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125. Nacht

„Schemseddin Mohammed,“ sagte der Wesir Giafar
zu dem Kalifen, „befahl allen Dienern, die im Saale waren, hinauszugehen
und sich zu entfernen, zwei oder drei ausgenommen, die er dort bleiben ließ. Er
gab ihnen den Befehl, den Bedreddin aus dem Kasten zu ziehen, ihn im Hemde und
in Unterbeinkleidern in den Saal zu führen, ihn daselbst allein zu lassen und
die Türe zuzumachen.

Bedreddin-Hassan hatte, obgleich von Schmerz
niedergedrückt, während dieser ganzen Zeit so fest geschlafen, dass er erst
erwachte, als die Diener des Wesirs ihn aus dem Kasten gezogen und ihn mit
seinem Hemd und Unterbeinkleidern bekleidet hatten; und sie trugen ihn so
schnell in den Saal, dass er gar nicht Zeit hatte, zur Besinnung zu kommen. Als
er sich nun allein im Saal sah, ließ er seine Blicke überall herum wandeln,
und da ihm die Dinge, welche er erblickte, die Erinnerung an seine Hochzeit ins
Gedächtnis zurückriefen, so gewahrte er mit Erstaunen, dass diese derselbe
Saal wäre, in welchem er den buckligen Stallknecht gesehen hätte. Sein
Erstaunen mehrte sich noch, als er sich leise der Türe eines Zimmers genähert
hatte, die er offen fand; er sah daselbst seine Kleider an demselben Ort, an
welchen er sie in seiner Hochzeitnacht gelegt zu haben sich erinnerte.
„Guter Gott,“ sagte er, indem er sich die Augen rieb, „schlafe,
oder wache ich?“

Dame der Schönheit, die ihn betrachtete, öffnete
plötzlich, nachdem sie sich an seinem Erstaunen ergötzt hatte, die Vorhänge
ihres Bettes und sagte zu ihm, den Kopf herausstreckend, mit zärtlichem Ton:
„Was macht ihr an der Türe? Kommt und legt euch wieder ins Bett. Ihr seid
sehr lange draußen geblieben. Ich war sehr erstaunt, euch, als ich erwachte,
nicht an meiner Seite zu finden.“ Bedreddin-Hassan veränderte das Gesicht,
als er sah, dass die Dame, welche mit ihm sprach, jene reizende Person war, bei
welcher er sich erinnerte, geschlafen zu haben. Er trat in das Zimmer; aber da
er ganz voll von dem ihm seit zehn Jahren Begegneten war, und nicht glauben
konnte, dass alle diese Begebenheiten sich in einer einzigen Nacht ereignet
hätten, so näherte er sich, statt sich ins Bett zu legen, dem Stuhl, auf
welchem seine Kleider und der Beutel mit Zeckinen lagen, und rief, nachdem er
sie mit vieler Aufmerksamkeit betrachtet hatte, aus: „Bei dem lebendigen
Gott, das sind Dinge, die ich nicht begreifen kann!“ Die Dame, welche sich
an seiner Verlegenheit ergötzte, sagte zu ihm: „Ich bitte euch nochmals,
Herr, legt euch wieder ins Bett. Weshalb verweilt ihr?“ Bei diesen Worten
ging er zu Dame der Schönheit: „Ich bitte euch, edle Frau,“ sagte er,
„mich wissen zu lassen, ob ich schon lange Zeit bei euch bin.“ –
„Diese Frage überrascht mich,“ erwiderte sie, „seid ihr nicht so
eben von meiner Seite aufgestanden? Ihr müsst euch seltsame Dinge in den Kopf
gesetzt haben.“ – „Verehrte Frau,“ versetzte Bedreddin, „ich
erinnere mich, das ist wahr, bei euch gewesen zu sein; aber ich erinnere mich
auch, zehn Jahre lang in Damaskus gewohnt zu haben. Wenn ich in der Tat diese
Nacht bei euch geschlafen habe, kann ich nicht so lange entfernt gewesen sein.
Diese beiden Dinge widersprechen sich. Sagt mir, ich bitte euch, was ich davon
denken soll und ob meine Verheiratung mit euch eine Täuschung, oder meine
Abwesenheit ein Traum ist.“ – „Ja, Herr,“ entgegnete Dame der
Schönheit, „es hat euch ohne Zweifel geträumt, dass ihr in Damaskus
gewesen seid.“ – „Nun, dann gibt es nichts spaßhafteres,“ rief
Bedreddin aus, indem er laut auflachte. „Ich bin überzeugt, edle Frau,
dass dieser Traum euch sehr ergötzlich vorkommen wird. Bildet euch ein, dass
ich mich im Hemde und Unterkleidern, so wie ich hier bin, an dem Tor von
Damaskus befunden habe, dass ich unter dem Gespött eines mir nachfolgenden und
mich beleidigenden Pöbels in die Stadt gekommen bin, dass ich mich zu einem
Pastetenbäcker gerettet habe, der mich an Kindesstatt angenommen, mich sein
Handwerk gelehrt und mir, nach seinem Tode, sein Vermögen hinterlassen hat, und
dass ich hierauf seinen Laden übernommen habe. Endlich, verehrte Frau, ist mir
eine Menge anderer Abenteuer begegnet, deren Erzählung zu lange dauern würde,
und alles, was ich euch sagen kann, ist, dass ich nicht übel daran getan habe
zu erwachen, weil man mich sonst an einen Pfahl genagelt hätte.“ –
„Und weshalb,“ sagte Dame der Schönheit, indem sie erstaunt zu sein
schien, „wollte man euch so grausam behandeln? Ihr musstet doch wohl ein
ungeheures Verbrechen begangen haben!“ – „Keineswegs,“ antwortete
Bedreddin, „es war wegen der seltsamsten und lächerlichsten Sache von der
Welt. Mein ganzes Verbrechen bestand darin, dass ich eine Sahnetorte verkauft
hatte, in welcher kein Pfeffer war.“ – „Nun, was das betrifft,“
sagte Dame der Schönheit, indem sie aus Leibeskräften lachte, „so muss
man gestehen, dass euch ein schreckliches Unrecht widerfuhr.“ – „O,
teuerste Frau,“ versetzte er, „das ist noch nicht alles; man hatte
dieser verdammten ungepfefferten Sahnetorte wegen in meinem Laden alles
zerschlagen und zerbrochen; man hatte mich mit Stricken gebunden und in einen
Kasten gesperrt, in welchem ich so beengt steckte, dass ich meine, ich fühle es
noch. Endlich hatte man einen Zimmermann kommen lassen und ihm befohlen, einen
Pfahl aufzurichten, um mich daran zu hängen! Aber Gott sei gelobt, dass dies
alles nur das Werk des Schlafes ist.“