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12. Nacht

Die zwölfte Nacht war schon weit
vorgerückt, als Scheherasade den Faden der Geschichte des Griechischen Königs
und des Arztes Duban wieder aufnahm:

„Herr, der Fischer fuhr also fort, dem
in dem Gefäße verschlossen gehaltenen Geiste zu erzählen: „Der Arzt
Duban stand wieder auf, und nachdem er eine tiefe Verbeugung gemacht hatte,
sagte er zu dem König, er fände es heilsam, dass seine Majestät zu Pferde
stiege und sich nach dem Platze zum Kugelspiel begäbe.

Der König tat, was ihm gesagt wurde, und als
er auf der Bahn des Kugelspiels zu Pferde war, kam der Arzt mit der von ihm
zubereiteten Kolbe, überreichte sie ihm, und sprach: „Herr, spielt mit
dieser Kolbe, und treibt damit die Kugel auf die Bahn, bis dass ihr Eure Hand
und Euren Leib in Schweiße fühlt. Wenn das Heilmittel, welches ich in den
Handgriff dieser Kolbe eingeschlossen habe, durch Eure Hand erwärmt wird, so
durchdringt es Euren ganzen Leib; und sobald Ihr schwitzt, habt Ihr nichts zu tun,
als mit Spielen aufzuhören, denn das Mittel hat alsdann seine Wirkung getan.
Und wenn Ihr in den Palast zurückkommt, so gehet ins Bad, und lasst euch
tüchtig waschen und reiben: darauf legt euch zu Bett, und wenn ihr morgen
aufstehet, so werdet ihr geheilt sein.“

Der König nahm die Kolbe und trieb sein
Pferd der Kugel nach, welche er ausgeworfen hatte, er schlug sie, und sie wurde
ihm von den Hofleuten, die mit ihm spielten, zurückgeschlagen, er schlug sie
abermals, und kurz, das Spiel dauerte so lange, bis seine Hand, wie sein ganzer
Leib davon schwitzte: da tat das in den Handgriff eingeschlossene Mittel die
Wirkung, welche der Arzt beabsichtigt hatte. Sogleich hörte der König auf zu
spielen, kehrte in seinen Palast zurück und ging ins Bad, kurz, er beobachtete
ganz genau alles, was ihm vorgeschrieben war.

Er befand sich sehr wohl darnach, denn am
folgenden Morgen beim Aufstehen bemerkte er mit so viel Erstaunen als Freuden, dass
sein Aussatz geheilt und sein Leib so rein war, als wenn er niemals von dieser
Krankheit befallen gewesen wäre.

Sobald er angekleidet war, trat er in den
Reichssaal, bestieg seinen Thron, und ließ sich allen seinen Hofleuten sehen,
welche die Begierde, den Erfolg des neuen Heilmittels zu erfahren, schon frühe
dort versammelt hatten. Als sie den König völlig geheilt sahen, bezeigten alle
die größte Freude darüber.

Der Arzt Duban trat in den Saal, warf sich
vor dem Throne nieder und berührte mit dem Gesicht die Erde, und sprach hierauf
folgende Verse aus:

„Die Tugenden gewinnen an Wert, weil du
Vater derselben genannt wirst: und welcher Fürst verdient jemals diesen Namen
so, wie du, der du sie besitzest?

Du, dessen Antlitz mit einem Glanze strahlet,
fähig die dunkelste Nacht zu erleuchten!

Möge es nie aufhören zu glänzen, so ernst
auch das Antlitz der Zeiten blicken möge!

Deine Freigebigkeit hat uns mit Wohltaten
überhäuft: Du warst mir wie eine reiche Regenwolke ausgetrockneten Hügeln.

Du hast deine Reichtümer verschwendet, und
dein Ziel, den höchsten Ruhm, erreicht!“

Hierauf rief ihm der König, ließ ihn an
seiner Seite sitzen, zeigte ihn der Versammlung und gab ihm öffentlich alle die
Lobeserhebungen, welche er verdiente. Damit ließ dieser Fürst es noch nicht
bewenden, sondern da er an diesem Tag den ganzen Hof bewirtete, so ließ er den
Arzt an seinem Tische mit ihm allein speisen …“

Bei diesen Worten bemerkte Scheherasade, dass
es Tag war, und hörte auf in ihrer Erzählung.

Schachriar erhob sich, sehr zufrieden mit
dem, was er gehört hatte, und erwartete den folgenden Tag.