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102. Nacht

Als der Geist Bedreddin-Hassan aufmerksam betrachtet
hatte, sagte er bei sich selbst: „Wenn man die lieblichen Gesichtszüge
dieses Geschöpfes betrachtet, so kann man es nur für einen Engel aus dem
irdischen Paradiese halten, den Gott abgeschickt, um die Welt durch seine
Schönheit in Brand zu stecken.“

Er erhub sich hierauf sehr hoch in die Luft, wo er
zufällig einer Fee begegnete. Nachdem beide sich gegrüßt hatten, sagte der
Geist zu der Fee: “ Ich bitte euch, mit mir zu der Grabstätte, auf welcher
ich hause, herabzusteigen, und ich will euch ein Wunder von Schönheit zeigen,
welches eurer Aufmerksamkeit nicht minder würdig ist, als der meinigen.“
Die Fee willigte ein; sie ließen sich beide in einem Augenblick herab, und als
sie im Grabe waren, sagte der Geist zu der Fee, indem er ihr Bedreddin-Hassan
zeigte: „Wohlan, habt ihr jemals einen wohl gebildeteren und schöneren
jungen Mann als diesen gesehen?“

Die Fee betrachtete Bedreddin mit Aufmerksamkeit, und
sagte dann, sich zu dem Geiste wendend: „Ich gebe euch zu, dass er sehr
wohl gebildet ist; aber ich habe soeben in Kairo einen noch bewundernswürdigeren
Gegenstand gesehen, von dem ich euch unterhalten will, wenn ihr mich hören
wollt.“ – „Mit Vergnügen,“ erwiderte der Geist. „Ihr sollt
also wissen,“ versetzte die Fee, (denn ich hole weit aus), dass der Sultan
von ägypten einen Wesir Namens Schemseddin Mohammed, und dieser eine Tochter
von ungefähr zwanzig Jahren hat. Sie ist die schönste und vollkommenste
Person, von der man je reden gehört hat. Der Sultan, durch die öffentliche
Stimme von der Schönheit dieses jungen Fräuleins unterrichtet, ließ den
Wesir, ihren Vater, an einem dieser letzten Tage rufen, und sagte zu ihm: –
„Ich habe gehört, dass du eine mannbare Tochter hast; ich habe Lust, sie
zu heiraten; willst du sie mir wohl zur Frau geben?“ Der Wesir, der diesen
Vorschlag keineswegs erwartete, wurde dadurch wohl ein wenig beunruhigt, aber
nicht verblendet, und statt ihn mit Freuden anzunehmen, was andere an seiner
Stelle zu tun nicht unterlassen hätten, erwiderte er dem Sultan: „Herr,
ich bin der Ehre nicht würdig, die Euer Majestät mir erzeigen will, und ich
bitte Euch untertänigst, es mir nicht zu verübeln, dass ich mich Eurem
Vorhaben widersetze. Ihr wisst, dass ich einen Bruder namens Nureddin-Ali habe,
der gleich mir die Ehre hatte, einer Eurer Wesire zu sein. Wir hatten zusammen
einen Streit, der die Ursache seines plötzlichen Verschwindens war, und ich
habe seit jener Zeit keine Nachricht von ihm gehabt, als dass ich vor vier Tagen
erfuhr, dass er in Balsora als Großwesir dieses Königreiches gestorben ist. Er
hat einen Sohn hinterlassen, und da wir uns verpflichteten, unsere Kinder, wenn
wir welche bekämen, miteinander zu verheiraten, so bin ich überzeugt, dass er
mit dem Vorsatze, diese Heirat abzuschließen, gestorben ist. Deshalb wünschte
ich auch meinerseits mein Versprechen zu erfüllen, und ich bitte Euer
Majestät, es mir zu gestatten.“