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130. Nacht

„Herr,“ sagte Scheherasade, „da der
Lieferant des Sultans von Kaschghar sich selbst öffentlich angeklagt hatte, an
dem Tod des Buckligen Schuld zu sein, so sah der Polizeimeister sich genötigt,
dem Kaufmann Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. „Lass,“ sagte er zu
dem Henker, „lass den Christen gehen, und hänge statt seiner diesen
Menschen, weil seine Strafbarkeit durch sein eigenes Geständnis erwiesen
ist.“

Der Henker ließ den Kaufmann los, und legte sogleich den
Strick um den Hals des Lieferanten. Aber indem er ihn hängen wollte, hörte er
die Stimme des jüdischen Arztes, der ihn inständig bat, die Hinrichtung
aufzuschieben, und der sich Platz machen ließ, um an den Fuß des Galgens zu
gelangen.

Als er vor dem Polizeirichter stand, sagte er zu ihm:
„Herr, dieser Muselmann, den ihr hängen lassen wollt, hat den Tod nicht
verdient; ich allein bin der Verbrecher. In der gestrigen Nacht klopfte ein Mann
und eine Frau, die ich nicht kenne, an meine Türe und brachten mir einen
Kranken. Meine Magd ging ohne Licht, um die Haustüre zu öffnen, und empfing
von dem Mann und der Frau ein Geldstück, um mich zu ersuchen, dass ich doch
herunterkommen und den Kranken sehen möchte. Während sie mit mir sprach,
brachten die beiden Leute den Kranken die Treppe herauf und entfernten sich
sodann. Ich ging zur Treppe, ohne zu warten, bis meine Magd ein Licht
angezündet hatte, und da ich in der Dunkelheit mit dem Fuß an den Kranken
stieß, so kollerte er die Treppe hinunter. Endlich sah ich, dass er tot und
dass es der bucklige Muselmann war, dessen Tod heute gerächt werden soll. Meine
Frau und ich, wir nahmen den Leichnam, trugen ihn auf unser Dach, von wo wir ihn
auf das des Lieferanten, unsers Nachbarn, brachten, den ihr ungerechterweise
hinrichten wollt, und wir ließen ihn durch den Schornstein in sein Zimmer
hinab. Der Lieferant, der ihn dort fand, hat ihn wie einen Dieb behandelt, ihn
geschlagen, und geglaubt, ihn getötet zu haben, welches aber, wie ihr aus
meiner Aussage hört, nicht der Fall ist. Ich bin also der einzige Urheber des
Totschlages, und obgleich ich es ohne meinen Willen bin, so habe ich doch
beschlossen, mein Verbrechen zu büßen, damit ich mir nicht den Tod zweier
Muselmänner vorzuwerfen habe, wenn ich es geschehen lasse, dass ihr dem
Lieferanten des Sultans, dessen Unschuld ich euch so eben dargetan habe, das
Leben nehmt. Seid also so gut, und lasst ihn gehen, und hängt mich anstatt
seiner, weil niemand anderes, als ich, den Buckligen getötet hat.“