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136. Nacht

Der christliche Kaufmann fuhr, sich fortwährend an den
Sultan von Kaschghar wendend, folgendermaßen fort:

„Da mir die Makler und die Ausrufer,“ erzählte
der junge Mann, „versprochen hatten, mir ein Mittel zu sagen, durch dessen
Anwendung ich nichts an meinen Waren verlieren würde, so fragte ich sie, was
ich denn tun sollte?“ – „Sie an verschiedene Kaufleute
verteilen,“ versetzten sie, „sie werden sie im einzelnen verkaufen,
und zweimal in der Woche, Montags und Donnerstags, werdet ihr das dafür
gelöste Geld erhalten. Dadurch werdet ihr gewinnen, anstatt zu verlieren, und
auch den Kaufleuten wird ein kleiner Gewinn zu Teil werden. Unterdessen habt ihr
die Freiheit, euch zu ergötzen, und in der Stadt und am Nil spazieren zu
gehen.“

Ich folgte ihrem Rat, führte sie in mein Vorratshaus, aus
welchem ich alle meine Waren nahm, und in den Besasthan zurückkehrend,
verteilte ich sie unter verschiedene Kaufleute, welche mir einen von Zeugen
unterschriebenen Empfangschein gaben, unter der Bedingung, dass ich ihnen den
ersten Monat nichts abfordere.

Als nun meine Geschäfte auf solche Weise geordnet waren,
hatte ich nichts im Kopf, als Ergötzlichkeiten. Ich befreundete mich mit
verschiedenen Personen meines Alters, die für meinen Zeitvertreib sorgten. Nach
Verlauf des ersten Monats begann ich, meine Kaufleute wöchentlich zweimal zu
besuchen, und zwar in Begleitung eines öffentlichen Beamten, um ihr
Verkaufsbuch zu prüfen, und eines Wechslers, um die Güte und den Wert der
Geldsorten, die sie mir auszahlten, zu untersuchen. So brachte ich an den
Zahlungstagen immer eine starke Summe in den Khan des Mesrur, in welchem ich
wohnte. Das hinderte mich jedoch nicht, an den anderen Tagen der Woche, bald zu
dem, bald zu jenem Kaufmann zu gehen, mich durch Unterhaltung mit ihnen zu
ergötzen und zu sehen, was in dem Besasthan vorging.

Eines Montags, als ich eben in dem Laden eines Kaufmanns,
Namens Bedreddin, saß, trat eine Frau herein, die von Stande war, wie man es
leicht an ihrem Wesen, ihrer Kleidung und einer sehr wohl gekleideten, sie
begleitenden Sklavin sehen konnte. Sie setzte sich neben mich. Ihr äußeres,
mit einer natürlichen, aus allen ihren Tun hervorleuchtenden Anmut verbunden,
nahm mich sehr für sie ein und erregte eine große Neigung in mir, sie näher
kennen zu lernen.

Ich weiß nicht, ob sie es bemerkte, dass ich sie mit
Vergnügen betrachtete, und ob meine Aufmerksamkeit ihr nicht missfiel, aber sie
erhub den Kreppschleier, welcher es verbarg, herabhing, und ließ mich große
schwarze Augen sehen, von denen ich bezaubert wurde. Was aber vollends dazu
beitrug, mich verliebt in sie zu machen, war der Ton ihrer Stimme und das feine
und anmutige Wesen, womit sie den Kaufmann grüßte und ihn fragte, wie er sich,
seit sie ihn nicht gesehen, befunden hätte.

Nachdem sie sich eine Zeit lang mit ihm unterhalten hatte,
sagte sie ihm, dass sie einen gewissen Stoff mit Goldgrund suchte, dass sie in
seinen Laden, als in den am besten versehenen des ganzen Besasthans käme, und
dass er ihr den gewünschten Stoff, wenn er ihn vorrätig hätte, zeigen
möchte. Bedreddin zeigte ihr mehrere Stücke, sie blieb bei dem einen und als
sie nach dem Preis fragte, ließ er es ihr für elfhundert Silberdrachmen.
„Ich willige darin ein euch diese Summe zu geben,“ sagte sie zu ihm.
„Ich habe zwar kein Geld bei mir, aber ich hoffe, dass ihr mir bis morgen
trauen und mir erlauben werdet, den Stoff mit mir zu nehmen. Ich werde nicht
unterlassen, euch morgen dafür elfhundert Drachmen zu schicken.“ –
„Edle Frau,“ erwiderte Bedreddin, „ich würde euch mit Vergnügen
trauen und euch den Stoff mitgeben, wenn er mir gehörte, aber er gehört diesem
wackeren, jungen Mann hier, und ich muss ihm heute das Geld dafür
bezahlen.“ – „Woher kommt es denn,“ versetzte die Frau, sehr
erstaunt, „dass ihr mich auf solche Weise behandelt? Komme ich nicht
gewöhnlich in euren Laden? Und so oft ich Stoffe gekauft habe und ihr mir
erlaubt habt, sie ohne augenblickliche Bezahlung mitzunehmen, habe ich jemals
unterlassen, euch gleich am folgenden Tag das Geld zu senden?“ Der Kaufmann
gab das zu. „Es ist wahr, edle Frau,“ versetzte er, „aber ich
muss heute Geld haben.“ – „Nun denn, da habt ihr euren Stoff,“
sagte sie, indem sie ihm denselben hinwarf. „Gott verderbe euch, und alles,
was Kaufmann heißt! Ihr seid alle einer wie der andere, ihr habt für niemand
Rücksichten.“

Nach diesen Worten stand sie schnell auf und entfernte
sich, sehr erzürnt auf Bedreddin.“