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1001. Nacht

„Man sagt, oh Sultan, dass jene Frau dem König
weiter erzählte, wie der Fuchs glücklich aus der Stadt entkommen, und auf
diese Weise sein Leben gerettet habe, wie er nimmermehr geglaubt hätte. Da
sagte der König: „Ich will die Verurteilung der Frau meinem Sohn
überlassen: Er mag sie vorher foltern, oder gleich töten lassen.“ Der
Sohn des Königs nahm nun das Wort und sagte: „Verzeihen ist besser als
Rache nehmen: So handelt der Edle.“ – „Ich überlasse es Dir
ganz,“ sagte hierauf der König. – „Wenn das ist,“ erwiderte der
Prinz, „so schenke ich ihr die Freiheit: Aber,“ indem er sich an sie
wandte, „verlasse auf immer unsere Nähe. Gott hat Dir Deine früheren
übeltaten verziehen.“ Hierauf stand der König von seinem Thron auf, und
ließ seinen Sohn auf selbigen setzen, nahm dann die Krone vom Haupt, krönte
seinen Sohn damit, und befahl, dass diesem gehuldigt werden solle.
„Denn,“ fügte er hinzu, „ich bin alt. Ich will mich nun ganz dem
Dienst meines Herrn, dem erhabenen Schöpfer aller Welten widmen, und ich nehme
Euch hiermit zum Zeugen, dass ich meine königliche Gewalt meinem Sohn
übertrage, sowie ich ihm jetzt meine Krone soeben aufs Haupt gesetzt
habe.“ Nunmehr leisteten ihm die Herrn und die Vornehmen des Hofes den Eid
der Treue. Der Vater zog sich sofort in eine fromme Einsamkeit zurück, und der
Sohn hörte nicht auf, dem Reich mit Gerechtigkeit vorzustehen, und dasselbe
durch wohltuende Handlungen zu erfreuen. Seine Macht und seine Größe nahm
täglich zu, bis ihn endlich das Gewisse1)
erreichte.“

Hier bezeigte der König Schacherbas seine Verwunderung
mit den Worten: „Bei Gott, ich sehe aus allen diesen Geschichten, dass der
Gottlose und Ungerechte sich kein Gewissen daraus macht, seine Untertanen zu
töten.“ Er ließ sich das von Scheherasade bisher Erzählte zur Warnung
dienen, und bat Gott, dass er ihm bei seinem Vorsatz, gut und gerecht zu werden,
behilflich sein möge. Dann wandte er sich zu Scheherasade, und sprach:
„Erzähle mir doch noch etwas von Deinen schönen Geschichten, und zwar
noch eine recht niedliche. Das mag denn die letzte sein.“ – „Ich
gehorche Dir sowohl aus Liebe als aus Ehrerbietung sehr gern,“ erwiderte
Scheherasade.

Man hat mir erzählt, – fuhr sie nun fort – dass ein Mann
zu sagen pflegte: „Durch Gewalt und Zwang kann man das Glück
erringen!“ Allein um ihn das Gegenteil zu beweisen, erzählte ihm einer
seiner Freunde folgende Geschichte:

„Ich habe viele Reisen gemacht, bin in mehrere große
Städte gekommen, und gelangte, als ich schon alt war, einst auch in eine Stadt,
worin ein König von dem Geschlecht der Tubba2)
regierte. Dieser spielte mit dem Leben seiner Untertanen, unterdrückte die
Frommen, und verwüstete das Land. Er hatte einen Bruder, der in Samarkand
herrsche. Beide hatten schon lange in ihren Königreichen gelebt, als sie einst
große Sehnsucht empfanden, sich wieder zu sehen. Da schickte der älteste
Bruder seinen Wesir an den jüngeren Brüder ab, und als derselbe bei ihm ankam,
machte sich dieser schleunigst reisefertig, denn er empfand nicht minder
Sehnsucht, seinen älteren Bruder wieder zu sehen.

Zelte aller Art, und alles, was zur Reise nötig war,
wurden aufgepackt, und der König begab sich nach Mitternacht zu seiner
Gemahlin, um von ihr Abschied zu nehmen. Hier sah er aber einen Mann neben ihrem
Bett schlafen. Da bemächtigte sich seiner die Wut. Er tötete sie beide, nahm
sie dann bei ihren Füßen und warf sie zum Bett hinab. Ohne sich weiter
aufzuhalten, machte er sich sodann auf die Reise, und kam glücklich bei seinem
Bruder an, welcher sich sehr freute, ihn wieder zu sehen. Er ließ ihn in ein
prächtiges Schloss, welches neben dem seinigen lag, einkehren, aus welchem er
auch in den Garten seines Bruders sehen konnte.

Hier war er bereits einige Tage, als die Erinnerung an die
Tat seiner Gemahlin ihm von neuem ins Gedächtnis kam. Er bedachte, wie er sie
getötet, und wie sein hoher Stand ihn nicht vor einem Missgeschick der Art
hatte bewahren können. Dies alles machte einen so tiefen Eindruck auf ihn, dass
er zuletzt weder Speise noch Trank zu sich nahm, und wenn er auch etwas noch
genoss, so gedieh es ihm nicht. Sein Bruder bemerkte es zwar, schrieb es
indessen dem Schmerz über die Trennung von seiner Familie zu. „Komm,“
sagte er eines Tages zu ihm, „Du musst Dich zerstreuen. Wir wollen auf die
Jagd und auf den Fischfang gehen.“ Allein er lehnte es ab, und der König
ging allein auf die Jagd. Als nun der zurückgebliebene Bruder einmal aus seinem
Fenster in das Garten hinab sah, da erblickte er die Gemahlin seines Bruders,
und bemerkte, dass sie von zehn Sklavinnen begleitet war, denen zehn Sklaven
folgten. Jede von ihnen ging mit einem Sklaven von dannen, und auch die Gattin
seines Bruders nahm einen mit sich, und alle brachten ihre Zeit auf die
ausschweifendste Art zu. Hierauf gingen sie wieder ins Schloss zurück. Der
Bruder des Königs war darüber äußerst erstaunt, und ihm dünkte sein
Unglück erträglicher, da sein Bruder dasselbe Schicksal mit ihm teilte. Seine
Krankheit nahm nun ab, und die Esslust fand sich wieder ein. Nach einigen Tagen
kehrte der Bruder zurück, und fand zu seiner Verwunderung, dass jener sich
gänzlich erholt hatte. Er fragte ihn, woher seine Krankheit entstanden sein,
und wie es doch käme, dass er sich nun wieder wohl befinde. Er erzählt ihm nun
ohne Rückhalt alles, was ihm widerfahren war, und was er gesehen hatte. Dieser
fand die Sache ganz außerordentlich. Beide Brüder verabredeten nun
miteinander, die Sache geheim zu halten, beschlossen, das Königreich zu
verlassen, und sich durch Reisen zu zerstreuen, denn sie glaubten, dass
niemanden je etwas ähnliches widerfahren könne. Als sie nun so miteinander
reisten, erblickten sie auf ihrem Weg eine Frau, die in sieben Kasten
eingeschlossen gewesen, welche mit fünf Schlössern verschlossen gewesen waren.
Diese Frau war nämlich im Meer von einem Geist bewacht worden. Dessen
ungeachtet hatte sie Mittel gefunden, mit den beiden Brüdern zu tun, was sie
wollte, und den Geist zu überlisten.

Das Benehmen dieser Frau brachte die beiden Könige auf
andre Gedanken, und sie wunderte sich bloß