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116. Nacht

„Bedreddin-Hassan,“ fuhr der Wesir fort,
„der die Augen vorzüglich auf Agib heftete, fühlte sich sogleich ganz
bewegt, ohne zu wissen, warum. Er war nicht, wie das Volk, von der blendenden
Schönheit des Knaben ergriffen, seine Unruhe und seine Bewegung hatten eine
andere ihm unbekannte Ursache. Es war die Macht des Blutes, die in diesem
zärtlichen Vater wirkte, der, seine Geschäfte unterbrechend, sich dem Agib
näherte und sehr freundlich zu ihm sagte: „Junger Herr, der mein Herz
gewonnen hat, seid so gut, kommt in meinen Laden, und esst etwas von meinem
Gebäcke, damit ich inzwischen das Vergnügen habe, euch nach Gefallen zu
bewundern.“

Er sprach diese Worte mit so vieler Zärtlichkeit, dass
ihm dabei die Tränen in die Augen traten.

Der kleine Agib war darüber gerührt, und sagte, sich zu
dem Verschnittenen wendend: „Dieser gute Mann hat eine Gesichtsbildung, die
mir gefällt, und er spricht so liebreich zu mir, dass ich mich nicht enthalten
kann, seinen Wunsch zu erfüllen. Wir wollen in seinen Laden gehen und von
seinem Backwerk essen.“ – „Ei wahrhaftig,“ sagte der
Sklave,“ das würde sich gut ausnehmen, wenn der Sohn eines Wesirs, wie
ihr, in den Laden eines Pastetenbäckers ginge, um dort zu essen; bildet euch
nicht ein, dass ich das leide!“ – „Ach, junger Herr,“ rief nun
Bedreddin-Hassan aus, „es ist doch sehr grausam, dass eure Leitung einem
Menschen anvertraut ist, der euch mit so vieler Härte behandelt.“ Hierauf
fügte er, sich an den Sklaven wendend, hinzu: „Guter Freund, haltet den
jungen Herrn nicht davon ab, mir die erbetene Gunst zu erweisen; tut mir nicht
diese Kränkung an. Erzeigt mir lieber die Ehre, mit ihm bei mir einzutreten, –
und ihr werdet dadurch zu erkennen geben, das ihr, obgleich von außen braun,
wie die Kastanie, doch von innen, gleich ihr, weiß seid. Wisst ihr wohl,“
fuhr er fort, „dass ich das Geheimnis besitze, euch, so schwarz wie ihr
auch seid, weiß zu machen?“ Der Verschnittene fing bei diesen Worten zu
lachen an, und fragte Bedreddin, was denn das für ein Geheimnis wäre.
„Ich will’s euch lehren,“ erwiderte er. Hierauf sagte er ihm Verse zum
Lobe der schwarzen Verschnittenen her, welche besagten, dass durch ihren Dienst
die Ehre der Sultane, der Fürsten und aller Großen in Sicherheit wäre. Der
Verschnittene war über diese Verse höchst erfreut, widerstand den Bitten
Bedreddins nicht länger, ließ Agib in seinen Laden gehen, und ging selber
hinein.

Bedreddin-Hassan fühlte eine außerordentliche Freude
darüber, dass er seinen so lebhaften Wunsch erfüllt sah; und indem er wieder
an die unterbrochene Arbeit ging, sagte er: „Ich backte eben Sahnetorten. Ihr
müsst so gut sein, welche zu essen; denn meine Mutter, die sie
bewundernswürdig gut bäckt, hat mich sie backen gelehrt, und sie werden aus
allen Gegenden der Stadt bei mir geholt.“ Nach diesen Worten zog er eine Sahnetorte
aus dem Ofen, und nachdem er Zucker und Granatkörner darauf gestreut hatte,
setzte er sie dem Agib vor, der sie köstlich fand. Der Verschnittene, dem
Bedreddin auch eine vorsetzte, fand sie ebenfalls vortrefflich.

Während sie beide aßen, betrachtete Bedreddin den Agib
mit großer Aufmerksamkeit, und weil ihm dabei einfiel, dass er vielleicht einen
ähnlichen Sohn von der reizenden Gattin hätte, von welcher er so schnell und
so grausam war getrennt worden, so presste ihm dieser Gedanke einige Tränen
aus. Er schickte sich an, den kleinen Agib über die Ursache seiner Reise nach
Damaskus zu befragen; aber der Knabe hatte nicht Zeit, seine Neugier zu
befriedigen, weil der Verschnittene, der ihn drängte, zu den Zelten seines
Großvaters zurückzukehren, ihn fortführte, so bald er gegessen hatte.

Bedreddin-Hassan begnügte sich nicht, ihnen mit dem Auge
zu folgen, er machte schnell seinen Laden zu und folgte ihren Schritten.