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131. Nacht

Sobald der Polizeirichter überzeugt war, dass der
jüdische Arzt der Mörder wäre, befahl er dem Henker, sich seiner Person zu
bemächtigen, und den Lieferanten des Sultans frei zu lassen.

Der Arzt hatte schon den Strick um den Hals, und war im
Begriff zu sterben, als man die Stimme des Schneiders hörte, der den Henker
bat, nicht weiter zu gehen, und der das Volk Platz machen ließ, um zum
Polizeimeister gelangen zu können, zu welchem er, als er ihm nahe war, sagte:
„Herr es fehlt wenig daran, dass ihr drei unschuldigen Personen das Leben
genommen hättet, wenn ihr aber die Geduld haben wollt, mich zu hören, so
werdet ihr den wahren Mörder des Buckligen kennen lernen. Wenn sein Tod durch
den Tod eines anderen abgebüßt werden soll, so muss ich dieser Büßende sein.
Als ich gestern gegen Abend in meinem Laden arbeitete, und in der Laune war,
mich zu ergötzen, kam der halbtrunkene Bucklige, und setzte sich in meine
Nähe. Er sang eine Zeit lang, und ich schlug ihm vor, den Abend bei mir
zuzubringen. Er willigte ein, und ich nahm ihn mit nach Hause. Wir setzten uns
zu Tisch, ich legte ihm ein Stück Fisch vor, und da ihm nun beim Essen eine
Gräte oder ein Knochen im Hals stecken blieb, so starb er in in kurzer Zeit,
ungeachtet aller Bemühungen, die meine Frau und ich anwendeten, um ihm zu
helfen. Wir waren sehr betrübt über seinen Tod, und aus Furcht, deshalb
bestraft zu werden, trugen wir den Leichnam an die Tür des jüdischen Arztes.
Ich klopfte, und sagte der öffnenden Magd, sie möchte schnell wieder
hinaufgehen und ihren Herrn unserseits bitten, doch herunter zu kommen, um einen
Kranken zu sehen, den wir mitgebracht hätten, und damit er es nicht abschlagen
möchte, unsere Bitte zu erfüllen, gab ich ihr ein Silberstück, mit dem
Auftrag, es ihm zu geben. Sobald sie wieder hinaufgegangen war, so trug ich den
Buckligen die Treppe hinauf, legte ihn auf die oberste Stufe, und begab mich
sodann schnell mit meiner Frau nach Hause. Der Arzt stieß, als er auf die Stufe
trat, den Buckligen hinunter, und das machte ihn glauben, dass er ihn getötet
hätte. Da sich,“ fügte er hinzu, „die Sache nun so verhält, so
lasst den Arzt frei, und lasst mich hinrichten.“

Der Polizeimeister und alle Zuschauer konnten sich über
die seltsamen, durch den Tod des Buckligen veranlassten Begebenheiten nicht
genug verwundern. „Lass den jüdischen Arzt frei,“ sagte der Richter
zu dem Henker, „und hänge den Schneider, weil er sein Verbrechen bekennt.
Man muss gestehen, dass diese Geschichte sehr seltsam ist, und mit goldenen
Buchstaben aufgezeichnet zu werden verdient.“

Der Henker ließ den Arzt frei, und legte den Strick dem
Schneider um den Hals.