Project Description

126. Nacht

Bedreddin brachte die Nacht nicht ruhig zu. Er erwachte
von Zeit zu Zeit und fragte sich selbst, ob er wache oder träume. Er misstraute
seinem Glück, und indem er suchte sich dessen gewiss zu machen, öffnete er die
Vorhänge und ließ seine Blicke das ganze Zimmer durchlaufen. „Ich
täuschte mich nicht,“ sagte er, „das ist das nämliche Zimmer, in
welches ich, statt des Buckligen, gegangen bin, und wo ich mit der schönen, ihm
bestimmten Dame geschlafen habe.“ Der anbrechende Tag hatte seine Unruhe
noch nicht ganz zerstreut, als der Wesir Schemseddin Mohammed, sein Oheim, an
die Türe klopfte und fast zu gleicher Zeit herein trat, um ihm einen guten
Morgen zu wünschen.

Bedreddin-Hassan war außerordentlich überrascht,
plötzlich den Mann erscheinen zu sehen, den er so gut kannte, der aber gar
nicht mehr das Ansehen des schrecklichen Richters hatte, von welchem sein
Todesurteil ausgesprochen war. „Ihr seid es also,“ rief er aus,
„der mich so unwürdig behandelt und zu einem Tode verdammt hat, der mir
noch Schrecken einjagt, und zwar einer ungepfefferten Sahnetorte wegen!“
Der Wesir fing an zu lachen, und um ihn aus seiner Verwirrung zu ziehen,
erzählte er ihm, wie er, durch die Hilfe eines Geistes, (denn die Erzählung
des Stallknechtes hatte ihn das Abenteuer vermuten lassen,) sich in seinem Hause
befunden und statt des Stallknechts seine Tochter geheiratet hätte. Er
erklärte ihm sodann, wie er, durch das von Nureddins Hand geschriebene Heft
entdeckt habe, dass er sein Neffe sei: und endlich sagte er ihm, dass in Folge
dieser Entdeckung er von Kairo abgereist und bis nach Balsora gekommen wäre, um
ihn aufzusuchen und etwas von ihm zu erfahren. „Mein lieber Neffe,“
fügte er hinzu, indem er ihn mit vieler Zärtlichkeit umarmte, „ich bitte
dich, mir das alles zu verzeihen, was ich dich, seit ich dich wieder erkannte,
habe leiden lassen. Ich wollte dich hierher bringen, ehe ich dich von deinem
Glück benachrichtigte, welches du um so reizender finden musst, je saurer es
dir geworden ist, es zu erlangen. Tröste dich über alle erlittene Trübsale,
durch die Freude, dich denjenigen Personen, welche die teuersten für dich sein
müssen, wiedergegeben zu sehen. Während du dich ankleidest, werde ich deiner
Mutter, die sich so lebhaft nach deiner Umarmung sehnt, Nachricht von dir
bringen und werde dir deinen Sohn zuführen, den du in Damaskus gesehen und für
welchen du, ohne ihn zu kennen, so viel Zuneigung empfunden hast.“

Es gibt keine Worte, die kräftig genug wären, um
auszudrücken, wie groß Bedreddins Freude war, als er seine Mutter und seinen
Sohn Agib sah. Diese drei Personen hörten nicht auf sich zu umarmen und alle
Entzückungen walten zu lassen, welche die lebhafteste Zärtlichkeit irgend
einzuflößen vermag. Die Mutter sagte dem Bedreddin die rührendsten Sachen.
Sie erzählte ihm von dem Schmerz, den ihr eine so lange Abwesenheit verursacht,
und von den Tränen, welche sie vergossen hätte. Der kleine Agib, statt, wie in
Damaskus, die Umarmungen seines Vaters zu fliehen, wurde ihrer nicht müde, und
Bedreddin-Hassan, zwischen zwei, seiner Liebe so würdigen Gegenständen
geteilt, glaubte ihnen nicht genug Bezeugungen seiner Zuneigung geben zu
können.

Während diese Dinge sich bei Schemseddin Mohammed
begaben, war dieser Wesir in den Palast gegangen, um dem Sultan von dem
glücklichen Erfolg seiner Reise Nachricht zu geben. Der Sultan war von der
Erzählung dieser merkwürdigen Geschichte so bezaubert, dass er sie
niederschreiben ließ, um sie in den Archiven seines Reiches aufbewahren zu
lassen.

Sobald Schemseddin Mohammed heimgekehrt war, setzte er
sich mit seiner Familie zu einem prächtigen Festmahl, welches er hatte bereiten
lassen, und sein ganzes Haus brachte den Tag in Lust und Freude zu.“

Nachdem nun der Wesir Giafar die Geschichte des
Bedreddin-Hassan auf solche Weise beendigt hatte, sagte er zum Kalifen Harun
Arreschyd: „Beherrscher der Gläubigen, das ist nun, was
ich Euer Majestät zu erzählen hatte.“

Der Kalif fand diese Geschichte so erstaunenswürdig, dass
er den Sklaven Rihan ohne Zögern begnadigte, und um den jungen Mann wegen des
Schmerzes zu trösten, den er darüber empfand, dass er sich selbst
unglücklicherweise einer Frau beraubt hatte, die er sehr liebte, verheiratete
ihn dieser Fürst mit einer seiner Sklavinnen, überhäufte ihn mit Wohltaten,
und blieb ihm bis an seinen Tod gewogen.

„Aber, Herr,“ fügte Scheherasade, den
anbrechenden Tag bemerkend, hinzu, „wie anmutig auch die Geschichte sein
mag, welche ich so eben beendet habe, so weiß ich doch eine, die es noch mehr
ist. Wenn Euer Majestät sie in der nächsten Nacht zu hören wünscht, so bin
ich überzeugt, dass ihr mir das zugeben werdet.“

Schachriar stand auf, ohne etwas zu sagen, und sehr
ungewiss, was er tun sollte. „Die gute Sultanin,“ sagte er zu sich
selbst, „erzählt sehr lange Geschichten, und wenn sie einmal angefangen
hat, so ist es unmöglich, sie nicht ganz zu Ende zu hören. Ich weiß nicht, ob
ich sie nicht heute sollte hinrichten lassen: Aber nein, wir wollen uns nicht
übereilen; die Geschichte, welche sie mir verspricht, ist vielleicht
ergötzlicher, als alle diejenigen, welche sie mir bisher erzählt. Ich darf
mich des Vergnügens, sie zu hören, nicht berauben: Sobald sie sie mir erzählt
haben wird, will ich zu ihrer Hinrichtung Befehl erteilen.“