,
auf Mittel zu denken, deine Familie zu ernähren.“

Diese Worte betrübten den König. Er ging wieder zu dem
alten Schmid, ihn um Rath zu fragen. „O mein Vater,“ sprach er zu ihm,
„du siehst mich unglücklicher wieder, als ich bei meiner Ankunft in diese
Stadt war. Ich habe ein Frau mit vierzehn Kindern, und habe nichts, sie zu
ernähren.“ – „Junger Mann,“ fragte ihn der Greis, „kannst
du kein Handwerk?“ Der Sultan antwortete mit Nein. Da zog der Schmid zwei
Aktschas8) aus der Tasche, gab sie dem Sultan in die Hand, und sagte zu ihm:
„Geh sogleich hin, und kauf‘ die Trage-Stricke und stelle dich auf den
Platz, wo die Lastträger sich versammeln.“

Der König ging hin, kaufte sich die Stricke, und stellte
sich unter die Lastträger. Kaum stand er dort eine Weile, da kam ein Mann, und
fragte ihn: „Willst du eine Last tragen?“ – „Ich bin nur deshalb
hier,“ antwortete der Sultan. Darauf belud ihn der Mann mit einem schweren
Sacke. Der König konnte ihn nur mit Mühe tragen, und die Stricke am Sacke
zerschnitten ihm die Schultern. Er empfing seinen Lohn, welcher in einer Aktscha
bestand, den er nach Hause trug.

Als die Frau sah, dass er nur einen Aktscha brachte, sagte
sie zu ihm, wenn er nicht alle Tage zehnmal so viel gewänne, so würde seine
Familie bald Hunger sterben.

Am folgenden Morgen ging der König, von Traurigkeit
überwältigt, anstatt auf den öffentlichen Platz, am Ufer des Meeres auf und
nieder, und bedachte sein Elend. Er betrachtete mit Aufmerksamkeit den Ort,
wohin er unversehens durch die Kunst des Scheichs Schahabeddin versetzt worden
war. Er rief dieses seltsame und trübselige Abenteuer in sein Gedächtnis
zurück, und konnte sich nicht enthalten darüber zu weinen.

Da er noch die Abwaschung vor dem Gebete tun musste, so
tauchte er sich ins Wasser: aber als er den Kopf wieder herauszog, war er
höchst erstaunt, sich in seinem Palast zu befinden, mitten in der Kufe und
umgeben von seien Beamten.

„O grausamer Scheich!“ rief er aus, indem er ihn
in derselben Stellung erblickte, in welcher er ihn verlassen hatte;
„fürchtest du nicht die Strafe Gottes, dass du deinen Sultan und Herrn
also behandelt hast?“ – „Herr,“ antwortete der Scheich,
„woher kömmt dieser Zorn Euer Majestät gegen mich? ihr habt so eben den
Kopf in dieses Becken getaucht, und ihn sogleich wieder zurückgezogen: wollt
ihr mir nicht glauben, so fragt eure Beamten, welche Zeugen davon sind.“

Der König beruhigte sich noch nicht bei ihrem Zeugnisse:
„Ihr seid Betrüger,“ sprach er zu ihnen: „es sind sieben Jahre, dass
dieser verwünschte Scheich durch die Gewalt seiner Bezauberungen mich in einem
fremden Lande zurückhielt. Ich habe mich verheiratet, und sieben Söhne und
sieben Töchter erzeugt: darüber beklage ich mich jedoch nicht so sehr, als dass
ich ein Lastträger gewesen bin. Ha, boshafter Scheich, wie hast du dich
unterfangen können, mich Laststricke tragen zu lassen?“ – „Wohlan,
Herr,“ antwortete der Scheich, „weil ihr meinen Worten nicht Glauben
beimessen wollt, so will ich euch durch die Tat überzeugen.“

Bei diesen Worten zog er sich aus, umgürtete sich mit
einem Tuche, stieg in die Kufe, und tauchte den Kopf ins Wasser.

Der Sultan, noch immer erzürnt gegen ihn, und eingedenk
seines Eides, ihn zu strafen, wenn er je wieder nach ägypten heim käme,
ergriff einen Säbel, und wollte dem Scheich den Kopf abhauen, sobald er ihn
wieder aus dem Wasser emporhöbe. Aber der Scheich kannte durch die
Wissenschaft, welche man Mekaschefa9) nennt, die Absicht des Königs, und durch
die Wissenschaft Alga