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115. Nacht

Schemseddin Mohammed nahm den Weg nach Damaskus mit seiner
Tochter, Dame der Schönheit, und mit Agib, seinem Enkel. Sie reisten neunzehn
Tage hintereinander, ohne sich aufzuhalten; als sie aber am zwanzigsten auf eine
schöne, nicht weit von den Toren von Damaskus entfernte Wiese gekommen waren,
hielten sie an, und ließen ihre Zelte an den Ufern eines Flusses aufschlagen,
der durch die Stadt fließt, ihre Umgegend sehr angenehm macht, und worüber ein
Dichter sich folgendermaßen ausdrückt:

„Welche glückliche Tage waren die, welche wir in
Damaskus zubrachten! ähnliche werden uns wohl kaum wieder zu Teil werden!
Wie anmutig waren die Nächte, deren Fittige nur sanft über uns schwebten, wie
lächelnd die herrlichen Morgen!
Wo dichtbelaubte äste uns beschatteten, wo das Sonnenlicht, wenn ja der sanfte
Zephyr ihm gestattete, durchzudringen, auf dem Boden helle Flecke, gleich
Perlen, gestaltete.
Wo die Vögel laut absangen, was sie auf den Spiegelflächen der Teiche zu lesen
schienen, und was der Wind auf diese schrieb, wozu die Wölkchen die nötigen
Punkte hinzufügten.“

Der Wesir Schemseddin Mohammed erklärte, dass er zwei
Tage an diesem angenehmen Orte verweilen, und am dritten seine Reise fortsetzen
wollte. Doch erlaubte er den Leuten aus seinem Gefolge nach Damaskus zu gehen.
Fast alle benutzten diese Erlaubnis, einige aus Neugier, eine Stadt zu sehen,
die von welcher sie so vorteilhaft reden gehört hatten, andere, um daselbst
ägyptische Waren, die sie mitgebracht hatten, zu verhandeln, oder um Stoffe und
Seltenheiten des Landes einzukaufen.

Dame der Schönheit, welche wünschte, dass auch ihr Sohn
Agib das Vergnügen genießen möchte, sich in dieser berühmten Stadt
umzusehen, befahl dem schwarzen Verschnittenen, der dieses Knaben Hofmeister
war, ihn dahin zu begleiten, und Sorge zu tragen, dass ihm kein Unfall
begegnete.

Agib machte sich, prächtig gekleidet, mit dem
Verschnittenen, der in seiner Hand einen großen Stock trug, auf den Weg. Sie
waren kaum in die Stadt gekommen, als Agib, der schön wie der Tag war, die
Augen aller Welt auf sich zog. Einige kamen aus den Häusern, um ihn näher zu
sehen, andere steckten die Köpfe zu den Fenstern hinaus; und die auf den
Straßen Vorübergehenden begnügten sich nicht damit, stehen zu bleiben, um ihn
zu betrachten, sondern begleiteten ihn noch, um das Vergnügen seines Anblicks
länger genießen zu können. Denn seine Schönheit glich der, welche ein
Dichter in folgenden Versen beschreibt:

„Sein Atem duftete Bisam, seine Zähne waren Perlen,
seine Wangen Rosen, und sein Speichel war wie der köstliche Wein.“

„Sein Wuchs glich einem schlanken Zweige, seine
Hüften einem Paar Hügeln, sein Haar der Nacht, sein Gesicht dem
Vollmonde.“

Kurz, es war niemand, der ihn nicht bewunderte und der
nicht die Eltern, die ein so schönes Kind in die Welt gesetzt hatten,
tausendfach segnete.

Der Verschnittene und der Knabe kamen zufällig an den
Laden des Bedreddin-Hassan, und sie sahen sich dort von einem so großen
Gedränge umgeben, dass sie genötigt waren, still zu stehen.

Der Pastetenbäcker, welcher Bedreddin-Hassan an
Kindesstatt angenommen hatte, war seit einigen Jahren gestorben und hatte ihm,
als seinem Erben, seinen Laden und sein übriges Besitztum hinterlassen.
Bedreddin war also zu dieser Zeit Besitzer des Ladens, und er trieb sein
Handwerk als Pastetenbäcker so geschickt, dass er zu Damaskus in großem Rufe
stand. Da er nun vor seiner Türe so viele Leute sah, die den Agib und den
Verschnittenen mit vieler Aufmerksamkeit betrachteten, so betrachtete auch er
sie.