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135. Nacht

Der christliche Kaufmann war sehr neugierig zu wissen,
warum sein Gast nur mit der linken Hand aß. „Nach der Mahlzeit,“
sagte er, „als meine Leute abgetragen und sich entfernt hatten, setzten wir
uns alle beide auf ein Sofa. Ich bot dem jungen Mann ein treffliches Täfelchen
Morselle an, welches er auch mit der linken Hand nahm. „Herr,“ sagte
ich nun zu ihm, „ich bitte euch, mir die Freiheit zu verzeihen, die ich mir
nehme, euch zu fragen, woher es kommt, dass ihr euch nicht eurer rechten Hand
bedient. Vermutlich habt ihr irgend ein übel daran?“ Er stieß, anstatt
mir zu antworten, einen tiefen Seufzer aus, und indem er seinen rechten Arm
hervorzog, den er bis dahin unter seinem Kleid verborgen hatte, zeigte er mir,
dass ihm die rechte Hand abgehauen war, worüber ich sehr erstaunt war. „Es
hat euch ohne Zweifel verletzt,“ sagte er, „mich mit der linken Hand
essen zu sehen. Aber, urteilt nun, ob ich anders kann.“ – „Darf man
euch fragen,“ versetzte ich, „durch welches Unglück ihr eure rechte
Hand verloren habt?“ Er vergoss Tränen bei dieser Frage, und nachdem er
sie getrocknet hatte, erzählte er mir seine Geschichte, wie ich sie euch jetzt
erzählen werde:

„Ihr sollt wissen,“ sagte er zu mir, „dass
ich in Bagdad geboren und der Sohn eines reichen und durch seine Verdienste und
Rang in dieser Stadt, höchst ausgezeichneten Vaters bin. Kaum war ich unter die
Leute gekommen, als ich von gereisten Personen, die ich besuchte, Wunderdinge
von ägypten und besonders von Groß-Kairo hörte, die mich in Erstaunen
setzten, und mir Lust zum Reisen machten, aber mein noch lebender Vater hätte
mir dazu nicht die Erlaubnis gegeben. Endlich starb er, und da sein Tod mich zum
Herrn meiner Handlungen machte, so beschloss ich, nach Kairo zu reisen. Ich
verwendete eine sehr große Summe zum Ankauf verschiedener Arten feiner Stoffe
von Bagdad und Mussul, und machte mich auf den Weg.

Bei meiner Ankunft in Kairo stieg ich in dem Khan ab, den
man den Khan des Mesrur nennt. Ich mietete dort eine Wohnung und ein
Vorratshaus, in welches ich die Ballen legen ließ, die ich auf Kamelen
mitgebracht hatte. Als dies geschehen war, begab ich mich in mein Zimmer, um
mich auszuruhen und von den Beschwerden des Weges zu erholen, während meine
Leute, denen ich Geld gegeben hatte, Lebensmittel einkauften und die Küche
besorgten. Nach der Mahlzeit ging ich aus, um das Schloss, einige Moscheen, die
öffentlich Plätze und andere sehenswerte Orte zu besuchen.

Am folgenden Tag zog ich mich anständig an, und nachdem
ich aus einigen meiner Ballen sehr schöne und sehr reiche Stoffe hatte nehmen
lassen, in der Absicht, sie nach einem Besasthan1) bringen zu lassen, um zu
sehen, was man dafür bieten würde, so belud ich einen meiner Sklaven damit und
ließ ihn nach dem Besasthan der Kirkassier bringen. Ich sah mich bald von einer
Menge von Maklern und Ausrufern umgeben, die von meiner Ankunft benachrichtigt
waren. Ich verteilte Stoffproben unter mehrere Ausrufer, welche sie in dem
ganzen Besasthan ausrufen und vorzeigen sollten. Aber alle Kaufleute boten
weniger dafür, als sie mir durch Ankauf und die Kosten der Reise zu stehen
kamen. Das verdross mich, und als ich mich darüber gegen die Ausrufer
beschwerte, sagten sie zu mir: „Wenn ihr uns folgen wollt, so wollen wir
euch ein Mittel sagen, durch welches ihr nichts an euren Stoffen verlieren sollt
…“


1)
Besasthan bedeutet Seidenstoff-Markt.