Project Description

106. Nacht

„Als Hassan die Braut so schön fand, dass er vor
Freude ganz außer sich war, hatte sie ein rotes Atlaskleid an, das sie so gut
kleidete, dass sie nicht nur Männern, sondern sogar Frauen den Kopf verwirrte.
Man nahm ihr aber nach einer Weile dieses Kleid ab und legte ihr ein blaues
Kleid an; lieblich strahlten dann ihre Wangen, freundlich lächelte ihr Mund,
schwarze Haare schmückten ihr Haupt, fest eingeschnürt war ihr Busen. In
diesem Kleide konnte man folgende Verse auf sie anwenden:

„Sie erschien in einem blauen Gewande, azurfarben wie
der Himmel; aus ihrem Kleide erblickte ich einen Sommermond mitten aus einer
Winternacht hervorleuchten.“

Als sie ihr nun ein drittes Kleid anzogen, ließen sie
ihre langen schwarzen Haarflechten über ihren Hals und einen Teil ihres
Gesichtes herunterhängen; sie durchbohrte jedes Herz mit den Pfeilen ihrer
Augäpfel. In diesem Aufzug konnte man von ihr folgende Verse sagen:

„Als sie erschien und die Haare ihr Gesicht
bedeckten, fragte ich: Hat sie wohl den Morgen mit der Nacht bedeckt? Man
antwortete mir: Nein, sondern es verhüllen dunkle Wolken den Vollmond.“

Als sie das vierte Kleid anzog, glich sie der aufgehenden
Sonne. Sie warf sich hin und her wie ein Reh und gefiel so, dass ihre
Augenlieder wie Pfeile das Herz der Anwesenden durchbohrten. Wahr ist sie in
folgenden Versen beschrieben:

„Die Sonne ihrer Schönheit umstrahlt so lieblich die
Welt, dass, wenn sie mit lächelndem Gesicht sich zeigt, die helle Tagessonne
sich in die Wolken verbirgt.“

Im fünften Kleide glich sie einem Zweige des Baumes Ban
oder einer schmachtenden Gazelle; sie wusste durch ihre Bewegungen ihre
stillsten Reize hervorzuheben. Trefflich ist sie in folgenden Versen
geschildert:

„Sie erscheint wie der Vollmond in einer freundlichen
Nacht, mit zarten Hüften und schlankem Wuchse; ihr Auge fesselt die Menschen
durch ihre Schönheit, die Röte ihrer Wangen gleicht dem Rubin, schwarze Haare
hangen ihr bis zu den Füßen herunter; hüte dich wohl vor diesem dichten
Haare!“

„Schmiegsam sind ihre Seiten, doch ihr Herz ist
härter als Felsen: Aus ihren Augenbrauen schleudert sie Pfeile, die immer
richtig treffen und nie fehlen so fern sie auch sein mögen.“

Der sechste Anzug, den sie nun anlegte, war grün, und so
war sie schöner als der leuchtende Mond; die Sonne schämte sich vor ihren
Wangen, welche Kirschen glichen, von grünen Blättern bedeckt.“

Scheherasade bemerkte hier den Tag, und unterbrach ihre
Erzählung; in der folgenden Nacht fuhr sie fort: