William Shakespeare

William Shakespeare – Was ihr wollt

William Shakespeare: Was ihr wollt

Erster Aufzug

Erste Scene

Der Pallast.

Der Herzog, Curio, und etliche Herren vom Hofe treten auf.

Herzog.

Wenn Musik die Nahrung der Liebe ist, so spielt fort; stopft mich voll damit, ob vielleicht meine Liebe von Ueberfüllung krank werden, und so sterben mag – – Dieses Passage noch einmal; – – es hat einen so sterbenden Fall: O, es schlüpfte über mein Ohr hin, wie ein sanfter Südwind, der Gerüche gebend und stehlend über ein Violen-Bette hinsäuselt. – – Genug! nichts mehr! Es ist nicht mehr so anmuthig, als es vorhin war. O Geist der Liebe, wie sprudelnd und launisch bist du! weit und unersättlich wie die See, aber auch darinn ihr ähnlich, daß nichts da hineinkömmt, von so hohem Werth es auch immer sey, das nicht in einer Minute von seinem Werth herab und zu Boden sinke – –

Curio.

Wollt ihr jagen gehen, Gnädigster Herr?

Herzog.

Was?

Curio.

Den Hirsch.

Herzog.

– – Wie? das wäre das edelste was ich habe: O, wie ich Olivia zum erstenmal sah, däuchte mich, sie reinigte die Luft von einem giftigen Nebel; von diesem Augenblik an ward‘ ich in einen Hirsch verwandelt, und meine Begierden, gleich wilden, hungrigen Hunden, verfolgen mich seither – – Valentin tritt auf. Nun, was für eine Zeitung bringt ihr mir von ihr?

Valentin.

Gnädigster Herr, ich wurde nicht vorgelassen; alles was ich statt einer Antwort erhalten konnte, war, daß ihr Kammer-Mädchen mir sagte, die Luft selbst sollte in den nächsten sieben Jahren ihr Gesicht nicht bloß zu sehen kriegen; sondern gleich einer Kloster-Frau will sie in einem Schleyer herum gehen, und alle Tage ein mal ihr Zimmer rund herum mit Thränen begiessen: Alles diß aus Liebe zu einem verstorbenen Bruder, dessen Andenken sie immer frisch und lebendig in ihrem Herzen erhalten will.

Herzog.

O, Sie, die ein so fühlendes Herz hat, daß sie einen Bruder so sehr zu lieben fähig ist; wie wird sie lieben, wenn Amors goldner Pfeil die ganze Heerde aller andern Zuneigungen, ausser einer einzigen, in ihrer Brust getödtet hat? Wenn Leber, Gehirn und Herz, drey unumschränkte Thronen, alle von Einem (o entzükende Vorstellung) von Einem und demselben König besezt und ausgefüllt sind! Folget mir in den Garten – – Verliebte Gedanken ligen nirgends schöner, als unter einem grünen Thron-Himmel, auf Polstern von Blumen. (Sie gehen ab.)

Zweite Scene

Die Strasse.

Viola, ein Schiffs-Capitain, und etliche Matrosen.

Viola.

In was für einem Lande sind wir, meine Freunde.

Capitain.

In Illyrien, Gnädiges Fräulein.

Viola.

Und was soll ich in Illyrien machen, da mein Bruder im Elysium ist? – – Doch vielleicht ist er nicht umgekommen; was meynt ihr, meine Freunde?

Capitain.

Es ist ein blosses Glük, daß ihr selbst gerettet worden seyd.

Viola.

O mein armer Bruder! – – aber, hätt‘ er dieses Glük nicht auch haben können?

Capitain.

Es ist wahr; und wenn die Hoffnung eines glüklichen Vielleicht Eu. Gnaden beruhigen kan, so versichre ich euch, wie unser Schiff strandete, und ihr und diese wenigen, die mit euch gerettet wurden, an unserm Boot hiengen, da sah ich euern Bruder, selbst in dieser äussersten Gefahr, Muth und Vorsicht nicht verliehrend, sich selbst an einen starken Mast binden, der auf der See umhertrieb; und auf diese Art schwamm er, wie Arion auf dem Rüken des Delphins, durch die Wellen fort, bis ich ihn endlich aus den Augen verlohr.

Viola.

Hier ist Gold für diese gute Nachricht. Meine eigne Rettung läßt mich auch die seinige hoffen, und dein Bericht bestärkt mich hierinn. Bist du in dieser Gegend bekannt?

Capitain.

Ja, Madam, sehr wohl; der Ort wo ich gebohren und erzogen wurde, ist nicht drey Stunden Wegs von hier entfernt.

Viola.

Wer regiert hier?

Capitain.

Ein edler Herzog, den Eigenschaften und dem Namen nach.

Viola.

Wie nennt er sich?

Capitain.

Orsino.

Viola.

Orsino? Ich erinnre mich, daß ich von meinem Vater ihn nennen hörte; er war damals noch unvermählt.

Capitain.

Er ist’s auch noch, oder war’s doch vor kurzem; denn es ist nicht über einen Monat, daß ich von her abreisete, und damals murmelte man nur einander in die Ohren, (ihr wißt, wie gerne die Kleinern von dem, was die Grossen thun, schwazen,) daß er sich um die Liebe der schönen Olivia bewerbe.

Viola.

Wer ist diese Olivia?

Capitain.

Eine junge Dame von grossen Eigenschaften, die Tochter eines Grafen, der vor ungefehr einem Jahr starb, und sie unter dem Schuz seines Sohns, ihres Bruders, hinterließ; aber auch diesen hat sie erst kürzlich durch den Tod verlohren; und man sagt, sie sey so betrübt darüber, daß sie die Gesellschaft, ja so gar den blossen Anblik der Menschen verschworen habe.

Viola.

Wenn ich nur ein Mittel wißte, in die Dienste dieser Dame zu kommen, ohne eher in der Welt für das was ich bin bekannt zu werden, als ich es selbst meinen Absichten verträglich finden werde.

Capitain.

Das wird schwer halten; denn sie läßt schlechterdings niemand vor sich, sogar den Herzog nicht.

Viola.

Du hast das Ansehen eines rechtschaffnen Manns, Capitain; und obgleich die Natur manchmal den häßlichsten Unrath mit einer schönen Mauer einfaßt, so will ich doch von dir glauben, daß dein Gemüth mit diesem feinen äusserlichen Schein übereinstimme: Ich bitte dich also, (und ich will deine Mühe reichlich belohnen,) verheele was ich bin, und verhilf mir zu einer Verkleidung, die meinen Absichten beförderlich seyn mag. Ich will mich in die Dienste dieses Herzogs begeben; stelle mich ihm als einen Castraten vor; es kan deiner Mühe werth seyn; ich kan singen, ich spiele verschiedene Instrumente, und bin also nicht ungeschikt ihm die Zeit zu verkürzen; was weiter begegnen kan, will ich der Zeit überlassen; nur beobachte du auf deiner Seite ein gänzliches Stillschweigen über mein Geheimniß.

Capitain.

Seyd ihr sein Castrat, ich will euer Stummer seyn. Verlaßt euch auf meine Redlichkeit.

Viola.

Ich danke dir; führe mich weiter. (Sie gehen ab.)

Dritte Scene

Verwandelt sich in ein Zimmer in Olivias Hause. Sir Tobias und Maria treten auf.

Vierte Scene

Sir Andreas zu den Vorigen. Der Character des Sir Tobias und seines Freundes gehört in die unterste Tiefe des niedrigen Comischen; ein paar mäßige, lüderliche, rauschichte Schlingels, deren platte Scherze, Wortspiele und tolle Einfälle nirgends als auf einem Engländischen Theater, und auch da nur die Freunde des Ostadischen Geschmaks und den Pöbel belustigen können. Wir lassen also diese Zwischen-Scenen um so mehr weg, als wir der häuffigen Wortspiele wegen, öfters Lüken machen müßten. Alles was in diesen beyden Scenen einigen Zusammenhang mit unserm Stüke hat, ist dieses, daß Sir Tobias seinen Zechbruder, Sir Andreas, als einen Liebhaber der schönen Olivia ins Haus einführt und ganz ernsthaft der Meynung ist, daß sie ein recht artiges wohlzusammengegattetes Paar ausmachen würden; und daß Jungfer Maria den würdigen Oheim ihrer Dame höflich ersucht, um seiner Gesundheit willen sich weniger zu besauffen; und um der Ehre des Hauses willen, seine Bacchanalien nicht so tief in die Nacht hinein zu verlängern.

Fünfte Scene

Verwandelt sich in den Pallast.

Valentin, und Viola in Mannskleidern, treten auf.

Valentin.

Wenn der Herzog fortfährt euch so zu begegnen wie bisher, Cäsario, so werdet ihr in kurzem einen grossen Weg machen; er kennt euch kaum drey Tage, und er begegnet euch schon, als ob es so viele Jahre wären.

Viola.

Ihr müßt entweder seiner Laune oder meiner Aufführung nicht viel gutes zutrauen, wenn ihr die Fortsezung seiner Gunst in Zweifel ziehet. Ist er denn so unbeständig in seinen Zuneigungen, mein Herr?

Valentin.

Nein, das ist er nicht. Der Herzog, Curio und Gefolge treten auf.

Viola.

Ich danke euch; hier kommt der Herzog.

Herzog.

Sah keiner von euch den Cäsario, he?

Viola.

Hier ist er, Gnädigster Herr, zu Befehl.

Herzog (zu den andern.)

Geht ihr ein wenig auf die Seite – – Cäsario, du weist bereits nicht weniger als alles; ich habe dir das Innerste meines Herzens entfaltet. Geh also zu ihr, mein guter Junge; laß dich nicht abweisen, postiere dich vor ihrer Thüre, und sag ihr, du werdest da wie eingewurzelt stehen bleiben, bis sie dir Gehör gebe.

Viola.

Gnädigster Herr, wenn sie sich ihrer Betrübniß so sehr überläßt, wie man sagt, so ist nichts gewissers, als daß sie mich nimmermehr vorlassen wird.

Herzog.

Du must ungestüm seyn, schreyen, und eher über alle Höflichkeit und Anständigkeit hinüberspringen, als unverrichteter Sachen zurük kommen.

Viola.

Und gesezt, ich werde vorgelassen, Gnädigster Herr, was soll ich sagen?

Herzog.

O dann entfalte ihr die ganze Heftigkeit meiner Liebe; preise ihr meine ungemeine Treue an; es wird dir wol anstehen, ihr mein Leiden vorzumahlen; sie wird es von einem jungen Menschen, wie du, besser aufnehmen, und mehr darauf Acht geben, als wenn ich einen Unterhändler von ernsthafteren Ansehen gebrauchte.

Viola.

Ich denke ganz anders, Gnädigster Herr.

Herzog.

Glaube mir’s, mein lieber Junge; deine Jugend wäre schon genug, diejenigen lügen zu heissen, die dich einen Mann nennten. Dianens Lippen sind nicht sanfter und rubinfarbiger als die deinigen; deine Stimme ist wie eines Mädchens, zart und hell, und dein ganzes Wesen hat etwas weibliches an sich. Ich bin gewiß, du bist unter einer Constellation gebohren, die dich in solchen Unterhandlungen glüklich macht; du wirst meine Sache besser führen, als ich selbst thun könnte. Geh also, sey glüklich in deiner Verrichtung, und du sollst alles was mein ist, dein nennen können.

Viola.

Ich will mein Bestes thun, Gnädigster Herr – – (vor sich.) Eine beschwerliche Commission! Ich soll ihm eine andre kuppeln, und wäre lieber selbst sein Weib. (Sie gehen ab.)

Sechste Scene

Olivia’s Haus.

Maria und der Narr vom Hause treten auf.

Maria schilt den Narren aus, daß er so lange ausgeblieben, und sagt ihm, die Gnädige Frau werde ihn davor hängen lassen. Der Narr erwiedert dieses Compliment mit Einfällen, an denen der Leser nichts verliehrt; man weiß daß auch der allersinnreichste und unerschöpflichste Hans Wurst doch endlich genöthiget ist, sich selbst zu wiederholen, so gut als ein andrer wiziger Kopf; und so geht es Shakespears Clowns oder Narren von Profeßion auch; sie haben ihre locos communes, auf denen sie wie auf Steken-Pferden herumreiten, wenn ihnen nichts bessers einfallen will; und dieser wird endlich der Zuhörer und der Leser satt.

Siebende Scene

Olivia und Malvolio zu den Vorigen.

Narr.

O Verstand, sey so gut und hilf mir den Narren machen – – Diese gescheidten Leute, welche sich einbilden sie haben dich, beweisen sehr oft daß sie Narren sind; und ich, bey dem es ausgemacht ist, daß ich dich nicht habe, mag für einen weisen Mann gelten. Denn was sagt Quinapalus? Besser ein wiziger Narr, als ein närrischer Wizling! Guten Tag, Frau!

Olivia.

Schaft mir den Narren weg.

Narr.

Hört ihr’s nicht, Kerls? Schaft mir die Frau weg.

Olivia.

O, geh; du bist ein trokner Narr; ich habe deiner genug; zu allem Ueberfluß wirst du zu deiner Albernheit noch ungesittet.

Narr.

Das sind zween Fehler, die sich durch guten Rath und einen Krug Halb-Bier verbessern lassen. Denn, gebt dem troknen Narren zu trinken, so ist der Narr nicht mehr troken: Sagt dem ungesitteten Menschen, wie er sich verbessern soll, so wird er nicht länger ungesittet seyn. Alle Dinge in der Welt, die man ausbessert, werden geflikt; Tugend, die sich vergeht, ist nur mit Sünde geflikt; und Sünde, die sich bessert, ist nur mit Tugend geflikt. Wenn dieser einfältige Syllogismus die Sache ausmacht, wol gut; wo nicht, was ist zu thun? Gleichwie kein andrer wahrer Hahnrey ist als Elend; so ist Schönheit eine vergängliche Blume: Die Gnädige Frau sagte, man solle den Narren wegschaffen, also sag ich noch einmal, schafft sie weg.

Olivia.

Sir, ich befahl daß man euch wegschaffen sollte.

Narr.

Mißverstand im höchsten Grade Gnädiges Fräulein, cucullus non facit monachum; das ist auf Deutsch: Mein Hirn sieht nicht so buntschekicht aus als mein Rok: Liebe Madonna, wollt ihr mir erlauben, euch zu beweisen, daß ihr eine Närrin seyd?

Olivia.

Wie willt du das machen?

Narr.

Gar geschikt, gute Madonna.

Olivia.

Nun, so beweise dann.

Narr.

Ich muß euch vorher catechisieren, Madonna, wenn ihr mir antworten wollt.

Olivia.

Gut, Sir, so schlecht der Zeitvertrieb ist, so wollen wir doch euern Beweis hören.

Narr.

Gute Madonna, warum traurest du?

Olivia.

Um meinen Bruder, guter Narr.

Narr.

Ich denke, seine Seele ist also in der Hölle, Madonna?

Olivia.

Ich weiß, seine Seele ist im Himmel, Narr.

Narr.

Eine desto grössere Närrin seyd ihr, Madonna, dafür zu trauern, daß euer Bruder im Himmel ist; schaft mir die Närrin weg, meine Herren.

Olivia.

Was denkt ihr von diesem Narren, Malvolio? Verbessert er sich nicht?

Malvolio.

Ja, und wird sich verbessern bis ihm die Seele ausgehen wird. Zunehmende Jahre machen den vernünftigen Mann abnehmen, und verbessern hingegen den Narren, weil er je älter je närrischer wird.

Narr.

Gott send‘ euch ein frühzeitiges Alter, Herr, um eure Narrheit desto bälder zu ihrer Vollkommenheit zu bringen! Sir Tobias würde schwören wenn man’s verlangte, daß ich kein Fuchs sey; aber er würde sich nicht für zwey Pfenninge verbürgen, daß ihr kein Narr seyd.

Olivia.

Was sagt ihr hiezu, Malvolio?

Malvolio.

Mich wundert, wie Eu. Gnaden an einem so abgeschmakten Schurken ein Belieben finden kan; ich sah ihn erst gestern von einem alltäglichen Narren, der nicht mehr Hirn hatte als ein Stein, zu Boden gelegt. Seht nur, er weiß sich schon nicht mehr zu helfen; wenn ihr nicht vorher schon lacht, und ihm die Einfälle die er haben soll auf die Zunge legt, so steht er da, als ob er geknebelt wäre. Ich versichre, diese gescheidte Leute, die über die albernen Frazen dieser Art von gedungenen Narren so krähen können, sind in meinen Augen die Narren der Narren.

Olivia.

O, ihr seyd am Eigendünkel krank, Malvolio, und habt einen ungesunden Geschmak. Edelmüthige, schuldlose und aufgeräumte Leute sehen diese Dinge für Vögel-Schrot an, die euch Canon-Kugeln scheinen; ein Narr von Profeßion kan niemand beschimpfen, wenn er gleich nichts anders thut als spotten; so wie ein Mann von bekannter Klugheit niemals spottet, wenn er gleich nichts anders thäte als tadeln. Maria zu den Vorigen.

Maria.

Gnädige Frau, es ist ein junger Herr vor der Thüre, der ein grosses Verlangen trägt, mit Euer Gnaden zu sprechen.

Olivia.

Von dem Grafen Orsino, nicht wahr?

Maria.

Ich weiß es nicht, Gnädige Frau, er ist ein hübscher junger Mann, und er macht Figur.

Olivia.

Wer von meinen Leuten unterhält ihn?

Maria.

Sir Tobias, Gnädige Frau, euer Oehm.

Olivia.

Macht daß ihr ihn auf die Seite bringt, ich bitte euch; er spricht nichts als tolles Zeug; der garstige Mann! Geht ihr, Malvolio; wenn es eine Gesandschaft vom Grafen ist, so bin ich krank oder nicht bey Hause: Sagt was ihr wollt, um seiner los zu werden. (Malvolio geht ab.) Ihr seht also, Sir, eure Narrheit wird alt und gefällt den Leuten nicht mehr.

Narr.

Du hast unsre Parthey genommen, Madonna, als ob dein ältester Sohn zu einem Narren bestimmt wäre; Jupiter füll‘ ihm seinen Schedel mit Hirn aus! Hier kommt einer von deiner Familie, der eine sehr schwache pia mater hat – –

Achte Scene

Sir Tobias zu den Vorigen.

Olivia.

Auf meine Ehre, halb betrunken. Wer ist vor der Thür, Onkel?

Sir Tobias.

Ein Edelmann.

Olivia.

Ein Edelmann? Was für ein Edelmann?

Sir Tobias.

Ein Mutter-Söhnchen, dem Ansehen nach – – der Henker hole diese Pikelhäringe! Was machst du hier, Dumkopf?

Narr.

Guter Sir Toby – –

Olivia.

Onkel, Onkel, wie kommt ihr schon so früh zu dieser Lethargie?

Sir Tobias.

Es ist einer vor der Pforte, sag ich.

Olivia.

Nun, wer ist er denn?

Sir Tobias.

Er kan meinethalb der Teufel selber seyn, wenn er will, was bekümmert mich’s; glaubt mir was ich sage. Gut, es ist all eins. (Er geht ab.)

Olivia.

Wem ist ein berauschter Mann gleich, Narr?

Narr.

Einem Narren, einem Ertrunknen und einem Rasenden. Das erste Glas über das was genug ist macht ihn närrisch; das zweyte macht ihn rasend; und das dritte ertränkt ihn gar.

Olivia.

So kanst du nur gehen und ein visum repertum über meinen Oehm machen lassen; er ist würklich im dritten Grade der Trunkenheit; er ist ertrunken; geh, sieh zu ihm.

Narr.

Er ist dermalen erst toll, Madonna, und der Narr wird gehn und zu dem Tollhäusler sehen. (Er geht ab.) Malvolio zu den Vorigen.

Malvolio.

Gnädige Frau, der junge Bursche schwört, daß er mit euch reden wolle. Ich sagte ihm, ihr befändet euch nicht wohl; er antwortet, so komme er eben recht, denn er habe ein vortrefliches Arcanum gegen dergleichen Unpäßlichkeiten. Ich sagte ihm, ihr schliefet, aber es scheint er habe das auch vorher gewußt, und will deßwegen mit euch sprechen. Was soll man ihm sagen, Gnädige Frau? Er will sich schlechterdings nicht abweisen lassen.

Olivia.

Sagt ihm, er solle mich nicht zu sprechen kriegen.

Malvolio.

Das hat man ihm gesagt; und seine Antwort ist, er wolle vor eurer Pforte stehen bleiben wie eine Säule, er wolle das Fußgestell zu einer Bank abgeben; aber er wolle mit euch sprechen.

Olivia.

Von was für einer Gattung Menschen-Kindern ist er?

Malvolio.

Wie, von der männlichen.

Olivia.

Aber was für eine Art von einem Mann?

Malvolio.

Von einer sehr unartigen; er will mit euch reden, ihr mögt wollen oder nicht.

Olivia.

Wie sieht er aus, und wie alt mag er seyn?

Malvolio.

Nicht alt genug, einen Mann und nicht jung genug, einen Knaben vorzustellen; mit einem Wort, ein Mittelding zwischen beyden, ein hübsches, wohlgemachtes Bürschgen, und er spricht ziemlich nasenweise; man dächte, er habe noch was von seiner Mutter Milch im Leibe.

Olivia.

Laßt ihn kommen; ruft mir mein Mädchen.

Malvolio.

Jungfer, die Gnädige Frau ruft. (Er geht ab.)

Neunte Scene

Maria tritt auf.

Olivia.

Gieb mir meinen Schleyer: Komm, zieh ihn über mein Gesicht: Wir wollen doch noch einmal hören, was Orsino’s Gesandtschaft anzubringen haben wird. Viola zu den Vorigen.

Viola.

Wo ist die Gnädige Frau von diesem Hause?

Olivia.

Redet mit mir, ich will für sie antworten; was wollt ihr?

Viola.

Allerglänzendste, auserlesenste und unvergleichlichste Schönheit – – ich bitte euch, sagt mir, ob das die Frau vom Hause ist, denn ich sah sie noch niemals. Es wäre mir leid, wenn ich meine Rede umsonst gehalten hätte; denn ausserdem daß sie über die maassen wol gesezt ist, so hab ich mir grosse Mühe gegeben, sie auswendig zu lernen. Meine Schönen, eine deutliche Antwort; ich bin sehr kurz angebunden, wenn mir nur im geringsten mißbeliebig begegnet wird.

Olivia.

Woher kommt ihr, mein Herr?

Viola.

Ich kan nicht viel mehr sagen als ich studiert habe und diese Frage ist nicht in meiner Rolle. Mein gutes junges Frauenzimmer, gebt mir hinlängliche Versicherung daß ihr die Frau von diesem Hause seyd, damit ich in meiner Rede fortfahren kan.

Olivia.

Seyd ihr ein Comödiant?

Viola.

Nein, vom innersten meines Herzens wegzureden; und doch schwör‘ ich bey den Klauen der Bosheit, ich bin nicht was ich vorstelle. Seyd ihr die Frau vom Hause?

Olivia.

Wenn ich mich selbst nicht usurpiere, so bin ich’s.

Viola.

Unfehlbar, wenn ihr sie seyd, usurpiert ihr euch selbst; denn was euer ist um es wegzugeben, das kömmt euch nicht zu, für euch selbst zurük zu behalten; doch das ist aus meiner Commißion. Ich will den Eingang meiner Rede mit euerm Lobe machen, und euch dann das Herz meines Auftrags entdeken.

Olivia.

Kommt nur gleich zur Hauptsache; ich schenke euch das Lob.

Viola.

Desto schlimmer für mich; ich gab mir so viele Müh es zu studieren, und es ist so poetisch!

Olivia.

Desto mehr ist zu vermuthen, daß es übertrieben und voller Dichtung ist. Ich bitte euch, behaltet es zurük. Ich hörte, ihr machtet euch sehr unnüze vor meiner Thüre, und ich erlaubte euch den Zutritt mehr aus Fürwiz euch zu sehen, als euch anzuhören. Wenn ihr nicht toll seyd, so geht; wenn ihr Verstand habt, so macht’s kurz; es ist gerade nicht die Monds-Zeit bey mir, da ich Lust habe in einem so hüpfenden Dialog‘ eine Person zu machen.

Maria.

Wollt ihr eure Segel aufziehen, junger Herr, hier ligt euer Weg.

Viola.

Nein, ehrlicher Schiffs-Junge, ich werde hier noch ein wenig Flott machen.

Olivia.

Was habt ihr dann anzubringen?

Viola.

Ich bin ein Deputierter.

Olivia.

Wahrhaftig, ihr müßt etwas sehr gräßliches zu sagen haben, da eure Vorrede so fürchterlich ist. Redet was ihr zu reden habt.

Viola.

Es bezieht sich allein auf euer eignes Ohr. Ich bringe keine Kriegs-Erklärung; ich trage den Oelzweig in meiner Hand, und meine Worte sind eben so friedsam als gewichtig.

Olivia.

Und doch fienget ihr unfreundlich genug an. Wer seyd ihr? Was wollt ihr?

Viola.

Wenn ich unfreundlich geschienen habe, so ist es der Art wie ich empfangen wurde, zuzuschreiben. Was ich bin und was ich will, das sind Dinge, die so geheim sind wie eine Jungferschaft; für euer Ohr, Theologie; für jedes andre, Profanationen.

Olivia.

Laßt uns allein. (Maria geht ab.) Wir wollen diese Theologie hören. Nun, mein Herr, was ist euer Text?

Viola.

Allerliebstes Fräulein – –

Olivia.

Eine trostreiche Materie, und worüber sich viel sagen läßt. Wo steht euer Text?

Viola.

In Orsino’s Busen.

Olivia.

In seinem Busen? In was für einem Capitel seines Busens?

Viola.

Um in der nemlichen Methode zu antworten, im ersten Capitel seines Herzens.

Olivia.

O, das hab‘ ich gelesen; es ist Kezerey. Ist das alles was ihr zu sagen habt?

Viola.

Liebe Madam, laßt mich euer Gesicht sehen.

Olivia.

Habt ihr Commission von euerm Herrn, mit meinem Gesicht Unterhandlungen zu pflegen? Ihr geht izt zwar über euern Text hinaus; aber wir wollen doch den Vorhang wegziehen, und euch das Gemählde zeigen. Seht ihr, mein Herr; so eines trag‘ ich dermahlen; ist’s nicht wohl gemacht? (Sie enthüllt ihr Gesicht.)

Viola.

Vortrefflich, wenn Gott alles gemacht hat.

Olivia.

Davor steh ich euch; es ist von der guten Farbe; es hält Wind und Wetter aus.

Viola.

O, gewiß kan nur die schlaue und anmuthreiche Hand der Natur weiß und roth auf eine so reizende Art auftragen, und in einander mischen – – Gnädiges Fräulein, ihr seyd die grausamste Sie in der ganzen Welt, wenn ihr solche Reizungen ins Grab tragen wollt, ohne der Welt eine Copey davon zu lassen.

Olivia.

O, mein Herr, so hartherzig will ich nicht seyn; ich will verschiedene Vermächtnisse von meiner Schönheit machen. Es soll ein genaues Inventarium davon gezogen, und jedes besondre Stük meinem Testament angehängt werden. Als, item, zwo erträglich rothe Lippen. Item, zwey blaue Augen, mit Augliedern dazu. Item, ein Hals, ein Kinn, und so weiter. Seyd ihr hieher geschikt worden, mir eine Lobrede zu halten?

Viola.

Ich sehe nun, was ihr seyd; ihr seyd zu spröde; aber wenn ihr der Teufel selbst wäret, so muß ich gestehen, daß ihr schön seyd. Mein Gebieter und Herr liebt euch: O! eine Liebe, wie die seinige, könnte mit der eurigen, mehr nicht als nur belohnt werden, und wenn ihr zur Schönsten unter allen Schönen des Erdbodens gekrönt worden wäret.

Olivia.

Wie liebt er mich dann?

Viola.

Mit einer Liebe, die bis zur Abgötterey geht, mit immer fliessenden Thränen, mit liebe-donnerndem Aechzen und Seufzern von Feuer.

Olivia.

Euer Herr weiß meine Gesinnung schon, er weiß daß ich ihn nicht lieben kan. Ich zweifle nicht daß er tugendhaft, und ich weiß daß er edel, von grossem Vermögen, von frischer und unverderbter Jugend ist; er hat den allgemeinen Beyfall vor sich, und ist reizend von Gestalt; aber ich kan ihn nicht lieben; ich hab es ihm schon gesagt, und er hätte sich meine Antwort auf diesen neuen Antrag selbst geben können.

Viola.

Wenn ich euch liebte wie mein Herr, mit einer so quälenden, so verzehrenden Liebe, so würd‘ ich mich durch eine solche Antwort nicht abweisen lassen; ich würde gar keinen Sinn in ihr finden.

Olivia.

Wie, was thätet ihr denn?

Viola.

Ich würde Tag und Nacht vor eurer Thüre ligen, und so lange hinein ruffen bis mir der Athem ausgienge: ich würde klägliche Elegien über meine unglükliche Liebe machen, und sie selbst in der Todesstille der Nacht laut vor euerm Fenster singen; euern Namen den zurükschlagenden Hügeln entgegen ruffen, und die schwazhafte Gevatterin der Luft (die Echo) an Olivia sich heiser schreyen machen! O ich wolte euch nirgends Ruhe lassen, bis ihr Mitleiden mit mir hättet.

Olivia.

Ihr könntet es vielleicht weit genug bringen. Was ist euer Stand?

Viola.

Ueber meine Glüks-Umstände, doch bin ich zufrieden; ich bin ein Edelmann.

Olivia.

Kehrt zu euerm Herrn zurük; ich kan ihn nicht lieben; er soll mich mit seinen Gesandtschaften verschonen; ausser ihr wolltet noch einmal zu mir kommen, um mir zu sagen, wie er meine Erklärung aufgenommen hat; lebt wohl; ich dank‘ euch für eure Mühe: nemmt diß zu meinem Andenken – –

Viola.

Ich bin kein Bote der sich bezahlen läßt; Gnädiges Fräulein, behaltet euern Beutel: Mein Herr, nicht ich, bedarf eurer Gütigkeit. Möchte sein Herz von Kieselstein seyn, und ihr so heftig in ihn verliebt werden, als er’s ist, damit ihr die ganze Qual einer verschmähten Liebe fühltet! Lebt wohl, schöne Unbarmherzige! (Sie geht ab.)

Olivia (allein.)

Was ist euer Stand? Ueber meine Glüks-Umstände, doch bin ich zufrieden; ich bin ein Edelmann – – Ich wollte schwören daß du es bist! Deine Sprache, dein Gesicht, deine Gestalt, deine Gebehrden und dein Geist machen eine fünffache Ahnen-Probe für dich – – nicht zu hastig – – sachte! Sachte! – – Es müßte dann bestimmt seyn – – wie, was für Gedanken sind das? Kan man so plözlich angestekt werden? Es ist mir nicht anders, als fühlt‘ ich die Annehmlichkeiten dieses jungen Menschen, mit unsichtbarem leisem Tritt zu meinen Augen hineinkriechen. Gut, laßt es gehn – – He, Malvolio! – – Malvolio tritt auf.

Malvolio.

Hier, Gnädige Frau, zu euerm Befehl.

Olivia.

Lauffe diesem nemlichen wunderlichen Abgesandten, des Herzogs seinem Diener, nach; er ließ diesen Ring zurük, ich wollte oder wollte nicht; sag ihm, ich woll‘ ihn schlechterdings nicht. Ersuch ihn, seinem Herrn nicht zu schmeicheln, und ihn nicht mit falschen Hoffnungen aufzuziehen; ich sey nicht für ihn: wenn der junge Mensch morgen dieser Wege kommt, will ich ihm Ursachen dafür geben. Eile, Malvolio. Malvolio geht ab.

Olivia.

Ich thue etwas, und weiß selbst nicht was; ich besorge, ich besorge, meine Augen haben mein Herz überrascht! Schiksal, zeige deine Macht: Wir sind nicht Herren über uns selbst; was beschlossen ist, muß seyn, und so sey es dann! (Sie geht ab.)

Zweiter Aufzug

Erste Scene

Die Strasse.

Antonio und Sebastiano treten auf.

Antonio.

Ihr wollt also nicht länger bleiben? Und ihr wollt auch nicht erlauben, daß ich mit euch gehe?

Sebastiano.

Nein, verzeiht mir’s; meine Sterne scheinen dunkel über mir; der mißgünstige Einfluß meines Schiksals möchte auch das eurige ansteken; erlaubt mir also, daß ich mich von euch beurlaube, um mein Unglük allein zu tragen. Es würde eine schlechte Belohnung für eure Freundschaft seyn, wenn ich euch auch nur den kleinsten Theil davon auflegen wollte.

Antonio.

Laßt mich wenigstens nur wissen, wohin ihr gehen wollt.

Sebastiano.

Meine Reise ist in der That nichts anders, mein Herr, als ein wunderlicher Einfall, ohne besondere Absicht – – Doch diese edle Bescheidenheit, womit ihr euch zurükhaltet, mir abzunöthigen, was ich, wie ihr merket, gerne bey mir behalten wollte, verbindet mich, von selbst näher gegen euch heraus zu gehen. Wisset also, Antonio, daß mein Name Sebastiano und nicht Rodrigo ist, wie ich vorgab; mein Vater war dieser Sebastiano von Messaline, von dem ihr ohne Zweifel gehört haben müßt. Er hat mich mit einer Schwester hinterlassen, die in der nemlichen Stunde mit mir gebohren worden; möcht‘ es dem Himmel gefallen haben, daß wir auch ein solches Ende genommen hätten. Aber ihr, mein Herr, verhindertet das; denn ungefehr eine Stunde, eh ihr mich aus dem Schiffbruch aufnahmet, war meine Schwester ertrunken.

Antonio.

Ich bedaur‘ euch von Herzen.

Sebastiano.

Eine junge Dame, mein Herr, welche, ob man gleich eine sonderbare Aehnlichkeit zwischen ihr und mir finden wollte, doch von vielen für schön gehalten wurde; und wenn ich gleich über diesen Punkt nicht zu leichtgläubig seyn möchte, so darf ich hingegen kühnlich von ihr behaupten, daß sie ein Gemüthe hatte, das der Neid selbst nicht anders als schön nennen könnte: Nun ist sie ertrunken, mein Herr, und ihr Andenken preßt mir Thränen aus, die ich nicht zurükhalten kan.

Antonio.

Vergebet mir, mein Herr, daß ihr nicht besser bedient worden seyd.

Sebastiano.

O mein allzugütiger Antonio; vergebet mir die Unruhe die ich euch gemacht habe.

Antonio.

Wenn ihr mich für meinen guten Willen nicht ermorden wollt, so laßt mich euer Diener seyn.

Sebastiano.

Wenn ihr eure Wohlthat nicht wieder vernichten, und ein Leben wieder nehmen wollt, das ihr erhalten habt, so muthet mir das nicht zu. Lebt wohl auf immer; mein Herz ist zu sehr gerührt, als daß ich mehr sagen könnte; meine Augen reden für mich – – Ich muß an des Herzogs Orsino Hof; Lebet wohl. (Er geht ab.)

Antonio.

Die Huld aller Götter begleite dich! Ich habe mir Feinde an Orsino’s Hofe gemacht, sonst solltest du mich dort bald in deinem Wege finden: Und doch, es entstehe daraus was immer will, ich liebe dich so sehr daß mich keine Gefahr abschreken kan; ich will gehen. (Geht ab.)

Zweyte Scene

Malvolio trift Viola, in ihrer Verkleidung als Cäsario an, und richtet den Auftrag bey ihr aus, den ihm Olivia vorhin gegeben, und da Viola den Ring nicht annehmen will, wirft er ihn endlich vor ihre Füsse und geht ab.

Viola (allein.)

Ich ließ keinen Ring bey ihr ligen; was meynt diese Dame damit? Das Unglük wird doch nicht wollen, daß ihr meine Gestalt in dieser Verkleidung gefährlich gewesen! Sie schien mich mit günstigen Augen anzusehen, in der That, so sehr, daß ihre Augen ihre Zunge verhext und gelähmt zu haben schienen; denn sie sprach sehr zerstreut und ohne Zusammenhang – – Sie liebt mich, so ist es; und der Auftrag den sie diesem plumpen Abgesandten gemacht, ist ein Kunstgriff, mir ihre Liebe auf eine feine Art zu erkennen zu geben – – Sie will keinen Ring von meinem Herrn; wie? er schikte ihr ja keinen; ich bin der Mann – – Wenn es so ist, (und es ist so) das arme Fräulein! so wär es noch besser für sie, in ein blosses Phantom verliebt zu seyn. Verkleidungen sind, wie ich sehe, eine Gelegenheit, deren Satan sich wol zu bedienen weiß. Wie wenig es braucht, um in ein wächsernes Weiber-Herz Eindruk zu machen! Himmel! daran hat unsre Gebrechlichkeit Schuld, nicht wir; wenn wir so gemacht sind, was können wir dafür, daß wir so sind? – – Aber wie wird sich das zusammen schiken? Mein Herr liebt sie aufs äusserste; ich, arme Mißgestalt, bin eben so stark von ihm bethört; und sie, durch den Schein betrogen, seufzt um mich. Was wird aus diesem allem werden? In so fern ich ein Mann bin, könnte meine Liebe zu Orsino in keinem verzweifeltern Zustand seyn; in so fern ich ein Mädchen bin, wie viele vergebliche Seufzer wird die arme Olivia aushauchen! Hier ist lauter Hoffnunglose Liebe, auf allen Seiten. O Zeit, du must diß entwikeln, nicht ich; es ist ein Knoten, der zu hart verschlungen ist, als daß ich ihn auflösen könnte. (Sie geht ab.)

Dritte Scene

Verwandelt sich in Olivias Haus. Sir Tobias und Sir Andreas, nebst dem Narren.

Vierte Scene

Maria, und endlich auch Malvolio zu den Vorigen. Diese beyden Zwischen-Scenen sind der Uebersezung unwürdig, und eines Aufzugs unfähig.

Fünfte Scene

Verwandelt sich in den Pallast.

Der Herzog, Viola, Curio, und andre.

Herzog.

Macht mir ein wenig Musik; nun guten Morgen, meine Freunde: Wie, mein wakrer Cäsario, in der That, das Stükchen, das alte ehrliche Gassen-Liedchen, das wir lezte Nacht hörten, machte mir leichter ums Herz als diese flüchtigen Läuffe, diese studierten Säze einer rauschenden und schwindlicht sich im Kreise herumdrehenden Symphonie – – Kommt, nur eine Strophe – –

Curio.

Gnädigster Herr, es ist niemand da, der es singen könnte.

Herzog.

Wer sang es denn gestern?

Curio.

Fest, der Pikelhäring, der Narr, mit dem der Gräfin Olivia Vater soviel Kurzweil hatte. Er ist ausgegangen.

Herzog.

Sucht ihn auf, und spielt indessen die Melodie. Komm hieher, Junge: wenn du jemals erfahren wirst was Liebe ist, so denk‘ in ihren süssen Beklemmungen an mich; so wie ich bin, sind alle Liebhaber: unstät und launisch in allen andern Vorstellungen, als allein in dem Bilde des Geliebten, das immer vor ihren Augen schwebt – – wie gefällt dir dieser Ton?

Viola.

Er giebt ein wahres Echo von dem Siz, wo die Liebe thront.

Herzog.

Du sprichst meisterlich. Ich seze mein Leben dran, dein Herz ist nicht so unerfahren als du jung bist; du hast geliebt, nicht wahr, Junge?

Viola.

Ein wenig, Gnädigster Herr.

Herzog.

Von was für einer Gattung Weibsbilder ist sie?

Viola.

Sie sieht Eu. Gnaden gleich.

Herzog.

So ist sie deiner nicht werth. Wie alt, ernsthafter Weise?

Viola.

Von euerm Alter, Gnädigster Herr.

Herzog.

So ist sie zu alt; ein Weibsbild soll immer einen ältern nehmen als sie ist, so daurt sie ihn aus, und ist sicher, ihren Plaz in ihres Mannes Herzen immer zu behalten. Denn, glaube mir, Junge, wir mögen uns so schön machen als wir wollen, so sind doch unsre Zuneigungen immer weit schwindlichter, unsteter, schwankender, und leichter abgenuzt und verlohren, als der Weiber ihre.

Viola.

Das denk‘ ich selbst, Gnädigster Herr.

Herzog.

Wähle dir also eine Liebste die jünger als du bist, oder deine Liebe wird von keiner Dauer seyn: Denn Weiber sind wie Rosen; in der nemlichen Stunde, da ihre schöne Blume sich völlig entfaltet, fällt sie ab.

Viola.

Und so sind sie; wie schade, daß sie so sind! daß sie in dem Augenblik sterben, worinn sie den Punkt ihrer Vollkommenheit erreicht haben. Curio und der Narr zu den Vorigen.

Herzog.

O, komm du, guter Freund – – Das Lied von gestern Nachts – – Gieb Acht darauf, Cäsario, es ist alt und einfältig; die Spinnerinnen und Strikerinnen, wenn sie an der Sonne bey ihrer Arbeit sizen, und die muntern Webers-Mädchen, wenn sie zetteln, pflegen es zu singen; es ist ein läppisches, kindisches Ding, aber es sympathisiert mit der Unschuld der Liebe, wie man vor Alters liebte.

Narr.

Seyd ihr fertig, Herr?

Herzog.

Ja; sing, ich bitte dich. Ein Lied.*

Herzog.

Hier ist was für deine Mühe.

Narr.

Keine Mühe, Herr; singen ist ein Vergnügen für mich, Herr.

Herzog.

So will ich dir dein Vergnügen bezahlen.

Narr.

Das ist ein anders, Herr; Vergnügen will über kurz oder lange bezahlt seyn.

Herzog.

Du kanst nun wieder gehen, so schnell du willst.

Narr.

Nun, der melancholische Gott der Liebe behüte dich, und der Schneider mache dir ein Wamms von schielichtem Taft; denn dein Gemüth ist ein wahrer Opal. Leute von solcher Standhaftigkeit müßte man mir über Meer schiken, damit ihr Geschäfte allenthalben und ihr Ziel nirgends wäre; denn das ist gerade was man braucht, um von einer langen Reise nichts nach Hause zu bringen. Lebt wohl. (Er geht ab.) * Der Verfasser der Beurtheilung des ersten Theils dieser Uebersezung, in der Bibliothek der schönen Wissenschaften hat eine so glükliche Probe mit einem Liede des Narren im König Lear gemacht, daß wir ihm auch dieses Gassenhauerchen überlassen wollen. Es ist in der That alles was Orsino davon sagt, aber es müßte, um nicht alles zu verliehren in der Sprache Sebastian Brands oder einer noch ältern, in der nemlichen oder einer ganz ähnlichen Versart, mit der nemlichen Wahrheit der Erfindung, und tändelnden Einfalt des Ausdruks, übersezt werden – – eine Arbeit, welche vielleicht schwerer ist, als das feinste Sonnet von einem Zappi, in Reime zu übersezen.

Sechste Scene

Herzog.

Macht uns Plaz ihr andern – – Versuch es noch zum leztenmal, Cäsario; geh noch einmal zu dieser schönen Unerbittlichen; sag ihr, meine Liebe lege einer Menge von ausgebreiteten Erdschollen die man Ländereyen heißt, keinen Werth bey; sag ihr, die Güter die das Glük ihr zugelegt habe, seyen in meinen Augen so eitel als das Glük selbst; ihr Gemüth allein, dieses Wunder, dieses unvergleichliche Kleinod, das die Natur so schön gefaßt hat, ziehe meine Seele an, und wenn sie die ganze Welt zum Brautschaz hätte, so würde sie in meinen Augen nicht reizender seyn.

Viola.

Aber wenn sie euch nun nicht lieben kan, Gn. Herr?

Herzog.

Ich will keine solche Antwort haben.

Viola.

Aber wie dann, wenn ihr müßt? Sezet den Fall, es gäbe eine junge Dame, wie es vielleicht eine giebt, die aus Liebe zu euch diese nemliche Quaal in ihrem Herzen fühlte, die ihr für Olivia fühlt; und ihr könntet sie nicht lieben, und ihr sagtet ihr das; müßte sie sich diese Antwort nicht gefallen lassen?

Herzog.

Es giebt kein weibliches Herz das stark genug wäre, den Sturm einer so heftigen Leidenschaft auszuhalten, wie die meinige ist – – es giebt keines, das groß genug wäre, eine solche Liebe zu fassen. Ihre Liebe verdient mehr den Namen eines flüchtigen Gelusts, sie reizt nur ihren Gaumen, nicht ihre Leber, und endigt sich bald durch Ueberfüllungen Ekel und Abscheu; da die meinige hingegen so hungrig ist wie die See, und eben so viel verdauen kan. Mache keine Vergleichung zwischen der Liebe die ein Weibsbild für mich haben kan, und der meinigen für Olivia.

Viola.

Gut, und doch weiß ich – –

Herzog.

Was weißst du?

Viola.

Nur zuwohl was für einer Liebe die Weibsbilder zu den Mannsleuten fähig sind. Aufrichtig zu reden, sie haben so getreue Herzen als wir immer. Mein Vater hatte eine Tochter die jemand so sehr liebte, als ich vielleicht, wenn ich ein Weibsbild wäre, Euer Gnaden lieben würde.

Herzog.

Und was ist ihre Geschichte?

Viola.

Ein weisses Blatt Papier: Nie entdekte sie ihre Liebe sondern ließ ihr Geheimniß, gleich einem Wurm in der Knospe, an ihrer Rosenwange nagen: Sie verschloß ihre Quaal in ihr Herz, und, in blasser hinwelkender Schwermuth, saß sie wie die Geduld auf einem Grabmal, und lächelte ihren Kummer an. War das nicht Liebe, wahre Liebe? Wir Männer mögen mehr reden, mehr schwören, aber daß wir besser lieben, daran läßt sich zweiffeln, ohne uns Unrecht zu thun; wir zeigen immer mehr als wir fühlen – – und unsre Liebe ist oft desto schwächer, je stärker wir sie ausdruken.

Herzog.

Aber starb deine Schwester an ihrer Liebe, Junge?

Viola.

Ich bin alle Töchter die von meines Vaters übrig sind, und alle Brüder dazu – – und doch weiß ich nicht – – Gnädigster Herr, soll ich zu dieser Dame gehen?

Herzog.

Ja, das ist die Sache. Eile zu ihr; gieb ihr dieses Kleinod; sag ihr, meine Liebe könne und werde sich nicht abtreiben lassen. (Sie gehen ab.)

Siebende, achte und neunte Scene

Jungfer Maria hatte mit den beyden würdigen Junkern Sir Tobias und Sir Andreas, in der vierten Scene den Plan zu einem kleinen Streich angelegt, den sie, zu ihrer allerseitigen Belustigung, dem Malvolio, einem einbildischen, in sich selbst verliebten, dummen und dabey sehr feyrlichen Gesellen, spielen wollten. Dieses Complott wird nun in diesen dreyen Scenen ausgeführt. Maria schreibt in ihrer Gebieterinn Namen einen Brief worinn Oliviens Hand so gut als möglich nachgeahmt ist, und legt ihn an einen Ort, wo ihn Malvolio finden muß. Man kan sich vorstellen, was für närrisches Zeug ein solcher Bursche anzugeben fähig ist, da er Oliviens eigne Hand dafür zu haben glaubt, daß sie sterblich in ihn verliebt sey. Alles was wir aus diesem Intermezzo der Uebersezung würdig halten, ist das Gespräch des Malvolio das er mit sich selbst hält, eh und da er den unterschobnen Brief findet, und aus welchem wir nur die abgeschmakten Ausruffungen, Schwüre und Parenthesen weglassen, welche die beyden Junkers a parte machen. Die Scene ist in Olivias Garten. Maria zu Sir Tobias, Sir Andreas und Fabian.

Maria.

Geht, verbergt euch alle drey in die Laube dort; Malvolio kommt diesen Gang herauf; er stuhnd schon diese halbe Stunde lang dort in der Sonne, und gesticulirte gegen seinem eignen Schatten – – gebt auf ihn acht, ich bitte euch, ihr werdet Spaß davon haben: Denn ich bin sicher, dieser Brief wird ihn in die lächerlichste Betrachtungen versenken – – Haltet euch still, wenn ihr euch nicht selbst einen Spaß verderben wollt – – lieg du da – – (Sie wirft den Brief hin, und entfernt sich.) Malvolio tritt auf; mit sich selbst redend.

Malvolio.

Es kommt alles aufs Glük an, alles aufs Glük! Maria sagte mir neulich, sie könne mich überaus wohl leiden, und ich habe selbst gehört, daß sie sich herausgelassen hat, wenn sie sich verlieben wollte, so müßt‘ es in einen von meiner Figur seyn. Ueberdem begegnet sie mir immer mit einer gewissen Achtung, das sie sonst für keinen von ihren Bedienten thut. Was soll ich von der Sache denken – – das wäre mir eins, Graf Malvolio – – Man hat doch dergleichen Exempel – – Die Princessin von Thracien heurathete einen Bedienten von der Garderobe – – Wenn ich dann drey Monate mit ihr verheurathet wäre, und sässe da auf meinem Guthe – – und rieffe meine Officianten um mich herum, in meinem ausgeschnittnen Samtnen Rok – – nachmittags, vom Ruhbette aufgestanden, wo ich Olivia schlafend gelassen hätte – – und dann nähm ich den Humor an den mein Stand erforderte; gienge, die Hände kreuzweis auf den Rüken gelegt, ganz ernsthaft auf und ab, schaute sie dann mit einem kalten, überhinfahrenden Blik an, und sagte ihnen, ich wisse wer ich sey, und wünschte, sie möchten auch wissen wer sie seyen – fragte nach meinem Onkel Tobias – – Sechs oder Sieben von meinen Leuten führen dann plözlich auf, und rennten einander nieder vor Eilfertigkeit ihn aufzusuchen; indessen mach ich eine weil‘ ein finstres Gesicht, ziehe vielleicht meine Uhr auf, oder tändle mit dem Schaupfenning an der goldnen Kette, die ich um die Schultern hängen habe – – Dann kommt Tobias herbey, macht seine Verbeugungen sobald er mich erblikt – – ich streke meine Hand so gegen ihn aus, und lösche mein vertrauliches Lächeln mit einem strengen herrischen Blik – – sag ihm, Onkel Tobias, da mein Schiksal mich eurer Nichte zugeworfen hat, so hoff ich das Recht zu haben zu reden – – ihr müßt euer starkes Trinken lassen – – und zudem verderbt ihr eure kostbare Zeit mit einem närrischen Junker – – einem gewissen Sir Andreas – – He? was giebts hier zu thun? – – (Er hebt den Brief auf.) Bey meinem Leben, das ist der Gnädigen Frau ihre Hand: Das sind ihre natürlichen C., ihre U., und ihre T., und so macht sie ihre grosse P. Es ist ihre Hand, da ist nicht dawider einzuwenden – – Dem Geliebten Ungenannten dieses und meine Zärtlichsten Wünsche: Das ist ihre Schreib-Art: Mit Erlaubniß, Wachs. Sachte! Und das Sigel ihre Lucretia, mit der sie alle ihre Briefe zu sigeln pflegt: An wen mag das seyn?

Das ich lieb‘, ist euch, ihr Götter, kund;

aber wen, verschweige stets, mein Mund Das soll also ein Geheimniß seyn? – – Seltsam! was folgt weiter? Aber wen, verschweige stets mein Mund – – wie wenn du das wärest, Malvolio? – – Sachte, hier haben wir auch Prosa – – »Wenn dieses in deine Hände kommt, so liese es mehr als ein mal. Mein Gestirn hat mich über dich gesezt, aber fürchte dich nicht vor Grösse; einige werden groß gebohren, andre arbeiten sich zu Grösse empor, andern wird sie zugeworffen. Dein glükliches Schiksal öffnet seine Arme gegen dich; habe den Muth ihm entgegen zu eilen; und um dich bey Zeiten an das zu gewöhnen, was du wahrscheinlicher Weise werden wirst, so wirf dein allzu demüthiges Betragen von dir, und zeige dich in einem vortheilhaftern Lichte. Begegne meinem Vetter zuversichtlich, und den Bedienten trozig; rede von Staats-Sachen; nimm in allen Stüken etwas sonderliches an. Das ist der Rath derjenigen, die für dich seufzet. Erinnre dich, wer dir rieth gelbe Strümpfe zu tragen und sie unter dem Knie zu binden. Ich sag‘, erinnre dich daran; Geh, geh, du bist ein gemachter Mann, wenn du nur willst: Wo nicht, so bleibe dann dein Lebenlang ein Hausmeister, der Camerad von Bedienten und unwürdig Fortunens Finger zu berühren. Adieu. Sie, die geneigter ist, deine Sclavin zu seyn, als dir zu gebieten, o glüklicher Sterblicher« – – Sonnenlicht kan nichts klärer machen als das ist – – Das heiß‘ ich klar. Ja, ich will stolz seyn, ich will politische Bücher lesen, ich will Sir Tobiesen scheeren, ich will mit meinen vorigen Bekannten thun, als kennt‘ ich sie nicht, kurz, ich will thun, wie mein Herr selbst. Es ist offenbar, daß ich mir nicht zu viel schmeichle, daß es keine blosse Einbildung ist; alles überzeugt mich, daß die Gnädige Frau verliebt in mich ist. Sie ermahnte mich lezthin gelbe Strümpfe zu tragen, sie lobte meine Beine – – und hier haben wir’s wiederum, und auf eine Art, als ob sie es für eine Gefälligkeit aufnehmen wolle, wenn ich mich nach ihrem Geschmak puze. Dank sey meinen Sternen, ich bin glüklich: Ich will so fremde thun, daß man mich nicht mehr kennen soll, gelbe Strümpfe tragen, und sie unter den Knien binden, und das gleich diesen Augenblik. Jupiter und mein Gestirn sey gepriesen! – – Hier ist noch ein Postscript – – Es ist unmöglich daß du nicht errathen solltest wer ich bin – – wenn dir meine Liebe angenehm ist, so zeig es durch dein Lächeln; das Lächeln läßt dir gar zu gut. Lächle also immer in meiner Gegenwart, mein Allerliebster, ich bitte dich darum – – Jupiter! ich danke dir! Ich will lächeln, ich will alles thun, was du von mir verlangst. (ab.)

Dritter Aufzug.

Erste Scene

Olivia’s Garten. Ein wiziger Wett-Kampf zwischen Viola und dem Narren.

Zweyte Scene

Sir Tobias mit seinem Freund, zu den Vorigen. Bald darauf auch Olivia und Maria.

Dritte Scene

Olivia und Viola allein.

Olivia.

Gebt mir eure Hand, mein Herr.

Viola.

Mit meinen unterthänigsten Diensten, Gnädige Frau.

Olivia.

Wie ist euer Name?

Viola.

Cäsario ist euers Dieners Name, schöne Princessin.

Olivia.

Meines Dieners, mein Herr? Die Welt hat ihre beste Anmuth verlohren, seitdem man erdichtete Gesinnungen Complimente nennt: Ihr seyd des Herzogs Orsino Diener, junger Mensch – –

Viola.

Und also der eurige, Gnädige Frau. Der Diener euers Dieners, muß nothwendig auch euer Diener seyn.

Olivia.

An ihn denk‘ ich nun gar nicht; ich wollte, seine Gedanken wären lieber gar leer als mit mir angefüllt.

Viola.

Gnädige Frau, ich komme in der Absicht, eure schönen Gedanken zu seinem Vortheil zu wenden.

Olivia.

O, mit eurer Erlaubniß, ich bitte euch – – Ich sagt‘ euch ja, ihr möchtet mir nichts mehr von ihm sagen. Ihr könntet eine andre Sayte rühren, wo ich euch lieber hören wollte als Musik aus dem Himmel.

Viola.

Gnädige Frau – –

Olivia.

Mit Erlaubniß, wenn ich bitten darf. Ich schikte euch, nach der lezten zaubrischen Erscheinung, die ihr hier machtet, einen Ring nach. Es war ein Schritt, dessen Bedeutung ihr nicht mißverstehen konntet, und der mich vielleicht in euern Augen herabgesezt hat. Was konntet ihr davon denken? Habt ihr deßwegen so nachtheilig von meiner Ehre gedacht als ein unempfindliches Herz denken kan? Einem von euerm Verstand, ist genug gesagt; ein Cypern, nicht ein Busen dekt mein armes Herz. Und nun laßt hören, was ihr zu sagen habt.

Viola.

Ich bedaure euch.

Olivia.

Das ist eine Stuffe zur Liebe.

Viola.

Nicht allemal; wir bedauren oft sogar unsre Feinde.

Olivia.

Wie dann, so ist es Zeit wieder zu lächeln. O Welt, wie geneigt die Armen sind stolz zu seyn! Wenn man ja zum Raube werden muß, so ist es doch besser durch einen Löwen zu fallen als durch einen Wolf. (Die Gloke schlägt.) Die Gloke wirft mir vor daß ich die Zeit verderbe. Fürchtet euch nicht, guter junger Mensch, ich mache keine Ansprüche an euch; und doch wenn Verstand und Jugend bey euch zur Reiffe gekommen seyn werden, so wird eure Frau, allem Ansehen nach, einen feinen Mann haben: Hier ligt euer Weg, westwärts.

Viola.

So wünsch‘ ich Euer Gnaden Vergnügen und guten Humor; habt ihr mir nichts an meinen Herrn aufzugeben, Madam?

Olivia.

Warte noch; ich bitte dich, sage mir was du von mir denkst?

Viola.

Ich denke, ihr denkt ihr seyd nicht was ihr seyd.

Olivia.

Wenn ich so denke, so denk ich das nemliche von euch.

Viola.

Und so denkt ihr recht, ich bin nicht was ich bin.

Olivia.

Ich wollt‘ ihr wäret wie ich euch wünschte.

Viola.

Würd‘ ich besser seyn, Madam, als wie ich bin? Ich wollt es wäre so, denn izt bin ich euer Narr.

Olivia.

Wie anmuthig selbst Verachtung und Zorn auf seinen schönen Lippen sizt.* Mördrische Schuld verräth sich nicht schneller, als Liebe die sich verbergen will: Die Nacht der Liebe ist Mittag. Cäsario, bey den Rosen des Frühlings, bey meiner jungfräulichen Ehre und Treue, und bey allem in der Welt, ich liebe dich so sehr, daß, troz allem deinem spröden Wesen, weder Wiz noch Vernunft meine Leidenschaft verbergen kan. Erzwinge dir daher, daß ich dir mein Herz selbst antrage, keinen Grund es zu verschmähen; denke lieber so, (du wirst so richtiger denken) gesuchte Liebe ist gut; aber ungesucht geschenkt, ist sie noch besser.

Viola.

Ich schwöre bey meiner Unschuld und Jugend, ich habe Ein Herz, Einen Busen, und Eine Treue, und diese hat kein Weibsbild; noch wird jemals Eine Meisterin davon seyn als ich selbst. Und hiemit, adieu, Gnädiges Fräulein; niemals werd‘ ich mich wieder gebrauchen lassen, euch meines Herrn Thränen vorzuweinen.

Olivia.

Komm nichts desto minder wieder; vielleicht mag es dir endlich gelingen, dieses Herz, das izt seine Liebe verabscheut, zu einer zärtlichern Gesinnung zu bewegen. (Sie gehen ab.)

Vierte Scene

Verwandelt sich in ein Zimmer in Olivias Haus. Sir Tobias, Sir Andreas und Fabian. Sir Tobias und Fabian bemühen sich den Sir Andreas zur Eifersucht gegen den Cäsario oder die verkleidete Viola zu reizen, und bereden ihn, Olivia habe dem Cäsario nur darum so gut begegnet, um zu sehen, ob er, Andreas, so geduldig dazu seyn werde; Sir Tobias sezt hinzu, sie habe ohnfehlbar erwartet, daß er irgend einen tapfern Ausfall gegen seinen Nebenbuhler wagen würde, und da dieses nicht geschehen, so sey er nun ganz gewiß sehr tief in ihrer guten Meynung gefallen. Du bist nun, sagt er, in den Norden, von meiner Nichte guter Meynung hineingesegelt, wo du hangen wirst wie ein Eiszapfe an eines Holländers Bart, wofern du dich nicht durch irgend eine kühne That wieder losmachst – – Kurz, sie bereden ihn endlich, daß er sich schlechterdings mit Cäsario schlagen müsse, und Sir Tobias erbietet sich, diesem die Ausforderung zu überbringen; welche zu schreiben dann Sir Andreas abgeht.

Fünfte Scene

Fabian und Sir Tobias machen sich zum voraus über die Kurzweile lustig, die sie von diesem Zweykampf erwarten. Sir Tobias gesteht von seinem Freund daß er eine Memme sey; wenn man ihn öfnete, sagt er, und ihr findet nur soviel Blut in seiner Leber, daß eine Floh die Füsse darinn naß machen könnte, so will ich den Rest der Anatomie aufessen. Indem kommt Maria zu ihnen, und bittet sie mit ihr zu gehen und zu sehen, wie seltsam sich Malvolio in seinen gelben, unter den Knien gebundnen Strümpfen gebehrde, und wie pünctlich er der Vorschrift des von ihr unterschobnen Briefs nachlebe. Er lächelt (sagt sie) sein breites Gesicht in mehr Linien als auf der neuen Land-Carte sind, die mit den beyden Indien vermehrt ist; ihr habt euere Tage nichts so gesehen; ich bin gewiß, mein Fräulein wird ihm eine Ohrfeige geben; wenn sie’s thut, so wird er lächeln und es für eine grosse Gunstbezeugung aufnemen.

Sechste Scene

Verwandelt sich in die Strasse. Sebastian und Antonio treten auf. Sie freuen sich einander wieder zufinden; Sebastian bittet seinen Freund mit ihm zu gehen, um die Merkwürdigkeiten der Stadt zu sehen; Antonio antwortet, er getraue sich, weil er ehedem gegen den Herzog gedient und ihm einen namhaften Schaden gethan habe, nicht, sich so öffentlich sehen zu lassen, er bestellt also den Sebastian auf den Abend ins Wirthshaus zum Elephanten, giebt ihm, auf den Fall, wenn er etwann Lust hätte etwas einzukauffen, seinen Beutel, und verläßt ihn, um ihm das Nacht-Quartier zu bestellen. * Von hier an bis zu Ende dieser Scene, ist im Original alles in Reimen.

Siebende Scene

Verwandelt sich in Olivias Haus.

Olivia und Maria.

Olivia.

Ich habe nach Cäsario geschikt; er sagt, er will kommen; was soll ich ihm für Ehre anthun? Was soll ich ihm geben? Denn Jugend wird öfters erkauft als erbettelt oder entlehnt – – Ich rede zu laut – – Wo ist Malvolio? Er ist ernsthaft und höflich, er schikt sich gut zu einem Bedienten für eine Person von meinen Umständen; wo ist Malvolio?

Maria.

Er kommt sogleich, Gnädiges Fräulein, aber in einem seltsamen Aufzug. Er ist ganz unfehlbar besessen, Gnädiges Fräulein.

Olivia.

Wie, wo fehlt es ihm? Raßt er denn?

Maria.

Nein, Gnädiges Fräulein, er thut nichts als lächeln; Euer Gnaden wird wohlthun, jemand zur Sicherheit bey sich zu haben: denn, ganz gewiß, der Mann ist nicht recht richtig unterm Hut.

Olivia.

Geh, ruf ihm. – – Malvolio tritt auf. – – Ich bin so närrisch als er immer, wenn traurige und lustige Narrheit auf eins hinauslauffen – – Nun, wie gehts, Malvolio?

Malvolio.

Liebstes Fräulein, ha, ha. (Er lächelt auf eine abgeschmakte Art.)

Olivia.

Lächelst du? Ich schikte nach dir, um dich zu einem ernsthaften Geschäfte zu gebrauchen.

Malvolio.

Ernsthaft? Ich könnte wol ernsthaft aussehen, dieses starke Binden unter den Knien macht einige Obstruction im Geblüt; aber was thut das? Wenn es nur Einer gefällt, so geht mir’s vollkommen wie es in dem Sonnet heißt: Gefall ich Einer, so gefall ich Allen.

Olivia.

Wie, was bedeutet das, Mann? Was fehlt dir?

Malvolio.

Es ist in meinem Kopf nicht so schwarz als meine Beine gelb sind: Es ist mir richtig zu Handen gekommen, und Befehle sollen vollzogen werden. Ich denke, wir kennen diese schöne Römische Hand.

Olivia.

Willt du nicht zu Bette gehen, Malvolio?

Malvolio (leise.)

Zu Bette? Ja, Liebchen, und mit dir.

Olivia.

Gott behüte dich! Warum lächelst du so, und küssest deine Hand so oft?

Maria.

Was fehlt euch, Malvolio?

Malvolio.

Habt ihr zu fragen? Wahrhaftig! Nachtigallen antworten gleich Krähen!

Maria.

Wie untersteht ihr euch mit einer so lächerlichen Kühnheit vor meiner Gnäd. Fräulein zu erscheinen?

Malvolio.

Fürchte dich nicht vor Grösse; – – Das war wol gegeben.

Olivia.

Was meynst du damit, Malvolio.

Malvolio.

Einige werden groß gebohren – –

Olivia.

Ha?

Malvolio.

Andre arbeiten sich zur Grösse empor – –

Olivia.

Was sagst du?

Malvolio.

Und andern wird sie zugeworfen.

Olivia.

Der Himmel helfe dir wieder zurechte!

Malvolio.

Erinnre dich, wer dir befahl gelbe Strümpfe zu tragen – –

Olivia.

Deine gelbe Strümpfe?

Malvolio.

Und wünschte, daß du sie unterm Knie binden möchtest?

Olivia.

Unterm Knie binden?

Malvolio.

Geh, geh, du bist ein gemachter Mann, wenn du nur willst.

Olivia.

Was sagst du?

Malvolio.

Wo nicht, so bleibe dein Lebenlang ein Bedienter.

Olivia.

Wie, das ist ja eine wahre Hundstags-Tollheit. (Ein Bedienter meldet den Cäsario an, Olivia geht ab, nachdem sie Befehl ertheilt hat, daß man zu Malvolio Sorge trage.)

Achte Scene

Malvolio, der seine Sachen vortrefflich gemacht zu haben glaubt, bestärkt sich selbst, in einem kleinen Monologen, in seinem angenehmen Wahnwiz, und hält sich seines Glüks so gewiß, daß ihm nichts übrig bleibe, als den Göttern davor zu danken.

Neunte Scene

Sir Tobias, Fabian und Maria zu Malvolio.

Sir Tobias.

Wo ist er, wo ist er, im Namen alles dessen was gut ist? Und wenn alle Teufel in der Hölle sich ins Kleine zusammengezogen hätten und in ihn gefahren wären, so will ich mit ihm reden.

Fabian.

Hier ist er, hier ist er. Wie steht’s um euch, Herr? Wie steht’s um euch?

Malvolio.

Geht eurer Wege; ich entlaß euch; laßt mich bey mir selbst; geht eurer Wege.

Maria.

Seht, wie der böse Feind aus ihm heraus redt! Sagt ich’s euch nicht? Sir Tobias, die Gnädige Fräulein bittet euch, Sorge zu ihm zu tragen.

Malvolio.

Ah, ha! Thut sie das?

Sir Tobias.

Geh, geh; still, still, wir müssen säuberlich mit ihm verfahren; laßt mich allein machen. Wie! Mann! Laß den Teufel nicht Meister seyn; bedenke, daß er ein Feind der Menschen ist.

Malvolio (ernsthaft und stolz.)

Wißt ihr auch was ihr sagt?

Maria.

Da seht ihr; wenn ihr was böses vom Teufel sagt, wie er’s gleich zu Herzen nimmt – – Gott gebe, daß er nicht besessen seyn möge!

Fabian.

Man muß sein Wasser zu der weisen Frauen tragen.

Maria.

Meiner Treue, das soll auch gleich morgen gethan werden, wenn ich das Leben habe. Mein Gnädiges Fräulein würd‘ ihn um mehr als ich sagen mag nicht verliehren wollen.

Malvolio.

Nun wie, Jungfer?

Maria.

O Himmel!

Sir Tobias.

Ich bitte dich, schweige; das ist nicht das rechte Mittel: Siehst du nicht, daß du ihn nur böse machst? Laßt mich allein mit ihm.

Fabian.

Nur keinen andern Weg als Freundlichkeit; nur sanft, nur sanft; der böse Feind ist gar kurz angebunden, er läßt nicht grob mit sich umgehen.

Sir Tobias.

Nun, wie, wie steht’s, mein Truthähnchen? Wie geht’s dir, mein Herzchen?

Malvolio.

Sir? – –

Sir Tobias.

Ja, ich bitte dich, komm du mit mir. Wie, Mann, es schikt sich nicht für einen so weisen Mann wie du bist mit dem Teufel den Narren zu treiben. An den Galgen mit dem garstigen Kohlenbrenner!

Maria.

Laßt ihn sein Gebet hersagen, lieber Sir Tobias; laßt ihn beten.

Malvolio.

Beten, du Affen-Gesicht?

Maria.

Da, hört ihr’s, er will von nichts gutem reden hören.

Malvolio.

Scheret euch alle an den Galgen: Ihr seyd ein einfältiges dummes Pak; ich bin nicht euers Gelichters; ihr werdet mich seiner Zeit schon kennen lernen. (Er geht ab.)

Sir Tobias.

Ist’s möglich?

Fabian.

Wenn man das in einer Comödie spielen würde, wer würd‘ es nicht als eine unwahrscheinliche Erdichtung verurtheilen? (In dem Rest dieser Scene freuen sich Sir Tobias und seine Consorten, daß ihnen ihre Absicht so wol gelungen sey, und entschliessen sich nicht abzulassen, bis sie den armen Malvolio, zur Züchtigung seines Uebermuths in ein finstres Gemach und an Bande gebracht haben würden.)

Zehnte

Scene

Sir Andreas kommt mit der Ausforderung, die er indessen aufgesezt hat, zu den Vorigen, und ließt ihnen das abgeschmakteste Zeug vor, das man sich träumen lassen kan. Alle geben ihm ihren Beyfall, und muntern ihn auf, sich wohl zu halten. Sir Tobias nimmt auf sich, die Ausforderung dem Cäsario einzuhändigen und schikt den Sir Andreas in den Garten, wo er seinem Gegner, der sich würklich bey Fräulein Olivia befindet, aufpassen soll. Allein sobald er weggegangen ist, entdekt Tobias dem Fabian daß er weit entfernt sey, einem so feinen jungen Edelmann als Cäsario zu seyn scheine, ein so vollgültiges Document der verächtlichen Schwäche seines Gegners zu geben; denn so würde der Spaß gleich ein Ende haben: er finde also besser, seine Comission mündlich abzulegen, und dem jungen Cäsario einen ganz entsezlichen Begriff von Sir Andreassen Tapferkeit, und unbezwingbarer Wuth beyzubringen; auf diese Art, sezt er hinzu, werden beyde in eine solche Furcht gesezt werden, daß sie einander nur durch Blike tödten werden, wie die Basilisken.

Eilfte Scene

Olivia und Viola treten auf.

Olivia.

Zu einem Herzen von Stein hab‘ ich zuviel gesagt, und meine Ehre zu wohlfeil ausgelegt. Es ist etwas in mir, das mir meinen Fehler vorrükt; aber es ist ein so eigensinniger hartnäkiger Fehler, daß ihm Vorwürfe nichts abgewinnen können.

Viola.

Der Herzog, mein Herr befindet sich in dem nemlichen Falle.

Olivia.

Hier, tragt dieses Kleinod zu meinem Andenken; es enthält mein Bild; schlagt es nicht aus, es hat keine Zunge euch zu plagen; und ich bitte euch, kommt morgen wieder. Was könntet ihr von mir begehren, das mit Ehren gegeben werden kan, und ich euch abschlagen würde?

Viola.

Ich bitte um nichts als eure Liebe für meinen Herrn.

Olivia.

Wie kan ich ihm mit Ehren geben, was ich euch schon gegeben habe?

Viola.

Ich will euch dessen quitt halten.

Olivia.

Gut, komm morgen wieder; lebe wohl – – (Sie geht ab – -) Ein Teufel der deine Gestalt hätte, könnte meine Seele bis in die Hölle loken – –

Zwölfte und dreyzehnte Scene

Sir Tobias kündigt den Zorn des furchtbaren Sir Andreas und seine Ausforderung dem verkappten Cäsario an, der Mühe genug hat seinen wenigen Muth zu einem solchen Zweykampf zu verbergen. Tobias verspricht ihm endlich seine guten Dienste, um wenigstens die Ursache der grausamen Ungnade zu erkundigen, welche Cäsario durch nichts verdient zu haben sich bewußt ist, und wo möglich den wüthenden Sir Andreas in etwas zu besänftigen. Tobias stellt sich als ob er zu diesem Ende abgehe, da indessen Fabian fortfährt der armen Viola Schreken einzujagen, und ihren Gegner als den besten Fechter und den fatalesten Widerpart den man in ganz Illyrien finden könne, abzumahlen. Sie gehen ab, um dem Sir Tobias Plaz zu geben, in der folgenden Scene, seinen Freund Andreas in eine eben so friedliebende Gemüths-Verfassung zu sezen. Er beschreibt ihm den Cäsario als einen eingefleischten Teufel, der des Sophi Hof-Fechtmeister gewesen sey, und keinen Stoß zu thun pflege, der nicht eine tödtliche Wunde mache. Andreas geräth darüber in solche Angst, daß er verspricht er wolle ihm sein bestes Pferd geben, wenn er die Sache auf sich beruhen lassen wolle. Indessen kommt Fabian mit Cäsario zurük, der, sobald er den Andreas erblikt, sich allen Heiligen zu empfehlen anfängt, ohne gewahr zu werden, daß Andreas wie eine Memme schlottert. Sir Tobias geht von dem einen zum andern, sagt einem jeden, sein Gegner wolle sich durch nichts in der Welt besänftigen lassen, und bringt sie endlich dahin, daß sie, ungern genug, die Degen zu ziehen anfangen; welches alles auf dem Theater eine äusserst lächerliche Scene machen muß.

Vierzehnte Scene

Indem sie ziehen, und Viola mit weinerlicher Stimme protestiert, daß es wider ihren Willen geschehe, kommt Antonio dazu, der durch die vollkommne Aehnlichkeit zwischen ihr und ihrem Bruder und durch ihre Verkleidung betrogen, sie für seinen jungen Freund Sebastiano ansieht, sich ins Mittel schlägt, und sich erklärt, er möge nun der beleidigte Theil oder der Beleidiger seyn, so mache er seine Sache zu seiner eignen. Sir Tobias der es übel nimmt, daß ihm sein Spaß verdorben werden soll, erklärt sich, wenn der Neuangekommne sich zu Cäsarios Secundanten aufwerfe, so wolle er sein Mann seyn; allein kaum haben sie gezogen, so kommt die Wache, bey deren Erblikung Viola den Sir Andreas bittet seinen Degen wieder einzusteken, welches sich dieser nicht zweymal sagen läßt. Antonio, der sich, wie man weiß, des Herzogs Ungnade zugezogen hatte, war verrathen worden. Die Wache suchte ihn auf; und da sie, der gemachten Beschreibung nach, ihren Mann gefunden zu haben glaubt, wird er auf Befehl des Herzogs Orsino in Verhaft genommen.

Antonio (nachdem er sich vergeblich hatte verläugnen wollen.)

Ich muß gehorchen. (Zu Cäsario.) Das begegnet mir, weil ich euch allenthalben aufsuchte. Aber dafür ist nun kein Mittel. Ich werde mich zu verantworten wissen. Was wollt ihr thun? Meine eigne Noth zwingt mich, daß ich meinen Beutel wieder abfordern muß. Dieser Zufall bekümmert mich viel weniger um meiner selbst willen, als weil ich euch unnüz werden muß: Ihr seyd betroffen, seh ich; aber laßt den Muth noch nicht sinken.

1. Officier.

Kommt, Herr, wir müssen fort.

Antonio (Zu Cäsario.)

Ich bin genöthigt euch um etwas Geld zu bitten.

Viola.

Was für Geld, mein Herr? – – Um eures edeln Bezeugens gegen mich willen, und weil ich zum Theil durch den verdrieslichen Zufall, der euch hier zugestossen ist, aus der grösten Verlegenheit gezogen worden bin, will ich euch etwas vorstreken; was ich habe ist was weniges, aber ich will doch mit euch theilen was ich habe; nemmt, das ist die Hälfte meines Vermögens.

Antonio.

Und ihr seyd fähig, mich izt zu mißkennen? Ist’s möglich daß meine guten Dienste – – o sezt meine Noth nicht auf eine so harte Probe, oder ihr könntet mich zu der Niederträchtigkeit versuchen, euch die Freundschaft, die ich euch bewiesen habe, vorzurüken.

Viola.

Ich weiß von keiner, und kenne euch weder an eurer Stimme noch Gestalt. Ich hasse Undankbarkeit mehr an einem Mann als Aufschneiden, einbildisches Wesen, waschhafte Trunkenheit, oder irgend eine andre Untugend, wovon der anstekende Saame in unserm Blute stekt.

Antonio.

O Himmel! – –

Ein Officier.

Kommt, mein Herr, ich bitte euch, geht.

Antonio.

Laßt mich nur noch ein Wort sagen. Diesen jungen Menschen, den ihr hier seht, zog ich aus dem Rachen des Todes; ich that alles was der zärtlichste Bruder thun könnte, ihn wieder herzustellen; ich liebte ihn, und ließ mich von seiner Gestalt, die mir die besten Eigenschaften anzukündigen schien, so sehr einnehmen, daß ich ihn fast abgöttisch verehrte.

1. Officier.

Was geht das uns an? Die Zeit verstreicht indessen; fort!

Antonio.

Aber, oh, was für ein häßlicher Göze ist aus diesem Gotte worden. O Sebastiano, du machst der Schönheit Unehre. Wahrhaftig, man sollte niemand häßlich nennen, als Leute die kein gutes Herz haben. Tugend ist Schönheit; böse Leute, welche schön aussehen, sind hohle Klöze die der Teufel angestrichen hat.

1. Officier.

Der Mann fangt an zu rasen: weg mit ihm. Kommt, kommt, Herr.

Antonio.

Führt mich wohin ihr wollt. (Sie gehen ab.)

Viola.

Mich däucht es ist eine so wahre Leidenschaft in seinen Reden, daß er würklich glaubt was er sagt. Und doch ist gewiß daß ich ihn nicht kenne. O daß die Einbildung sich wahr befinden möge, o, daß es wahr sey, daß man, liebster Bruder, izt für dich mich angesehen habe – – Er nannte mich Sebastian; Ich sehe meinen Bruder noch lebend so oft ich in den Spiegel sehe, er sah vollkommen so aus, und gieng auch eben so gekleidet, von solcher Farbe, und so ausstaffiert wie ich; denn ihn copiere ich in dieser Verkleidung – – O, wenn es so ist, so werd‘ ich den Sturm und die Wellen liebreich statt grausam nennen. (Sie geht ab.)

Sir Tobias.

Ein recht schlechter armseliger Bube, und eine feigere Memme als eine Hindin; seine Schlechtigkeit zeigte sich in seiner Aufführung gegen seinen Freund, den er in der Noth verläugnete; und von seiner Feigheit kan euch Fabian erzählen.

Fabian.

Eine Memme ist er, eine recht fromme, friedfertiger feige Memme.

Sir Andreas.

Mein Seel! Ich will ihm nach und ihn prügeln.

Sir Tobias.

Thut das, gebt ihm Maulschellen, bis er genug hat, nur den Degen zieht nicht gegen ihn.

Sir Andreas.

Wenn ich’s nicht thue – – (Er läuft fort.)

Fabian.

Kommt, wir müssen doch sehen, wie er das machen wird.

Sir Tobias.

Ich wollte wetten was man will, es wird doch nichts daraus werden. (Sie gehen ab.)

Vierter Aufzug.

Erste Scene

Die Strasse.

Hans Wurst, der von Olivia geschikt worden, den Cäsario zu ihr zu ruffen, trift den Sebastiano an, und richtet seinen Auftrag bey ihm aus, weil er ihn für den Cäsario ansieht; Sebastiano, der hier ganz fremd ist, und von der Verkleidung seiner Schwester, die er sogar für todt hält, nichts wissen kan, stellt sich zu diesem qui pro quo so befremdet an, als man sich vorstellen kan, und will schlechterdings derjenige nicht seyn, wofür ihn Hans Wurst ansieht: Indem sie nun mit einander streiten, kommen Sir Andreas und Sir Tobias dazu, von denen der Erste durch den nemlichen Optischen Betrug seinen Mann gefunden zu haben glaubt, und dem vermeynten Cäsario eine Ohrfeige appliciert, welche Sebastiano mit einer Tracht Schläge erwiedert. Sir Andreas hatte sich das nicht vermuthet, und appelliert an die Justiz; denn, sagt er, wenn ich ihm gleich den ersten Schlag gegeben habe, so ist es doch keine Manier, daß er mir soviele dagegen giebt. Indem nun Sir Tobias Friede machen will, wird er selbst mit Sebastiano handgemein; von der dazwischen kommenden Olivia aber in der

Zweyten Scene

so gleich wieder geschieden, welche ihren ungesitteten Oheim unter den bittersten Vorwürfen aus ihren Augen gehen heißt, den vermeynten Cäsario aber aufs zärtlichste zu besänftigen sucht, und zu sich in ihr Haus nöthiget. Sebastiano weiß nun vollends nicht mehr, in was für einer Welt er ist. Was bedeutet alles diß, ruft er aus, entweder hab ich den Verstand verlohren, oder das alles ist ein Traum. O wenn es ein Traum ist, so laßt die Phantasie meine Sinnen immer in Lethe tauchen, so laßt mich nie von diesem Traum erwachen. Nun, sagt Olivia, komm, ich bitte dich; ich wollte du liessest dich von mir regieren; von Herzen gerne, antwortet Sebastian, und so gehen sie in bester Eintracht mit einander ab.

Dritte Scene

Ein Zimmer in Olivias Haus. Maria und Hans Wurst.

Maria.

Ich bitte dich, mache hurtig, zieh diesen Priesterrok an, und binde dir diesen Bart um; wir wollen ihn bereden du seyest Sir Topas der Pfarrer; beschleunige dich; ich will indeß den Sir Tobias ruffen. (Sie geht ab.)

Hans Wurst.

Gut, ich will’s thun, ich will mich verkleiden, und ich wollte wünschen, ich wäre der erste der sich in einen solchen Rok verkleidete. Ich bin nicht lang genug, um eine ansehnliche Person in diesem Habit vorzustellen, noch mager genug, um die Meynung von mir zu erweken, daß ich zuviel studiere; allein, ein ehrlicher Mann und ein guter Haushälter seyn, klingt immer so gut als ein hübscher Mann und ein grosser Gelehrter seyn. Sir Tobias und Maria.

Sir Tobias.

Die Götter seyen mit dir, Herr Pfarrer.

Hans Wurst.

Bonos Dies, Sir Tobias; denn wie der alte Einsiedler von Prag, der in seinem Leben weder Feder noch Dinte gesehen hatte, sehr sinnreich zu König Gorboduks Nichte sagte, daß nemlich alles was ist, ist: Also, da ich der Herr Pfarrer bin, bin ich der Herr Pfarrer; denn was ist was anders als was? Und ist anders als ist?

Sir Tobias.

Zu euerm Patienten, Herr Pfarrer.

Hans Wurst.

Wie, holla, sag ich – – Stille da, in diesem Kerker!

Malvolio (hinter der Bühne.)

Wer ruft hier?

Hans Wurst.

Sir Topas der Pfarrer, welcher Malvolio den Mondsüchtigen besuchen will.

Malvolio.

Sir Topas, Sir Topas, guter Sir Topas, geht zur Gnädigen Fräulein – –

Hans Wurst.

Fahre aus, du Hyperbolicalischer Teufel, warum quälst du diesen armen Menschen so? Redst du von nichts als von Fräulein?

Sir Tobias.

Wohl gegeben, Herr Pfarrer!

Malvolio.

Sir Topas, niemalen ist einem Menschen so übel mitgespielt worden als mir; lieber Sir Topas, bildet euch nicht ein daß ich rasend sey; sie haben mich hier in eine gräßliche Finsterniß gelegt.

Hans Wurst.

Fy, du unartiger Satan; ich bediene mich der gelindesten Ausdrüke gegen dich; denn ich bin einer von diesen manierlichen Leuten, die dem Teufel selbst nicht anders als höflich begegnen wollten: Sagst du, dieses Haus sey finster?

Malvolio.

Wie die Hölle, Sir Topas.

Hans Wurst.

Wie, es hat Bogen-Fenster die so durchsichtig sind wie Gitter, und die innwendigen Steine gegen die Sud-Seite sind so glänzend wie Eben-Holz; und du klagst über Dunkelheit?

Malvolio.

Ich bin nicht toll, Sir Topas; ich sag euch, es ist finster im Hause.

Hans Wurst.

Tollhäusler, du betrügst dich; ich sage dir, es giebt keine andre Finsterniß als Unwissenheit; und in dieser stekst du tiefer als die Egypter in ihrem Schlamme.

Malvolio.

Und ich sage, dieses Haus ist so finster als Unwissenheit, wenn gleich Unwissenheit so finster als die Hölle wäre; und ich sage, niemalen ist einem ehrlichen Manne so übel mitgespielt worden; ich bin nicht mehr rasend als ihr selbst; macht die Probe mit mir, fragt mich etwas gescheidtes was ihr wollt, und seht ob ich euch nicht antworten werde, wie sich’s gehört.

Hans Wurst.

Was statuierte Pythagoras in Betreff des wilden Geflügels?

Malvolio.

Daß es leichtlich begegnen könne, daß die Seele unsrer Großmutter in einem Schnepfen wohne.

Hans Wurst.

Was hältst du von dieser Meynung?

Malvolio.

Ich denke edler von der Seele, und billige diese Meynung keineswegs.

Hans Wurst.

Gehab du dich wohl: Bleib immer in der Finsterniß; du must die Meynung des Pythagoras halten, wenn ich dir zugestehen soll daß du deine fünf Sinne habest, und dich scheuen einen Schneppen zu schiessen, aus Besorgniß du möchtest die Seele deiner Großmutter aus ihrer Wohnung vertreiben. Leb wohl.

Malvolio.

Sir Topas, Sir Topas – –

Sir Tobias.

Der allerliebste Sir Topas!

Hans Wurst.

Gelt, ich schike mich zu allen Rollen?

Maria.

Du hättest das alles ohne Bart und Priesterrok thun können; er sieht dich ja nicht. Hierauf erklärt sich Sir Tobias, daß er dieses Spiels nach gerade überdrüssig sey, und demselben um so mehr ein anständiges Ende gemacht wünsche, da er mit seiner Nichte zerfallen sey. Er geht also mit Maria ab, um sich darüber auf seinem Zimmer mit ihr zu berathen, und läßt Hans Wursten bey Malvolio zurük, der hierauf in der

Vierten Scene

seine eigne Person wieder annimmt, und nachdem er eine Weile den Narren mit ihm getrieben, sich endlich erbitten läßt ihm Papier, Feder, Dinte und ein Licht zu bringen.

Fünfte Scene

Ein andres Zimmer in Olivias Haus.

Sebastian allein.

Diß ist die Luft, diß ist die strahlende Sonne; diese Perle gab sie mir, ich fühle sie und sehe sie, und obgleich alles um mich her lauter Wunder ist, so ist es doch nicht Wahnwiz. Wo ist denn Antonio? Ich konnt‘ ihn im Elephanten nicht finden; alles was ich erfahren konnte war daß er da gewesen und wieder ausgegangen sey, mich überall in der Stadt aufzusuchen. Sein Rath könnte mir izt den grössesten Dienst thun – – Denn wenn gleich meine Vernunft gegen meine Sinnen behauptet, daß diß alles irgend ein Irrthum seyn könne, ohne daß es Einbildungen oder Tollheit seyn müsse; so geht doch dieser Zufall und ein so ausserordentliches Glük so weit über alles, was man sich vorstellen kan, oder was jemals erhört worden ist; daß ich bereit bin, ein Mißtrauen in meine eigne Augen zu sezen, und mit meiner Vernunft zu streiten, wenn sie mich bereden will, irgend etwas anders zu glauben, als daß ich toll sey oder daß es diese junge Dame sey; und doch, wenn das leztere wäre, würde sie ihr Haus regieren, ihren Bedienten Befehle geben, Geschäfte annehmen und auftragen, und das alles mit einer so guten Art, mit einem so sanften, vernünftigen, gesezten Wesen, wie ich sehe, daß sie thut? In der That, es ist etwas unbegreifliches in dieser Sache. Aber da kommt sie ja selbst. Olivia mit einem Priester.

Olivia.

Tadelt nicht, daß ich zu hastig sey; wenn eure Absicht ehrlich ist, so kommt mit mir und diesem heiligen Mann in die Capelle, und unter ihrer geweyhten Umwölbung schwöret mir da, vor ihm, das Gelübd eurer Treue zu, damit meine noch immer mißtrauische, noch immer zweifelnde Seele beruhigt werde. Er soll es geheim halten, bis es euch selbst gefallen wird, die Zeit zu einer öffentlichen Feyer, die meiner Geburt gemäß sey, zu bestimmen. Was sagt ihr hiezu?

Sebastiano.

Ich will diesem heiligen Manne folgen und euch begleiten; und die Treue, die ich euch schwören werde, will ich ewig halten.

Olivia.

So geht dann voran, ehrwürdiger Vater, und der Himmel schaue mit Beyfall auf mein Vorhaben herab! (Sie gehen ab.)

Fünfter Aufzug.

 

Dieser ganze lezte Aufzug enthält nichts mehr als eine Entwiklung, welche leicht vorauszusehen ist. Man weiß schon, daß die Anlegung des Plans und die Entwiklung des Knotens diejenigen Theile nicht sind, worinn unser Autor vortrefflich ist. Hier scheint er, wie es ihm mehrmal in den fünften Aufzügen begegnet, begieriger gewesen zu seyn, sein Stük fertig zu machen, als von den Situationen, worein er seine Personen gesezt hat, Vortheil zu ziehen. Wir werden uns daher begnügen, den blossen Inhalt jeder Scene auszuziehen.

Erste Scene

Die Strasse. Der Herzog kommt, mit Viola, Curio und seinem Gefolge, um in eigner Person den lezten Versuch auf das Herz seiner Unerbittlichen zu machen, und da er nicht gleich vorkommen kan, so unterhält er sich unterdessen mit Hans Wurst, den er vor der Porte antrift.

Zweyte Scene

Antonio wird von dem Gerichts-Beamten, der sich seiner bemächtiget hatte, herbeygeführt, und dem Herzog als jener berüchtigte See-Räuber vorgestellt, gegen welchen er so viele Ursache habe erbittert zu seyn. Viola, die, wie wir wissen, eine gutherzige Art von Mädchen ist, rühmt sogleich den guten Dienst, den er ihr gethan, fügt aber hinzu, daß er zulezt aus einem so seltsamen Ton zu ihr gesprochen habe, daß sie nichts anders vermuthen könne, als er müsse im Kopf nicht gar zu richtig seyn. Antonio vertheidigt sich hierauf gegen den Vorwurf der Seeräuberey, und da er Viola für ihren Bruder ansieht, so erzählt er auf ihre Rechnung alles was wir bereits von seinen Verdiensten um Sebastian wissen, und beklagt sich bitterlich über ihre Undankbarkeit. Indem nun der Herzog der Zeit nachfrägt, und durch den Umstand, daß Cäsario die verflossenen drey Monate an seinem Hofe zugebracht, den Antonio der Unwahrheit überwiesen zu haben glaubt, kommt in der

Dritten Scene

Olivia dazu, und befremdet sich sehr ihren Cäsario gegen sein gegebnes Wort, wieder an des Herzogs Seite zu sehen. Da nun Viola nicht begreiffen kan, was Olivia sagen will, so beginnt sich ein Wortwechsel unter ihnen, der aber sogleich durch die Händel worein diese Dame mit dem Herzog geräth, unterbrochen wird. Sie sagt ihm rund heraus daß ihr seine Standhaftigkeit unerträglich, und seine Liebes-Klagen so angenehm seyen als Heulen nach Musik. Der Herzog wird dadurch so aufgebracht, daß er schwört, die Unerbittlichkeit seiner marmorherzigen Tyrannin an ihrem jungen Liebling, an Cäsario zu rächen – – Ich will ihn, sagt er, aus diesem grausamen Auge reissen, wo er siegreich und gekrönt dasizt und seines Herrn spottet; ich will das Lamm das ich liebe, opfern, um ein Raben-Herz in der Brust einer Daube zu durchboren. Mit diesen Worten, will er fortgehen und befiehlt dem Cäsario ihm zu folgen. Viola erklärt sich bereit tausend Tode zu sterben, wenn seine Zufriedenheit dadurch befördert werde, und will ihm folgen – – Wohin wollt ihr, Cäsario, ruft Olivia – – Dem folgen, antwortet Viola, den ich, der Himmel sey mein Zeuge, mehr als alle Weiber der ganzen Welt, mehr als meine Augen und mein Leben liebe. Izt fängt Olivia auch an aus dem tragischen Ton zu sprechen, und da ihr vermeynter Bräutigam so unverschämt ist, von allem was zwischen ihnen vorgegangen seyn soll, nichts wissen zu wollen, und der Herzog über den Namen eines Gemahls den sie der Viola giebt, wüthend wird, so sieht sie sich endlich genöthiget den Priester, der sie mit Sebastian getraut hat, herausruffen zu lassen, auf dessen vollgültiges Zeugniß hin der Herzog sich überzeugt hat, daß er von Cäsario betrogen worden, und unter bittern Vorwürfen über seine Falschheit das Verbannungs-Urtheil über beyde ausspricht. Indem nun Cäsario sich vergeblich auf seine Unschuld beruft, und Olivia, welche glaubt, daß es nur aus Furcht vor dem Herzog geschehe, ihm Muth einspricht, kommt in der

Vierten Scene

Sir Andreas mit zerbrochnem Kopf heraus, und erhebt ein jämmerliches Geschrey über einen gewissen Kammer-Junker des Herzogs, Cäsario, der ihn und Sir Tobiesen jämmerlich abgeprügelt habe; wir hielten ihn anfangs für eine Memme, sagt er weinend, aber er ist der leibhafte Teufel selbst. Mein Kammer-Junker Cäsario? fragt der Herzog, Ja, Sapperment, (ruft Sir Andreas) hier ist er ja in Person: Ihr habt mir umsonst und um nichts ein Loch in den Kopf geschlagen; und wenn ich euch was gethan habe, so that ich’s nur auf Anstiften des Sir Tobiesen – – Viola, welche von dieser neuen Anklage eben so wenig als von einer Vermählung mit Olivia weiß, hat das Mißvergnügen sich von Sir Tobias und vom Hans Wurst überwiesen zu sehen; die Verwirrung nimmt zu, und steigt endlich auf den höchsten Grad, da in der

Fünften Scene

Sebastian selbst erscheint und der erstaunten Versammlung den Cäsario gedoppelt sehen läßt. Dieser nemliche Augenblik der äussersten Verwirrung bey Orsino und Olivia zieht Antonio und Viola aus der ihrigen. Jener erkennt in Sebastian seinen jungen Freund und diese ihren Bruder: das Geheimniß entdekt sich, Olivia findet sich dem Schiksal mehr verbunden als sie gewußt hatte; Sebastian begreift, was er kurz vorher für einen Traum oder für Bezauberung halten mußte, und der Herzog ergiebt sich den ausserordentlichen Proben die ihm Viola von ihrer Zärtlichkeit gegeben und erklärt sie zur Königin seines Herzens. Damit alles sich entwikle und niemand unglüklich bleibe, so entdekt sich in der

Sechsten und siebenten Scene

durch den Brief des Malvolio, welchen Hans Wurst überbringt, auch der unglükliche Irrthum dieses Bedienten, und der Betrug der ihm gespielt worden; welches dem Hans Wurst Gelegenheit, sich über ihn lustig zu machen, jenem aber, nach einer kleinen Demüthigung seiner Einbildung, die Freyheit verschaft.

Shakespeare – Viel Lärm um nichts

Shakespeare: Viel Lärm um nichts

Erster Aufzug

Erste Szene

Leonato, Hero, Beatrice und ein Bote treten auf

Leonato.

Ich sehe aus diesem Briefe, daß Don Pedro von Arragon diesen Abend in Messina eintrifft.

Bote.

Er kann nicht mehr weit sein: er war kaum drei Meilen von der Stadt entfernt, als ich ihn verließ.

Leonato.

Wieviel Edelleute habt ihr in diesem Treffen verloren?

Bote.

Überhaupt nur wenig Offiziere, und keinen von großem Namen.

Leonato.

Ein Sieg gilt doppelt, wenn der Feldherr seine volle Zahl wieder heimbringt. Wie ich sehe, hat Don Pedro einem jungen Florentiner, namens Claudio, große Ehre erwiesen.

Bote.

Die er seinerseits sehr wohl verdient und Don Pedro nicht minder nach Verdienst erkennt. Er hat mehr gehalten, als seine Jugend versprach, und in der Gestalt eines Lammes die Taten eines Löwen vollbracht; ja, wahrlich, es sind alle Erwartungen noch trefflicher von ihm übertroffen, als Ihr erwarten dürft, von mir erzählt zu hören.

Leonato.

Er hat einen Oheim hier in Messina, welchem diese Nachricht sehr lieb sein wird.

Bote.

Ich habe ihm schon Briefe überbracht, und er scheint große Freude daran zu haben; so große Freude, daß es schien, sie könne sich nicht ohne ein Zeichen von Schmerz bescheiden genug darstellen.

Leonato.

Brach er in Tränen aus?

Bote.

In großem Maß.

Leonato.

Eine zärtliche Ergießung der Zärtlichkeit. Keine Gesichter sind echter, als die so gewaschen werden. Wieviel besser ist’s, über die Freude zu weinen, als sich am Weinen zu freuen.

Beatrice.

Sagt mir doch, ist Signor Schlachtschwert aus dem Feldzug wieder heimgekommen? oder noch nicht?

Bote.

Ich kenne keinen unter diesem Namen, mein Fräulein. Es wird keiner von den Offizieren so genannt.

Leonato.

Nach wem fragt Ihr, Nichte?

Hero.

Meine Muhme meint den Signor Benedikt von Padua.

Bote.

Oh, der ist zurück und immer noch so aufgeräumt als jemals.

Beatrice.

Er schlug seinen Zettel hier in Messina an und forderte den Cupido auf den befiederten Pfeil heraus; und meines Oheims Narr, als er die Aufforderung gelesen, unterschrieb in Cupidos Namen und forderte ihn auf den stumpfen Bolzen. Sagt mir doch, wie viele hat er in diesem Feldzug umgebracht und aufgegessen? Oder lieber, wie viele hat er umgebracht? Denn ich versprach ihm, alle aufzuessen, die er umbringen würde.

Leonato.

Im Ernst, Nichte, Ihr seid unbarmherzig gegen den Signor Benedikt. Aber Ihr werdet Euren Mann an ihm finden, das glaubt mir nur.

Bote.

Er hat in diesem Feldzug gute Dienste getan, mein Fräulein.

Beatrice.

Ihr hattet verdorbnen Proviant, und er half ihn verzehren, nicht wahr? Er ist ein sehr tapfrer Tellerheld und hat einen unvergleichlichen Appetit.

Bote.

Dagegen, Fräulein, ist er auch ein guter Soldat.

Beatrice.

Gegen Fräulein ist er ein guter Soldat: aber was ist er gegen Kavaliere?

Bote.

Ein Kavalier gegen einen Kavalier, ein Mann gegen einen Mann. Er ist mit allen ehrenwerten guten Eigenschaften ausstaffiert.

Beatrice.

Ausstaffiert! O ja! Aber die Staffage ist auch danach. – Ei nun, wir sind alle sterblich.

Leonato.

Ihr müßt meine Nichte nicht mißverstehn, lieber Herr. Es ist eine Art von scherzhaftern Krieg zwischen ihr und Signor Benedikt. Sie kommen nie zusammen ohne ein Scharmützel von sinnreichen Einfällen.

Beatrice.

Leider gewinnt er niemals dabei. In unsrer letzten Affäre gingen ihm vier von seinen fünf Sinnen als Krüppel davon, und seine ganze Person muß sich seitdem mit einem behelfen. Wenn er noch Sinn und Witz genug zurückbehalten hat, sich warmzuhalten, so mag man ihm das als ein Abzeichen gönnen, das ihn von seinem Pferde unterscheidet, denn sein ganzer Vorrat beschränkt sich jetzt darauf, daß man ihn für ein menschliches Wesen hält. Wer ist denn jetzt sein Unzertrennlicher? Denn alle vier Wochen hat er einen neuen Herzensfreund.

Bote.

Ist’s möglich?

Beatrice.

Sehr leicht möglich: denn er hält es mit seiner Treue wie mit der Form seines Huts, die immer mit jeder nächsten Mode wechselt.

Bote.

Wie ich sehe, Fräulein, steht dieser Kavalier nicht sonderlich bei Euch angeschrieben.

Beatrice.

Nein, wenn das wäre, so würde ich alles, was ich schrieb, verbrennen. Aber sagt mir doch, wer ist jetzt sein Kamerad? Gibt’s keinen jungen Raufer, der Lust hat, in seiner Gesellschaft eine Reise zum Teufel zu machen! –

Bote.

Man sieht ihn am meisten mit dem edlen Claudio.

Beatrice.

O Himmel! Dem wird er sich anhängen wie eine Krankheit. Man holt ihn sich schneller als die Pest, und wen er angesteckt hat, der wird augenblicklich verrückt. Tröste Gott den edlen Claudio; wenn er sich den Benedikt zugezogen, wird er nicht unter tausend Pfund von ihm geheilt.

Bote.

Ich wünschte Freundschaft mit Euch zu halten, Fräulein.

Beatrice.

Tut das, mein Freund.

Leonato.

Ihr werdet niemals verrückt werden, Nichte!

Beatrice.

Nein, nicht eh ein heißer Januar kommt.

Bote.

Don Pedro nähert sich eben. (Geht ab.) Don Pedro, Balthasar, Don Juan, Claudio und Benedikt treten auf.

Don Pedro.

Teurer Signor Leonato, Ihr geht Eurer Unruhe entgegen. Es ist sonst der Welt Brauch, Unkosten zu vermeiden, und Ihr sucht sie auf.

Leonato.

Nie kam Unruhe unter Eurer Gestalt in mein Haus, mein gnädiger Fürst. Wenn uns die Unruhe verließ, bleibt sonst die Behaglichkeit zurück: wenn Ihr dagegen wieder abreist, wird die Trauer verweilen und das Glück von mir Abschied nehmen.

Don Pedro.

Ihr nehmt Eure Last zu willig auf. – Das ist Eure Tochter, wie ich vermute?

Leonato.

Das hat mir ihre Mutter oft gesagt.

Benedikt.

Zweifeltet Ihr daran, Signor, daß Ihr sie fragtet?

Leonato.

Nein, Signor Benedikt, denn damals wart Ihr noch ein Kind.

Don Pedro.

Da habt Ihr’s nun, Benedikt: wir sehn daraus, was Ihr jetzt als Mann sein müßt. In der Tat, sie kündigt selber ihren Vater an. – Ich wünsche Euch Glück, mein Fräulein, Ihr gleicht einem ehrenwerten Vater.

Benedikt.

Wenn auch Signor Leonato ihr Vater ist, sie würde nicht um ganz Messina seinen Kopf auf ihren Schultern tragen wollen, wie sehr sie ihm auch gleicht.

Beatrice.

Mich wundert, daß Ihr immer schwatzen müßt, Signor Benedikt; kein Mensch achtet auf Euch.

Benedikt.

Wie, mein liebes Fräulein Hochmut! Lebt Ihr auch noch?

Beatrice.

Wie sollte wohl Hochmut sterben, wenn er solche Nahrung vor sich hat, wie Signor Benedict? – Die Höflichkeit selbst wird zum Hochmut werden, wenn Ihr Euch vor ihr sehen laßt.

Benedikt.

Dann ist Höflichkeit ein Überläufer; aber soviel ist gewiß, alle Damen sind in mich verliebt, Ihr allein ausgenommen; und ich wollte, mein Herz sagte mir, ich hätte kein so hartes Herz; denn wahrhaftig, ich liebe keine.

Beatrice.

Ein wahres Glück für die Frauen; Ihr wäret ihnen ein gefährlicher Bewerber geworden. Ich danke Gott und meinem kalten Herzen, daß ich hierin mit Euch eines Sinnes bin. Lieber wollt ich meinen Hund eine Krähe anbellen hören, als einen Mann schwören, daß er mich liebe.

Benedikt.

Gott erhalte mein gnädiges Fräulein immer in dieser Gesinnung! So wird doch ein oder der andre ehrliche Mann dem Schicksal eines zerkratzten Gesichts entgehn.

Beatrice.

Kratzen würde es nicht schlimmer machen, wenn es ein Gesicht wäre wie Eures.

Benedikt.

Gut, Ihr versteht Euch trefflich drauf, Papageien abzurichten.

Beatrice.

Ein Vogel von meiner Zunge ist besser als ein Vieh von Eurer.

Benedikt.

Ich wollte, mein Pferd wäre so schnell als Eure Zunge und liefe so in eins fort. Doch nun geht und der Himmel sei mit Euch, denn ich bin fertig.

Beatrice.

Ihr müßt immer mit lahmen Pferdegeschichten aufhören; ich kenne Euch von alten Zeiten her.

Don Pedro.

Kurz und gut, Leonato; – ihr, Signor Claudio und Signor Benedikt; – mein werter Freund Leonato hat euch alle eingeladen. Ich sage ihm eben, wir werden wenigstens einen Monat verweilen, und er bittet den Himmel, daß irgendeine Veranlassung uns länger hier aufhalten möge. Ich wollte schwören, daß er kein Heuchler sei, sondern daß ihm dies Gebet von Herzen geht.

Leonato.

Ihr würdet nicht falsch schwören, mein gnädiger Herr. Laßt mich Euch willkommen heißen, Prinz Juan; nach Eurer Aussöhnung mit dem Fürsten, Eurem Bruder, widme ich Euch alle meine Dienste.

Don Juan.

Ich danke Euch. Ich bin nicht von vielen Worten, aber ich danke Euch.

Leonato.

Gefällt’s Euer Gnaden, vorauszugehn?

Don Pedro.

Eure Hand, Leonato, wir gehn zusammen. (Leonato, Don Pedro, Don Juan, Beatrice und Hero gehn ab.)

Benedikt und Claudio.

Claudio.

Benedikt, hast du Leonatos Tochter wohl ins Auge gefaßt?

Benedikt.

Ins Auge habe ich sie nicht gefaßt, aber angesehn habe ich sie.

Claudio.

Ist sie nicht ein sittsames, junges Fräulein?

Benedikt.

Fragt Ihr mich wie ein ehrlicher Mann um meine schlichte, aufrichtige Meinung? Oder soll ich Euch nach meiner Gewohnheit als ein erklärter Feind ihres Geschlechts antworten?

Claudio.

Nein, ich bitte dich, rede nach ernstem, nüchternem Urteil.

Benedikt.

Nun denn, auf meine Ehre: mich dünkt, sie ist zu niedrig für ein hohes Lob, zu braun für ein helles Lob, zu klein für ein großes Lob; alles, was ich zu ihrer Empfehlung sagen kann, ist dies: wäre sie anders, als sie ist, so wäre sie nicht hübsch, und weil sie nicht anders ist, als sie ist, so gefällt sie mir nicht.

Claudio.

Du glaubst, ich treibe Scherz: nein, sage mir ehrlich, wie sie dir gefällt.

Benedikt.

Wollt Ihr sie kaufen, weil Ihr euch so genau erkundigt?

Claudio.

Kann auch die ganze Welt solch Kleinod kaufen?

Benedikt.

Jawohl, und ein Futteral dazu. Aber sprecht Ihr dies in vollem Ernst? Oder agiert Ihr den lustigen Rat und erzählt uns, Amor sei ein geübter Hasenjäger und Vulkan ein trefflicher Zimmermann? Sagt doch, welchen Schlüssel muß man haben, um den rechten Ton Eures Gesanges zu treffen?

Claudio.

In meinem Aug ist sie das holdeste Fräulein, das ich jemals erblickte.

Benedikt.

Ich kann noch ohne Brille sehn, und ich sehe doch von dem allem nichts. Da ist ihre Muhme. wenn die nicht von einer Furie besessen wäre, sie würde Hero an Schönheit so weit übertreffen, als der erste Mai den letzten Dezember. Aber ich hoffe, Ihr denkt nicht daran, ein Ehemann zu werden: oder habt Ihr solche Gedanken? –

Claudio.

Und hätt ich schon das Gegenteil beschworen, ich traute meinem Eide kaum, wenn Hero meine Gattin werden wollte.

Benedikt.

Nun wahrhaftig, steht es so mit Euch? Hat die Welt auch nicht einen einzigen Mann mehr, der seine Kappe ohne Verdacht tragen will? Soll ich keinen Junggesellen von sechzig Jahren mehr sehn? Nun, nur zu; wenn du denn durchaus deinen Hals unters Joch zwängen willst, so trage den Druck davon und verseufze deine Sonntage. Sich, da kommt Don Pedro und sucht dich. Don Pedro kommt zurück.

Don Pedro.

Welch Geheimnis hat euch hier zurückgehalten, daß ihr nicht mit uns in Leonatos Haus gingt?

Benedikt.

Ich wollte, Eure Hoheit nötigte mich, es zu sagen.

Don Pedro.

Ich befehle dir’s bei deiner Lehnspflicht.

Benedikt.

Ihr hört’s, Graf Claudio: ich kann schweigen wie ein Stummer, das könnt Ihr glauben; aber bei meiner Lehnspflicht – seht Ihr wohl, bei meiner Lehnspflicht – er ist verliebt. In wen? (so fragt Eure Hoheit jetzt) und nun gebt acht, wie kurz die Antwort ist: in Hero, Leonatos kurze Tochter.

Claudio.

Wenn dem so wäre, wär es nun gesagt.

Benedikt.

Wie das alte Märchen, mein Fürst: es ist nicht so und war nicht so, und wolle Gott nur nicht, daß es so werde!

Claudio.

Wenn meine Leidenschaft sich nicht in kurzem ändert, so wolle Gott nicht, daß es anders werde.

Don Pedro.

Amen! wenn Ihr sie liebt, denn das Fräulein ist dessen sehr würdig.

Claudio.

So sprecht Ihr nur, mein Fürst, mich zu fangen.

Don Pedro.

Bei meiner Treu, ich rede, wie ich’s denke.

Claudio.

Das tat ich ebenfalls, mein Fürst, auf Ehre.

Benedikt.

Und ich, bei meiner zwiefachen Ehre und Treue, mein Fürst, ich gleichfalls.

Claudio.

Daß ich sie liebe, fühl ich.

Don Pedro.

Daß sie es wert ist, weiß ich.

Benedikt.

Und daß ich weder fühle, wie man sie lieben kann, noch weiß, wie sie dessen würdig sei, das ist eine Überzeugung, welche kein Feuer aus mir herausschmelzen soll; darauf will ich mich spießen lassen.

Don Pedro.

Du warst von jeher ein verstockter Ketzer in Verachtung der Schönheit.

Claudio.

Und der seine Rolle nie anders durchzuführen wußte, als indem er seinem Willen Gewalt antat.

Benedikt.

Daß mich ein Weib geboren hat, dafür dank ich ihr; daß sie mich aufzog, auch dafür sag ich ihr meinen demütigsten Dank: aber daß ich meine Stirn dazu hergebe, die Jagd darauf abzublasen, oder mein Hifthorn an einen unsichtbaren Riem aufhänge, das können mir die Frauen nicht zumuten. Weil ich ihnen das Unrecht nicht tun möchte, einer von ihnen zu mißtrauen, so will ich mir das Recht vorbehalten, keiner zu trauen; und das Ende vom Liede ist (und zugleich gewiß auch das beste Lied), daß ich ein Junggesell bleiben will.

Don Pedro.

Ich erlebe es noch, dich einmal ganz blaß vor Liebe zu sehen.

Benedikt.

Vor Zorn, vor Krankheit oder Hunger, mein Fürst; aber nicht vor Liebe. Beweist nur, daß ich jemals aus Liebe mehr Blut verliere, als ich durch eine Flasche Wein wieder ersetzen kann, so stecht mir die Augen aus mit eines Balladenschreibers Feder, hängt mich auf über der Tür eines schlechten Hauses und schreibt darunter: «Zum blinden Cupido».

Don Pedro.

Nun ja, wenn du je von diesem Glauben abfällst, so mach dir keine Rechnung auf unsre Barmherzigkeit.

Benedikt.

Wenn ich das tue, so hängt mich in einem Faß auf wie eine Katze und schießt nach mir; und wer mich trifft, dem klopft auf die Schulter und nennt ihn Adam.

Don Pedro.

Nun wohl, die Zeit wird kommen, «Wo sich der wilde Stier dem Joche fügt».

Benedikt.

Das mag der wilde Stier; wenn aber der verständige Benedikt sich ihm fügt, so reißt dem Stier seine Hörner aus und setzt sie an meine Stirn, und laßt mich von einem Anstreicher abmalen, und mit so großen Buchstaben, wie man zu schreiben pflegt: «Hier sind gute Pferde zu vermieten», setzt unter mein Bildnis: «Hier ist zu sehn Benedikt, der Ehemann.»

Claudio.

Wenn das geschähe, so würdest du hörnertoll sein.

Don Pedro.

Nun, wenn nicht Cupido seinen ganzen Köcher in Venedig verschossen hat, so wirst du in kurzem für deinen Hochmut beben müssen.

Benedikt.

Dazu müßte noch erst ein Erdbeben kommen.

Don Pedro.

Gut, andre Zeiten, andre Gedanken. Für jetzt, lieber Signor Benedikt, geht hinein zu Leonato, empfehlt mich ihm und sagt ihm, ich werde mich zum Abendessen bei ihm einfinden; denn wie ich höre, macht er große Zurüstungen.

Benedikt.

Diese Bestellung traue ich mir allenfalls noch zu, und somit befehle ich Euch – –

Claudio.

«Dem Schutz des Allerhöchsten: gegeben in meinem Hause (wenn ich eins hätte) – –

Don Pedro.

Den sechsten Juli: Euer getreuer Freund Benedikt».

Benedikt.

Nun, spottet nicht, spottet nicht: der Inhalt Eurer Gespräche ist zuweilen mit Lappen verbrämt und die Verbrämung nur sehr schwach aufgenäht: eh Ihr so alte Späße wieder hervorsucht, prüft Euer Gewissen, und somit empfehle ich mich Euch. (Benedikt ab.)

Claudio.

Eur Hoheit könnte jetzt mich sehr verpflichten.

Don Pedro.

Sprich, meine Lieb ist dein: belehre sie,

Und du sollst sehn, wie leicht sie fassen wird

Die schwerste Lehre, die dir nützlich ist.

Claudio.

Hat Leonato einen Sohn, mein Fürst?

Don Pedro.

Kein Kind, als Hero, sie ist einzge Erbin.

Denkst du an sie, mein Claudio?

Claudio.

O mein Fürst,

Eh Ihr den jetzt beschloßnen Krieg begannt,

Sah ich sie mit Soldatenblick mir an,

Dem sie gefiel: allein die rauhe Arbeit

Ließ Wohlgefallen nicht zur Liebe reifen.

Jetzt kehr ich heim, und jene Kriegsgedanken

Räumten den Platz; statt ihrer drängen nun

Sich Wünsche ein von sanfter, holder Art

Und mahnen an der jungen Hero Reiz,

Und daß sie vor dem Feldzug mir gefiel.

Don Pedro.

Ich seh dich schon als einen Neuverliebten,

Und unser Ohr bedroht ein Buch von Worten.

Liebst du die schöne Hero, sei getrost,

Ich will bei ihr und ihrem Vater werben,

Du sollst sie haben: war es nicht dies Ziel,

Nach dem die feingeflochtne Rede strebte?

Claudio.

Wie lieblich pflegt Ihr doch des Liebeskranken,

Des Gram Ihr gleich an seiner Blässe kennt.

Nur daß zu plötzlich nicht mein Lieben schiene,

Wollt ich durch längre Rede es beschönen.

Don Pedro.

Wozu die Brücke breiter als der Fluß?

Die Not ist der Gewährung bester Grund.

Sieh, was dir hilft, ist da: feststeht, du liebst,

Und ich bin da, das Mittel dir zu reichen.

Heut abend, hör ich, ist ein Maskenball,

Verkleidet spiel ich deine Rolle dann,

Der schönen Hero sag ich, ich sei Claudio,

Mein Herz schütt ich in ihren Busen aus

Und nehm ihr Ohr gefangen mit dem Sturm

Und mächtgen Angriff meiner Liebeswerbung.

Sogleich nachher sprech ich den Vater an,

Und dieses Liedes End ist, sie wird dein.

Nun komm und laß sogleich ans Werk uns gehn. – (Beide ab.)

Zweite Szene

Leonato und Antonio treten auf

Leonato.

Nun, Bruder! wo ist mein Neffe, dein Sohn? – Hat er die Musik besorgt?

Antonio.

Er macht sich sehr viel damit zu tun. Aber, Bruder, ich kann dir seltsame Neuigkeiten erzählen, von denen du dir nicht hättest träumen lassen.

Leonato.

Sind sie gut?

Antonio.

Nachdem der Erfolg sie stempeln wird: indes die Hülle ist gut, von außen sehn sie hübsch aus. Der Prinz und Graf Claudio, die in einer dicht verwachsnen Allee in meinem Garten spazierengingen, wurden so von einem meiner Leute behorcht: der Prinz entdeckte dem Claudio, er sei verliebt in meine Nichte, deine Tochter, und willens, sich ihr heut abend auf dem Ball zu erklären: und wenn er finde, daß sie nicht abgeneigt sei, so wolle er den Augenblick beim Schopf ergreifen und gleich mit dem Vater reden.

Leonato.

Hat der Bursche einigen Verstand, der das sagte?

Antonio.

Ein guter, ein recht schlauer Bursch: ich will ihn rufen lassen, dann kannst du ihn selbst ausfragen.

Leonato.

Nein, nein, wir wollen es für einen Traum halten, bis es an den Tag kommt. – Aber ich will doch meiner Tochter davon sagen, damit sie sich besser auf eine Antwort gefaßt machen kann, wenn es von ohngefähr wahr sein sollte. Geht doch und erzählt ihr’s. (Verschiedene Personen gehn über die Bühne.) Vettern, ihr wißt, was ihr zu tun habt? – – O bitte um Verzeihung, lieber Freund, Ihr müßt mit mir gehn, ich bedarf Eures guten Kopfs. – Lieber Vetter, geht nur in dieser geschäftigen Zeit zur Hand. (Alle ab.)

Dritte Szene

Andres Zimmer in Leonatos Hause Don Juan und Konrad treten auf

Konrad.

Was der Tausend, mein Prinz, warum seid Ihr denn so übermäßig schwermütig?

Don Juan.

Weil ich übermäßig viel Ursache dazu habe, deshalb ist auch meine Verstimmung ohne Maß.

Konrad.

Ihr solltet doch Vernunft anhören.

Don Juan.

Und wenn ich sie nun angehört, welchen Trost hätt ich dann davon?

Konrad.

Wenn auch nicht augenblickliche Hilfe, doch Geduld zum Leiden.

Don Juan.

Ich wundre mich, wie du, der, wie du selbst sagst, unterm Saturn geboren bist, dich damit abgibst, ein moralisches Mittel gegen ein tödliches Übel anzupreisen. Ich kann nicht verbergen, wer ich bin; ich muß ernst sein, wenn ich Ursache dazu habe, und über niemands Einfälle lachen; essen, wenn mich hungert, und auf niemands Belieben warten; schlafen, wenn mich schläfert, und um niemands Geschäfte mich anstrengen; lachen, wenn ich lustig bin, und keinen in seiner Laune streicheln.

Konrad.

Ei ja; aber Ihr solltet Euch nicht so zur Schau tragen, bis Ihr’s ohne Widerspruch tun könnt. Erst neulich habt Ihr Euch mit Eurem Bruder überworfen, und jetzt eben hat er Euch wieder zu Gnaden aufgenommen; da könnt Ihr unmöglich in seiner Gunst Wurzel schlagen, wenn Ihr Euch nicht selbst das gute Wetter dazu macht. Ihr müßt Euch notwendig günstige Witterung für Eure Ernte schaffen.

Don Juan.

Lieber wollt ich eine Hundsrose im Zaun sein, als eine edle Rose in seiner Gnade: und für mein Blut schickt sich’s besser, von allen verschmäht zu werden, als ein Betragen zu drechseln und jemands Liebe zu stehlen. Soviel ist gewiß, niemand wird mich einen schmeichlerischen Biedermann nennen, niemand soll mir’s aber dagegen absprechen, daß ich ein aufrichtiger Bösewicht sei. Mit einem Maulkorb trauen sie mir, und mit einem Block lassen sie mich laufen: darum bin ich entschlossen, in meinem Käfig nicht zu singen. Hätt ich meine Zähne los, so würd ich beißen: hätt ich meinen freien Lauf, so täte ich, was mir beliebt. Bis dahin laß mich sein, was ich bin, und such mich nicht zu ändern.

Konrad.

Könnt Ihr denn von Eurem Mißvergnügen keinen Gebrauch machen?

Don Juan.

Ich mache allen möglichen Gebrauch davon, ich brauche es eben. Wer kommt denn da? Was gibt’s Neues, Borachio? – Borachio kommt.

Borachio.

Ich komme von drüben von einem großen Abendschmaus: der Prinz, Euer Bruder, wird von Leonato königlich bewirtet, und ich kann Euch vorläufig erzählen, daß eine Heirat im Werke ist.

Don Juan.

Könnte mir das nicht ein Fundament werden, irgendein Unheil drauf zu bauen? Wer ist denn der Narr, der sich an ewige Unruhe verloben will?

Borachio.

Ei, es ist Eures Bruders rechte Hand.

Don Juan.

Wer? der höchst ausbündige Claudio?

Borachio.

Eben der.

Don Juan.

Ein schmuckes Herrchen! Und wer? und wer? Was sein Absehn? –

Borachio.

Nun Hero, Leonatos Tochter und Erbin.

Don Juan.

Das kaum flügge Märzhühnchen? Wie kommst du dazu? –

Borachio.

Ich habe das Ausräuchern der Zimmer zu besorgen; und als ich eben in einem dumpfigen Saal damit beschäftigt bin, kommen der Prinz und Claudio Hand in Hand, in sehr ernsthafter Unterredung. Ich duckte mich hinter die Tapete, und da hört ich, wie sie Abrede nahmen, der Prinz solle um Hero für sich werben, und wenn er sie bekomme, sie dem Grafen Claudio geben.

Don Juan.

Komm, komm, laß uns hinüber; das kann meinem Grimm Nahrung werden. Dieser junge Emporschößling hat den ganzen Ruhm meiner Niederlage; kann ich den nur auf einem Wege kreuzen, so will ich mich allerwegen glücklich schätzen. Ihr seid beide zuverlässig und steht mir bei? –

Konrad.

Bis in den Tod, gnädger Herr.

Don Juan.

Gehn wir zu dem großen Gastmahl! Ihre Fröhlichkeit ist desto größer, weil ich zugrunde gerichtet bin. Ich wollte, der Koch dächte wie ich! Wollen wir gehn und sehn, was zu tun ist? –

Borachio.

Wir sind zu Euerm Befehl, mein gnädiger Herr. (Alle ab.)

Zweiter Aufzug

Erste Szene

Halle in Leonatos Hause Leonato, Antonio, Hero und Beatrice treten auf

Leonato.

War Graf Juan nicht zum Abendessen hier?

Antonio.

Ich sah ihn nicht.

Beatrice.

Wie herbe dieser Mann aussieht! Ich kann ihn niemals ansehn, daß ich nicht eine volle Stunde Sodbrennen bekäme.

Hero.

Er hat eine sehr melancholische Gemütsart.

Beatrice.

Das müßte ein vortrefflicher Mann sein, der gerade das Mittel zwischen ihm und Benedikt hielte: der eine ist wie ein Bild und sagt gar nichts, und der andre wie der «gnädigen Frau» ältester Sohn und plappert immer fort.

Leonato.

Also die Hälfte von Signor Benedikts Zunge in Don Juans Mund, und die Hälfte von Don Juans Schwermut in Benedikts Gesicht. –

Beatrice.

Und dazu ein hübsches Bein und ein feiner Fuß, Onkel, und Geld genug in der Tasche, solch ein Mann müßte jedes Mädchen in der Welt erobern, wenn er’s verstände, ihre Gunst zu gewinnen.

Leonato.

Auf mein Wort, Nichte, du wirst dir in deinem Leben keinen Mann gewinnen, wenn du eine so böse Zunge hast.

Antonio.

Ja wahrhaftig, sie ist zu böse.

Beatrice.

Zu böse ist mehr als böse: auf die Weise entgeht mir eine Gabe Gottes, denn es heißt: «Gott gibt einer bösen Kuh kurze Hörner, aber einer zu bösen Kuh gibt er gar keine.»

Leonato.

Weil du also zu böse bist, wird Gott dir gar keine Hörner geben.

Beatrice.

Richtig, wenn er mir keinen Mann gibt, und das ist ein Segen, um den ich jeden Morgen und jeden Abend auf den Knien bitte. Himmel! Wie sollte ich wohl einen Mann mit einem Bart im Gesicht aushalten: lieber schlief ich auf Wolle.

Leonato.

Du kannst dir ja einen Mann aussuchen, der keinen Bart hat.

Beatrice.

Was sollte ich mit dem anfangen? Ihm meine Kleider anziehn und ihn zum Kammermädchen machen? Wer einen Bart hat, ist mehr als ein Jüngling, und wer keinen hat, weniger als ein Mann: wer mehr als ein Jüngling ist, taugt nicht für mich, und wer weniger als ein Mann ist, für den tauge ich nicht. Deshalb will ich lieber sechs Batzen Handgeld vom Bärenführer als Lohn nehmen und seine Affen zur Hölle führen.

Leonato.

Du gehst also zur Hölle?

Beatrice.

Nein, nur an die Pforte. Da wird mir der Teufel entgegenkommen, mit Hörnern auf dem Kopf, wie ein alter Hahnrei, und sagen: «Mach dich fort und geh zum Himmel, Beatrice, geh zum Himmel! Hier ist kein Platz für euch Mädchen»; darauf liefre ich ihm denn meine Affen ab, und nun flugs hinauf zu Sankt Peter am Himmelstor, der zeigt mir, wo die Junggesellen sitzen, und da leben wir so lustig, als der Tag lang ist.

Antonio (zu Hero).

Nun, liebe Nichte, ich hoffe doch, Ihr werdet Euch von Euerm Vater regieren lassen?

Beatrice.

Ei, das versteht sich. Es ist meiner Muhme Schuldigkeit, einen Knicks zu machen und zu sagen: «Wie es euch gefällt, mein Vater.» Aber mit alledem, liebes Mühmchen, muß es ein hübscher junger Mensch sein, sonst mach einen zweiten Knicks und sage: «Wie es mir gefällt, mein Vater.» –

Leonato.

Nun, Nichte, ich hoffe noch den Tag zu erleben, wo du mit einem Manne versehn bist.

Beatrice.

Nicht eher, bis der liebe Gott die Männer aus einem andern Stoff macht als aus Erde. Soll es ein armes Mädchen nicht verdrießen, sich von einem Stück gewaltigen Staubes meistern zu lassen? Einem nichtsnutzigen Lehmkloß Rechenschaft von ihrem Tun und Lassen abzulegen? Nein, Onkel, ich nehme keinen. Adams Söhne sind meine Brüder, und im Ernst, ich halte es für eine Sünde, so nah in meine Verwandtschaft zu heiraten.

Leonato.

Tochter, denk an das, was ich dir sagte. Wenn der Prinz auf eine solche Art um dich wirbt, so weißt du deine Antwort.

Beatrice.

Die Schuld wird an der Musik liegen, Muhme, wenn er nicht zur rechten Zeit um dich anhält. Wenn der Prinz zu ungestüm wird, so sag ihm, man müsse in jedem Dinge Maß halten; und so vertanze die Antwort. Denn siehst du, Hero, freien, heiraten und bereuen sind wie eine Kurante, ein Menuett und eine Pavana; der erste Antrag ist heiß und rasch wie eine Kurante, und ebenso phantastisch; die Hochzeit manierlich, sittsam wie ein Menuett, voll altfränkischer Feierlichkeit; und dann kommt die Reue und fällt mit ihren lahmen Beinen in die Pavana immer schwerer und schwerer, bis sie in ihr Grab sinkt.

Leonato.

Muhme, du betrachtest alle Dinge sehr scharf und bitter.

Beatrice.

Ich habe gesegnete Augen, Oheim, ich kann eine Kirche bei hellem Tage sehn.

Leonato.

Da kommen die Masken; Bruder, macht Platz. (Leonato, Beatrice, Antonio gehn ab.)

Don Pedro kommt maskiert.

Don Pedro.

Gefällt es Euch, mein Fräulein, mit Eurem Freunde umherzugehn?

Hero.

Wenn Ihr langsam geht und freundlich ausseht und nichts sagt, so will ich Euch das Gehn zusagen; auf jeden Fall, wenn ich davongehe.

Don Pedro.

Mit mir, in meiner Gesellschaft?

Hero.

Das kann ich sagen, wenn mir’s gefällt.

Don Pedro.

Und wann gefällt’s Euch, das zu sagen?

Hero.

Wenn ich Euer Gesicht werde leiden mögen; denn es wäre ein Leiden, wenn die Laute dem Futteral gliche.

Don Pedro.

Deine Maske ist wie Philemons Dach, drinnen in der Hütte ist Jupiter.

Hero.

Auf diese Weise müßte Eure Maske mit Stroh gedeckt sein. (Gehn vorbei.) Margareta und Balthasar maskiert.

Margareta.

Redet leise, wenn Ihr von Liebe redet.

Balthasar.

Nun, ich wollte, Ihr liebtet mich.

Margareta.

Das wollte ich nicht, um Eurer selbst willen. Denn ich habe eine Menge schlimmer Eigenschaften.

Balthasar.

Zum Beispiel?

Margareta.

Ich bete laut.

Balthasar.

Um so lieber seid Ihr mir: da können die Euch hören, Amen sagen.

Margareta.

Der Himmel verhelfe mir zu einem guten Tänzer.

Balthasar.

Amen.

Margareta.

Und schaffe mir ihn aus den Augen, sobald der Tanz aus ist. – Nun, Küster, antwortet.

Balthasar.

Schon gut, der Küster hat seine Antwort. (Gehn vorbei.)

Ursula und Antonio treten maskiert ein.

Ursula.

Ich kenne Euch gar zu gut, Ihr seid Signor Antonio.

Antonio.

Auf mein Wort, ich bin’s nicht.

Ursula.

Ich kenne Euch an Eurem wackelnden Kopf.

Antonio.

Die Wahrheit zu sagen, das mache ich ihm nach.

Ursula.

Ihr könntet ihn unmöglich so vortrefflich schlecht nachmachen, wenn Ihr nicht der Mann selber wärt. Hier ist ja seine trockne Hand ganz und gar; Ihr seid’s, Ihr seid’s.

Antonio.

Auf mein Wort, ich bin’s nicht.

Ursula.

Geht mir doch! Denkt Ihr denn, ich kenne Euch nicht an Eurem lebhaften Witz? Kann sich Tugend verbergen? Ei, ei, Ihr seid’s. Die Anmut läßt sich nicht verhüllen, und damit gut. (Gehn vorüber.) Benedikt und Beatrice maskiert.

Beatrice.

Wollt Ihr mir nicht sagen, wer Euch das gesagt hat?

Benedikt.

Nein, das bitte ich mir aus.

Beatrice.

Und wollt Ihr mir auch nicht sagen, wer Ihr seid?

Benedikt.

Jetzt nicht.

Beatrice.

Daß ich voller Hochmut sei – und daß ich meinen besten Witz aus den hundert lustigen Erzählungen hernehme. – Nun seht, das sagte mir Signor Benedikt.

Benedikt.

Wer ist das?

Beatrice.

Ich bin gewiß, Ihr kennt ihn mehr als zuviel.

Benedikt.

Nein, gewiß nicht.

Beatrice.

Hat er Euch nie lachen gemacht?

Benedikt.

Sagt mir doch, wer ist er denn?

Beatrice.

Nun, er ist des Prinzen Hofnarr: ein sehr schaler Spaßmacher, der nur das Talent hat, unmögliche Lästerungen zu ersinnen. Niemand findet Gefallen an ihm als Wüstlinge, und was ihn diesen empfiehlt, ist nicht sein Witz, sondern seine Schlechtigkeit: denn er unterhält sie und ärgert sie zugleich, und dann lachen sie einmal über ihn, und ein andermal schlagen sie ihn. Ich weiß gewiß, er ist hier in diesem Geschwader: ich wollte, unsre Fahrzeuge begegneten sich.

Benedikt.

Sollte ich diesen Kavalier finden, so will ich ihm erzählen, was Ihr von ihm sagt.

Beatrice.

Ja, ja, tut das immer. Er wird dann allenfalls ein paar Gleichnisse an mir zerbrechen, und wenn sich’s etwa fügt, daß niemand drauf achtgibt oder drüber lacht, so verfällt er in Schwermut, und dann ist ein Rebhuhnflügel gerettet, denn der Narr wird den Abend gewiß nicht essen. (Musik drinnen.) Wir müssen den Anführern folgen.

Benedikt.

In allem, was gut ist.

Beatrice.

Freilich, wenn sie zu etwas Bösem führen, so fall ich bei der nächsten Tour von ihnen ab. (Beide ab.)

Tanz drinnen. Es kommen Don Juan, Borachio, Claudio.

Don Juan.

Es ist richtig, mein Bruder ist in Hero verliebt und hat ihren Vater auf die Seite genommen, um ihm den Antrag zu machen: die Damen folgen ihr, und nur eine Maske bleibt zurück.

Borachio.

Und das ist Claudio, ich kenne ihn an seiner Haltung.

Don Juan.

Seid Ihr nicht Signor Benedikt?

Claudio.

Ihr habt’s getroffen, ich bin’s.

Don Juan.

Signor, Ihr steht sehr hoch in meines Bruders Freundschaft. Er ist in Hero verliebt: redet ihm das aus, ich bitte Euch. Sie ist ihm an Geburt nicht gleich; Ihr würdet darin als ein rechtschaffner Mann handeln.

Claudio.

Wie wißt Ihr’s denn, daß er sie liebt? –

Don Juan.

Ich hörte ihn seine Zuneigung beteuern.

Borachio.

Ich auch. Er schwur, er wolle sie noch diesen Abend heiraten.

Don Juan.

Kommt, wir wollen zum Bankett. – (Don Juan und Borachio ab.)

Claudio.

So gab ich Antwort ihm als Benedikt,

Doch Claudios Ohr vernahm die schlimme Zeitung.

Es ist gewiß, der Prinz warb für sich selbst;

Freundschaft hält stand in allen andern Dingen,

Nur in der Liebe Dienst und Werbung nicht.

Drum brauch ein Liebender die eigne Zunge,

Es rede jeglich Auge für sich selbst,

Und keiner trau dem Anwalt: Schönheit weiß

Durch Zauberkünste Treu in Blut zu wandeln,

Das ist ein Fall, der stündlich zu erproben,

Und dem ich doch vertraut: Hero, fahr hin. Benedikt kommt wieder.

Benedikt.

Graf Claudio?

Claudio.

Ja, der bin ich.

Benedikt.

Kommt, wollt Ihr mit?

Claudio.

Wohin?

Benedikt.

Nun, zum nächsten Weidenbaum, in Euren eignen Angelegenheiten, Graf. Auf welche Manier wollt Ihr Euern Kranz tragen; um den Hals, wie eines Wucherers Kette? oder unterm Arm, wie eines Hauptmanns Schärpe? Tragen müßt Ihr ihn, auf eine oder die andre Weise, denn der Prinz hat Eure Hero weggefangen.

Claudio.

Viel Glück mit ihr!

Benedikt.

Nun, das nenn ich gesprochen wie ein ehrlicher Viehhändler: so endigt man einen Ochsenhandel. Aber hättet Ihr’s wohl gedacht, daß der Prinz Euch einen solchen Streich spielen würde?

Claudio.

Ich bitte Euch, laßt mich.

Benedikt.

Oho, Ihr seid ja wie der blinde Mann. Der Junge stahl Euch Euer Essen, und Ihr schlagt den Pfeiler.

Claudio.

Wenn Ihr denn nicht wollt, so gehe ich. (Ab.)

Benedikt.

Ach, das arme angeschoßne Huhn! Jetzt wird sich’s in die Binsen verkriechen. – – Aber daß Fräulein Beatrice mich kennt, und doch auch nicht kennt… Des Prinzen Hofnarr? Ha! Mag sein, daß man mir diesen Titel gibt, weil ich lustig bin. – Aber nein! tue ich mir denn nicht selbst Unrecht? Halten mich denn die Leute für so etwas? Ist’s denn nicht die boshafte, bittre Gemütsart Beatricens, welche die Rolle der Welt übernimmt und mich dafür ausgibt? Gut, ich will mich rächen, wie ich kann. Don Pedro, Hero und Leonato kommen.

Don Pedro.

Sagt, Signor, wo ist der Graf? Habt Ihr ihn nicht gesehn?

Benedikt.

Wahrhaftig, gnädigster Herr, ich habe eben die Rolle der Frau Fama gespielt. Ich fand ihn hier so melancholisch wie ein Jagdhaus im Forst: darauf erzählte ich ihm – und ich glaube, ich erzählte die Wahrheit – Euer Gnaden habe die Gunst dieses jungen Fräuleins gewonnen, und bot ihm meine Begleitung zum nächsten Weidenbaum an, entweder ihm einen Kranz zu flechten, weil man ihm untreu geworden, oder ihm eine Rute zu binden, weil er nichts Besseres verdiene als Streiche.

Don Pedro.

Streiche? Was hat er denn begangen?

Benedikt.

Die alberne Sünde eines Schulknaben, der, voller Freuden über ein gefundenes Vogelnest, es seinem Kameraden zeigt, und dieser stiehlt’s ihm weg.

Don Pedro.

Willst du denn das Zutrauen zur Sünde machen? Die Sünde ist beim Stehler.

Benedikt.

Nun, es wäre doch nicht umsonst gewesen, wenn wir die Rute gebunden hätten und den Kranz dazu; den Kranz hätte er selbst tragen können, und die Rute wäre für Euch gewesen, denn Ihr habt ihm, wie mir’s vorkommt, sein Vogelnest gestohlen.

Don Pedro.

Ich will ihm seine Vögel nur singen lehren und sie dann dem Eigentümer wieder zustellen.

Benedikt.

Wenn ihr Gesang zu Euren Worten stimmt, so war es bei meiner Treue ehrlich gesprochen.

Don Pedro.

Fräulein Beatrice hat einen Handel mit Euch; der Kavalier, mit dem sie tanzte, hat ihr gesagt, Ihr hättet sehr übel von ihr gesprochen.

Benedikt.

Oh! Sie ist vielmehr mit mir umgegangen, daß kein Klotz es ausgehalten hätte; eine Eiche, an der nur noch ein einziges grünes Laub gewesen wäre, hätte ihr geantwortet; ja, selbst meine Maske fing an lebendig zu werden und mit ihr zu zanken. Sie sagte mir, indem sie mich für einen andern hielt, ich sei des Prinzen Hofnarr; ich sei langweiliger als ein starkes Tauwetter; das ging, Schlag auf Schlag, mit einer so unglaublichen Geschwindigkeit, daß ich nicht anders dastand als ein Mann an einer Scheibe, nach welcher eine ganze Armee schießt. Sie spricht lauter Dolche, und jedes Wort durchbohrt; wenn ihr Atem so fürchterlich wäre als ihre Ausdrücke, so könnte niemand in ihrer Nähe leben, sie würde alles bis an den Nordpol vergiften. Ich möchte sie nicht heiraten, und bekäme sie alles zur Mitgift, was Adam vor dem Sündenfall besaß. Sie hätte den Herkules gezwungen, ihr den Braten zu wenden, ja, er hätte seine Keule spalten müssen, um das Feuer anzumachen. Nein, reden wir nicht von der; an der werdet Ihr die höllische Ate finden, nur in schmucken Kleidern. Wollte doch Gott, wir hätten einen Gelehrten, der sie beschwören könnte; denn wahrhaftig, solange sie hier ist, lebt sich’s in der Hölle so ruhig, als auf geweihter Stätte, und die Leute sündigen mit Fleiß, um nur hinzukommen: so sehr folgen ihr alle Zwietracht, Grausen und Verwirrung. Claudio und Beatrice kommen.

Don Pedro.

Seht, da kommt sie.

Benedikt.

Hat Eure Hoheit nicht eine Bestellung für mich an das Ende der Welt? Ich wäre jetzt bereit, um des geringsten Auftrags willen, der Euch in den Sinn käme, zu den Antipoden zu gehn. Ich wollte Euch vom äußersten Rande von Asien einen Zahnstocher holen; Euch das Maß vom Fuß des Priesters Johannes bringen; Euch ein Haar aus dem Bart des großen Khans holen; eine Gesandtschaft zu den Pygmäen übernehmen – ehe ich nur drei Worte mit dieser Harpye wechseln sollte. Habt Ihr kein Geschäft für mich?

Don Pedro.

Keines, als daß ich um Eure angenehme Gesellschaft bitte.

Benedikt.

O Himmel, mein Fürst, hier habt Ihr ein Gericht, das nicht für mich ist; ich kann diese gnädige Frau Zunge nicht vertragen. (Ab.)

Don Pedro.

Seht Ihr wohl, Fräulein, Ihr habt Signor Benedikts Herz verloren.

Beatrice.

Es ist wahr, gnädiger Herr, er hat es mir eine Zeitlang versetzt, und ich gab ihm seinen Zins dafür, ein doppeltes Herz für sein einfaches. Seitdem hatte er mir’s aber mit falschen Würfeln wieder abgenommen, so daß Euer Gnaden wohl sagen mag, ich habe es verloren.

Don Pedro.

Ihr habt ihn untergekriegt, mein Fräulein, Ihr habt ihn untergekriegt.

Beatrice.

Ich wollte nicht, daß er mir das täte, gnädiger Herr, ich möchte sonst Narren zu Kindern bekommen. Hier bringe ich Euch den Grafen Claudio, den Ihr mir zu suchen auftrugt.

Don Pedro.

Nun, wie steht’s, Graf, warum seid Ihr so traurig?

Claudio.

Nicht traurig, mein Fürst.

Don Pedro.

Was denn? krank?

Claudio.

Auch das nicht.

Beatrice.

Der Graf ist weder traurig, noch krank, noch lustig, noch wohl; aber höflich, Graf, höflich wie eine Apfelsine, und ein wenig von ebenso eifersüchtiger Farbe.

Don Pedro.

In Wahrheit, Fräulein, ich glaube, Eure Beschreibung trifft zu; obgleich ich schwören kann, daß, wenn dies der Fall ist, sein Argwohn im Irrtum sei. Sieh, Claudio, ich warb in deinem Namen, und die schöne Hero ist gewonnen; ich hielt bei ihrem Vater an und habe seine Einwilligung erhalten. Bestimme jetzt deinen Hochzeitstag, und Gott schenke dir seinen Segen.

Leonato.

Graf, empfangt von mir meine Tochter und mit ihr mein Vermögen. Seine Gnaden haben die Heirat gemacht, und die ewige Gnade sage Amen dazu.

Beatrice.

Redet doch, Graf, das war eben Euer Stichwort.

Claudio.

Schweigen ist der beste Herold der Freude. Ich wäre nur wenig glücklich, wenn ich sagen könnte, wie sehr ich’s bin. Fräulein, wie Ihr die Meine seid, bin ich nun der Eure; ich gebe mich selbst für Euch hin und bin selig über die Auswechslung.

Beatrice.

Redet doch, Muhme, oder wenn Ihr nichts wißt, so schließt ihm den Mund mit einem Kuß und laßt ihn auch nicht zu Wort kommen.

Don Pedro.

In der Tat, mein Fräulein, Ihr habt ein fröhliches Herz.

Beatrice.

O ja, gnädiger Herr, ich weiß es ihm Dank, dem närrischen Dinge, es hält sich immer an der Windseite des Kummers. Meine Muhme sagt ihm da ins Ohr, er sei in ihrem Herzen.

Claudio.

Ja, das tut sie, Muhme.

Beatrice.

Lieber Gott, über das Heiraten! So kommt alle Welt unter die Haube, nur ich nicht, und mich brennt die Sonne braun; ich muß schon im Winkel sitzen und mit Ach und Weh nach einem Mann weinen.

Don Pedro.

Fräulein Beatrice, ich will Euch einen schaffen.

Beatrice.

Ich wollte, Euer Vater hätte diese Mühe übernommen. Haben Euer Gnaden nicht vielleicht einen Bruder, der Euch gleicht? Euer Vater verstand sich auf herrliche Ehemänner, wenn ein armes Mädchen nur dazu kommen könnte!

Don Pedro.

Wollt Ihr mich haben, mein Fräulein?

Beatrice.

Nein, mein Prinz, ich müßte denn einen andern daneben für die Werkeltage haben können. Eure Hoheit ist zu kostbar, um Euch für alle Tage zu tragen. – Aber ich bitte, verzeiht mir, mein Prinz; ich bin einmal dazu geboren, lauter Torheiten und nichts Ernsthaftes zu sprechen.

Don Pedro.

Euer Schweigen verdrießt mich am meisten; nichts kleidet Euch besser als Munterkeit, denn Ihr seid ohne Frage in einer lustigen Stunde geboren.

Beatrice.

O nein, gnädigster Herr, denn meine Mutter weinte. Aber es tanzte eben ein Stern, und unter dem bin ich zur Welt gekommen. Glück zu, Vetter und Muhme! –

Leonato.

Nichte, wollt Ihr das besorgen, wovon ich Euch sagte?

Beatrice.

O ich bitte tausendmal um Vergebung, Oheim; mit Eurer Hoheit Erlaubnis. (Ab.)

Don Pedro.

Wahrhaftig, ein angenehmes, muntres Mädchen! –

Leonato.

Melancholisches Element hat sie nicht viel, gnädiger Herr. Sie ist nie ernsthaft, als wenn sie schläft: und auch dann ist sie’s nicht immer. Denn, wie meine Tochter mir erzählt, träumt ihr zuweilen tolles Zeug, und vom Lachen wacht sie auf.

Don Pedro.

Sie kann’s nicht leiden, daß man ihr von einem Manne sagt.

Leonato.

O um alles in der Welt nicht; sie spottet alle ihre Freier von sich weg.

Don Pedro.

Das wäre eine vortreffliche Frau für Benedikt! –

Leonato.

O behüte Gott, mein Fürst; wenn die eine Woche verheiratet wären, sie hätten einander toll geschwatzt.

Don Pedro.

Graf Claudio, wann gedenkt Ihr Eure Braut zur Kirche zu führen?

Claudio.

Morgen, gnädiger Herr. Die Zeit geht auf Krücken, bis die Liebe im Besitz aller ihrer Rechte ist.

Leonato.

Nicht vor dem nächsten Montag, mein lieber Sohn, welches gerade heute über acht Tage wäre; und auch das ist noch immer eine zu kurze Zeit, um alles nach meinem Sinn zu veranstalten.

Don Pedro.

Ich sehe, ihr schüttelt den Kopf über einen so langen Aufschub, aber ich verspreche dir’s, Claudio, diese Woche soll uns nicht langweilig werden. Ich will während dieser Zwischenzeit eine von Herkules‘ Arbeiten vollbringen, und zwar die, den Signor Benedikt und das Fräulein Beatrice sterblich ineinander verliebt zu machen. Ich sähe die beiden gar zu gern als ein Paar und zweifle nicht, damit zustande zu kommen, wenn ihr drei mir solchen Beistand versprechen wollt, wie ich’s jedem von euch anweisen werde.

Leonato.

Ich bin zu Euren Diensten, mein Fürst, und sollte mich’s zehn schlaflose Nächte kosten.

Claudio.

Ich auch, gnädiger Herr.

Don Pedro.

Und Ihr auch, schöne Hero?

Hero.

Ich will alles tun, was nicht unziemlich ist, um meiner Muhme zu einem guten Mann zu verhelfen.

Don Pedro.

Und Benedikt ist noch keiner von den hoffnungslosesten Ehemännern, die ich kenne. Soviel kann ich von ihm rühmen: er ist von edler Geburt, von erprobter Tapferkeit und bewährter Rechtschaffenheit. Ich will Euch lehren, wie Ihr Eure Muhme stimmen sollt, daß sie sich in Benedikt verliebe: und ich werde mit eurer beider Hilfe Benedikt so bearbeiten, daß er trotz seinem schnellen Witz und seinem verwöhnten Gaumen in Beatricen verliebt werden soll. Wenn wir das zustande bringen, so ist Cupido kein Bogenschütze mehr; sein Ruhm wird uns zuteil werden, denn dann sind wir die einzigen wahren Liebesgötter. Kommt mit mir hinein, ich will euch meinen Plan sagen. (Ab.)

Zweite Szene

Zimmer in Leonatos Hause Don Juan und Borachio treten auf

Don Juan.

Es ist richtig; Graf Claudio wird Leonatos Tochter heiraten.

Borachio.

Ja, gnädiger Herr; ich kann aber einen Querstrich machen.

Don Juan.

Jeder Schlagbaum, jeder Querstrich, jedes Hindernis wird mir eine Arznei sein. Ich bin krank vor Verdruß über ihn, und was nur irgend seine Neigung kreuzt, geht gleichen Weges mit der meinigen. Wie willst du denn diese Heirat hindern?

Borachio.

Nicht auf eine redliche Art, gnädiger Herr, aber so versteckt, daß keine Unredlichkeit an mir sichtbar werden soll.

Don Juan.

Wie denn? Mach’s kurz.

Borachio.

Ich glaube, ich sagte Euch schon vor einem Jahr, gnädiger Herr, wie weit ich’s in Margaretens Gunst gebracht, des Kammermädchens der Hero?

Don Juan.

Ich erinnere mich.

Borachio.

Ich kann sie zu jedem ungewöhnlichen Augenblick in der Nacht so bestellen, daß sie aus dem Kammerfenster ihres Fräuleins heraussieht.

Don Juan.

Und was für Leben ist darin, der Tod dieser Heirat zu werden?

Borachio.

Das Gift hieraus zu mischen ist hernach Eure Sache. Geht zum Prinzen, Eurem Bruder; seid nicht sparsam damit, ihm zu sagen, welchen Schimpf es seiner Ehre bringe, den hochberühmten Claudio (dessen Würdigung Ihr mächtig erheben müßt) mit einer verrufenen Dirne zu vermählen, wie diese Hero.

Don Juan.

Und welchen Beweis soll ich ihm davon geben?

Borachio.

Beweis genug, den Prinzen zu täuschen, Claudio zu quälen, Hero zugrunde zu richten und Leonato zu töten. Wollt Ihr denn noch mehr haben?

Don Juan.

Alles will ich dran setzen, nur um sie zu ärgern.

Borachio.

Nun wohl, so findet mir eine bequeme Stunde, in der Ihr Don Pedro und Graf Claudio beiseite nehmen könnt. Sagt ihnen, Ihr wüßtet, Hero liebe mich; zeigt einen besondern Eifer für den Prinzen wie für Claudio, und wie Ihr aus Besorgnis für Eures Bruders Ehre, der diese Heirat gemacht, und für seines Freundes Ruf, der im Begriff sei, durch die Larve eines Mädchens hintergangen zu werden, dies alles offenbartet. Sie werden Euch schwerlich ohne Untersuchung glauben: dann erbietet Euch, Beweise zu schaffen, und zwar nicht geringere, als daß sie mich an ihrem Kammerfenster sehn sollen; mich hören, wie ich Margareten Hero nenne, wie Margarete mich Borachio ruft: und dies alles laßt sie grade in der Nacht vor dem bestimmten Hochzeitstage sehn. Denn ich will indes die Sache so einrichten, daß Hero abwesend sein soll, und daß, wenn sich so wahrscheinliche Gründe für ihre Treulosigkeit häufen, Argwohn als Überzeugung erscheinen und die ganze Zurüstung unnütz werden soll.

Don Juan.

Mag daraus Unheil kommen, was will, ich unternehme es. Zeige dich gewandt in der Ausführung, und tausend Dukaten sollen deine Belohnung sein.

Borachio.

Bleibt nur standhaft in Eurer Anklage, meine Gewandtheit soll mir keine Schande machen.

Don Juan.

Ich will gleich gehn und hören, welchen Tag sie zur Hochzeit angesetzt haben. (Beide ab.)

Dritte Szene

Leonatos Garten Benedikt und ein Page treten auf

Benedikt.

Höre!

Page.

Signor?

Benedikt.

In meinem Kammerfenster liegt ein Buch, bringe mir das hieher in den Garten.

Page.

Ich bin schon hier, gnädiger Herr.

Benedikt.

Das weiß ich, aber ich will dich fort haben und hernach wieder hier. (Page geht.) Ich wundre mich doch außerordentlich, wie ein Mann, der sieht, wie ein anderer zum Narren wird, wenn er seine Gebärden der Liebe widmet, doch, nachdem er solche läppischen Torheiten an jenem verspottet, sich zum Gegenstand seiner eignen Verachtung macht, indem er sich selbst verliebt: und solch ein Mann ist Claudio. Ich weiß die Zeit, da ihm keine Musik recht war, als Trommel und Querpfeife, und nun hörte er lieber Tamburin und Flöte. Ich weiß die Zeit, wo er fünf Stunden zu Fuß gelaufen wäre, um eine gute Rüstung zu sehn, und jetzt könnte er fünf Nächte ohne Schlaf zubringen, um den Schnitt eines neuen Wamses zu ersinnen. Sonst sprach er schlicht vom Munde weg, wie ein ehrlicher Junge und ein guter Soldat; nun ist er ein Wortdrechsler geworden, seine Rede ist wie ein phantastisch besetztes Bankett, ebensoviel kurioses, seltsames Konfekt. – Sollt ich jemals so verwandelt werden können, solange ich noch aus diesen Augen sehe? Wer weiß: – Ich glaube es nicht. Ich will nicht darauf schwören, daß mich die Liebe nicht in eine Auster verwandeln könne; aber darauf möchte ich doch einen Eid ablegen, daß sie mich vorher erst in eine Auster verwandelt haben muß, eh sie einen solchen Narren aus mir machen soll. Dieses Mädchen ist schön, das tut mir noch nichts; ein andres hat Verstand, das tut mir auch nichts; eine dritte ist tugendhaft, das tut mir immer noch nichts: und bis nicht alle Vorzüge sich in einem Mädchen vereinigen, soll kein Mädchen bei mir einen Vorzug haben. Reich muß sie sein, das ist ausgemacht; verständig, oder ich mag sie nicht; tugendhaft, oder ich biete gar nicht auf sie; schön, oder ich sehe sie nicht an; sanft, oder sie soll mir nicht nahe kommen; edel, oder ich nehme sie nicht, und gäbe man mir noch einen Engel zu; angenehm in ihrer Unterhaltung, vollkommen in der Musik: und wenn sie das alles ist, so mag ihr Haar eine Farbe haben, wie es Gott gefällt. Ach! da kommen der Prinz und unser Amoroso. Ich will mich in die Laube verstecken. (Geht beiseite.) Don Pedro, Leonato und Claudio kommen.

Don Pedro.

Gefällt’s Euch jetzt, das Lied zu hören?

Claudio.

Ja, teurer Herr. – Wie still der Abend ist,

Wie schlummernd, daß Musik noch süßer töne! –

Don Pedro.

Seht Ihr, wie Benedikt sich dort versteckt?

Claudio.

Jawohl, mein Fürst. Wenn der Gesang beendigt,

Soll unser Füchslein gleich sein Teil erhalten. Balthasar mit Musik kommt.

Don Pedro.

Kommt, Balthasar, singt das Gedicht noch einmal.

Balthasar.

Mein Fürst, verlangt nicht von so rauher Stimme,

Zum zweitenmal dies Lied Euch zu verderben.

Don Pedro.

Stets war’s ein Merkmal der Vortrefflichkeit,

Durch Larve die Vollendung zu entstellen: –

Ich bitt dich sing, laß mich nicht länger werben.

Balthasar.

Weil Ihr von Werbung sprecht, so will ich singen,

Denn oft beginnt sein Werben ein Galan,

Wo ’s ihm der Müh nicht wert scheint: dennoch wirbt er

Und schwört, er sei verliebt.

Don Pedro.

Nun bitt ich, singe,

Und willst du erst noch länger präludieren,

So tu’s in Noten.

Balthasar.

Welche Not! die Noten

Sind der Notiz nicht wert, notiert Euch das.

Don Pedro.

Das nenn ich drei gestrichne Noten mir,

Not, Noten und Notiz! (Musik)

Benedikt.

Nun, divina musica. Nun ist seine Seele in Verzückung! Ist es nicht seltsam, daß Schafdärme die Seele aus eines Menschen Leibe ziehn können? Nun, im Ernst, eine Hornmusik wäre mir lieber. Lied.

Klagt, Mädchen, klagt nicht Ach und Weh,

Kein Mann bewahrt die Treue,

Am Ufer halb, halb schon zur See

Reizt, lockt sie nur das Neue.

Weint keine Trän und laßt sie gehn,

Seid froh und guter Dinge,

Daß statt der Klag und dem Gestöhn

Juchheisasa erklinge. Singt nicht Balladen trüb und bleich,

In Trauermelodien:

Der Männer Trug war immer gleich

Seitdem die Schwalben ziehen.

Weint keine Trän usw.

Don Pedro.

Auf meine Ehre, ein hübsches Lied.

Balthasar.

Und ein schlechter Sänger, gnädiger Herr.

Don Pedro.

Wie? O nein doch, du singst gut genug für den Notbehelf.

Benedikt (beiseite).

Wär’s ein Hund gewesen, der so geheult hätte, sie hätten ihn aufgehängt. Nun, Gott gebe, daß seine heisre Stimme kein Unglück bedeute! – Ich hätte ebenso gern den Nachtraben gehört, wäre auch alles erdenkliche Unglück danach erfolgt.

Don Pedro (zu Claudio).

Ja, Ihr habt recht. – Höre, Balthasar! Schaffe uns eine recht ausgesuchte Musik; morgen abend soll sie unter Fräulein Heros Fenstern spielen.

Balthasar.

Die beste, die ich finden kann, gnädiger Herr. (Ab mit den Musikern.)

Don Pedro.

Schön; – jetzt laß uns. – Kommt, Leonato, was erzähltet Ihr mir doch vorhin? Daß Eure Nichte Beatrice in Benedikt verliebt sei?

Claudio (beiseite).

O nur zu, nur zu, der Vogel sitzt. (Laut.) Ich hätte nie geglaubt, daß das Fräulein einen Mann lieben könnte.

Leonato.

Ich ebensowenig. Aber das ist eben das Wunderbarste, daß sie grade für den Benedikt schwärmt, den sie dem äußern Schein nach bisher verabscheute.

Benedikt.

Ist’s möglich? bläst der Wind aus der Ecke?

Leonato.

Auf mein Wort, gnädiger Herr, ich weiß nicht, was ich davon denken soll. Aber sie liebt ihn mit einer rasenden Leidenschaft, es geht über alle Grenzen der Vorstellung.

Don Pedro.

Vielleicht ist’s nur Verstellung.

Claudio.

Das möcht ich auch glauben.

Leonato.

O Gott, Verstellung? Es ist wohl noch nie eine verstellte Leidenschaft der lebendigen Leidenschaft so nahe gekommen, als sich’s an ihr äußert.

Don Pedro.

Nun, und welche Symptome der Leidenschaft zeigt sie denn?

Claudio (leise).

Jetzt ködert den Hamen, dieser Fisch wird anbeißen.

Leonato.

Welche Symptome, gnädiger Herr? Sie sitzt Euch da,… nun, meine Tochter sagte Euch ja, wie.

Claudio.

Ja, das tat sie.

Don Pedro.

Wie denn? Wie? Ihr setzt mich in Erstaunen. Ich hätte immer gedacht, ihr Herz sei ganz unempfindlich gegen alle Angriffe der Liebe.

Leonato.

Darauf hätte ich auch geschworen, mein Fürst, und besonders gegen Benedikt.

Benedikt (beiseite).

Ich hielte es für eine Prellerei, wenn’s der weißbärtige Kerl nicht sagte. Spitzbüberei, meiner Seele, kann sich doch nicht hinter solcher Ehrwürdigkeit verbergen.

Claudio (beiseite).

Jetzt hat’s gefaßt, nur immer weiter.

Don Pedro.

Hat sie Benedikt ihre Neigung zu erkennen gegeben?

Leonato.

Nein, sie schwört auch, dies nie zu tun: das ist eben ihre Qual.

Claudio.

Jawohl, darin liegt’s. Das sagte mir auch Eure Tochter; «Soll ich», sagte sie, «die ich ihm sooft mit Spott begegnet, ihm jetzt schreiben, daß ich ihn liebe?»

Leonato.

Das sagt sie, wenn sie grade einen Brief an ihn angefangen hat. Denn sie steht wohl zwanzigmal in der Nacht auf, und da sitzt sie dann in ihrem Nachtkleide und schreibt ganze Seiten voll – meine Tochter sagt uns alles. – – Und nachher zerreißt sie den Brief in tausend Hellerstückchen, zankt mit sich selbst, daß sie sowenig Zurückhaltung besitze, an jemand zu schreiben, von dem sie’s doch wisse, er werde sie verhöhnen: «Ich beurteile ihn», sagt sie, «nach meiner eigenen Sinnesart, denn ich würde ihn verhöhnen, wenn er mir schriebe; ja, wie sehr ich ihn liebe, ich tät es doch».

Claudio.

Dann nieder auf die Knie stürzt sie, weint, seufzt, schlägt sich an die Brust, zerrauft ihr Haar, betet, flucht: «O süßer Benedikt! Gott schenke mir Geduld!»

Leonato.

Freilich, das tut sie, das sagt mir meine Tochter, ja, sie ist so außer sich in ihrer Ekstase, daß meine Tochter zuweilen fürchtet, sie möchte in der Verzweiflung sich ein Leids tun: das ist nur zu wahr.

Don Pedro.

Es wäre doch gut, wenn Benedikt es durch jemand anders erführe, da sie es ihm nun einmal nicht entdecken wird.

Claudio.

Wozu? Er würde doch nur Scherz damit treiben und das arme Fräulein dafür ärger quälen.

Don Pedro.

Wenn er das täte, so wär’s ein gutes Werk, ihn zu hängen. Sie ist ein vortreffliches, liebes Fräulein und ihr guter Ruf über allen Verdacht erhaben.

Claudio.

Dabei ist sie ausgezeichnet verständig.

Don Pedro.

In allen andern Dingen, nur nicht darin, daß sie den Benedikt liebt.

Leonato.

O gnädiger Herr! wenn Verstand und Leidenschaft in einem so zarten Wesen miteinander kämpfen, so haben wir zehn Beispiele für eines, daß die Leidenschaft den Sieg davonträgt. Es tut mir leid um sie, und ich habe die gerechteste Ursache dazu, da ich ihr Oheim und Vormund bin.

Don Pedro.

Ich wollte, sie hätte diese Entzückungen mir gegönnt; ich hätte alle andern Rücksichten abgetan und sie zu meiner Hälfte gemacht. Ich bitte Euch, sagt doch dem Benedikt von der Sache und hört, was er erwidern wird.

Leonato.

Meint Ihr wirklich, daß es gut wäre?

Claudio.

Hero ist überzeugt, es werde ihr Tod sein; denn sie sagt, sie sterbe, wenn er sie nicht wiederliebe, und sie sterbe auch lieber, als daß sie ihm ihre Liebe entdecke; und wenn er sich wirklich um sie bewirbt, so wird sie eher sterben wollen, als das Geringste von ihrem gewohnten Widerspruchsgeist aufgeben.

Don Pedro.

Sie hat ganz recht; wenn sie ihm ihre Neigung merken ließe, so wär’s sehr möglich, daß er sie nur verlachte. Der Mann hat, wie ihr alle wißt, eine sehr übermütige Gesinnung.

Claudio.

Er ist sonst ein feiner Mann.

Don Pedro.

Er hat allerdings eine recht glückliche äußere Bildung.

Claudio.

Ganz gewiß, und wie mich dünkt, auch viel Verstand.

Don Pedro.

Es zeigen sich in der Tat mitunter Funken an ihm, welche wie Witz aussehn.

Leonato.

Und ich halte ihn auch für tapfer.

Don Pedro.

Wie Hektor, das versichre ich Euch; und nach der Art, wie er mit Händeln umzugehn versteht, muß man auch einräumen, daß er Klugheit besitzt. Denn entweder weicht er ihnen mit großer Vorsicht aus, oder er unterzieht sich ihnen mit einer christlichen Furcht.

Leonato.

Wenn er Gott fürchtet, so muß er notwendig Frieden halten. Wenn er den Frieden bricht, kann’s nicht anders sein, als daß er seine Händel mit Furcht und Zittern anfängt.

Don Pedro.

Und so ist es auch. Denn der Mann fürchtet Gott, obgleich nach seinen derben Späßen kein Mensch das von ihm glauben sollte. Mit alledem dauert mich Eure Nichte. Wollen wir gehn und Benedikt aufsuchen und ihm von ihrer Liebe sagen?

Claudio.

Nimmermehr, gnädigster Herr. Diese Schwachheit wird endlich verständigem Rate weichen.

Leonato.

Ach, das ist unmöglich. Eher wird ihr Leben von ihr weichen.

Don Pedro.

Nun, wir wollen hören, was Eure Tochter weiter davon sagt, und sich’s indes verkühlen lassen. Ich halte viel auf Benedikt und wünsche sehr, er möchte sich einmal mit aller Bescheidenheit prüfen und einsehn, wie wenig er eine so treffliche Dame zu besitzen verdient.

Leonato.

Wollen wir gehn, mein Fürst? Das Mittagessen wird fertig sein.

Claudio (beiseite).

Wenn er sich hierauf nicht sterblich in sie verliebt, so will ich nie wieder einer Wahrscheinlichkeit trauen.

Don Pedro (beiseite).

Man muß jetzt das nämliche Netz für sie aufstellen, und das laßt Eure Tochter und ihre Kammerfrau übernehmen. Der Spaß wird sein, wenn jeder von ihnen sich von der Leidenschaft des andern überzeugt hält, und ohne allen Grund. Das ist die Szene, die ich sehen möchte: es wird eine wahre Pantomime sein. Wir wollen sie abschicken, um ihn zu Tische zu rufen. (Don Pedro, Claudio und Leonato ab.)

Benedikt (tritt hervor).

Das kann keine Schelmerei sein; das Gespräch war zu ernsthaft. Sie haben die Gewißheit der Sache von Hero; sie scheinen das Fräulein zu bedauern: es scheint, ihre Leidenschaft hat die höchste Spannung erreicht. – In mich verliebt? Oh, das muß erwidert werden. Ich höre, wie man von mir denkt: sie sagen, ich werde mich stolz gebärden, wenn ich merke, wie sie mich liebt. Sie sagen ferner, sie werde eher sterben, als irgendein Zeichen ihrer Neigung geben. Ich dachte, nie zu heiraten; aber man soll mich nicht für stolz halten. Glücklich sind, die erfahren, was man an ihnen aussetzt, und sich danach bessern können. Sie sagen, das Fräulein sei schön; ja, das ist eine Wahrheit, die ich bezeugen kann; und tugendhaft: – allerdings, ich kann nichts dawider sagen; – und verständig, ausgenommen, daß sie in mich verliebt sei: – nun – meiner Treu, das ist eben kein Zuwachs ihrer Verständigkeit, aber doch kein großer Beweis ihrer Torheit, denn ich will mich entsetzlich wieder in sie verlieben. – Ich wage es freilich drauf, daß man mir etliche alberne Späße und Witzbrocken zuwirft, weil ich selbst so lange über das Heiraten geschmält habe; aber kann sich der Geschmack nicht ändern? Es liebt einer in seiner Jugend ein Gericht, das er im Alter nicht ausstehn kann – sollen wir uns durch Sticheleien und Sentenzen und derlei papierene Kugeln des Gehirns aus der rechten Bahn unsrer Laune schrecken lassen? Nein, die Welt muß bevölkert werden. Als ich sagte, ich wolle als Junggeselle sterben, dacht ich es nicht zu erleben, daß ich noch eine Frau nehmen würde. Da kommt Beatrice. Beim Sonnenlicht, sie ist schön! ich erspähe schon einige Zeichen der Liebe an ihr. Beatrice kommt.

Beatrice.

Wider meinen Willen hat man mich abgeschickt, Euch zu Tische zu rufen.

Benedikt.

Schöne Beatrice, ich danke Euch für Eure Mühe.

Beatrice.

Ich gab mir nicht mehr Mühe, diesen Dank zu verdienen, als Ihr Euch bemüht, mir zu danken. Wär es mühsam gewesen, so wär ich nicht gekommen.

Benedikt.

Die Bestellung machte Euch also Vergnügen?

Beatrice.

Ja, grade soviel, als Ihr auf einer Messerspitze nehmen könnt, um’s einer Dohle beizubringen. Ihr habt wohl keinen Appetit, Signor? So gehabt Euch wohl. (Ab.)

Benedikt.

Ah, «wider meinen Willen hat man mich abgeschickt, Euch zu Tische zu rufen!» Das kann zweierlei bedeuten: «es kostete mich nicht mehr Mühe, diesen Dank zu verdienen, als Ihr Euch bemüht, mir zu danken»: das heißt soviel als: jede Mühe, die ich für Euch unternehme, ist so leicht als ein Dank. Wenn ich nicht Mitleid für sie fühle, so bin ich ein Schurke; wenn ich sie nicht liebe, so bin ich ein Jude. Ich will gleich gehn und mir ihr Bildnis verschaffen. (Ab.)

Dritter Aufzug

Erste Szene

Es treten auf Hero, Margareta, Ursula

Hero.

Lauf, Margareta, in den Saal hinauf,

Dort findst du meine Muhme Beatrice

Mit Claudio und dem Prinzen im Gespräch:

Raun ihr ins Ohr, daß ich und Ursula

Im Garten sind und unsre Unterhaltung

Nur sie betrifft; sag, daß du uns behorcht.

Dann heiß sie schleichen in die dichte Laube,

Wo Geißblattranken, an der Sonn erblüht,

Der Sonne Zutritt wehren: – wie Günstlinge,

Von Fürsten stolz gemacht, mit Stolz verschatten

Die Kraft, die sie erschaffen. – Dort versteckt

Soll sie uns reden hören: dies besorge,

Mach deine Sachen gut und laß uns jetzt.

Margareta.

Ich schaffe gleich sie her, verlaßt Euch drauf. (Ab.)

Hero.

Nun, Ursula, wenn Beatrice kommt

Und wir im Baumgang auf- und niederwandeln,

Sei einzig nur vom Benedikt die Rede.

Wenn ich ihn nenne, sei es deine Rolle,

Ihn mehr, als je ein Mann verdient, zu loben.

Darauf erzähl ich dir, wie Benedikt

In Beatricen sterblich sei verliebt.

So schnitzt der kleine Gott die schlauen Pfeile,

Die schon durch Hören treffen. Jetz fang an:

Denn sieh nur, Beatrice, wie ein Kiebitz,

Schlüpft dicht am Boden hin, uns zu belauschen. (Beatrice schleicht in die Laube.)

Ursula.

Die Lust beim Angeln ist, sehn, wie der Fisch

Den Silberstrom mit goldnen Rudern teilt,

Den tückschen Haken gierig zu verschlingen.

So angeln wir nach jener, die sich eben

Geduckt dort in die Geißblatthülle birgt.

Sorgt nicht um meinen Anteil am Gespräch.

Hero.

Komm näher nun, daß nichts ihr Ohr verliere

Vom süßen Köder, den wir trüglich legen.

(Sie nähern sich der Laube.)

Nein, wahrlich, Ursula, sie ist zu stolz.

Ich kenn ihr Herz, es ist so spröd und wild

Wie ungezähmte Falken.

Ursula.

Ist’s denn wahr?

Liebt Benedikt so einzig Beatricen?

Hero.

So sagt der Prinz und auch mein Bräutigam.

Ursula.

Und trugen sie Euch auf, es ihr zu sagen?

Hero.

Sie baten mich, ich mög es ihr entdecken.

Ich sprach, da Benedikt ihr Freund, sie möchten

Ihm raten, diese Neigung zu besiegen,

Daß Beatrice nie davon erfahre.

Ursula.

Warum, mein Fräulein? Sagt, verdienet er

So reiche, vollbeglückte Ehe nicht,

Als Beatrice je gewähren kann?

Hero.

Beim Liebesgott! Ich weiß es, er verdient

Soviel, als man dem Manne nur vergönnt.

Doch schuf Natur noch nie ein weiblich Herz

Von spröderm Stoff, als das der Beatrice;

Hohn und Verachtung sprüht ihr funkelnd Auge

Und schmäht, worauf sie blickt: so hoch im Preise

Stellt sie den eignen Witz, daß alles andre

Ihr nur gering erscheint; sie kann nicht lieben,

Noch Bild und Form der Neigung in sich prägen,

So ist sie in sich selbst vergafft.

Ursula.

Gewiß,

Und darum wär’s nicht gut, erführe sie’s,

Wie er sie liebt; sie würd ihn nur verspotten.

Hero.

Da sagst du wahr. Ich sah noch keinen Mann,

So klug, so jung und brav, so schön gebildet,

Sie münzt ihn um ins Gegenteil. Wenn blond,

So schwur sie, sollt er ihre Schwester heißen.

Wenn schwarz, hatt‘ Natur einen Harlekin,

Sich zeichnend, einen Tintenfleck gemacht;

Schlank, war’s ein Lanzenschaft mit schlechtem Kopf,

Klein, ein Achatbild, ungeschickt geschnitzt:

Sprach er, ein Wetterhahn für alle Winde,

Schwieg er, ein Block, den keiner je bewegt.

So kehrt sie stets die falsche Seit hervor

Und gibt der Tugend und der Wahrheit nie,

Was Einfalt und Verdienst erwarten dürfen.

Ursula.

Gewiß, so scharfer Witz macht nicht beliebt.

Hero.

O nein! So schroff, so außer aller Form,

Wie’s Beatrice liebt, empfiehlt wohl nie.

Wer aber darf ihr’s sagen? Wollt ich reden,

Ich müßt an ihrem Spott vergehn; sie lachte

Mich aus mir selbst, erdrückte mich mit Witz.

Mag Benedikt drum wie verdecktes Feuer

In Seufzern sterben, innen sich verzehren:

Das ist ein beßrer Tod, als totgespottet,

Was schlimmer ist, als totgekitzelt werden.

Ursula.

Erzählt’s Ihr doch, hört, was sie dazu sagt.

Hero.

Nein, lieber geh ich selbst zu Benedikt

Und rat ihm, seine Leidenschaft zu zähmen.

Und wahrlich, einge ehrliche Verleumdung

Auf meine Muhm ersinn ich. Niemand glaubt,

Wie leicht ein böses Wort die Gunst vergiftet.

Ursula.

Tut Eurer Muhme nicht so großes Unrecht,

Sie kann nicht alles Urteil so verleugnen,

Mit soviel schnellem, scharfem Witz begabt

(Als man sie dessen rühmt), zurückzuweisen

Solch seltnen Kavalier als Signor Benedikt.

Hero.

In ganz Italien sucht er seinesgleichen:

Versteht sich, meinen Claudio ausgenommen.

Ursula.

Ich bitt Euch, zürnt mir deshalb nicht, mein Fräulein:

Nach meiner Ansicht glaub ich, Signor Benedikt

Gilt nach Gestalt und Haltung, Geist und Mut

In unserm Welschland für den ersten Mann.

Hero.

Gewiß, er ist von hochbewährtem Ruf.

Ursula.

Den ihm sein Wert verdient, eh er ihn hatte.

Wann macht Ihr Hochzeit, Fräulein?

Hero.

Nun, allernächstens; morgen wohl. Jetzt komm,

Ich will dir Kleider zeigen, rate mir,

Was morgen mich am besten schmücken wird.

Ursula.

Die klebt am Leim: Ihr fingt sie, dafür steh ich.

Hero.

So bringt ein Zufall Amorn oft Gelingen:

Den trifft sein Pfeil, den fängt er sich mit Schlingen. (Beide ab.)

Beatrice (kommt hervor)

Welch Feur durchströmt mein Ohr! Ist’s wirklich wahr?

Wollt ihr mir Spott und Hohn so scharf verweisen?

Leb wohl denn, Mädchenstolz, auf immerdar,

Mich lüstet nimmermehr nach solchen Preisen.

Und, Benedikt, lieb immer: so gewöhn ich

Mein wildes Herz an deine teure Hand:

Sei treu, und, Liebster, deine Treue krön ich,

Und unsre Herzen bind ein heilges Band.

Man sagt, du bist es wert, und ich kann schwören,

Ich wußt es schon, und besser als vom Hören. (Ab.)

Zweite Szene

Zimmer in Leonatos Hause

Don Pedro, Claudio, Benedikt und Leonato

Don Pedro.

Ich bleibe nur noch, bis Eure Hochzeit vorüber ist, und gehe dann nach Arragon zurück.

Claudio.

Ich will Euch dahin begleiten, mein Fürst, wenn Ihr mir’s vergönnen wollt.

Don Pedro.

Nein, das hieße, den neuen Glanz Eures Ehestands ebenso verderben, als einem Kinde sein neues Kleid zeigen und ihm verbieten, es zu tragen. Ich will mir nur Benedikts Gesellschaft erbitten, denn der ist von der Spitze seines Scheitels bis zur Sohle seines Fußes lauter Fröhlichkeit. Er hat Cupidos Bogensehne zwei- oder dreimal durchschnitten, und der kleine Henker wagt seitdem nicht mehr, auf ihn zu schießen. Er hat ein Herz, so gesund und ganz wie eine Glocke, und seine Zunge ist der Klöpfel, denn was sein Herz denkt, spricht seine Zunge aus.

Benedikt.

Ihr Herrn, ich bin nicht mehr, der ich war.

Leonato.

Das sag ich auch, mir scheint, Ihr seid ernster.

Claudio.

Ich hoffe, er ist verliebt.

Don Pedro.

Fort mit dem unnützen Menschen! – Es ist kein so wahrer Blutstropfen in ihm, daß er durch eine Liebe wahrhaft gerührt werden könnte; ist er ernst, so fehlt’s ihm an Geld.

Benedikt.

Mich schmerzt der Zahn.

Don Pedro.

Heraus damit! – Was! um Zahnweh seufzen?

Leonato.

Was doch nur ein Fluß oder ein Wurm ist?

Benedikt.

Gut, jeder kann den Schmerz bemeistern, nur der nicht, der ihn fühlt.

Claudio.

Ich bleibe doch dabei, er ist verliebt.

Don Pedro.

Es ist kein Zeichen verliebter Grillen an ihm, es müßte denn die Grille sein, mit der er in fremde Moden verliebt ist – also z. B. heut ein Holländer, morgen ein Franzos, oder in der Tracht zweier Länder zugleich, ein Deutscher, vom Gürtel abwärts ganz Pluderhosen, und ein Spanier drüber, ohne Wams. Hätte er also nicht eine verliebte Grille für diese Narrheit (wie er sie denn wirklich hat), so wäre er kein Narr aus Liebe, wie ihr ihn dazu machen wollt.

Claudio.

Wenn er nicht in irgendein Frauenzimmer verliebt ist, so traut keinem Wahrzeichen mehr. Er bürstet alle Morgen seinen Hut; was kann das sonst bedeuten?

Don Pedro.

Hat ihn jemand beim Barbier gesehn?

Claudio.

Nein, aber wohl den Barbiersdiener bei ihm, und die alte Zier seiner Wangen ist schon gebraucht, Bälle damit zu stopfen.

Leonato.

In der Tat, er sieht um einen Bart jünger aus.

Don Pedro.

Und was mehr ist, er reibt sich mit Bisam; merkt ihr nun, wo ’s ihm fehlt?

Claudio.

Das heißt mit andern Worten, der holde Knabe liebt.

Don Pedro.

Der größte Beweis ist seine Schwermut.

Claudio.

Und wann pflegte er sonst sein Gesicht zu waschen?

Don Pedro.

Ja, oder sich zu schminken? Ich höre aber wohl, was man deswegen von ihm sagt.

Claudio.

Und sein sprudelnder Geist! der jetzt in eine Lautensaite gekrochen ist und durch Griffe regiert wird.

Don Pedro.

Freilich, das alles kündigt eine tragische Geschichte an. Summa summarum, er ist verliebt.

Claudio.

Ja, und ich weiß auch, wer in ihn verliebt ist.

Don Pedro.

Nun, das möchte ich auch wissen. Ich wette, es ist eine, die ihn nicht kennt.

Claudio.

O freilich! Ihn und alle seine Fehler; und die demungeachtet für ihn stirbt.

Don Pedro.

Die muß mit dem Gesicht aufwärts begraben werden.

Benedikt.

Das alles hilft aber nicht für mein Zahnweh. Alter Herr, kommt ein wenig mit mir auf die Seite; ich habe acht oder neun vernünftige Worte ausstudiert, die ich Euch sagen möchte, und die diese Steckenpferde nicht zu hören brauchen. (Benedikt und Leonato ab.)

Don Pedro.

Ich wette mein Leben, er hält bei ihm um Beatricen an.

Claudio.

Ganz gewiß. Hero und Margarete haben unterdes ihre Rolle mit Beatricen gespielt, und nun werden wohl diese Bären einander nicht beißen, wenn sie sich begegnen. Don Juan kommt.

Don Juan.

Mein Fürst und Bruder, grüß Euch Gott!

Don Pedro.

Guten Tag, Bruder.

Don Juan.

Wenn es Euch gelegen wäre, hätte ich mit Euch zu reden.

Don Pedro.

Allein?

Don Juan.

Wenn es Euch gefällt – doch Graf Claudio mag’s immer hören; denn was ich zu sagen habe, betrifft ihn.

Don Pedro.

Wovon ist die Rede?

Don Juan.

Gedenkt Ihr Euch morgen zu vermählen, edler Herr?

Don Pedro.

Das wißt Ihr ja.

Don Juan.

Das weiß ich nicht, wenn er erst wissen wird, was ich weiß.

Claudio.

Wenn irgendein Hindernis stattfindet, so bitte ich Euch, entdeckt es.

Don Juan.

Ihr denkt vielleicht, ich sei Euer Freund nicht: das wird sich hernach ausweisen, und Ihr werdet mich besser würdigen, erfahrt Ihr, was ich Euch entdecken werde. Von meinem Bruder glaube ich, daß er Euch wohlwill und aus Herzensliebe Euch dazu verholfen hat, Eure baldige Heirat ins Werk zu richten. In Wahrheit, eine schlimm angebrachte Werbung! Eine schlimm verwandte Mühe! –

Don Pedro.

Nun? was wollt Ihr damit sagen?

Don Juan.

Ich kam hieher, es Euch mitzuteilen; und um die Sache kurz zu fassen – denn es ist schon zu lange die Rede davon gewesen – das Fräulein ist treulos.

Claudio.

Wer? Hero?

Don Juan.

Eben sie; Leonatos Hero, Eure Hero – jedermanns Hero.

Claudio.

Treulos?

Don Juan.

Das Wort ist zu gut, ihre Verderbtheit zu malen: ich könnte sie leicht schlimmer nennen. Denkt nur auf die schlimmste Benennung, ich werde sie rechtfertigen. Wundert Euch nicht, bis wir mehr Beweis haben: geht nur heut abend mit mir, dann sollt Ihr sehn, wie ihr Kammerfenster erstiegen wird, und zwar noch in der Nacht vor ihrem Hochzeitstage. Wenn Ihr sie dann noch liebt, so heiratet sie morgen; aber Eurer Ehre wird es freilich besser stehn, wenn Ihr Eure Gedanken ändert.

Claudio.

Wär es möglich?

Don Pedro.

Ich will es nicht glauben.

Don Juan.

Habt Ihr nicht Mut, zu glauben, was Ihr seht, so bekennt auch nicht, was Ihr wißt. Wollt Ihr mir folgen, so will ich Euch genug zeigen. Wenn Ihr erst mehr gehört und gesehn habt, so tut hernach, was Euch beliebt.

Claudio.

Sehe ich diese Nacht irgend etwas, weshalb ich sie morgen nicht heiraten könnte, so will ich sie vor der ganzen Versammlung, wo sie getraut werden sollte, beschimpfen.

Don Pedro.

Und so wie ich für dich warb, sie zu erlangen, so will ich mich nun mit dir vereinigen, sie zu beschämen.

Don Juan.

Ich will sie nicht weiter verunglimpfen, bis ihr meine Zeugen seid. Seid nur ruhig bis Mitternacht, dann mag der Ausgang sich offenbaren.

Don Pedro.

O Tag, verkehrt und leidig!

Claudio.

O Unglück, fremd und seltsam!

Don Juan.

O Schmach mit Glück verhütet:

So sollt ihr sagen, saht ihr erst den Ausgang. (Alle ab.)

Dritte Szene

Straße

Holzapfel, Schlehwein und Wache treten auf

Holzapfel.

Seid ihr fromme, ehrliche Leute und getreu?

Schlehwein.

Ja; sonst wär’s schade drum, wenn sie nicht die ewige Salvation litten an Leib und Seele.

Holzapfel.

Nein, das wäre noch viel zuwenig Strafe für sie, wenn sie nur irgendeine Legitimität an sich hätten, da sie doch zu des Prinzen Wache inkommodiert sind.

Schlehwein.

Richtig. Teilt ihnen jetzt ihr Kommando aus, Nachbar Holzapfel.

Holzapfel.

Erstens also. Wer meint ihr, der die meiste Unkapazität hätte, Konstabler zu sein? –

Erste Wache.

Veit Haberkuchen, Herr, oder Görge Steinkohle, denn sie können lesen und schreiben.

Holzapfel.

Kommt her, Nachbar Steinkohle. Gott hat Euch mit einem guten Namen gesegnet. Ein Mann von guter Physiognomik sein, ist ein Geschenk des Glücks; aber die Schreibe- und Lesekunst kommt von der Natur.

Zweite Wache.

Und beides, Herr Konstabler – –

Holzapfel.

Habt Ihr, ich weiß, daß Ihr das sagen wolltet. Also dann, was Eure Physiognomik betrifft, seht, da gebt Gott die Ehre und macht nicht viel Rühmens davon; und Eure Schreibe- und Lesekunst, damit könnt Ihr Euch sehn lassen, wo kein Mensch solche Dummheiten nötig hat. Man hält Euch hier für den allerstupidsten Menschen, um Konstabler bei unsrer Wache zu sein; darum sollt Ihr die Laterne halten. So lautet Eure Vorschrift: Ihr sollt alle Fragebunten irritieren; Ihr seid dazu da, daß Ihr allen und jedem zuruft: Halt! in des Prinzen Namen.

Zweite Wache.

Aber wenn nun einer nicht halten will?

Holzapfel.

Nun, seht Ihr, da kümmert Euch nicht um ihn, laßt ihn laufen, ruft sogleich die übrige Wache zusammen und dankt Gott, daß Ihr den Schelm los seid.

Schlehwein.

Wenn man ihn angerufen hat, und er will nicht stehn, so ist er keiner von des Prinzen Untertanen.

Holzapfel.

Richtig. Und mit solchen, die nicht des Prinzen Untertanen sind, sollen sie sich gar nicht abgeben. Dann sollt Ihr auch keinen Lärm auf der Straße machen, denn daß eine Wache auf dem Posten Toleranz und Spektakel treibt, kann gar nicht geduldet werden.

Zweite Wache.

Wir wollen lieber schlafen als schwatzen, wir wissen schon, was sich für eine Wache gehört.

Holzapfel.

Recht. Ihr sprecht wie ein alter und tranquiller Wächter; denn ich sehe auch nicht, was im Schlafen für Sünde sein sollte. Nur nehmt Euch in acht, daß sie Euch Eure Piken nicht stehlen. Ferner! Ihr sollt in allen Bierschenken einkehren, und den Besoffenen sollt Ihr befehlen, zu Bett zu gehn. –

Zweite Wache.

Aber wenn sie nun nicht wollen. –

Holzapfel.

Nun, seht Ihr, da laßt sie sitzen, bis sie wieder nüchtern sind. Und wenn sie Euch dann keine bessere Antwort geben, da könnt Ihr ihnen sagen, sie wären nicht die Leute, für die Ihr sie gehalten habt.

Zweite Wache.

Gut, Herr.

Holzapfel.

Wenn Ihr einem Diebe begegnet, so könnt Ihr ihn kraft Eures Amts in Verdacht haben, daß er kein ehrlicher Mann sei; und was dergleichen Leute betrifft, seht Ihr, je weniger Ihr mit Ihnen zu verkehren oder zu schaffen habt, je besser ist’s für Eure Repetition.

Zweite Wache.

Wenn wir’s aber von ihm wissen, daß er ein Dieb ist, sollen wir ihn da nicht festhalten?

Holzapfel.

Freilich, kraft Eures Amts könnt Ihr’s tun; aber ich denke, wer Pech angreift, besudelt sich: der friedfertigste Weg ist immer, wenn Ihr einen Dieb fangt, laßt ihn zeigen, was er kann und sich aus Eurer Gesellschaft wegstehlen.

Schlehwein.

Ihr habt doch immer für einen sanftmütigen Mann gegolten, Kamerad.

Holzapfel.

Das ist wahr, mit meinem Willen möcht ich keinen Hund hängen, wieviel mehr denn einen Menschen, der nur einige Redlichkeit im Leibe hat.

Schlehwein.

Wenn Ihr ein Kind in der Nacht weinen hört, so müßt Ihr der Amme rufen, daß sie’s stillt.

Zweite Wache.

Wenn aber die Amme schläft und uns nicht hört?

Holzapfel.

Nun, so zieht ihn Frieden weiter und laßt das Kind sie mit dem Schreien wecken. Denn wenn das Schaf sein Lamm nicht hören will, das da bäh schreit, so wird’s auch keinem Kalb antworten, wenn’s blökt.

Schlehwein.

Das ist sehr wahr.

Holzapfel.

Dies ist das Ende Eurer Destruktion: Ihr, Konstabler, sollt jetzt den Prinzen in eigner Person präsentieren: wenn Ihr dem Prinzen in der Nacht begegnet, könnt Ihr ihn stehen heißen.

Schlehwein.

Nein, mein Seel, das kann er doch wohl nicht.

Holzapfel.

Fünf Schillinge gegen einen: jedermann, der die Konstipation dieser Bürgerwache kennt, muß sagen, er kann ihn stehn heißen: aber zum Henker, versteht sich, wenn der Prinz Lust hat: denn freilich, die Wache darf niemand beleidigen, und es ist doch eine Beleidigung, jemand gegen seinen Willen stehn zu heißen.

Schlehwein.

Sapperment, das denk ich auch.

Holzapfel.

Ha, ha, ha! – Nun, Leute, gute Nacht. Sollte irgend eine Sache von Wichtigkeit passieren, so ruft nach mir. Wahret das Amtsgeheimnis, jeder für alle; und so schlaft wohl. Kommt, Nachbar.

Zweite Wache.

Nun, Leute, wir wissen jetzt, was unsres Amtes ist – kommt und setzt euch mit auf die Kirchenbank bis um zwei Uhr, und dann zu Bett.

Holzapfel.

Noch ein Wort, ehrliche Nachbarn. Ich bitte euch, wacht doch vor Signor Leonatos Türe, denn weil’s da morgen eine Hochzeit gibt, so wird heut abend viel Spektakel sein. Gott befohlen! Nun, gute Addition! das bitte ich euch. (Holzapfel und Schlehwein ab.)

Borachio und Konrad kommen.

Borachio.

He, Konrad.

Erste Wache.

Still! rührt Euch nicht. –

Borachio.

Konrad, sag ich!

Konrad.

Hier, Mensch! ich bin an deinem Ellbogen.

Borachio.

Zum Henker, mein Ellbogen juckte mir auch, ich wußte wohl, daß das die Krätze bedeuten würde.

Konrad.

Die Antwort darauf will ich dir schuldig bleiben; nun nur weiter in deiner Geschichte.

Borachio.

Stelle dich nur hart unter dieses Vordach, denn es fängt an zu regnen; und nun will ich dir, wie ein redlicher Trunkenbold, alles offenbaren.

Erste Wache.

Irgendeine Verräterei, Leute! Steht aber stockstill!

Borachio.

Wisse also, ich habe tausend Dukaten von Don Juan verdient.

Konrad.

Ist’s möglich, daß eine Schurkerei so teuer sein kann?

Borachio.

Du solltest lieber fragen, ob’s möglich sei, daß ein Schurke so reich sein könne: denn wenn die reichen Schurken der armen bedürfen, so können die armen fordern, was sie wollen.

Konrad.

Das wundert mich.

Borachio.

Man sieht wohl, du bist noch kein Eingeweihter, du solltest doch wissen, daß die Mode eines Mantels, eines Wamses oder eines Huts für einen Mann soviel als nichts ist.

Konrad.

Nun ja, es ist die Kleidung.

Borachio.

Ich meine aber die Mode.

Konrad.

Ja doch, die Mode ist die Mode.

Borachio.

Ach was, das heißt ebensoviel als ein Narr ist ein Narr. Aber siehst du denn nicht, was für ein mißgestaltet Schelm diese Mode ist?

Erste Wache.

Ei! den Herrn Mißgestalt kenne ich: der hat nun an die sieben Jahr das Schelmenhandwerk mitgemacht und geht jetzt herum wie ein vornehmer Herr; ich besinne mich auf seinen Namen.

Borachio.

Hörtest du nicht eben jemand?

Konrad.

Nein, es war die Fahne auf dem Hause.

Borachio.

Siehst du nicht, sag ich, was für ein mißgestalter Schelm diese Mode ist? Wie schwindlicht er all das hitzige, junge Blut zwischen vierzehn und fünfunddreißig herumdreht? Bald stutzt er sie dir zu, wie Pharaos Soldaten auf den schwarzgeräucherten Bildern, bald wie die Priester des Baal zu Babel auf den alten Kirchenfenstern, bald wie den kahlgeschornen Herkules auf den braunen, wurmstichigen Tapeten, wo sein Hosenlatz so groß ist wie seine Keule.

Konrad.

Kann sein, ich sehe auch, daß die Mode mehr Kleider aufträgt als der Mensch. Aber hat sie dich denn nicht auch schwindlicht gemacht, daß du von deiner Erzählung abgekommen bist, um mir von der Mode vorzufaseln?

Borachio.

Nicht so sehr, als du denkst. Wisse also, daß ich diese Nacht mit Margareten, Fräulein Heros Kammermädchen, unter Heros Namen ein Liebesgespräch geführt; daß sie sich aus ihres Fräuleins Fenster zu mir heruntergeneigt und mir tausendmal gute Nacht gewünscht hat: oh, ich erzähle dir die Geschichte erbärmlich: – ich hätte vorher sagen sollen, wie der Prinz, Claudio und mein Herr, gekörnt, gestellt und geprellt von meinem Herrn Don Juan, von weitem im Garten diese zärtliche Zusammenkunft mit ansahen.

Konrad.

Hielten sie denn Margarete für Hero?

Borachio.

Zwei von ihnen taten’s, der Prinz und Claudio; aber mein Herr, der Teufel, wußte wohl, daß es Margarete sei. Teils seine Schwüre, mit denen er sie vorher berückt hatte, teils die dunkle Nacht, die sie täuschte, vor allem aber meine künstliche Schelmerei, die alle Verleumdung des Don Juan bekräftigte, brachten’s so weit, daß Claudio wütend davonging und schwur, er wolle morgen, wie es verabredet war, in der Kirche mit ihr zusammenkommen, sie dann vor der ganzen Versammlung durch Entdeckung von dem, was er in der Nacht gesehn, beschimpfen und sie ohne Gemahl nach Hause schicken.

Erste Wache.

Wir befehlen euch in des Prinzen Namen, steht!

Zweite Wache.

Ruft den eigentlichen Herrn Konstabler; wir haben hier das allergefährlichste Stück von liederlicher Wirtschaft decoffriert, das jemals im Lande vorgefallen ist.

Erste Wache.

Und ein Herr Mißgestalt ist im Spiel, ich kenne ihn, er trägt eine Locke.

Konrad.

Liebe Herren…

Zweite Wache.

Ihr sollt uns den Herrn Mißgestalt herbeischaffen, das werden wir Euch wohl zeigen.

Konrad.

Meine Herren – –

Erste Wache.

Stillgeschwiegen! Ihr sollt wissen, daß wir Euch gehorchen, mit Euch zu gehn.

Borachio.

Wir werden da in eine recht bequeme Situation kommen, wenn sie uns erst auf ihre Piken genommen haben.

Konrad.

O ja, eine recht pikante Situation. Kommt, wir wollen mit euch gehn. (Alle ab.)

Vierte Szene

Zimmer in Leonatos Hause

Hero, Margareta, Ursula

Hero.

Liebe Ursula, wecke doch deine Muhme Beatrice und bitte sie, aufzustehn.

Ursula.

Sogleich, mein Fräulein.

Hero.

Und hieher zu kommen.

Ursula.

Sehr wohl. (Ab.)

Margareta.

Ich dächte doch, Eure andre Palatine sei noch schöner.

Hero.

Nein, liebes Gretchen, ich werde diese tragen.

Margareta.

Sie ist wahrhaftig nicht so hübsch, und ich stehe Euch dafür, Eure Muhme wird Euch dasselbe sagen.

Hero.

Meine Muhme ist eine Närrin, und du bist die zweite; ich werde keine andre als diese nehmen.

Margareta.

Euern neuen Aufsatz finde ich allerliebst, wenn das Haar nur um einen Gedanken brauner wäre; und Euer Kleid ist nach der geschmackvollsten Mode, das ist gewiß. Ich habe das Kleid der Herzogin von Mailand gesehn, von dem man soviel Wesens macht.

Hero.

Das soll ja über alles gehn, sagt man.

Margareta.

Auf meine Ehre, es ist nur ein Nachtkleid im Vergleich mit dem Eurigen. Das Zeug von Goldstoff und die Aufschnitte mit Silber garniert und mit Perlen gestickt; niederhängende und Seitenärmel, und Garnierungen unten herum, die mit einem bläulichen Lahn unterlegt sind. Was aber die schöne, ausgesuchte, gefällige und ganz besondere Mode betrifft, da ist Eures zehnmal mehr wert.

Hero.

Gott gebe, daß ich’s mit Freuden tragen möge, denn mein Herz ist erstaunlich schwer.

Margareta.

Es wird bald noch schwerer werden, wenn es erst das Gewicht eines Mannes tragen soll.

Hero.

Pfui doch, schämst du dich denn nicht? –

Margareta.

Warum denn, mein Fräulein? Daß ich von Dingen in Ehren rede? Ist nicht eine Heirat ein Ding in Ehren, auch bei Bettlern? Ist nicht Euer Herr ein Ehrenmann auch ohne Heirat? Ich hätte wohl sagen sollen – haltet mir’s zu Gnaden – das Gewicht eines Gemahls? Wenn nicht schlimme Gedanken gute Reden verdrehen, so werde ich niemanden Ärgernis geben. Ist wohl irgendein Anstoß darin, wenn ich sage: schwerer durch das Gewicht eines Gemahls? Nein, gewiß nicht, wenn es nur der rechte Mann und die rechte Frau sind, sonst freilich hieße das, die Sache leicht nehmen und nicht schwer. Fragt nur Fräulein Beatrice, hier kommt sie. Beatrice kommt.

Hero.

Guten Morgen, Muhme.

Beatrice.

Guten Morgen, liebe Hero.

Hero.

Nun, was ist dir? Du sprichst ja in einem so kranken Ton?

Beatrice.

Mich dünkt, aus allen andern Tonarten bin ich heraus. – Es ist gleich fünf Uhr, Muhme, es ist Zeit, daß du dich fertig machst. – Mir ist ganz krank zu Mut, wahrhaftig! – Ach!

Margareta.

Nun, wenn Ihr nicht eine Renegatin geworden seid, so kann man nicht mehr nach den Sternen segeln.

Beatrice.

Was meint die Närrin damit?

Margareta.

Ich? O gar nichts, aber Gott schenke jedem, was sein Herz wünscht.

Hero.

Diese Handschuhe schickte mir der Graf, es ist der lieblichste Wohlgeruch.

Beatrice.

Der Sinn ist mir benommen; ich rieche nichts.

Margareta.

Benommen? Oder eingenommen? je nun, man erkältet sich wohl.

Beatrice.

O Gott steh uns bei, Gott steh uns bei! Wie lange ist’s denn, daß du Jagd auf Witz machst?

Margareta.

Seitdem Ihr es aufgegeben habt, mein Fräulein. Steht mein Witz mir nicht vortrefflich?

Beatrice.

Er scheint noch nicht genug ins Feld, du solltest ihn an deiner Kappe tragen. – Aber auf mein Wort, ich bin recht krank.

Margareta.

Euer Gnaden sollten sich abgezogenen Kardobenedikt holen lassen und ihn aufs Herz legen; es gibt kein beßres Mittel für Beklemmungen.

Hero.

Da stichst du sie mit einer Distel.

Beatrice.

Benedikt? Warum Benedikt? Soll vielleicht eine Moral in dem Benedikt stecken?

Margareta.

Moral? Nein, mein‘ Treu, ich meinte nichts Moralisches damit, ich meinte natürliche Kardobenediktendistel. Ihr denkt vielleicht, ich halte Euch für verliebt. Nein, beim Himmel, ich bin nicht solch eine Närrin, daß ich alles denken sollte, was mir einfällt, und es fällt mir auch nicht ein, zu denken, was ich könnte. Denn wenn ich mir auch den Kopf ausdächte, so kann ich mir’s nicht denken, daß Ihr, mein Fräulein, verliebt seid, oder jemals sein werdet, oder jemals sein könnt. Und doch war Benedikt auch so einer, und ist jetzt ein Mensch wie andre. Er schwur, er wolle nie heiraten, und jetzt, trotz seinem hohen Sinn, verzehrt er sein Essen ohne Murren. Ob Ihr noch zu bekehren seid, weiß ich nicht; aber mir scheint, Ihr seht auch schon aus den Augen wie andre Mädchen.

Beatrice.

Was ist das für eine Art von Gang, den deine Zunge nimmt?

Margareta.

Kein falscher Galopp.

Ursula (kommt zurück).

Gnädiges Fräulein, macht Euch fertig, der Fürst, der Graf, Signor Benedikt, Don Juan und alle jungen Kavaliere aus der Stadt sind da, um Euch zur Kirche zu führen.

Hero.

Helft mir mich ankleiden, liebe Muhme, liebes Gretchen, liebe Ursula. (Alle ab.)

Fünfte Szene

Anderes Zimmer in Leonatos Hause

Leonato, Holzapfel, Schlehwein treten auf

Leonato.

Was habt Ihr mir zu sagen, mein ehrlicher Nachbar?

Holzapfel.

Ei, gnädiger Herr, ich möchte gern eine Konfidenz mit Euch haben, die Euch sehr introduziert.

Leonato.

Macht’s kurz, ich bitt Euch: Ihr seht, ich habe viel zu tun.

Holzapfel.

Ja, gnädiger Herr, so ist es.

Schlehwein.

Ja, wahrlich, so ist es.

Leonato.

Was ist denn, meine guten Freunde?

Holzapfel.

Der gute, liebe Schlehwein, mein gnädiger Herr, bleibt nicht recht bei der Sache. Ein alter Mann, gnädiger Herr! Und sein Verstand ist nicht so konfus, wie ich’s ihm mit Gottes Hilfe wünschen möchte. Aber, das muß ich sagen, ehrlich! ehrlich! wie die Haut zwischen seinen Augenbraunen!

Schlehwein.

Ja, gottlob! ich bin so ehrlich, als irgendein Mann auf der Welt, der ein alter Mann ist, und nicht ehrlicher als ich.

Holzapfel.

Korporationen sind odorös, palabras, Nachbar Schlehwein!

Leonato.

Nachbarn, ihr seid mir nachgrade ennuyant!

Holzapfel.

Das sagen Euer Gnaden nur so aus Höflichkeit, denn wir sind des armen Herzogs Gerichtsdiener. Aber wär ich auch so ennuyant als ein König, so wollt ich’s mich nicht dauern lassen und alles auf Euer Gnaden wenden.

Leonato.

Dein ganzes Talent zu ennuyieren auf mich?

Holzapfel.

Ja, und wenn’s noch tausendmal mehr wäre, als es schon ist; denn ich höre eine so gute Exklamation von Euer Gnaden, als von irgend jemand in der Stadt; und obgleich ich nur ein armer Mann bin, so freut’s mich doch, es zu hören.

Schlehwein.

Und mich auch.

Leonato.

Wenn ich nur wüßte, was ihr mir denn zu sagen habt.

Schlehwein.

Seht Ihr, Herr, unsre Wache hat diese Nacht, immer in Exzeption von Eurer höchsten Gegenwart, ein paar so durchtriebne Spitzbuben aufgefangen, als nur in Messina zu finden sind.

Holzapfel.

Ein guter, alter Mann, gnädiger Herr! Er muß immer was zu schwatzen haben; wie man zu sagen pflegt: Wenn das Alter eintritt, geht der Verstand zu Ende. Gott steh mir bei! Man sollt’s nicht glauben! Brav, meiner Treu, Nachbar Schlehwein! Seht Ihr, der liebe Gott ist ein guter Mann; wenn ihrer zwei auf einem Pferde reiten, so muß schon einer hinten aufsitzen. Eine ehrliche Seele, meiner Treu! Ja, gnädiger Herr, das ist er, so gut als einer, der Brot ißt. Aber was Gott tut, das ist wohlgetan. Die Menschen können nicht alle gleich sein. Ja, ja! der liebe, gute Nachbar!

Leonato.

In der Tat, Nachbar, er reicht doch nicht an Euch.

Holzapfel.

Gaben, die von Gott kommen.

Leonato.

Ich muß gehn.

Holzapfel.

Ein einziges Wort, gnädiger Herr: unsre Wache hat wirklich zwei perspektivische Kerls imitiert, und wir möchten, daß Euer Gnaden sie noch heut morgen exanimierten.

Leonato.

Übernehmt dieses Examen selbst und bringt mir das Protokoll. Ich bin jetzt sehr eilig, wie ihr wohl seht.

Holzapfel.

Das soll aufs komplottste besorgt werden.

Leonato.

Trinkt ein Glas Wein, ehe ihr geht, und so lebt wohl! Ein Diener kommt.

Diener.

Gnädiger Herr, man wartet auf Euch, um Euer Fräulein Tochter zur Trauung zu führen.

Leonato.

Ich komme gleich, ich bin fertig. (Ab.)

Holzapfel.

Geht doch, lieber Kamerad, geht doch zum Görge Steinkohle, sagt doch, er soll seine Feder und Tintenfaß mit ins Gefängnis nehmen. Wir sollen jetzt hin und diese Kerls exanimieren.

Schlehwein.

Und das muß mit Verstand geschehn.

Holzapfel.

An Verstand soll’s nicht fehlen, darauf verlaßt Euch. Hier sitzt was (an die Stirn deutend), das soll einen oder den andern schon zur Konfektion bringen. Holt Ihr nur den gelehrten Schreiber, um unsre ganze Exkommunikation zu Papiere zu liefern, und kommt dann wieder zu mir ins Gefängnis. (Gehn ab.)

Vierter Aufzug

Erste Szene

In der Kirche Don Pedro, Don Juan, Leonato, Mönch, Claudio, Benedikt, Hero und Beatrice

Leonato.

Wohlan, Pater Franziskus, macht’s kurz; nichts als was zur eigentlichen Trauung gehört. Ihre besonderen Pflichten könnt Ihr ihnen hernach vorhalten.

Mönch.

Ihr seid hier, gnädiger Herr, um Euch diesem Fräulein zu vermählen?

Claudio.

Nein.

Leonato.

Um mit ihr vermählt zu werden, Pater; Ihr seid hier, um sie zu vermählen.

Mönch.

Fräulein, seid Ihr hier, um mit diesem Grafen vermählt zu werden?

Hero.

Ja.

Mönch.

Wofern einer von euch ein innres Hindernis weiß, weshalb ihr nicht verbunden werden dürfet, so beschwöre ich euch, bei dem Heil eurer Seelen, es zu entdecken.

Claudio.

Wißt Ihr eines, Hero?

Hero.

Keines, Herr.

Mönch.

Wißt Ihr eines, Graf?

Leonato.

Ich getraue mich, für ihn zu antworten: keines.

Claudio.

Oh, was sich die Menschen nicht alles getrauen! Was sie alles tun! Was sie täglich tun, und wissen nicht, was sie tun! –

Benedikt.

Nun? Interjektionen? Freilich! Einige werden gebraucht beim Lachen, als z.B. Ha, ha, ha! –

Claudio.

Pater, mach Platz! Erlaubt ein Wort, mein Vater:

Gabt Ihr aus freier Wahl mir, ohne Zwang,

Dies Mädchen, Eure Tochter?

Leonato.

So frei, mein Sohn, als Gott sie mir gegeben.

Claudio.

Und was geb ich zurück Euch, dessen Wert

So reichem, köstlichem Geschenk entspräche?

Don Pedro.

Nichts, wenn Ihr nicht zurück sie selbst erstattet.

Claudio.

Ihr lehrt mich edle Dankbarkeit, mein Prinz.

Hier, Leonato, nehmt zurück sie wieder,

Gebt Eurem Freunde nicht die faule Frucht,

Sie ist nur Schein und Zeichen ihrer Ehre. –

Seht nur, wie mädchengleich sie jetzt errötet.

O wie vermag in Würd und Glanz der Tugend

Verworfne Sünde listig sich zu kleiden!

Zeugt nicht dies Blut als ein verschämter Anwalt

Von ihrer schlichten Tugend? Schwürt ihr nicht,

Ihr alle, die sie seht, sie sei noch schuldlos,

Nach diesem äußern Schein? Doch ist sie’s nicht:

Sie kennt die Gluten heimlicher Umarmung,

Nur Schuld, nicht Sittsamkeit, ist dies Erröten.

Leonato.

Was meint Ihr, Herr?

Claudio.

Sie nicht zu nehmen, mein ich,

Mein Herz an keine Buhlerin zu knüpfen.

Leonato.

Mein teurer Graf, wenn Ihr in eigner Prüfung

Schwach ihre unerfahrne Jugend traft

Und ihre Jungfraunehre überwandet –

Claudio.

Ich weiß schon, was Ihr meint! Erkannt ich sie,

Umarmte sie in mir nur ihren Gatten

Und milderte die vorbegangne Sünde:

Nein, Leonato!

Nie mit zu freiem Wort versucht ich sie;

Stets wie ein Bruder seiner Schwester zeigt ich

Schamhafte Ehrbarkeit und züchtge Liebe.

Hero.

Und hab ich jemals anders Euch geschienen?

Claudio.

Fluch deinem Schein! Ich will dagegen schreiben.

Du schienst Diana mir in ihrer Sphäre,

Keusch wie die Knospe, die noch nicht erblüht:

Doch du bist ungezähmt in deiner Lust,

Wie Venus oder jene üppgen Tiere,

Die sich im wilden Sinnentaumel wälzen.

Hero.

Ist meinem Herrn nicht wohl, daß er so spricht?

Claudio.

Ihr, teurer Fürst, sagt nichts?

Don Pedro.

Was soll ich sagen?

Ich steh entehrt, weil ich die Hand geboten,

Den teuern Freund der Dirne zu verknüpfen.

Leonato.

Wird dies gesprochen oder ist’s ein Traum?

Don Juan.

Es wird gesprochen, Herr, und ist auch wahr.

Benedikt.

Dies sieht nicht aus wie Hochzeit.

Hero.

Wahr? O Gott! –

Claudio.

Leonato, steh ich hier?

Ist dies der Prinz, ist dies des Prinzen Bruder?

Dies Heros Antlitz? Sind dies unsre Augen? –

Leonato.

Das alles ist so; doch was soll es, Herr?

Claudio.

Erlaubt nur eine Frag an Eure Tochter:

Beim Recht, das Euch Natur und Blut gegeben

Auf Euer Kind, heißt sie die Wahrheit reden.

Leonato.

Tu’s, ich befehl es dir, wenn du mein Kind.

Hero.

O Gott, beschütze mich! Wie man mich drängt! –

Wie nennt Ihr diese Weise des Verhörs?

Claudio.

Antwortet jetzt, nennt wahrhaft Euren Namen.

Hero.

Ist der nicht Hero? Wer schmäht diesen Namen

Mit irgend wahrem Vorwurf?

Claudio.

Das tut Hero,

Ja, Hero selbst kann Heros Tugend schmähn. –

Wer ist der Mann, den gestern nacht Ihr spracht

Aus Eurem Fenster zwischen zwölf und eins?

Wenn Ihr unschuldig seid, antwortet mir.

Hero.

Ich sprach mit keinem Mann zu dieser Stunde.

Don Pedro.

Nun wohl, so seid Ihr schuldig! Leonato,

Mich schmerzt, daß Ihr dies hört, bei meiner Ehre!

Ich selbst, mein Bruder, der gekränkte Graf,

Sahn sie und hörten sie zu jener Stunde

An ihrem Fenster mit ’nem Wüstling reden,

Der, wie ein frecher Schuft, auch eingestand

Die tausend schändlichen Zusammenkünfte,

So heimlich stattgehabt.

Don Juan.

Pfui! Pfui! man kann

Sie nicht benennen, Herr, noch drüber reden.

Die Sprach ist nicht so rein, um ohne Sünde

Davon zu sprechen; drum, mein schönes Kind,

Beklag ich Euren schlecht beratnen Wandel.

Claudio.

O Hero! Welche Hero könntst du sein,

Wenn halb nur deine äußre Huld im Innern

Dein Tun und deines Herzens Rat bewachte!

So fahr denn wohl, höchst Häßliche, höchst Schöne!

Du reine Sündlichkeit, sündhafte Reinheit!

Um deinethalb schließ ich der Liebe Tor

Und häng als Decke Argwohn vor mein Auge;

Sie wandle jede Schönheit mir in Unheil,

Daß nie ihr Bild im Glanz der Huld mir strahle.

Leonato.

Ist niemands Dolch für meine Brust geschliffen? (Hero fällt in Ohnmacht.)

Beatrice.

Was ist dir, Muhme? warum sinkst du nieder?

Don Juan.

Kommt, gehn wir. Diese Schmach ans Licht gebracht,

Löscht ihre Lebensgeister. (Don Pedro, Don Juan und Claudio ab.)

Benedikt.

Wie geht’s dem Fräulein?

Beatrice.

Tot, fürcht ich – Oheim, helft!

Hero! ach Hero! Oheim! Pater! Benedikt! –

Leonato.

Zieh, Schicksal, nicht die schwere Hand zurück!

Tod ist die schönste Hülle ihrer Schmach,

Und einzig zu erflehn.

Beatrice.

Wie ist dir, Muhme?

Mönch.

Getrost, mein Fräulein!

Leonato.

Blickst du noch auf?

Mönch.

Ja, warum soll sie nicht?

Leonato.

Warum? Ha! ruft nicht jede Kreatur

Schmach über sie? Vermochte sie es wohl,

Die in ihr Blut geprägte Schuld zu leugnen?

Du sollst nicht leben? Schließ dein Aug auf ewig!

Denn glaubt ich nicht, daß du alsbald hier stürbest,

Daß deine Kraft die Schande überlebte,

Ich würde selbst als Schlußwort meiner Flüche

Dein Herz durchbohren. – Klagt ich, du seist mein Einzges?

Zürnt ich deshalb der kargenden Natur?

O eins zuviel an dir! Weshalb das Eine! –

Weshalb warst du je lieblich meinem Auge,

Weshalb nicht nahm ich mit barmherzger Hand

Ein Bettlerkind mir auf vor meinem Tor?

Daß, wenn es so mit Schmach besudelt wäre,

Alsdann ich spräch: kein Teil davon ist mein,

Im fremden Stamm hat diese Schande Wurzel. –

Doch mein! meins, das ich liebte, das ich pries,

Mein Eigentum, mein Stolz: so sehr ja meins,

Daß ich mir selbst nicht mehr als mein erschien,

Mich an ihr messend: Ha, sie! sie ist gefallen

In einen Pfuhl von Schwarz: die weite See

Hat Tropfen nicht genug, sie reinzuwaschen,

Zu wenig Salz, vor Fäulnis zu bewahren

Dies bös verderbte Fleisch!

Benedikt.

Herr, seid geduldig;

Ich, wahrlich, bin vor Staunen so betäubt,

Daß mir die Worte fehlen.

Beatrice.

Bei meinem Leben! man verleumdet‘ sie!

Benedikt.

Fräulein, schlieft Ihr zu Nacht in ihrem Zimmer?

Beatrice.

Nein, diesmal nicht; doch bis zur letzten Nacht

Schlief ich das ganze Jahr in ihrer Kammer.

Leonato.

Bestätigt! Ha, bestätigt! Noch verstärkt,

Was schon verschlossen war mit Eisenbanden!

Wie könnten beide Prinzen, Claudio, lügen?

Der so sie liebte, daß, die Schmach erzählend,

Er sie mit Tränen wusch? Fort! laßt sie sterben.

Mönch.

Hört jetzt mich an;

Denn nur deshalb hab ich so lang geschwiegen

Und diesem Vorfall freien Raum gegeben,

Das Fräulein zu beachten. Sah ich doch,

Wie tausend Röten durch ihr Antlitz fuhren

Als Boten; und wie tausend Unschuldsengel

In weißer Scham hinweg die Röten trieben.

Und in dem Auge glüht‘ ein Feuer auf,

Verbrennend allen Irrwahn, den die Prinzen

Aufstellten wider ihre Mädchentreu.

– – Nennt mich Tor,

Traut meinem Wissen nicht, noch der Erfahrung,

Die mit der Prüfung Siegel stets bekräftigt

Die Wahrheit meines Wissens, nicht dem Alter,

Ehrwürdgem Stand, Beruf und heilgem Amt,

Liegt nicht dies süße Fräulein schuldlos hier,

Von giftgem Wahn getroffen.

Leonato.

Mönch, unmöglich!

Du siehst, es blieb ihr nur so viele Gnade,

Nicht zur Verdammnis ihrer Schuld zu fügen

Des Meineids Sünde. Leugnet sie es denn?

Was suchst du denn entschuldgend zu verhüllen,

Was frei in eigner Nacktheit vor uns steht?

Mönch.

Fräulein, wer ist’s, mit dem man Euch verklagt?

Hero.

Die mich verklagten, wissen’s, ich weiß keinen.

Weiß ich von irgendeinem Mann, der lebt,

Mehr, als der Jungfrau Sittsamkeit erlaubt

Sei keine Sünde mir vergeben. – Vater,

Beweist, daß irgendwer mit mir gesprochen

Um Mitternacht, und daß ich gestern abend

Mit irgendeinem Wesen Wort gewechselt,

Verstoßt mich, haßt mich, martert mich zu Tode.

Mönch.

Ein seltsam Irren muß die Prinzen täuschen!

Benedikt.

Gewiß sind zwei von ihnen Ehrenmänner;

Und ward ihr beßres Urteil fehlgeleitet,

Schreibt sich die Bosheit wohl vom Bastard her,

Des Geist und Sinn nur lebt von Trug und Tücke.

Leonato.

Ich weiß nicht. Sprachen wahr sie, so zerreiße

Dich diese Hand; ist falsch sie angeklagt,

So soll der Stolzeste wohl davon hören.

Zeit hat noch nicht mein Blut so ausgetrocknet,

Noch Alter meinen Geist so abgestumpft,

Noch Armut mein Vermögen so vernichtet,

Noch schlechter Wandel mich beraubt der Freunde,

Daß sie nicht, so mich kränkend, fühlen sollen

Der Glieder Kraft, als auch des Geistes Klugheit,

Des Reichtums Macht und auserwählter Freunde,

Es ihnen übergnug zu zahlen.

Mönch.

Haltet!

Laßt meinen Rat in diesem Fall Euch leiten.

Die Prinzen ließen Eure Tochter tot;

Laßt eine Zeitlang heimlich sie verschließen

Und macht bekannt, daß wirklich sie gestorben.

Entfaltet allen äußern Prunk der Trauer;

Und hängt an Eurer Ahnen altes Grabmal

Ein Epitaph; vollziehet jede Feier,

Die zur Beerdigung die Sitt erheischt.

Leonato.

Und wohin führt dies alles? Was dann weiter?

Mönch.

Dies wird, gut durchgeführt, Verleumdung wandeln

In Mitleid gegen sie; das ist schon viel.

Doch mehr noch träum ich von so kühnem Wagnis,

Von größerer Geburt aus diesen Wehn.

Sie starb, so muß man überall verbreiten,

Im Augenblick, als man sie angeklagt;

So wird sie dann entschuldigt und bedauert

Von jedem, der es hört; denn so geschieht’s,

Daß, was wir haben, wir nach Wert nicht achten,

Solange wir’s genießen; ist’s verloren,

Dann überschätzen wir den Preis; ja dann

Erkennen wir den Wert, den uns Besitz

Mißachten ließ. So wird’s mit Claudio sein,

Hört er, daß seine Worte sie getötet.

Mit süßer Macht schleicht ihres Lebens Bild

Sich in die Werkstatt seiner Phantasie,

Und jedes liebliche Organ des Lebens

Stellt sich, in köstliches Gewand gekleidet,

Weit zarter, rührender, voll frischern Lebens

Dem innern Auge seines Geistes dar,

Als da sie wirklich lebt‘; und er wird trauern,

Hat Lieb in seinem Herzen je geherrscht,

Und wünschen, daß er nicht sie angeklagt,

Selbst wenn er auch die Schuld als wahr erkannte.

Geschieht dies nun, so zweifelt nicht, Erfolg

Wird diese Sache besser noch gestalten,

Als ich das ungefähre Bild entwerfe.

Doch wär auch jeglich andres Ziel verfehlt,

Die Überzeugung von des Fräuleins Tod

Tilgt das Gerücht von ihrer Schmach gewiß;

Und schlüg Euch alles fehl, so bergt sie dann,

Wie’s ihrem wunden Ruf am besten ziemt

In eines Klosters abgeschiednem Leben

Vor aller Augen, Zungen, Schmähn und Kränkung.

Benedikt.

Signor Leonato, folgt dem Rat des Mönchs,

Und wißt Ihr schon, wie sehr ich Lieb und Neigung

Dem Prinzen und Graf Claudio zugewendet,

Doch will ich, auf mein Wort, so sorglich schweigen,

So streng und treu für Euch, wie Eure Seele

Sich selber bleibt.

Leonato.

In dieser Flut des Grams

Mögt ihr mich lenken an dem schwächsten Faden.

Mönch.

So sei denn, wenn Euch Fassung nicht verläßt,

Seltsame Heilung seltnem Schmerz beschieden. –

Ihr, Fräulein, sterbt zum Schein; Eur Hochzeitsfest

Ward, hoff ich, nur verlegt; drum harrt in Frieden. (Mönch, Hero und Leonato ab.)

Benedikt.

Fräulein Beatrice, habt Ihr die ganze Zeit geweint?

Beatrice.

Ja, und ich werde noch viel länger weinen.

Benedikt.

Das will ich nicht wünschen.

Beatrice.

Dessen bedarf’s auch nicht, ich tu es freiwillig.

Benedikt.

Gewiß, ich denke, Eurer schönen Base ist Unrecht geschehn.

Beatrice.

Ach! Wie hoch würde der Mann sich um mich verdient machen, der ihr Recht verschaffte!

Benedikt.

Gibt es irgendeinen Weg, solche Freundschaft zu zeigen?

Beatrice.

Einen sehr ebnen Weg, aber keinen solchen Freund.

Benedikt.

Kann ein Mann es vollbringen?

Beatrice.

Es ist eines Mannes Amt, aber nicht das Eure.

Benedikt.

Ich liebe nichts in der Welt so sehr, als Euch; ist das nicht seltsam?

Beatrice.

So seltsam, als etwas, von dem ich nichts weiß. Es wäre mir ebenso möglich, zu sagen, ich liebte nichts in der Welt so sehr, als Euch; aber glaubt mir’s nicht; und doch lüg ich nicht; ich bekenne nichts und leugne nichts. Mich jammert meine Muhme.

Benedikt.

Bei meinem Degen, Beatrice, du liebst mich.

Beatrice.

Schwört nicht bei Eurem Degen und eßt ihn.

Benedikt.

Ich will bei ihm schwören, daß du mich liebst; und ich will den zwingen, meinen Degen zu essen, der da sagt, ich liebe Euch nicht.

Beatrice.

Ihr wollt Euer Wort nicht wiederessen?

Benedikt.

Mit keiner Brühe, die nur je ersonnen werden kann. Ich beteure, daß ich dich liebe.

Beatrice.

Nun denn, Gott verzeihe mir!

Benedikt.

Was für eine Sünde, liebste Beatrice?

Beatrice.

Ihr unterbracht mich eben zur guten Stunde; ich war im Begriff zu beteuern, ich liebte Euch.

Benedikt.

Tue das von ganzem Herzen.

Beatrice.

Ich liebe Euch mit soviel von meinem Herzen, daß nichts mehr übrigbleibt, es Euch dabei zu beteuern.

Benedikt.

Heiß mich, was du willst, für dich ausführen.

Beatrice.

Ermorde Claudio.

Benedikt.

Oh, nicht für die ganze Welt!

Beatrice.

Ihr ermordet mich, indem Ihr’s weigert; lebt wohl!

Benedikt.

Warte noch, süße Beatrice.

Beatrice.

Ich bin fort, obgleich ich noch hier bin. – Nein, Ihr seid keiner Liebe fähig; – nein, ich bitt Euch, laßt mich.

Benedikt.

Beatrice – –

Beatrice.

Im Ernst, ich will gehn.

Benedikt.

Laßt uns erst Freunde sein.

Beatrice.

O ja, Ihr wagt eher Freund mit mir zu sein, als mit meinem Feinde zu fechten.

Benedikt.

Ist Claudio dein Feind?

Beatrice.

Hat sich der nicht auf den äußersten Grad als ein Schurke gezeigt, der meine Verwandte verleumdet, geschmäht, entehrt hat? Oh, daß ich ein Mann wäre! – Was! Sie hinzuhalten, bis sie ihm am Altar die Hand hinhält, und dann mit so öffentlicher Beschuldigung, so unverhohlener Beschimpfung, so unbarmherziger Tücke – o Gott! daß ich ein Mann wäre! ich wollte sein Herz auf offnem Markt verzehren.

Benedikt.

Höre mich, Beatrice – –

Beatrice.

Mit einem Manne aus ihrem Fenster reden! Ein feines Märchen!

Benedikt.

– Nein, aber Beatrice – –

Beatrice.

Die süße Hero! Sie ist gekränkt, sie ist verleumdet, sie ist vernichtet!

Benedikt.

Beatr… – –

Beatrice.

Prinzen und Grafen! Wahrhaftig, ein recht prinzliches Zeugnis! ein honigsüßes Grafenstückchen! ein lieber Bräutigam, wahrhaftig! O daß ich ein Mann wäre um seinetwillen! oder daß ich einen Freund hätte, der um meinetwillen ein Mann sein wollte! Aber Mannheit ist in Zeremonien und Höflichkeiten zerschmolzen, Tapferkeit in Komplimente; die Männer sind ganz Zungen geworden, und noch dazu sehr gezierte. Es ist jetzt schon einer ein Herkules, der nur eine Lüge sagt und darauf schwört; ich kann durch meinen Wunsch kein Mann werden, so will ich denn als ein Weib mich grämen und sterben.

Benedikt.

Warte, liebste Beatrice; bei dieser Hand, ich liebe dich.

Beatrice.

Braucht sie mir zuliebe zu etwas Besserm, als dabei zu schwören!

Benedikt.

Seid Ihr in Eurem Gewissen überzeugt, daß Graf Claudio Hero Unrecht getan hat?

Beatrice.

Ja, so gewiß ich einen Gedanken oder eine Seele habe.

Benedikt.

Genug, zählt auf mich. Ich fordre ihn heraus. Laßt mich Eure Hand küssen; und so empfehle ich mich Euch; bei dieser Hand, Claudio soll mir eine schwere Rechenschaft ablegen. Wie Ihr von mir hört, so denket von mir. Geht, tröstet Eure Muhme; ich muß sagen, sie sei gestorben, und so lebt wohl! (Beide ab.)

Zweite Szene

Gefängnis

Holzapfel, Schlehwein, Schreiber; alle drei in ihren Amtsröcken,

Wache mit Konrad und Borachio

Holzapfel.

Sind alle Verschwornen unsres Trübenaals beisammen?

Schlehwein.

Oh, einen Stuhl und Kissen für den Herrn Schreiber.

Schreiber.

Welches sind die Malefikanten?

Holzapfel.

Zum Henker, der bin ich und mein Gevatter.

Schlehwein.

Das versteht sich. Wir haben die Introduktion, sie zu exanimieren.

Schreiber.

Aber wo sind die Verbrecher, die examiniert werden sollen? Laßt sie vor den Herrn Konstabler führen.

Holzapfel.

Ja, zum Henker, laßt sie vorführen. Wie ist sein Name, Freund?

Borachio.

Borachio.

Holzapfel.

Seid so gut, schreibt’s auf, Borachio. – Seiner, Musjeh? –

Konrad.

Ich bin ein Kavalier, Herr, und mein Name ist Konrad.

Holzapfel.

Schreibt auf, Meister Kavalier Konrad. Leute, sagt einmal, dient ihr Gott?

Konrad und Borachio.

Nun, das hoffen wir.

Holzapfel.

Schreibt’s nieder: sie hoffen, sie dienen Gott, und schreibt Gott voran: denn Gott bewahre doch, daß Gott vor solchen Schelmen vorangehn sollte. Leute, es ist bereits erwiesen, daß ihr nicht viel besser seid als Spitzbuben, und man wird bald genug eine Ahndung davon kriegen. Was könnt ihr nun für euch anführen?

Konrad.

Ei nun, Herr, wir sagen, wir sind keine.

Holzapfel.

Ein verdammt pfiffiger Bursch, das muß ich sagen; aber ich will schon mit ihm fertig werden. – Kommt einmal hier heran, Musjeh; ein Wort ins Ohr, Herr: ich sage Ihm, man glaubt von euch, ihr seid zwei Spitzbuben.

Borachio.

Herr, ich sage Euch, wir sind keine.

Holzapfel.

Tretet wieder auf die Seite. Bei Gott, sprechen sie nicht, als hätten sie sich miteinander verabredet? Habt Ihr’s hingeschrieben, daß sie keine sind? –

Schreiber.

Herr Konstabler, das ist nicht die Manier zu examinieren. Ihr müßt die Wache abhören, die sie verklagt hat.

Holzapfel.

Ja, zum Henker, das ist die vidimierte Heerstraße. Die Wache soll kommen. (Wache kommt.) Leute, ich befehle euch in des Prinzen Namen, verklagt mir einmal diese beiden Menschen.

Erste Wache.

Dieser Mann hier sagte, Herr, Don Juan, des Prinzen Bruder, sei ein Schurke. –

Holzapfel.

Schreibt hin – Don Juan ein Schurke. – Was! das ist ja klarer Meineid, des Prinzen Bruder einen Schurken zu nennen.

Borachio.

Herr Konstabler –

Holzapfel.

Still geschwiegen, Kerl, dein Gesicht gefällt mir gar nicht, muß ich dir gestehn.

Schreiber.

Was hörtet ihr ihn sonst noch sagen?

Zweite Wache.

Ei nun, er sagte auch, er hätte tausend Dukaten vom Don Juan erhalten, um Fräulein Hero fälschlich anzuklagen.

Holzapfel.

Klare Brandmörderei, wenn jemals eine begangen ist.

Schlehwein.

Ja, mein Seel, so ist es auch.

Schreiber.

Was sonst noch, Mensch?

Erste Wache.

Und daß Graf Claudio nach seinen Reden sich vorgesetzt habe, Fräulein Hero vor der ganzen Versammlung zu beschimpfen und sie nicht zu heiraten.

Holzapfel.

O Spitzbube! Dafür wirst du noch ins ewige Jubiläum verdammt werden.

Schreiber.

Was noch mehr?

Zweite Wache.

Das war alles.

Schreiber.

Und das ist mehr, Leute, als ihr leugnen könnt. Prinz Juan hat sich diesen Morgen heimlich weggestohlen; Hero ward auf diese Weise angeklagt, auf ebendiese Weise verstoßen, und ist aus Gram darüber plötzlich gestorben. Herr Konstabler, laßt die beiden Leute binden und in Leonatos Haus führen, ich will vorangehn und ihm das Verhör zeigen. (Ab.)

Holzapfel.

Recht so; laßt ihnen die Bandagen antun.

Schlehwein.

Laßt sie festbinden.

Konrad.

Fort, ihr Maulaffen!

Holzapfel.

Gott steh mir bei, wo ist der Schreiber? Er soll schreiben: des Prinzen Konstabler ein Maulaffe! Wart! bindet sie fest! Du nichtswürdiger Kerl! –

Konrad.

Fort! Ihr seid ein Esel, Ihr seid ein Esel.

Holzapfel.

Despektierst du denn mein Amt nicht? Despektierst du denn meine Jahre nicht? – Wär er doch noch hier, daß er es aufschreiben könnte, daß ich ein Esel bin! Aber, ihr Leute, vergeßt mir’s nicht, daß ich ein Esel bin; wenn’s auch nicht hingeschrieben ward, erinnert’s euch ja, daß ich ein Esel bin. Nein, du Spitzbube, du steckst voller Moralität, das kann ich dir durch zuverlässige Zeugen beweisen. Ich bin ein gescheuter Mann, und was mehr ist, ein Mann bei der Justiz, und was mehr ist, ein ansässiger Mann, und was mehr ist, ein so hübsches Stück Fleisch, als nur irgendeines in ganz Messina, und ein Mann, der sich auf die Gesetze versteht, siehst du, und ein Mann, der sein Vermögen hat, siehst du, und ein Mann, der um vieles gekommen ist, und der seine zwei Röcke hat, und alles, was an ihm, ist sauber und akkurat. Bringt ihn fort! Ach, hätten sie’s nur von mir aufgeschrieben, daß ich ein Esel bin! – (Alle ab.)

Fünfter Aufzug

Erste Szene

Vor Leonatos Hause

Es treten auf Leonato und Antonio

Antonio.

Fährst du so fort, so bringst du selbst dich um;

Und nicht verständig ist’s, dem Gram so helfen,

Dir selbst zum Schaden.

Leonato.

Spare deinen Rat!

Er fällt so fruchtlos in mein Ohr, wie Wasser

Ein Sieb durchströmt. O gib mir keinen Rat!

Und keinen Tröster laß mein Ohr erquicken,

Als solchen, dessen Schmerz dem meinen gleicht. –

Bring mir ’nen Vater, der sein Kind so liebte,

Des Freud an ihm vernichtet ward, wie meine,

Und heiß Geduld ihn predigen.

Miß seinen Gram nach meinem auf ein Haar,

Jeglichem Weh entsprech ein gleiches Weh,

Und hier wie dort ein Schmerz für jeden Schmerz,

In jedem Zug und Umriß Licht und Schatten;

Wenn der nun lächelt und den Bart sich streicht,

Ruft: Gram, fahr hin, und ei! statt tief zu seufzen,

Sein Leid mit Sprüchen flickt, mit Bücherphrasen

Den bittern Schmerz betäubt, den bringe mir,

Von diesem will ich dann Geduld erlernen.

Doch solchen Mann gibt’s nicht. Denn, Bruder, Menschen,

Sie raten, trösten, heilen nur den Schmerz,

Den sie nicht selber fühlen. Trifft er sie,

Dann wird zur wilden Wut derselbe Trost,

Der eben noch Arznei dem Gram verschrieb,

An seidner Schnur den Wahnsinn wollte fesseln,

Herzweh mit Luft, den Krampf mit Worten stillen.

Nein! nein! Stets war’s der Brauch, Geduld zu rühmen

Dem Armen, den die Last des Kummers beugt;

Doch keines Menschen Kraft noch Willensstärke

Genügte solcher Weisheit, wenn er selbst

Das gleiche duldete, drum keinen Rat;

Denn lauter schreit mein Schmerz als dein Ermahnen.

Antonio.

So hat der Mann dem Kinde nichts voraus?

Leonato.

Ich bitt dich, schweig! Ich bin nur Fleisch und Blut

Denn noch bis jetzt gab’s keinen Philosophen,

Der mit Geduld das Zahnweh konnt ertragen,

Ob sie der Götter Sprache gleich geredet,

Und Schmerz und Zufall als ein Nichts verlacht.

Antonio.

So häufe nur nicht allen Gram auf dich;

Laß jene, die dich kränkten, gleichfalls dulden.

Leonato.

Da sprichst du weislich: ja, so soll’s geschehn.

Mein Herz bezeugt mir’s, Hero ward verleumdet,

Und dies soll Claudio hören, dies der Fürst,

Und alle sollen’s, die sie so entehrt. Don Pedro und Claudio kommen.

Antonio.

Hier kommen Claudio und der Prinz in Eil.

Don Pedro.

Ah, guten Morgen!

Claudio.

Guten Tag euch beiden.

Leonato.

Hört mich, ihr Herrn – –

Don Pedro.

Leonato, wir sind eilig.

Leonato.

So eilig, Herr? So lebt denn wohl, ihr Herrn; –

Jetzt habt ihr Eile? – Wohl, ’s ist einerlei.

Don Pedro.

Nun, guter Alter, zankt doch nicht mit uns.

Antonio.

Schafft ihm ein Zank sein Recht, so weiß ich solche,

Die wohl den kürzern zögen.

Claudio.

Ei, wer kränkt ihn?

Leonato.

Ha, wahrlich du! Du kränktest mich, du Heuchler! –

O leg die Hand nur nicht an deinen Degen,

Ich fürchte nichts.

Claudio.

Verdorre diese Hand,

Eh sie dem Alter so zu drohen dächte.

Die Hand am Schwert hat nichts bedeutet, wahrlich!

Leonato.

Ha, Mann! Nicht grinse so und spotte meiner!

Ich spreche nicht als Tor und blöder Greis,

Noch unter meines Alters Freibrief prahl ich,

Was ich als Jüngling tat, was ich noch täte,

Wär ich nicht alt: Nein, hör es, auf dein Haupt!

Du kränktest so mein schuldlos Kind und mich,

Daß ich ablege meine Würd und Ehrfurcht;

Mit grauem Haar und vieler Jahre Druck

Fordr‘ ich dich hier, als Mann dich mir zu stellen.

Ich sage, du belogst mein schuldlos Kind;

Dein falsches Zeugnis hat ihr Herz durchbohrt,

Und unter ihren Ahnen ruht sie jetzt,

Ha! in dem Grab, wo Schande nimmer schlief,

Als ihre, die dein Schurkenstreich ersann.

Claudio.

Mein Schurkenstreich?

Leonato.

Ja, deiner, Claudio, deiner.

Don Pedro.

Ihr drückt Euch unrecht aus, Signor.

Leonato.

Mein Prinz,

An ihm will ich’s beweisen, wenn er’s wagt,

Trotz seiner Fechterkunst und raschen Übung,

Trotz seiner Jugend Lenz und muntern Blüte.

Claudio.

Laßt mich. Ich habe nichts mit Euch zu schaffen.

Leonato.

So willst du gehn? Du hast mein Kind gemordet;

Ermordst du, Knabe, mich, mordst du ’nen Mann.

Antonio.

Er muß uns beide morden, ja, zwei Männer,

Darauf kommt’s hier nicht an: zuerst den einen;

Ja, wer gewinnt, der lacht. Mir steh er Rede!

Komm, Bursche, folge mir! Komm, folg mir, Bursch! –

Herr Jung! ich haue deine Finten durch.

Ja, ja, so wahr ich Edelmann, das will ich!

Leonato.

Bruder – –

Antonio.

Sei du nur still! Gott weiß, das Mädchen liebt‘ ich.

Nun ist sie tot, von Schurken tot geschmäht,

Die wohl so gern sich einem Manne stellen,

Als ich der Schlang an ihre Zunge griffe.

Gelbschnäbel, Buben, Affen, Prahler. – –

Leonato.

Bruder! –

Antonio.

Ei was, sei still! – Was da! ich kenne sie,

Weiß, was sie gelten, bis auf Gramm und Skrupel:

Vorlaute, dreiste, modesüchtge Knaben,

Die lügen, trügen, höhnen, schmähn und lästern.

Mit bunter Narrentracht den Helden spielen,

Und ein halb Dutzend grimmer Worte lernten:

«Was sie dem Feind antäten, käm’s soweit -»

Und das ist alles.

Leonato.

Bruder – –

Antonio.

’s ist schon gut,

Du kümmre dich um nichts, laß mich nur machen.

Don Pedro.

Ihr Herrn, wir wolln nicht euern Unmut wecken.

Daß Eure Tochter starb, geht mir zu Herzen;

Doch auf mein Wort, sie war um nichts beschuldigt,

Als was gewiß und klar erwiesen stand.

Leonato.

Mein Fürst, mein Fürst – –

Don Pedro.

Ich will nicht hören.

Leonato.

Nicht?

Fort, Bruder! – Ihr sollt hören!

Antonio.

Ja, Ihr sollt!

Ja! oder einge von uns sollen’s fühlen! (Leonato und Antonio ab.)

Benedikt kommt.

Don Pedro.

Seht, da kommt der Mann, den wir gesucht.

Claudio.

Nun, Signor, was gibt’s Neues?

Benedikt.

Guten Tag, mein Fürst.

Don Pedro.

Willkommen, Signor. Ihr hättet eben beinahe einen Strauß trennen können.

Claudio.

Es fehlte nicht viel, so hätten zwei alte Männer ohne Zähne unsre zwei Nasen abgebissen.

Don Pedro.

Leonato und sein Bruder. Was denkst du wohl? Hätten wir gefochten, so fürchte ich, wir wären zu jung für sie gewesen.

Benedikt.

In einer schlechten Sache hat man keinen rechten Mut. Ich kam, euch beide aufzusuchen.

Claudio.

Und wir sind schon lange auf den Beinen, dich zu suchen. Denn wir sind gewaltig melancholisch und sähen’s gern, wenn uns das jemand austriebe. Willst du deinen Witz in Bewegung setzen?

Benedikt.

Er steckt in meiner Scheide, soll ich ihn ziehn?

Don Pedro.

Trägst du deinen Witz an der Seite?

Claudio.

Das tat noch niemand, obgleich wohl viele ihren Witz beiseite gelegt haben. Ich will dich spielen heißen, wie wir’s den Fiedlern tun; spiel auf, mach uns lustig.

Don Pedro.

So wahr ich ehrlich bin, er sieht blaß aus. Bist du krank oder verdrießlich?

Claudio.

Mut, Freund! Wenn der Gram auch eine Katze ums Leben bringen kann, so hast du doch wohl Herz genug, den Gram ums Leben zu bringen?

Benedikt.

Signor, wenn Ihr Euern Witz gegen mich richtet, so denk ich ihm in seinem Rennen standzuhalten. Habt die Güte und wählt ein andres Thema.

Claudio.

So schafft Euch erst eine neue Lanze, denn diese letzte brach mittendurch.

Don Pedro.

Beim Himmel, er verändert sich mehr und mehr; ich glaube, er ist im Ernst verdrießlich.

Claudio.

Nun, wenn er’s ist, so weiß er, wie er seinen Gürtel zu schnallen hat.

Benedikt.

Soll ich Euch ein Wort ins Ohr sagen?

Claudio.

Gott bewahre uns vor einer Ausforderung!

Benedikt (beiseite zu Claudio).

Ihr seid ein Nichtswürdiger; ich scherze nicht. Ich will’s Euch beweisen, wie Ihr wollt, womit Ihr wollt und wann Ihr wollt. Tut mir Bescheid, oder ich mache Eure Feigherzigkeit öffentlich bekannt. Ihr habt ein liebenswürdiges Mädchen getötet, und ihr Tod soll schwer auf Euch fallen. Laßt mich Eure Antwort hören.

Claudio (laut).

Schön, ich werde mich einfinden, wenn Eure Mahlzeit der Mühe verlohnt.

Don Pedro.

Was? ein Schmaus? ein Schmaus?

Claudio.

Jawohl, er hat mich eingeladen auf einen Kalbskopf und einen Kapaun, und wenn ich beide nicht mit der größten Zierlichkeit vorschneide, so sagt, mein Messer tauge nichts. Gibt’s nicht etwa auch eine junge Schnepfe?

Benedikt.

Signor, Euer Witz geht einen guten leichten Paß, er fällt nicht schwer.

Don Pedro.

Ich muß dir doch erzählen, wie Beatrice neulich deinen Witz herausstrich. Ich sagte, du hättest einen feinen Witz; o ja, sagte sie, fein und klein. Nein, sagte ich, einen großen Witz; recht, sagte sie, groß und derb; nein, sagte ich, einen guten Witz; sehr wahr, sagte sie, er tut niemanden weh. Aber, sagte ich, es ist ein kluger, junger Mann; gewiß, sagte sie, ein recht superkluger, junger Mensch. Und was noch mehr ist, sagte ich, er versteht sich auf verschiedene Sprachen. Das glaub ich, sagte sie, denn er schwur mir Montag abend etwas zu, was er Dienstag morgen wieder verschwor; da habt Ihr eine doppelte Sprache, da habt Ihr zwei Sprachen. So hat sie eine ganze Stunde lang alle deine besondern Tugenden travestiert, bis sie zuletzt mit einem Seufzer schloß: du seist der artigste Mann in Italien.

Claudio.

Wobei sie bitterlich weinte und hinzufügte: sie kümmre sich nichts drum.

Don Pedro.

Ja, das tat sie; und doch mit alledem, wenn sie ihn nicht herzlich haßte, so würde sie ihn herzlich lieben. Des Alten Tochter hat uns alles erzählt.

Claudio.

Alles, alles! und noch obendrein, Gott sahe ihn, als er sich im Garten versteckt hatte.

Don Pedro.

Und wann werden wir denn des wilden Stieres Hörner auf des vernünftigen Benedikt Stirne sehn?

Claudio.

Und wann werden wir mit großen Buchstaben geschrieben lesen: Hier wohnt Benedikt, der verheiratete Mann?

Benedikt.

Lebt wohl, junger Bursch; Ihr wißt meine Meinung, ich will Euch jetzt Euerm schwatzhaften Humor überlassen. Ihr schwadroniert mit Euern Späßen, wie die Großprahler mit ihren Klingen, die gottlob! niemand verwunden. Gnädiger Herr, ich sage Euch meinen Dank für Eure bisherige Güte; von nun an muß ich mich Eurer Gesellschaft entziehn. Euer Bruder, der Bastard, ist aus Messina entflohen; ihr beide habt ein liebes, unschuldiges Mädchen ums Leben gebracht. Was diesen Don Ohnebart hier betrifft, so werden er und ich noch miteinander sprechen, und bis dahin mag er in Frieden ziehn. (Ab.)

Don Pedro.

Es ist sein Ernst?

Claudio.

Sein ehrsamster Ernst, und ich wollte wetten, alles aus Liebe zu Beatrice.

Don Pedro.

Und er hat dich gefordert?

Claudio.

In aller Form.

Don Pedro.

Was für ein artiges Ding ein Mann ist, wenn er in Wams und Hosen herumläuft und seinen Verstand zu Hause läßt! –

Claudio.

Er ist alsdann ein Riese gegen einen Affen; aber dafür ist dann auch ein Affe ein Doktor gegen solch einen Mann. Holzapfel, Schlehwein, Wache mit Konrad und Borachio.

Don Pedro.

Aber jetzt stille, laß gut sein, und du, mein Herz, geh in dich und sei ernst. Sagte er nicht, mein Bruder sei entflohn?

Holzapfel.

Nur heran, Herr, wenn Euch die Gerechtigkeit nicht zahm machen kann, so soll die Justiz niemals wieder ein Argelment auf ihre Waagschale legen; ja, und wenn Ihr vorher ein hippokratischer Taugenichts gewesen seid, so muß man Euch jetzt auf die Finger sehn.

Don Pedro.

Was ist das? Zwei von meines Bruders Leuten gebunden? und Borachio der eine?

Claudio.

Forscht doch nach ihrem Vergehn, gnädiger Herr.

Don Pedro.

Gerichtsdiener, welches Vergehn haben sich diese Leute zuschulden kommen lassen?

Holzapfel.

Ei, gnädiger Herr, falschen Rapport haben sie begangen; überdem sind Unwahrheiten vorgekommen; andernteils haben sie Kolonien gesagt; sechstens und letztens haben sie ein Fräulein verlästert; drittens haben sie Unrichtigkeiten verifiziert, und schließlich sind sie lügenhafte Spitzbuben.

Don Pedro.

Erstens frage ich dich, was sie getan haben; drittens frag ich dich, was ihr Vergehn ist; sechstens und letztens, warum man sie arretiert hat; und schließlich, was ihr ihnen zur Last legt.

Claudio.

Richtig subdividiert, nach seiner eignen Einteilung. Das nenn ich mir entwirrte Verwirrung.

Don Pedro.

Was habt ihr begangen, Leute, daß man euch auf diese Weise gebunden hat? Dieser gelehrte Konstabler ist zu scharfsinnig als daß man ihn verstehen könnte. Worin besteht euer Vergehn?

Borachio.

Teuerster Prinz, laßt mich nicht erst vor Gericht gestellt werden; hört mich an, und mag dieser Graf mich niederstoßen. Ich habe Euch mit sehenden Augen blind gemacht; was euer beider Weisheit nicht entdecken konnte, haben diese schalen Toren ans Licht gebracht, die mich in der Nacht behorchten, als ich diesem Manne hier erzählte, wie Don Juan, Euer Bruder, mich angestiftet, Fräulein Hero zu verleumden; wie Ihr in den Garten gelockt wurdet und mich um Margareten, die Heros Kleider trug, werben saht; wie Ihr sie verstoßen habt, als Ihr sie heiraten solltet. Diesen meinen Bubenstreich haben sie zu Protokoll genommen, und lieber will ich ihn mit meinem Blut versiegeln, als ihn noch einmal zu meiner Schande wiederholen. Das Fräulein ist durch meine und meines Herrn falsche Beschuldigung getötet worden; und kurz, ich begehre jetzt nichts als den Lohn eines Bösewichtes.

Don Pedro.

Rennt nicht dies Wort wie Eisen durch dein Blut?

Claudio.

Ich habe Gift getrunken, als er sprach.

Don Pedro.

Und hat mein Bruder hiezu dich verleitet?

Borachio.

Ja, und mich reichlich für die Tat belohnt.

Don Pedro.

Er ist Verrat und Tücke ganz und gar –

Und nun entfloh er auf dies Bubenstück.

Claudio.

O süße Hero! jetzt strahlt mir dein Bild

Im reinen Glanz, wie ich zuerst es liebte.

Holzapfel.

Kommt, führt diese Requisiten weg; unser Schreiber wird alleweil auch den Signor Leonato von dem Handel destruiert haben; und ihr, Leute, vergeßt nicht zu seiner Zeit und an seinem Ort zu spezifizieren, daß ich ein Esel bin.

Schlehwein.

Hier, hier kommt der Herr Signor Leonato und der Schreiber dazu. Leonato, Antonio und der Schreiber kommen.

Leonato.

Wo ist der Bube? Laßt mich sehn sein Antlitz,

Daß, wenn ein Mensch mir vorkommt, der ihm gleicht,

Ich ihn vermeiden kann. Wer ist’s von diesen?

Borachio.

Wollt Ihr den sehn, der Euch gekränkt? Ich bin’s.

Leonato.

Bist du der Sklav, des Hauch getötet hat

Mein armes Kind?

Borachio.

Derselbe; ich allein.

Leonato.

Nein, nicht so, Bube, du verleumdest dich.

Hier steht ein Paar von ehrenwerten Männern,

Ein Dritter floh, des Hand im Spiele war: –

Euch dank ich, Prinzen, meiner Tochter Tod,

Den schreibt zu euern hohen, würdgen Taten,

Denn herrlich war’s vollbracht, bedenkt ihr’s recht.

Claudio.

Ich weiß nicht, wie ich Euch um Nachsicht bäte,

Doch reden muß ich. Wählt die Rache selbst,

Die schwerste Buß erdenkt für meine Sünde,

Ich trage sie. Doch nur im Mißverstand

Lag meine Sünde!

Don Pedro.

Und meine, das beschwör ich.

Und doch, dem guten Greis genugzutun,

Möcht ich mich beugen unterm schwersten Joch,

Mit dem er mich belasten will.

Leonato.

Befehlen kann ich nicht: «Erweckt mein Kind»,

Das wär unmöglich. Doch ich bitt euch beide,

Verkündet’s unsrer Stadt Messina hier,

Wie schuldlos sie gestorben. Wenn Eur Lieben

Ein Lied der Trauer Euch ersinnen läßt,

So hängt ein Epitaph an ihre Gruft

Und singt es ihrer Asche, singt’s heut nacht.

Auf morgen früh lad ich Euch in mein Haus,

Und könnt Ihr jetzt mein Eidam nicht mehr werden,

So seid mein Neffe. Mein Bruder hat ’ne Tochter,

Beinah ein Abbild meines toten Kindes,

Und sie ist einzge Erbin von uns beiden;

Der schenkt, was ihre Muhm erhalten sollte,

Und so stirbt meine Rache.

Claudio.

Edler Mann!

So übergroße Güt entlockt mir Tränen.

Mit Rührung nehm ich’s an: verfügt nun künftig

Nach Willkür mit dem armen Claudio.

Leonato.

Auf morgen denn erwart ich Euch bei mir,

Für heut gut Nacht. Der Niederträchtige

Steh im Verhör Margreten gegenüber,

Die, glaub ich, auch zu dem Komplott gehörte,

Erkauft von Euerm Bruder.

Borachio.

Bei meiner Seele, nein, so war es nicht;

Sie sprach mit mir, nicht wissend, was sie tat;

Stets hab ich treu und rechtlich sie gefunden

In allem, was ich je von ihr erfahren.

Holzapfel.

Anbei ist noch Meldung zu tun, gnädiger Herr, obgleich es freilich nicht weiß auf schwarz dasteht, daß dieser Requisit hier, dieser arme Sünder, mich einen Esel genannt hat. Ich muß bitten, daß das bei seiner Bestrafung in Anregung kommen möge. Und ferner hörte die Wache sie von einem Mißgestalt reden; er leiht Geld um Gottes willen und treibt’s nun schon so lange, und gibt nichts wieder, daß die Leute anfangen, hartherzig zu werden und nichts mehr um Gottes willen geben wollen. Seid von der Güte und verhört ihn auch über diesen Punkt.

Leonato.

Hab Dank für deine Sorg und brav Bemühn.

Holzapfel.

Eur Wohlgeboren reden wie ein recht ehrwürdiger und dankbarer junger Mensch, und ich preise Gott für Euch.

Leonato.

Da hast du für deine Mühe.

Holzapfel.

Gott segne dieses fromme Haus.

Leonato.

Geh, ich nehme dir deine Gefangenen ab und danke dir.

Holzapfel.

So resigniere ich Eur Wohlgeboren einen infamen Spitzbuben, nebst untertänigster Bitte an Eur Wohlgeboren, ein Exempel an sich zu statuieren, andern dergleichen zur Warnung. Gott behüte Eur Wohlgeboren; ich wünsche Euch alles Gute; Gott geb Euch gute Beßrung, ich erlaube Eur Wohlgeboren, jetzt alleruntertänigst nach Hause zu gehn; und wenn ein fröhliches Wiedersehn zu den erwünschten Dingen gehört, so wolle Gott es in seiner Gnade verhüten. Kommt, Nachbar. (Gehn ab.)

Leonato.

Nun bis auf morgen früh, ihr Herrn, lebt wohl.

Antonio.

Lebt wohl, ihr Herren, vergeßt uns nicht auf morgen.

Don Pedro.

Wir fehlen nicht.

Claudio.

Heut nacht wein ich um Hero. (Don Pedro und Claudio ab.)

Leonato.

Schafft diese fort: jetzt frag ich Margareten,

Wie sie bekannt ward mit dem schlechten Menschen. (Ab.)

Zweite Szene

Leonatos Garten

Benedikt und Margareta, die sich begegnen

Benedikt.

Hört doch, liebe Margareta, macht Euch um mich verdient und verhelft mir zu einem Gespräch mit Beatricen.

Margareta.

Wollt Ihr mir dafür auch ein Sonett zum Lobe meiner Schönheit schreiben?

Benedikt.

In so hohem Stil, Margareta, daß kein jetzt Lebender, noch so Verwegner sich daran wagen soll, denn in Wahrheit, das verdienst du.

Margareta.

Daß keiner sich an meine Schönheit wagen soll?

Benedikt.

Dein Witz schnappt so rasch wie eines Windspiels Maul; er fängt auf.

Margareta.

Und Eurer trifft so stumpf wie eines Fechters Rapier; er stößt und verwundet nicht.

Benedikt.

Lauter Galanterie, Margareta, er will kein Frauenzimmer verwunden. Und nun bitte ich dich, rufe mir Beatrice, ich strecke die Waffen vor dir.

Margareta.

Nun, ich will sie rufen, ich denke, sie hat ihre Füße bei der Hand.

Benedikt.

Wenn das ist, so hoffe ich, kommt sie.

(Singt.)

Gott Amor droben

Kennt meinen Sinn,

Und weiß aus vielen Proben,

Wie schwach ich bin. – – Ich meine im Singen; aber in der Liebe – – Leander, der treffliche Schwimmer; Troilus, der den ersten Pandarus in Requisition setzte, und ein ganzes Buch voll von diesen weiland Liebesrittern, deren Namen jetzt so glatt in der ebenen Bahn der fünffüßigen Iamben dahingleiten, alle diese waren nie so ernstlich über und über in Liebe versenkt, als mein armes Ich. Aber wahrhaftig, ich kann’s nicht in Reimen beweisen; ich hab’s versucht; ich finde keinen Reim auf Mädchen als – Schäfchen, ein zu unschuldiger Reim; auf Zorn, als Horn, ein harter Reim; auf Ohr, Tor, ein alberner Reim – sehr verfängliche Endungen; nein, ich bin einmal nicht unter einem reimenden Planeten geboren, ich weiß auch nicht in Feiertagsworten zu werben.

Beatrice kommt.

Schönste Beatrice, kamst du wirklich, weil ich dich rief?

Beatrice.

Ja, Signor, und ich werde gehn, wenn Ihr mir’s sagt.

Benedikt.

Oh, Ihr bleibt also bis dahin?

Beatrice.

Dahin habt Ihr jetzt eben gesagt, also lebt nun wohl. Doch eh ich gehe, sagt mir das, weshalb ich kam; laßt mich hören, was zwischen Euch und Claudio vorgefallen ist.

Benedikt.

Nichts als böse Reden, und demzufolge laß mich dich küssen.

Beatrice.

Böse Reden sind böse Luft, und böse Luft ist nur böser Atem, und böser Atem ist ungesund, und also will ich ungeküßt wiedergehn.

Benedikt.

Du hast das Wort aus seinem rechten Sinn herausgeschreckt, so energisch ist dein Witz. Aber ich will dir’s schlechtweg erzählen. Claudio hat meine Forderung erhalten, und ich werde jetzt bald mehr von ihm hören, oder ich nenne ihn öffentlich eine Memme. Und nun sage mir, in welche von meinen schlechten Eigenschaften hast du dich zuerst verliebt? –

Beatrice.

In alle auf einmal; denn sie bilden zusammen eine so wohlorganisierte Republik von Fehlern, daß sie auch nicht einer guten Eigenschaft gestatten, sich unter sie zu mischen. Aber um welche von meinen schönen Qualitäten habt Ihr zuerst die Liebe zu mir erdulden müssen?

Benedikt.

Die Liebe erdulden! Eine hübsche Phrase! Freilich erdulde ich die Liebe, denn wider meinen Willen muß ich dich lieben.

Beatrice.

Wohl gar deinem Herzen zum Trotz? Ach, das arme Herzchen! – Wenn Ihr um meinetwillen trotzt, will ich ihm um Euretwillen Trotz bieten, denn ich werde niemals das lieben, was mein Freund haßt.

Benedikt.

Du und ich sind zu vernünftig, um uns friedlich umeinander zu bewerben.

Beatrice.

Das sollte man aus dieser Beichte nicht schließen: unter zwanzig vernünftigen Männern wird nicht einer sich selbst loben.

Benedikt.

Ein altes, altes Sprichwort, Beatrice, das gegolten haben mag, als es noch gute Nachbarn gab: wer in unserm Zeitalter sich nicht selbst eine Grabschrift aufsetzt, ehe er stirbt, der wird nicht länger im Gedächtnis leben, als die Glocke läutet und die Witwe weint.

Beatrice.

Und das wäre?

Benedikt.

Ihr fragt noch? Nun, eine Stunde läuten und eine Viertelstunde weinen. Deshalb ist der beste Ausweg für einen Verständigen (wenn anders Don Wurm, sein Gewissen, ihn nicht daran hindert), die Posaune seiner eigenen Tugenden zu sein, wie ich’s jetzt für mich bin. Soviel über mein Selbstlob (und daß ich des Lobes wert sei, will ich selbst bezeugen); nun sagt mir aber, wie geht es Eurer Muhme? –

Beatrice.

Sehr schlecht.

Benedikt.

Und wie geht es Euch selbst?

Beatrice.

Auch sehr schlecht.

Benedikt.

Seid fromm, liebt mich und bessert Euch; und nun will ich Euch Lebewohl sagen, denn hier kommt jemand in Eil. Ursula kommt.

Ursula.

Mein Fräulein, Ihr sollt zu Euerm Oheim kommen, es ist ein schöner Lärm da drinnen! man hat erwiesen, unser Fräulein Hero sei böslich verleumdet, die Prinzen und Claudio mächtig betrogen, und Don Juan, der Anstifter von dem allem, hat sich auf und davon gemacht. Wollt Ihr jetzt gleich mitkommen?

Beatrice.

Wollt Ihr diese Neuigkeiten mit anhören, Signor? –

Benedikt.

Ich will in deinem Herzen leben, in deinem Schoß sterben, in deinen Augen begraben werden, und über das alles will ich mit dir zu deinem Oheim gehn. (Ab.)

Dritte Szene

In der Kirche

Don Pedro, Claudio, Gefolge mit Musik und Fackeln

Claudio.

Ist dies des Leonato Grabgewölb?

Diener.

Ja, gnädger Herr.

Claudio (liest von einer Rolle).

Schmähsucht brach der Hero Herz

Hier schläft sie im Jungfraunkranz.

Für der Erde kurzen Schmerz

Schmückt sie Tod mit Himmelsglanz;

Leben mußt in Schmach ersterben,

Tod ihr ewgen Ruhm erwerben.

(Hängt die Rolle auf.)

Häng an ihres Grabmals Steinen,

Wenn ich tot, sie zu beweinen. Nun stimmet an und singt die Todeshymne.

Gesang. Gnad uns, Königin der Nacht,

Die dein Mägdlein umgebracht;

Trauernd und mit Angstgestöhn

Um ihr Grab wir reuig gehn.

Mitternacht, steh uns bei!

Mehr‘ unser Klaggeschrei!

Feierlich, feierlich!

Gräber, gähnt weit empor!

Steig auf, o Geisterchor,

Feierlich, feierlich!

Claudio.

Nun ruh in Frieden dein Gebein!

Dies Fest soll jährlich sich erneun.

Don Pedro.

Löscht eure Fackeln jetzt, schon fällt der Tau,

Der Wolf zieht waldwärts, und vom Schlaf noch schwer,

Streift sich der Osten schon mit lichtem Grau,

Vor Phöbus‘ Rädern zieht der Tag einher.

Euch allen Dank! verlaßt uns und lebt wohl.

Claudio.

Guten Morgen, Freunde, geh nun jeder heim.

Don Pedro.

Kommt, laßt zum neuen Feste jetzt uns schmücken,

Und dann zu Leonato folgt mir nach.

Claudio.

Und Hymen mög uns diesmal mehr beglücken,

Als an dem heut gesühnten Trauertag. (Alle ab.)

Vierte Szene

Zimmer in Leonatos Hause

Leonato, Antonio, Benedikt, Beatrice, Ursula, Mönch und Hero treten auf

Mönch.

Sagt ich’s euch nicht, daß sie unschuldig sei? –

Leonato.

Wie Claudio und der Prinz, die sie verklagt

Auf jenen Irrtum, den wir jetzt besprochen.

Doch etwas ist Margret im Fehl verstrickt,

Zwar gegen ihren Willen, wie’s erscheint

In dem Verlauf der ganzen Untersuchung.

Antonio.

Nun, ich bin froh, daß alles glücklich endet.

Benedikt.

Das bin ich auch, da sonst mein Wort mich band,

Vom jungen Claudio Rechenschaft zu fordern.

Leonato.

Nun, meine Tochter und ihr andern Fraun

Zieht in das nächste Zimmer euch zurück,

Und wenn ich sende, kommt in Masken her.

Der Prinz und Claudio wolln um diese Stunde

Mich hier besuchen. Du, Bruder, kennst dein Amt,

Du mußt der Vater deiner Nichte sein

Und Claudio sie vermählen. (Die Frauen ab.)

Antonio.

Das tu ich dir mit fester, sichrer Miene.

Benedikt.

Euch, Pater, denk ich auch noch zu bemühn.

Mönch.

Wozu, Signor?

Benedikt.

Zu binden oder lösen, eins von beiden.

Herr Leonato, so weit ist’s, mein Teurer,

Mit günstgen Augen sieht mich Eure Nichte.

Leonato.

Die Augen lieh ihr, wahrlich, meine Tochter.

Benedikt.

Und ich vergelt es mit verliebten Augen.

Leonato.

Den Liebesblick habt Ihr von mir erhalten,

Von Claudio und dem Prinzen. Doch, was wollt Ihr?

Benedikt.

Die Antwort, Herr, bedünkt mich problematisch.

Mein Wille wünscht, daß Euer guter Wille

Sich unserm Willen fügt und dieser Tag

Uns durch das Band der heilgen Eh verknüpfe

Und dazu, würdger Mann, schenkt Euern Beistand.

Leonato.

Mein Jawort geb ich gern.

Mönch.

Ich meinen Beistand.

Hier kommt der Prinz und Claudio. Don Pedro und Claudio mit Gefolge.

Don Pedro.

Guten Morgen diesem ganzen edlen Kreis!

Leonato.

Guten Morgen, teurer Fürst, guten Morgen, Claudio!

Wir warten Euer; seid Ihr noch entschlossen,

Mit meines Bruders Kind Euch zu vermählen?

Claudio.

Ich halte Wort, und wär sie eine Mohrin.

Leonato.

Ruf, Bruder, sie, der Priester ist bereit. (Antonio ab.)

Don Pedro.

Ei, guten Morgen, Benedikt, wie geht’s?

Wie kommt Euch solch ein Februarsgesicht,

So voller Frost und Sturm und Wolkenschatten?

Claudio.

Ich denk, er denkt wohl an den wilden Stier.

Nur still! dein Horn schmück ich mit goldnem Knopf,

Und ganz Europa soll dir Bravo rufen,

Wie einst Europa sich am Zeus erfreute,

Da er als edles Vieh trug Liebesbeute.

Benedikt.

Zeus brüllt‘ als Stier ein sehr verführend Muh,

Und solch ein Gast kirrt‘ Eures Vaters Kuh,

Und ließ ein Kalb zurück dem edlen Tier,

Ganz so von Ansehn und Geblök wie Ihr. Antonio kommt wieder, mit ihm die Frauen maskiert.

Claudio.

Das zahl ich Euch; doch jetzt kommt andre Rechnung.

An welche Dame darf ich hier mich wenden?

Antonio.

Hier, diese ist’s, nehmt sie von meiner Hand.

Claudio.

So ist sie mein! Zeigt mir Eur Antlitz, Holde.

Leonato.

Nicht so, bevor du ihre Hand erfaßt

Vor diesem Priester und ihr Treu gelobt.

Claudio.

Gebt mir die Hand vor diesem würdgen Mönch,

Wenn Ihr mich wollt, so bin ich Euer Gatte.

Hero.

Als ich gelebt, war ich Eur erstes Weib;

Als Ihr geliebt, wart Ihr mein erster Gatte. (Nimmt die Maske ab.)

Claudio.

Noch eine Hero?

Hero.

Nichts ist so gewiß.

Geschmäht starb eine Hero; doch ich lebe,

So wahr ich lebe, bin ich rein von Schuld.

Don Pedro.

Die vorge Hero! Hero! die gestorben! –

Leonato.

Sie lebte wieder, als Verleumdung starb.

Mönch.

All dies ‚ Erstaunen bring ich zum Verständnis.

Sobald die heilgen Bräuche sind vollbracht,

Bericht ich jeden Umstand ihres Todes.

Indes nehmt als Gewöhnliches dies Wunder

Und laßt uns alle zur Kapelle gehn.

Benedikt.

Still, Mönch, gemach! Wer ist hier Beatrice?

Beatrice.

Ich bin statt ihrer da. Was wollt Ihr mir?

Benedikt.

Liebt Ihr mich nicht?

Beatrice.

Nein, weiter nicht als billig.

Benedikt.

So sind Eur Oheim und der Prinz und Claudio

Gar sehr getäuscht; sie schwuren doch, Ihr liebtet.

Beatrice.

Liebt Ihr mich nicht?

Benedikt.

Nein, weiter nicht als billig.

Beatrice.

So sind mein Mühmchen, Ursula und Gretchen

Gar sehr getäuscht; sie schwuren doch, Ihr liebtet.

Benedikt.

Sie schwuren ja: Ihr seid fast krank um mich.

Beatrice.

Sie schwuren ja: Ihr seid halbtot aus Liebe.

Benedikt.

Ei, nichts davon, Ihr liebt mich also nicht?

Beatrice.

Nein, wahrlich, nichts als freundliches Erwidern.

Leonato.

Kommt, Nichte, glaubt mir’s nur, Ihr liebt den Herrn.

Claudio.

Und ich versichr‘ es Euch, er liebt auch sie:

Seht nur dies Blatt, von seiner Hand geschrieben,

Ein lahm Sonett aus seinem eignen Hirn

Zu Beatricens Preis.

Hero.

Und hier ein zweites

Von ihrer Schrift, aus ihrer Tasch entwandt,

Verrät, wie sie für Benedikt erglüht.

Benedikt.

O Wunder, hier zeugen unsre Hände gegen unsre Herzen. Komm, ich will dich nehmen, aber bei diesem Sonnenlicht, ich nehme dich nur aus Mitleid.

Beatrice.

Ich will Euch nicht geradezu abweisen; aber bei diesem Tagesglanz, ich folge nur dem dringenden Zureden meiner Freunde, und zum Teil, um Euer Leben zu retten; denn man sagt mir, Ihr hättet die Auszehrung.

Benedikt.

Still! ich stopfe dir den Mund. (Küßt sie.)

Don Pedro.

Wie geht’s nun, Benedikt, du Ehemann? –

Benedikt.

Ich will dir etwas sagen, Prinz: eine ganze hohe Schule von Witzknackern soll mich jetzt nicht aus meinem Humor sticheln. Meinst du, ich frage etwas nach einer Satire oder einem Epigramm? Könnte man von Einfällen beschmutzt werden, wer hätte dann noch einen saubern Fleck an sich? Mit einem Wort, weil ich mir’s einmal vorgesetzt, zu heiraten, so mag mir die ganze Welt jetzt vorsetzen, was sie an Gegengründen weiß, mir soll’s eins sein; und darum macht nur keine Glossen wegen dessen, was ich ehmals dagegen gesagt habe; denn der Mensch ist ein wandelbares Geschöpf, und damit ist’s gut. Was dich betrifft, Claudio, so dachte ich dir, eins zu versetzen; aber da es den Anschein hat, als sollten wir jetzt Vettern werden, so lebe fort in heiler Haut und liebe meine Muhme.

Claudio.

Ich hatte schon gehofft, du würdest Beatricen einen Korb geben, damit ich dich aus deinem einzelnen Stande hätte herausklopfen können und dich zu einem Dualisten machen, und ein solcher wirst du auch ohne Zweifel werden, wenn meine Muhme dir nicht gewaltig auf die Finger sieht.

Benedikt.

Still doch, wir sind Freunde. Laßt uns vor der Hochzeit einen Tanz machen, das schafft uns leichtere Herzen und unsern Frauen leichtere Füße.

Leonato.

Den Tanz wollen wir hernach haben.

Benedikt.

Nein, lieber vorher; spielt nur, ihr Musikanten. – Prinz, du bist so nachdenklich, nimm dir eine Frau! nimm dir eine Frau! Es gibt keinen ehrwürdigern Stab, als der mit Horn beschlagen ist. Ein Diener kommt.

Diener.

Mein Fürst, Eur Bruder ward im Fliehn gefangen;

Man bracht ihn mit Bedeckung nach Messina.

Benedikt.

Denkt nicht eher als morgen an ihn; ich will unterdes schon auf derbe Strafen sinnen. Spielt auf, Musikanten! (Tanz. Alle ab.)

William Shakespeare – Romeo und Juliette

William Shakespeare: Romeo und Juliette

Übersetzt von Christoph Martin Wieland

Personen.

Escalus, Fürst von Verona. Paris, ein junger Cavalier, dem Fürsten verwandt, und Juliettens Liebhaber. Montague und Capulet, die Häupter von zween edlen Geschlechtern, die in Feindschaft mit einander stehen. Romeo, Montaguens Sohn. Mercutio, ein Verwandter des Fürsten, und Romeos Freund. Benvolio, Vetter und Freund des Romeo. Tybalt, Neffe des Capulet. Bruder Lorenz und Bruder Johann, Mönche. Balthasar, Bedienter von Romeo. Ein Edelknabe des Paris. Sampson und Gregorio, Capulets Bediente. Abraham, ein Bedienter von Montague. Ein Apotheker. Simon Kazen-Darm, Hug Leyermann und Samuel Windlade, Musicanten. Peter, der Amme Diener. Lady Montague. Lady Capulet. Julietta, Capulets Tochter. Die Amme derselben. Bürger von Verona, Masken, Trabanten, Wache, und andre stumme Personen.

Die Scene ist im Anfang des fünften Aufzugs in Mantua, und sonst immer in Verona.

Erster Aufzug.

Erste Scene.

Eine Strasse in Verona.

Sampson und Gregorio, zween Bediente der Capulets, treten mit Schwerdtern und Schilden bewaffnet auf, und ermuntern einander sich tapfer gegen die Montägues zu halten; ihre ganze Unterredung ist ein Gewebe von Wortspielen, Doppelsinn und Zoten. Abraham und Balthasar zu den Vorigen.

Gregorio zu Sampson.

Zieh vom Leder, hier kommen ein Paar von den Montägischen – –

Sampson.

Meine Fuchtel ist heraus; fang nur Händel an, ich will dir den Weg weisen – –

Gregorio.

So? Willt du davon lauffen?

Sampson.

Sey ohne Sorge, ich will stehen wie eine Mauer; aber es ist doch das Sicherste, wenn wir das Gesez auf unsrer Seite haben; wir wollen sie anfangen lassen.

Gregorio.

Ich will die Nase rümpfen, indem ich bey ihnen vorbeygehe; sie mögen’s dann aufnehmen, wie sie es verstehen.

Sampson.

Oder wie sie das Herz dazu haben. Ich will meinen Daumen gegen sie beissen, welches eine Beschimpfung für sie ist, wenn sie’s leiden.

Abraham.

Beißt ihr euern Daumen gegen uns, Herr?

Sampson.

Ich beisse meinen Daumen, Herr.

Abraham.

Beißt ihr euern Daumen gegen uns, Herr?

Sampson zu Gregorio leise.

Ist das Gesez auf unsrer Seite, wenn ich sage, ja?

Gregorio.

Nein.

Sampson laut.

Nein, Herr, ich beisse meinen Daumen nicht gegen euch, Herr: Aber ich beisse doch meinen Daumen, Herr.

Gregorio.

Sucht ihr Händel, Herr?

Abraham.

Händel, Herr? Nein, Herr.

Sampson.

Wenn ihr’s thut, Herr, so bin ich auch da, ich diene einem so brafen Mann als ihr.

Abraham.

Keinem bessern.

Sampson.

Gut, Herr. Benvolio zu den Vorigen.

Gregorio zu Sampson leise.

Sag, einem bessern: Hier kommt einer von unsers Herrn Neffen.

Sampson laut.

Ja, einem bessern, Herr.

Abraham.

Ihr lügt.

Sampson.

Zieht, wenn ihr Männer seyd – – Gregorio, das war eine Ohrfeige, die du nicht einsteken must – –

Benvolio.

Aus einander, ihr Narren, stekt eure Degen ein, ihr wißt nicht was ihr thut. Tybalt zu den Vorigen.

Tybalt.

Wie, du ziehst deinen Degen gegen diese verzagten Hasen? Kehre dich um, Benvolio, und sieh deinen Tod an.

Benvolio.

Ich mache nur Frieden; stek deinen Degen ein, oder brauch‘ ihn, mir Friede unter diesen Leuten machen zu helfen.

Tybalt.

Wie, mit gezogenem Degen von Frieden schwazen? Ich hasse diess Wort wie die Hölle, wie alle Montägues und dich – – wehr dich, H** (Sie fechten.) Drey oder vier Bürger mit Knitteln treten auf.

Ein Bürger.

Knittel, Spiesse, Hellebarden her! Schlagt zu! Schlagt sie nieder! Zu Boden mit den Capulets! Zu Boden mit den Montägues! Der alte Capulet in einem Schlafrok, und Lady Capulet.

Capulet.

Was für ein Lerm ist das? Gebt mir meinen langen Degen, he!

Lady Capulet.

Eine Krüke, eine Krüke – – was wollt ihr mit einem Degen machen?

Capulet.

Meinen Degen, sag ich; da kommt der alte Montague, und fuchtelt mir mit seiner Klinge unter die Nase – – Der alte Montague, und Lady Montague.

Montague.

Du nichtswürdiger Capulet – – Halt mich nicht, laß mich gehn!

Lady Montague.

Du sollt mir keinen Fuß rühren, um einen Feind zu suchen. Der Fürst von Verona mit seinem Gefolge tritt auf, erzürnt sich gewaltig über diesen Unfug, wirft den beyden Alten vor, daß sie ihrer Familien-Feindschaft wegen Verona schon dreymal in Aufruhr gesezt, verbietet ihnen bey Todes-Straffe die Strassen nicht mehr zu beunruhigen, und tritt, nachdem er sie geschieden, wieder ab.

Zweyte Scene.

Der alte Montague, Lady Montague, und Benvolio bleiben zurük.

Lady.

Wer brachte diesen alten Handel wieder in Bewegung? Redet, Neffe, war’t ihr dabey, wie er angieng?

Benvolio.

Hier fand ich die Bedienten euers Gegentheils, und die eurigen, die sich mit einander herumschlugen, wie ich kam; ich brachte sie aus einander: In dem nemlichen Augenblik kam der feurige Tybalt mit gezognem Degen, den er unter drohenden Herausforderungen über meinem Kopf schwang, und damit auf die Winde zuhieb, die so wenig nach seinen Streichen fragten, daß sie ihn noch dazu auszischten. Wie wir nun an einander waren, so kamen immer mehr Leute, und fochten zu beyden Seiten, bis der Fürst kam, und uns aus einander sezte.

Lady.

O wo ist Romeo? Habt ihr ihn heute nie gesehen? Ich bin recht froh, daß er nicht bey dieser Schlägerey war.

Benvolio.

Madam, eine Stunde eh die* Sonne aufgieng, trieb mich ein beunruhigtes Gemüth aufzustehen, und vor die Stadt hinaus zu gehen; und da traf ich auf der West-Seite der Stadt euern Sohn einsam unter einem Gang von Egyptischen Feigen-Bäumen an. Ich gieng auf ihn zu; aber kaum ward er mich gewahr, so schlich er sich in das dichteste Gehölze. Ich urtheilte von seiner Gemüths-Beschaffenheit nach der meinigen, (denn wir sind innerlich nie mehr beschäftigst, als wenn wir die Einsamkeit suchen,) und anstatt ihm nachzugehen, gieng ich meinen Gedanken nach, und war so vergnügt, daß er mich ausgewichen hatte, als er selbst.

Montague.

Schon manchen Morgen ist er dort gesehen worden, wie er den frischen Morgenthau mit seinen Thränen, und die Morgen-Wolken mit tieffen Seufzern vermehrte; aber kaum fängt die alles erfreuende Sonne an, im fernsten Osten die Vorhänge von Aurorens Bette wegzuziehen, so schleicht sich der schwermüthige Jüngling vom Licht nach Hause und kerkert sich in sein Zimmer ein, versperrt seine Fenster, schließt das schöne Tageslicht hinaus, und macht sich selbst eine erkünstelte Nacht. Er muß nothwendig in einen schwarzen und Unglük-brütenden Humor verfallen wenn nicht bey Zeiten darauf gedacht wird, die Ursache des Uebels wegzuräumen.

Benvolio.

Mein edler Oheim, kennt ihr die Ursache?

Montague.

Ich kenne sie nicht, und kan sie auch nicht aus ihm herausbringen.

Benvolio.

Habt ihr schon in ihn gedrungen?

Montague.

Durch euch selbst und durch viele andre Freunde, aber vergebens; seines eignen Herzens geheimer Rathgeber, ist er gegen sich selbst, ich will nicht sagen so getreu, aber doch so geheim und verschwiegen, so entfernt sich selbst zu verrathen, oder nur einer Muthmassung Grund zu geben, als eine Blumen-Knospe, die von einem inwendig verborgnen Wurm gebissen worden, eh sie ihre zarten Schwingen an der Luft ausspreiten, und ihre Schönheit der Sonne wiedmen konnte. Könnt‘ ich nur erfahren, woher sein Kummer entspringt, es sollte ihm augenbliklich abgeholfen werden. Romeo tritt auf.

Benvolio.

Hier kommt er selbst; wenn’s euch beliebt, so gehet bey Seite; ich will sein Geheimniß ausfündig machen, oder ich müßte mich sehr betrügen.

Montague.

Ich wünsche, daß du so glüklich seyn mögest – – Kommt Madam, wir wollen gehen. (Sie gehen ab.)

Benvolio.

Guten Morgen, Vetter.

Romeo.

Ist der Tag noch so jung?

Benvolio.

Es hat eben neune geschlagen.

Romeo.

Weh mir! Wie lang scheinen uns Kummer-volle Stunden! War das mein Vater, der so eilfertig sich entfernte?

Benvolio.

Er war’s; aber was für ein Kummer verlängert Romeo’s Stunden?

Romeo.

Der Kummer, das nicht zu haben, was sie verkürzen würde.

Benvolio.

Seyd ihr verliebt?

Romeo.

Ohne Hoffnung wieder geliebt zu werden.

Benvolio.

Wie Schade, daß die Liebe, die von Ferne so reizend anzusehen ist, so grausam und tyrannisch seyn soll, so bald sie uns erreicht!

Romeo.

Wie Schade, daß die Liebe, mit verbundnen Augen, Pfade zu ihrem Unglük sehen soll! – – Wo werden wir zu Mittag essen? – – Weh mir! – – Was für ein Tumult war vorhin? – – Doch sagt mir nichts davon, ich hab alles schon gehört. Der Haß macht hier viel zu thun, aber die Liebe noch mehr: Wie dann, o mißhellige Liebe! o liebender Haß! O unwesentliches Etwas, und würkliches Nichts! So leicht und doch zu Boden drükend! So ernsthaft und doch Tand! Du ungestaltes Chaos von reizenden Phantomen! Bleyerne Feder, glänzender Rauch, kaltes Feuer, kranke Gesundheit, immer-wachender Schlaf – – o! du wunderbares Gemisch von Seyn und Nichtseyn! – – Das ist die Liebe die ich fühle, ohne in dem was ich fühle die Liebe zu erkennen – – Lachst du nicht?

Benvolio.

Nein, Vetter, ich möchte lieber weinen.

Romeo.

Du gutes Herz! Worüber?

Benvolio.

Dein gutes Herz so beklemmt zu sehen.

Romeo.

Du vermehrest meinen Kummer durch den deinigen, anstatt ihn zu erleichtern.** – – Liebe ist ein Rauch, der vom Hauch der Seufzer erregt wird, aber gereinigt ein Feuer das in der Liebenden Augen schimmert – – Unglükliche Liebe ist eine See, die mit den Thränen der Liebenden genährt wird; was ist sie noch mehr? Eine vernünftige Tollheit, eine erstikende Galle, eine erquikende Herzstärkung – – Lebt wohl, Vetter. (Er will gehen.)

Benvolio.

Sachte, ich will mitgehen. Ihr beleidigt meine Freundschaft, wenn ihr mich auf eine solche Art verlaßt.

Romeo.

Still! Ich habe mich selbst verlohren, ich bin nicht hier; das ist nicht Romeo, er ist sonst irgendwo.

Benvolio.

– – *** Aber wer ist dann die Person, die du liebst?

Romeo.

Ich will dir’s sagen, Vetter; ich liebe – – ein Weibsbild.

Benvolio.

Das errieth ich, sobald ich merkte, daß ihr verliebt wäret.

Romeo.

Du hast eine vortreffliche Gabe zum Errathen – – und sie ist schön, die ich liebe.

Benvolio.

Ein schönes Ziel ist desto leichter zu treffen.

Romeo.

Aber sie wird von Cupido’s Pfeile nicht getroffen werden; sie hat Dianens Sprödigkeit, und lebt in der wolgestählten Rüstung ihrer Keuschheit sicher vor Amors kindischem Bogen. Sie sezt sich keinen nachstellenden Bliken aus, sie öffnet ihr Ohr keinen Liebes-Erklärungen, noch ihren Schooß dem Golde, das sonst oft die Heiligen selbst verführt. O! Sie ist reich an Schönheit, und allein darinn arm, daß der ganze Schaz der Schönheit, in ihr versammelt, sterblich ist.

Benvolio.

Hat sie denn geschworen, daß sie in ewiger Jungfrauschaft leben will?

Romeo.

Sie hat, und macht sich durch diese Sparsamkeit einer ungeheuren Verschwendung schuldig. Denn Schönheit, die durch ihre eigne Strenge umkommt, vernichtet auf einmal die Schönheit einer ganzen Nachkommenschaft. Sie ist zu weise um so schön, oder zu schön um so weise zu seyn; und es ist grausam an ihr, den Himmel damit verdienen zu wollen, daß sie mich zur Verzweiflung treibt – –

Benvolio.

Laßt euch einen guten Rath geben, und vergeßt, an sie zu denken.

Romeo.

O lehre mich erst, wie ich vergessen kan, mich meiner selbst zu erinnern.

Benvolio.

Gieb deinen Augen ihre Freyheit wieder; lenke deine Aufmerksamkeit auf andre Schönheiten.

Romeo.

Das wäre das Mittel, alle Augenblike an den Vorzug der ihrigen erinnert zu werden. Diese glüklichen Schleyer, die die Stirne schöner Damen küssen, erheben durch ihre Schwärze, die Schönheit, so sie verbergen. Wer durch einen Unfall blind worden ist, kan nicht vergessen, was für einen kostbaren Schaz er mit seinem Gesicht verlohren hat. Zeigt mir ein Frauenzimmer, das unter tausenden die schönste ist; wozu kan mir ihre Schönheit dienen, als zu einem Spiegel, worinn ich diejenige erblike, die noch schöner als die schönste ist? Lebe wohl, und gieb‘ es auf, mich sie vergessen zu lehren.

Benvolio.

Ich will diesen Unterricht bezahlen, oder als Schuldner sterben. (Sie gehen ab.)

* Im Original: »Eh die angebetete Sonne sich durch das goldne Fenster des Osten sehen ließ.« Es ist nichts leichters, als durch eine allzuwörtliche Uebersezung den Shakespear lächerlich zu machen, wie der Herr von Voltaire neulich mit einer Scene aus dem Hamlet eine Probe gemacht, die wir an gehörigem Ort ein wenig näher untersuchen wollen. Indeß erzürnt sich doch Herr Freron zu sehr über diese und andre Alters-Schwachheiten des Autors der Zayre. Er mag seine Ursachen dazu haben; aber die Welt urtheilt mit kälterm Blute; wenigstens werden die Briten, welche sehr wol wissen warum sie auf ihren Shakespear stolz sind, es dem französischen Poeten sehr leicht zu gut halten können, daß er (in einem Alter, wo er sich nicht mehr stark genug fühlt, sich mit der Beute die er ihrem Shakespear abgenommen zu brüsten) seine Freude daran hatte, durch eine Schulknaben-mäßige Nachäffung den Narren mit ihm zu spielen, und dadurch dem Publico wenigstens eben so viel Spaß zu machen, als er selbst von einer so kindischen Kurzweil nur immer haben kann. ** Es ist ein Unglük für dieses Stük, welches sonst so viele Schönheiten hat, daß ein grosser Theil davon in Reimen geschrieben ist. Niemals hat sich ein poetischer Genie in diesen Fesseln weniger zu helfen gewußt als Shakespear; seine gereimten Verse sind meistens hart, gezwungen und dunkel; der Reim macht ihn immer etwas anders sagen als er will, oder nöthigt ihn doch, seine Ideen übel auszudrüken. Die Feinde des Reims werden dieses vielleicht als eine neue Instanz anziehen, um diese vergebliche Fesseln des Genie den Liebhabern und Lesern so verhaßt zu machen, als sie ihnen sind. Aber warum hat z. Ex. Pope die schönsten Gedanken, die schimmerndste Einbildungskraft, den feinsten Wiz, den freyesten Schwung, den lebhaftesten Ausdruk, die gröste Anmuth, Zierlichkeit, Correction, und über alles dieses, den höchsten Grad der musicalischen Harmonie, deren die Poesie in seiner Sprache fähig ist, in seinen Gedichten mit dem Reim durchaus zu verbinden gewußt? Die Reime können vermuthlich nichts dazu, wenn sie für einige Dichter schwere Ketten mit Fuß-Eisen sind; für einen Prior oder Chaulieu sind sie Blumen-Ketten, womit die Grazien selbst sie umwunden zu haben scheinen, und in denen sie so leicht und frey herumflattern als die Scherze und Liebes-Götter, ihre beständigen Gefehrten. Shakespears Genie war zu feurig und ungestüm, und er nahm sich zu wenig Zeit und Mühe seine Verse auszuarbeiten; das ist die wahre Ursache, warum ihn der Reim so sehr verstellt, und seinen Uebersezer so oft zur Verzweiflung bringt.

*** Hier haben etliche Non-Sensicalische Zeilen ausgelassen werden müssen.

Dritte Scene.

Capulet, Paris, und ein Bedienter treten auf.

Capulet.

Montague ist so gut gebunden als ich; er hat die nemliche Straffe zu befürchten; und für alte Leute wie wir sind, sollt‘ es nicht schwer seyn, Frieden zu halten.

Paris.

Ihr seyd beyde rechtschaffne Männer, und es ist recht zu bedauren, daß ihr so lang in Mißhelligkeit gelebt habt – – Aber nun, gnädiger Herr, was sagt ihr zu meiner Anwerbung?

Capulet.

Ich kann euch nichts anders sagen, als was ich schon gesagt habe: Mein Kind ist noch ein neu angekommener Fremdling in der Welt, sie hat noch nicht vierzehn Jahre gesehen; laßt wenigstens noch zween Sommer verblühen, eh wir denken können, daß sie zum Braut-Stande reif sey.

Paris.

Jüngere als sie, sind schon glükliche Mütter geworden.

Capulet.

Und verderben auch desto früher, je frühzeitigere Früchte von ihnen erzwungen werden. Die Erde hat alle meine andern Hoffnungen verschlungen; ich habe kein Kind als sie; sie ist das einzige Vergnügen meines Alters, indeß bewirb dich bey ihr selbst um sie, mein lieber Paris, such ihr Herz zu gewinnen; wenn du ihren Beyfall hast, so hast du meine Einwilligung. Diese Nacht geb‘ ich, einer alten Gewohnheit nach, ein Gastmahl, wozu ich viele werthe Freunde eingeladen habe: Vermehret ihre Anzahl, unter allen soll mir keiner willkommner seyn. Ihr werdet diese Nacht in meinem armen Haus irdische Sterne sehen, welche die himmlischen selbst verdunkeln können.* Ihr werdet mit dem Vergnügen, das muntre junge Leute fühlen wenn der schmuke April den hinkenden Winter vor sich hertreibt, unter einem Frühling voll neu entfalteter Mädchen-Knospen wandeln; betrachtet sie alle, höret alle, und laßt euch diejenige am besten gefallen, die es am meisten verdient; ihr werdet so viele liebenswürdigere finden, daß die meinige sich unbemerkt in der Menge verliehren wird. Kommt, geht mit mir – – Du, Bursche, geh, trotte ganz Verona durch, und lade die Personen zu mir ein, deren Namen auf diesem Zettel stehen – – (Capulet und Paris gehen ab.)

Bedienter.

Lade mir die Personen ein, die auf diesem Zettel stehen – – Es steht geschrieben, der Schuster soll sich mit seinem Ellen-Stab abgeben, der Schneider mit seinem Leist, der Fischer mit seinem Pinsel, und der Mahler mit seinem Nez. Aber ich soll die Personen finden, deren Namen hier geschrieben sind, und kan doch nicht finden, was für Namen die schreibende Person hieher geschrieben hat. Ich muß mich bey den Gelehrten Raths erholen – – Da lauffen mir gerad ihrer ein Paar in die Hände – – Benvolio und Romeo treten auf.

Benvolio.

Still, Mann! Eine Hize treibt die andre aus, und die Pein eines Schmerzens wird durch einen andern Schmerz vermindert; wenn dir taumlicht ist, so hilfst du dir damit, daß du dich wieder zurük drehest, und deiner Hoffnungslosen Liebe kan nicht besser als durch eine neue geholfen werden.

Romeo.

Wegbreit-Blätter sind unvergleichlich für das.

Benvolio.

Für was, wenn man bitten darf?

Romeo.

Für euern Beinbruch.

Benvolio.

Wie, Romeo, bist du toll?

Romeo.

Nicht toll, aber fester angebunden als irgend einer im Tollhause; in ein Gefängniß eingesperrt, zur Hunger-Cur verurtheilt, gepeitscht und gepeinigt: Und – – guten Abend, Camerad – – (Zum Bedienten.)

Bedienter.

Einen guten Abend geb‘ euch Gott: Ich bitte euch, Herr, könnt ihr lesen?

Romeo.

Ja, mein Schiksal in meinem Unglük.

Bedienter.

Vielleicht habt ihr ohne Buch lesen gelernt; aber ich bitte euch, könnt ihr alles lesen was ihr seht?

Romeo.

Ja, wenn ich die Buchstaben und die Sprache weiß.

Bedienter.

Das ist gesprochen wie ein Bidermann – – Gott behüt‘ euern guten Humor! (Er will gehen.)

Romeo.

Bleib, Bursche, ich kan lesen – – Er ließt das Papier. Signor Martino und seine Frau und Töchter: Graf Anselmo und seine schönen Schwestern; die verwittibte Donna Vitruvia; Signor Placentio und seine liebenswürdige Nichten; Mercutio und sein Bruder Valentin; mein Oheim Capulet mit Frau und Töchtern; meine schöne Nichte Rosalinde; Livia, Signor Valentio und sein Vetter Tybalt; Lucio, und die lebhafte Signora Helena – – Eine hübsche Assamblee, und wohin sollen sie kommen?

Bedienter.

Herauf – –

Romeo.

Wohin?

Bedienter.

Zum Nacht-Essen in unser Haus.

Romeo.

In wessen Haus?

Bedienter.

In meines Herren seines.

Romeo.

In der That, das hätte ich dich vorher fragen sollen.

Bedienter.

Nein, ich will euch eine Müh ersparen. Mein Herr ist der grosse reiche Capulet, und wenn ihr keiner vom Haus der Montägues seyd, so bitt‘ ich euch, kommt, und helft uns die Gläser ausleeren. Eine gute Zeit. (Geht ab.)

Benvolio.

Wie wohl sich das fügt! die schöne Rosalinde, in die du so verliebt bist, wird mit allem was das Schönste in Verona ist, diesem Familien-Gastmal der Capulets beywohnen. Geh du auch hin, vergleich mit unpartheyischen Augen ihr Gesicht mit einigen, die ich dir zeigen will, und du sollst finden, daß dein Schwan eine Krähe ist.

Romeo.

** – – – – – – Eine schönere als meine Liebe! die allsehende Sonne sah niemals ihres gleichen, seit die Welt begann.

Benvolio.

Gut, gut! Ihr habt sie nur gesehen, wenn keine andre dabey war, und ihr sie, in beyden Augen, nur mit sich selbst abwoget; aber laßt ihre Reizungen in diesen crystallnen Waagschaalen gegen ein gewisses andres Mädchen, das ich euch bey diesem Gastmahl in seinem vollen Glanze zeigen will, abgewogen werden; so wird euch diejenige kaum noch erträglich vorkommen, die izt die beste scheint.

Romeo.

Ich will mit dir gehen, nicht weil ich dir glaube, sondern um das Vergnügen zu haben, dich von dem Triumph meiner Geliebten zum Zeugen zu machen. (Sie gehen ab.)

* Hr. Warbürton ist der Welt als ein grosser Criticus bekannt, und es ist gewiß, daß wir seiner Scharfsinnigkeit viele Verbesserungen unsers durch die Schauspieler so übel zugerichteten Autors zu danken haben. Dem ungeachtet, scheint er zuweilen in den fast allgemeinen Fehler der Verbal-Critiker zu fallen, und mit dem Shakespear nicht viel besser zu verfahren, als der gelehrte Bentley mit dem Horaz. Hier ist ein Beyspiel davon, das wir zur Probe anführen wollen, ob es gleich sonst desto unnöthiger ist, die Leser mit critischen Noten zu behelligen, da selbige die Kenntniß der Englischen Sprache voraussezen, und diese Uebersezung nur für diejenige gemacht ist, die das Original nicht lesen können. Warbürton nennt den Vers: Earthtreading stars that make dark heaven’s Light, Unsinn, und will daß man lesen soll: That make dark Even light – – Eine Verbesserung im echten Bentleyischen Geschmak! Die Verbesserung ist wahrer Unsinn, der Text aufs höchste eine weder ungewöhnliche noch unschikliche Hyperbole. Es ist etwas sehr mögliches, daß die irdischen Sterne, welche Shakespear meynt, bey einem Bal den Glanz der himmlischen in den Augen eines jungen Liebhabers verdunkeln; und das ist der natürlichste Sinn des Texts: Aber daß eine ganze Schaar der schimmerndsten Schönen durch den blossen Glanz ihrer Augen, einen Tanzsaal so wol erleuchten sollte, daß man die Lichter dabey ersparen könnte, ist mehr als man auch der feurigsten Orientalischen Einbildungskraft zumuthen dürfte. Wenn wir, wie schon öfters geschehen ist, die Lesart des Texts der vermeynten Verbesserung des Hrn. Warbürtons vorziehen, so geschieht es allemal mit so gutem Grund als dieses mal, obgleich manche von denenjenigen, die wir verwerfen, seinem Wiz mehr Ehre machen, als die gegenwärtige. ** Eine Lüke von vier abgeschmakten Reimen.

Vierte Scene.

Verwandelt sich in Capulets Haus. Lady Capulet und die Amme treten auf.

Lady.

Amme, wo ist meine Tochter? Ruffe sie zu mir heraus.

Amme.

Nun, bey meiner Jungferschaft, (wie ich zwölf Jahre alt war, meyn‘ ich;) ich sagte ihr, sie möchte kommen; wie, Schäfchen – – he! Mein Däubchen – – daß uns Gott behüte! Wo ist das Mädchen? he! Juliette! Juliette zu den Vorigen.

Juliette.

Was ists? Wer ruft?

Amme.

Eure Frau Mutter.

Juliette.

Madam, hier bin ich, was ist euer Wille?

Lady.

Das ist eben die Sache – – Amme, verlaß uns eine Weile, wir müssen allein mit einander reden; Amme, komm wieder zurük, ich habe mich anders besonnen, du darfst wohl bey unsrer Unterredung zugegen seyn: du weist, meine Tochter hat ein artiges Alter.

Amme.

Mein Treu, ich kan ihr Alter bey einer Stunde sagen.

Lady.

Sie ist noch nicht vierzehn.

Amme.

Ich will gleich vierzehn Zähne daran sezen, (und doch muß ich’s zu meiner Schande sagen, ich habe nur noch vier,) sie ist nicht vierzehn; wie lang ist es noch von izt bis an St. Peters-Tag?

Lady.

Vierzehn Tage, oder noch ein paar drüber.

Amme.

Sey es vierzehn Tage oder fünfzehn, das thut nichts, kommt St. Peters-Abend, so wird sie vierzehn seyn. Süßchen und sie (Gott tröst ihre Seele!) waren von gleichem Alter. Wohl, Süßchen ist im Himmel, sie war zu gut für mich. Aber, wie ich sagte, an St. Peters-Abend des Nachts wird sie vierzehn seyn, das wird sie, meiner Six, ich erinnre mich’s als ob’s seit gestern wäre. Es ist seit dem Erdbeben nun eilf Jahre daß sie entwöhnt wurde; unter allen Tagen im Jahr will ich den Tag nicht vergessen; ich hatte denselben Tag Wermuth an meine Brust gestrichen, und saß in der Sonne an der Mauer unter dem Dauben-Schlag; der Gnädige Herr und Eu. Gnaden waren damals zu Mantua – gelt, ich kan etwas im Kopf behalten? – – Aber, wie ich sagte, wie das Kind den Wermuth an meiner Brustwarze kostete, und schmekte daß es bitter war, das artige Närrchen, da hättet ihr sehen sollen, wie es so gescheid war und augenbliklich die Brust fahren ließ. Schüttle dich, sagte der Dauben-Schlag – – mein Treu! es mußte mir niemand sagen, daß ich hurtig lauffen sollte; und seitdem ist es nun eilf Jahre, denn sie konnte damals schon allein stehen; ja, bey meiner Treu, sie, konnte schon lauffen, und watschelte schon allenthalben herum; dann just den Tag vorher, da sie das Loch in ihre Stirne fiel, und da hub mein Mann (Gott tröst ihn, er war ein muntrer Mann) da hub er das Kind auf; so, sagt‘ er, fällst du auf die Nase? Du wirst auf den Rüken fallen, wenn du mehr Verstand haben wirst; wirst du nicht Julchen? Und, bey unsrer lieben Frauen! Das artige Tröpfchen hörte auf schreyen, und sagte, Ay – – so daß man sehen kan, wie endlich aus Spaß Ernst wird – – Da steh ich dafür, und wenn ich tausend Jahre leben sollte, so vergeß ichs nicht: Wirst du nicht, Julchen, sagt‘ er? Und das artige Närrchen, es hörte auf schreyen, und sagte, Ay!

Lady Capulet.

Genug hievon, ich bitte dich, stille!

Amme.

Ja, Gnädige Frau; und doch kan ich mir nicht helfen, ich muß lachen, wenn ich dran denke daß es aufhörte zu schreyen, und Ay sagte; und doch bin ich gut dafür, daß es eine Beule an der Stirne hatte, so dik wie ein junger Hahnen-Stein, eine recht gefährliche Beule, und es weinte bitterlich. So, sagte mein Mann, fällst du auf die Nase? Du wirst rükwärts fallen, wenn du älter wirst, wirst du nicht, Julchen? Und da schwieg es, und sagte, Ay.

Juliette.

Und schweig du auch, ich bitte dich, Amme, sag ich.

Amme.

Still, ich bin fertig: Gott zeichne dich zu seinem Segen aus! Du warst das holdseligste Kind, das ich gesäugt habe; und wenn ich nur so lange lebe, daß ich dich verheurathet sehe, so wünsch‘ ich mir nichts mehr.

Lady Capulet.

Diese Heurath ist eben die Sache, wovon ich reden wollte. Sagt mir, Tochter Juliette, habt ihr Lust zum Heurathen?

Juliette.

Es ist eine Ehre, von der ich mir nicht träumen lasse.

Amme.

Eine Ehre? Wenn ich nicht deine leibliche Amme wäre, so würd‘ ich sagen, du habst die Weisheit mit der Milch eingezogen.

Lady Capulet.

Gut, es ist nun Zeit daran zu denken; es giebt hier in Verona jüngere als ihr, und Frauenzimmer von Stand und Ansehen, die schon Mütter sind. Bey meiner Ehre, in dem Alter worinn ihr noch ein Mädchen seyd, war ich schon eure Mutter. Ich will’s also kurz machen, und euch sagen, daß sich der junge Paris um euch bewirbt.

Amme.

Ein Mann, junges Fräulein, ein Mann, dessen gleichen in der ganzen Welt – – Sapperment! es ist ein Mann wie in Wachs boßiert.

Lady Capulet.

Verona’s Sommer hat keine schönere Blume.

Amme.

Das ist wahr, er ist eine Blume; mein Treu, eine wahre Blume.

Lady Capulet.

Was sagt ihr dazu? Gefällt euch der Cavalier? Ihr werdet ihn diese Nacht bey unserm Gastmahl sehen; beobachtet ihn recht, ihr werdet gestehen müssen, daß nichts liebenswürdigers seyn kan. Er ist eurer würdig, und wird euch glüklich machen* – – Doch, ihr habt ihn ja sonst schon gesehen; sagt, mit einem Wort, könnt ihr euch seine Liebe gefallen lassen?

Juliette.

Ich will ihn erst genauer betrachten; alles was ich izt sagen kan, ist, daß meine Augen allezeit durch euern Willen geleitet werden sollen. Ein Bedienter zu den Vorigen.

Bedienter.

Gnädige Frau, die Gäste sind angekommen, das Essen ist aufgetragen, man wartet auf Euer Gnaden und mein junges Fräulein, man flucht auf die Amme im Speißgewölbe, und alles ist in der Extremität. Ich muß wieder zur Aufwartung; ich bitte euch, kommet augenbliklich.

Lady Capulet.

Wir kommen – – Juliette, es wird den Grafen nach dir verlangen.

Amme.

Geh, Mädchen, und suche zu deinen guten Tagen auch glükliche Nächte. Sie gehen ab.

* Man hat gut gefunden diese Rede zu verändern und abzukürzen. Sie ist im Original die Grundsuppe der abgeschmaktesten Art von Wiz, und des Characters einer Mutter äusserst unwürdig. Pope scheint zu vermuthen, daß sie von Schauspielern eingeflikt worden sey.

Fünfte Scene.

Eine Strasse vor Capulets Haus.

Romeo, Mercutio, Benvolio mit fünf oder sechs andern Masken, Fakel-Trägern und Trummeln.

Romeo.

Wie, soll diese Rede unsre Entschuldigung machen, oder wollen wir ohne Apologie auftreten?

Benvolio.

Diese Weitläufigkeiten sind nicht mehr Mode. Wir brauchen keinen Cupido, mit einer Schärpe von Flittergold und einem gemahlten Tartar-Bogen von Schindeln, der die armen Mädchen, wie ein Vögel-Schrek die Krähen, zu fürchten macht. Sie mögen von uns halten was sie wollen, wenn wir ihnen nicht gefallen, oder sie uns nicht, so gehen wir wieder.

Romeo.

Gebt mir eine Fakel; ich bin nicht im Humor, Sprünge zu machen.

Mercutio.

Nicht doch, mein lieber Romeo, ihr müßt eins tanzen.

Romeo.

Ich gewiß nicht, das glaubt mir; ihr habt Tanzschuhe mit dünnen Solen, ich habe eine Seele von Bley,* die mich so zu Boden zieht, daß ich nicht von der Stelle kommen kan.

Mercutio.

Ihr seyd ein Liebhaber; borgt dem Cupido seine Flügel ab, und schwingt euch damit empor.**

Romeo.

Ich bin zu hart von seinem Pfeil verwundet, als daß ich mich auf seinen Flügeln erheben könnte – –

Mercutio.

Gebt mir ein Futteral, worein ich mein Gesicht steken kan – – (Er nimmt seine Maske ab.) – – Eine Maske für ein Frazen-Gesicht! – – wozu brauch ich eine Maske? Es wird niemand so vorwizig seyn, ein Gesicht wie das meinige genau anzusehen.

Benvolio.

Kommt, wir wollen anklopfen und hineingehn; und wenn wir einmal drinn sind, dann mag ein jeder seinen Füssen zusprechen. (Hier fallen noch etliche sinnreiche Wizspiele von der grammaticalischen Art, zwischen Mercutio und Romeo weg.)

Romeo.

Wir gedenken uns bey diesem Ball eine Kurzweil zu machen, und doch sind wir nicht klug, daß wir gehen.

Mercutio.

Warum, wenn man fragen darf?

Romeo.

Mir träumte vergangne Nacht – –

Mercutio.

Mir auch.

Romeo.

Gut, was träumte euch?

Mercutio.

Daß Träumer manchmal lügen.

Romeo.

Ja, in ihrem Bette,*** wo sie oft wahre Dinge träumen.

Mercutio.

O, dann seh ich, daß ihr einen Besuch von der Königin Mab gehabt habt. Sie ist die Heb-Amme der Phantasie, kommt bey Nacht, nicht grösser als ein Agtstein am Zeigfinger eines Aldermanns, und fährt euch mit einem Gespan von kleinen Atomen über die Nasen der Schlafenden hin. Ihre Rad-Speichen sind von langen Spinnen-Beinen, die Deken von Grashüpfers-Flügeln, das Geschirr vom feinsten Spinnen-Web, die Kummet von Mondscheins-Stralen; ihre Peitsche von einem Grillen-Bein, und der Riemen von der feinsten Membrane; ihr Kutscher eine dünne grau-rokichte Schnake, nicht halb so dik als ein kleiner runder Wurm, den der schleichende Finger eines kleinen Mädchens aufgestochert hat. Ihr Wagen ist eine leere Hasel-Nuß, von Schreiner Eichhorn, oder Meister Wurm gemacht, die seit unfürdenklicher Zeit die Wagner der Feen sind: und in diesem Staat galloppiert sie, Nacht für Nacht, durch das Gehirn der Verliebten, und dann träumen sie von Liebe; über die Kniee der Hofleute, welche dann straks von Aufwartungen; über die Finger der Advocaten, die straks von Sporteln; über die Lippen der Damen, die straks von Küssen träumen, aber oft von der erzürnten Mab mit Hiz-Blattern gestraft werden, wenn ihr Athem nach parfümiertem Zuker-Werk riecht. Zuweilen galloppiert sie über eines Hofschranzen Nase, und da träumt er, er hab‘ eine Pension ausgespürt: ein andermal kommt sie mit dem Wedel eines Zehend-Schweins in der Hand, und küzelt den schnarchenden Pfarrer; straks träumt er, daß er eine bessere Pfründe bekommen habe. Zuweilen fährt sie über eines Soldaten Hals, und da träumt er von ausländischen Hälsen die er abgeschnitten, von Friedens-Brüchen, Scharmüzeln, Spanischen Klingen, und fünf-Faden-tieffen Gesundheiten; dann trummelt sie wieder in seinen Ohren und er fährt erschroken auf, und erwacht, schwört ein paar Stoß-Gebette, und schläft wieder ein. Das ist die nemliche Mab, die den Kühen die Milch aussaugt, und den Pferden im Schlaf die Mähne verstrikt; das ist die Drutte, (der Alp,) welche die Mädchens drükt, wenn sie Nachts auf dem Rüken ligen – – das ist – –

Romeo.

Stille, Stille, Mercutio, wie lange kanst du von nichts reden?

Mercutio.

In der That, ich rede von Träumen, diesen Kindern die ein müßiges Hirn mit der eiteln Phantasie erzeugt, welche so wenig Leib hat als die Luft, und unbeständiger ist als der Wind, der nur eben um den kalten Busen des Nords buhlte, und den Augenblik drauf, in einem Anstoß von Laune, hinwegstürmt, und sein Gesicht dem thauichten Sud zudreht.

Benvolio.

Dieser Wind von dem ihr euch so gelassen besprecht, bläßt uns von uns selbst weg; das Gastmal ist indeß vorbey, und wir werden zu spät kommen.

Romeo.

Ich fürchte, nur zu früh – – Denn mein Gemüth weissagt mir irgend eine schwarze noch in den Sternen hangende Begebenheit, die von den Spielen dieser Nacht ihren furchtbaren Anfang nehmen, und vielleicht das Ziel meines verhaßten Lebens durch die gewaltsame Hand eines frühzeitigen Todes beschleunigen wird. Doch Er, der das Steuer-Ruder meines Lauffes führt, lenk‘ ihn nach seinem Gefallen! – – Wohlan, meine muntern Freunde!

Benvolio.

Rührt die Trummel! – – (Sie ziehen über den Schauplatz, und treten ab.) * Wortspiel mit Sole, und Soul, welche fast gleich ausgesprochen werden. ** In dieser Rede, der Antwort des Romeo, und etlichen folgenden Zeilen, die man gänzlich weglassen mußte, dreht sich alles um Wortspiele mit Bound und bound, soar und sore, und ein paar eben so frostige Antithesen herum. Alles dieses armselige Zeug findet sich, wie Pope bemerkt, nicht in der ersten Ausgabe dieses Stüks von 1597. *** Wortspiel mit lie und lye, liegen, und lügen, welches sich zu gutem Glük übersezen läßt.

Sechste Scene.

Verwandelt sich in eine Halle in Capulets Hause.

Etliche Bediente, mit Handtüchern.

1. Bedienter.

Wo ist Potpan, daß er uns nicht aufräumen hilft – – er hat einen Teller weggeschnappt! Er hat einen Teller mit sich gehen heissen!

2. Bedienter.

Wenn gute Manieren alle in eines oder zweener Händen liegen, und die noch dazu ungewaschen sind, das ist eine garstige Sache.

1. Bedienter.

Fort mit den Lehnstühlen, das kleine Schenk-Tisch’gen aus dem Wege, seht zu dem Silber-Geschirr; du, guter Freund, mache daß du mir ein Stük Marzipan auf die Seite kriegst; und wenn du mich lieb hast, so sorge, daß der Thorhüter Susanna Mühlstein und Nell, Antoni und den Potpan hereinläßt – –

2. Bedienter.

Gut, Junge, das will ich.

3. Bedienter.

Man sieht sich nach euch um, man ruft euch, man fragt nach euch, man sucht euch, im grossen Saal.

2. Bedienter.

Wir können nicht an zween Orten zugleich seyn; hurtig, ihr Jungens; seyd eine Weile munter, und wer alle andre überlebt, kriegt alles! – – (Sie gehen ab.) Die Gäste und Damen, nebst den Masken treten sämtlich auf.

1. Capulet.

Willkommen, meine Herren – – Und ihr, meine Damen, ihr habt noch keine Hüner-Augen an den Zehen, wir wollen eins lustig mit einander machen. Ich will doch nicht hoffen, meine Königinnen, daß mir eine unter euch ein Tänzchen abschlagen wird – – eine jede, die sich lange bitten läßt, hat Hüner-Augen, das schwör‘ ich; – – He? bin ich euch zu nah gekommen? – – Willkommen allerseits, ihr Herren; ich weiß die Zeit auch noch, da ich eine Maske trug, und einem jungen Fräulein hübsche Sachen ins Ohr flüstern konnte; aber es ist vorbey, vorbey, vorbey! (Die Musik fangt an; man tanzt.) Mehr Lichter her, ihr Schurken, und die Tische aus dem Weg; und laßt das Feuer abgehen, es ist zu warm im Zimmer – – Gelt, junger Herr, ein unvermutheter Spaß ist der angenehmste – – Nun sezt euch, sezt euch, mein guter Vetter Capulet, denn die Tanz-Zeit ist doch bey euch und mir vorbey: Wie lang ist es wohl, seit ihr und ich das leztemal auf einem Masken-Bal tanzten?

2. Capulet.

Bey unsrer Frauen! dreißig Jahre.

1. Capulet.

Wie, Mann? Es ist noch nicht so lang, es ist noch nicht so lang; es war an Lucentio’s Hochzeit; es wird auf kommende Pfingsten fünf und zwanzig Jahre, daß wir in Masken tanzten.

2. Capulet.

Es ist mehr, es ist mehr; sein Sohn ist älter, Herr; sein Sohn hat schon dreißig.

1. Capulet.

Das werdet ihr mir nicht weiß machen; sein Sohn war vor zwey Jahren noch nicht mündig.

Romeo (in einem andern Theil des Saals.)

Wer ist die junge Dame, die dort jenem Ritter die Hand giebt?

Bedienter.

Ich weiß es nicht.

Romeo.

O, sie glänzt mehr als alle diese Fakeln zusammen genommen; ihre Schönheit hängt an der Stirne der Nacht, wie ein reiches Kleinod an eines Mohren Ohr: Und welch eine Schönheit! Sie ist zu reich zum Gebrauch, und zu kostbar für diese Erde. So glänzt die schneeweisse Daube aus einem Schwarm von Krähen, wie dieses Fräulein unter ihren Gespielen glänzt. Wenn der Tanz vorbey ist, will ich mir den Plaz merken, wo sie steht, und ihr meine Hand geben. Welch eine Glükseligkeit ihre Hand zu berühren! – – Nein, ich habe noch nie geliebt – – Schwör es, mein Auge; vor dieser glüklichen Nacht wußtest du nicht, was Schönheit ist.

Tybalt (der dem Romeo bey den lezten Worten sich nähert.)

Der Stimme nach sollte dieß ein Montague seyn – – hol mir einen Degen, Junge – – wie? der Sclave darf sich erfrechen in einer Maske hieher zu kommen, und unsrer feyerlichen Lust zu spotten? Nein, bey der bejahrten Ehre meines Geschlechts, es ist keine Sünde, den Nichtswürdigen zu todt zu schlagen.

Capulet.

Wie, wie, Vetter? Warum so stürmisch?

Tybalt.

Oheim, hier ist einer unsrer Feinde, ein Montague; ein Bube der gekommen ist, uns unter die Nase zu lachen, und unsre Familien-Freude zu stören – –

Capulet.

Ist es vielleicht der junge Romeo?

Tybalt.

Er selbst, der Schurke Romeo!

Capulet.

Gieb dich zu frieden, lieber Vetter, laß ihn gehen; er sieht einem jungen wakern Edelmann gleich; und, wenn ich die Wahrheit sagen soll, er hat den Ruf eines tugendhaften wohlgesitteten Jünglings, der Verona Ehre macht. Ich wollte nicht um unsre ganze Stadt, daß ihm in meinem Hause was zu Leide gethan würde. Seyd also ruhig, thut als ob ihr ihn nicht kennet; ich will es so haben, und wenn ihr einige Achtung für mich habt, so heitert eure Stirne auf, und macht keine Gesichter, die sich so übel zu einer Lustbarkeit schiken.

Tybalt.

Sie schiken sich, wenn ein solcher Bube sich zum Gast aufdringt: ich will ihn nicht dulden!

Capulet.

Das sollt ihr aber! Wie, Herr Junge? – – Ihr sollt, sag ich – – Geht, geht, bin ich hier Meister oder ihr? Geht, geht – – Ihr wollt ihn nicht dulden? Hol mich Gott, ihr würdet mir einen feinen Lermen unter meinen Gästen anrichten! Ihr wollt mir hier den Eisenfresser machen? Gelt, das wollt ihr?

Tybalt.

Wie, Oehm, es ist eine Schande – –

Capulet.

Geht, geht, ihr seyd ein abgeschmakter Knabe – – (auf die Seite zu einem von der Gesellschaft.) Ist es so, in der That? – – (zu Tybalt) ihr könnt was anfangen, das euch gereuen wird, ich weiß was ich sage – – (Seitwärts;) wohl gesprochen, meine Kinder – – (zu Tybalt,) Ihr seyd ein Hasenfuß, geht – – seyd ruhig, oder – – (seitwärts.) Mehr Lichter, mehr Lichter, es ist eine Schande, so dunkel ist’s – – (zu Tybalt) ich will euch ruhig machen – – (Seitwärts:) Wie, munter, meine Herzen!

Tybalt.

Geduld und Zorn vertragen sich nicht wohl bey mir zusammen; sie stossen, indem sie sich begegnen, die Köpfe so hart an einander an, daß mir alle Glieder davon wakeln. Ich will mich entfernen, aber er soll mir diese Zudringlichkeit bezahlen! (Tybalt geht ab.)

Romeo (zu Juliette.)

* [Wenn meine unwürdige Hand diesen heiligen Leib entweiht hat, so laß dir diese Busse gefallen: Meine Lippen, zween erröthende Pilgrimme, stehen bereit den Frefel, mit einem zärtlichen Kuß abzubüssen.

Juliette.

Ihr thut eurer Hand unrecht, mein lieber Pilgrim; sie hat nichts gethan, als was die bescheidenste Andacht zu thun pflegt; Heilige haben Hände, die von den Händen der Wallfahrenden berührt werden, und Hand auf Hand ist eines Pilgrims Kuß.

Romeo.

Haben Heilige nicht Lippen, und andächtige Pilgrimme auch?

Juliette.

Ja, Pilgrim, sie haben Lippen, aber zum Beten.

Romeo.

O so erlaube, theure Heilige, erlaube den Lippen nur, was du den Händen gestattest; sie bitten, (und du, erhöre sie,) daß du den Glauben nicht in Verzweiflung fallen lassest.

Juliette.

Heilige rühren sich nicht, wenn sie gleich unser Gebet erhören.

Romeo.

O so rühre du dich auch nicht, indem ich mich der Würkung meines Gebets versichre – – (Er küßt sie.) Die Sünde meiner Lippen ist durch die deinige getilgt.]

Juliette.

Also tragen nun meine Lippen die Sünde, die sie von den deinigen weggenommen haben.

Romeo.

Sünde von meinen Lippen? O! angenehme Strenge! Gebt mir meine Sünde nur wieder zurük.

Juliette.

Ihr habt küssen gelernt; ich verstehe mich nicht darauf.

Amme.

Gnädiges Fräulein, eure Frau Mutter möchte gern ein Wort mit euch sprechen – – (Juliette entfernt sich.)

Romeo.

Wer ist ihre Mutter?

Amme.

Sapperment, junger Herr, ihre Mutter ist hier die Frau vom Hause, und eine brave, gescheidte, tugendsame Frau. Ich säugte ihre Tochter, mit der ihr geredet habt; und ich sag euch, wer sie kriegt, bekommt so gewiß eine Jungfer – –

Romeo (indem er sich entfernt, vor sich.)

Eine Capulet? O Himmel! Mein Herz und mein Leben sind unwiderbringlich in der Gewalt meiner Feindin.

Benvolio.

Weg, wir wollen gehen, der gröste Spaß ist vorbey.

Romeo.

Das fürcht‘ ich selbst, das übrige wird mich mehr als meinen Schlaf kosten.

Capulet.

Nein, ihr Herren, geht noch nicht weg, wir haben noch ein kleines schlechtes Nachtessen vor uns – – Wie, muß es denn seyn? Nun dann, so dank ich euch allen – – Ich dank euch, meine liebe Herren, gute Nacht – – Mehr Fakeln her – – (Zu den übrigen:) Kommt hinein, und dann zu Bette. – – Ah, guter Freund, bey meiner Treu, es ist schon späte. Ich will in mein Bette. (Sie gehen nach einander ab.)

Juliette.

Ein wenig hieher, Amme – – Wer ist der junge Herr dort?

Amme.

Der einzige Sohn des alten Tiberio.

Juliette.

Wer ist der, der eben izt zur Thüre hinausgeht?

Amme.

Das ist der junge Petrucchio, bild‘ ich mir ein.

Juliette.

Wer ist der, der ihm folgt, der nicht tanzen wollte?

Amme.

Ich kenn‘ ihn nicht.

Juliette.

Geh, frage nach seinem Namen (leise.) Wenn er schon vermählt ist, so ist sehr wahrscheinlich, daß mein Grab mein Braut-Bette seyn wird.

Amme.

Er heißt Romeo, er ist ein Montague, der einzige Sohn von unserm großen Feind.

Juliette vor sich.

O Himmel! der, den ich einzig lieben kan, ist der, den ich einzig hassen sollte – – Zu früh gesehn, eh ich ihn kannte; und zu spät erkannt; was für eine seltsame Mißgeburt ist meine Liebe – – ich liebe – – meinen verhaßtesten Feind.

Amme.

Was sagtet ihr da? Was habt ihr?

Juliette.

Ein paar Reime, die ich eben von einem gelernt, mit dem ich tanzte. (Man ruft hinter der Scene Juliette.)

Amme.

Gleich, gleich; Kommt, wir wollen gehen, die Fremden sind schon alle fort. (Sie gehen ab.)

[Zum Beschluß dieses Aufzugs tritt ein Chor auf, und sagt den Zuschauern in vierzehn Reimen, was sie vermuthlich von selbst errathen hätten – – daß Romeo, seit der Nacht, da er die schöne Juliette gesehen, seine erste Liebste nicht mehr schön befunden – – daß er nun Julietten liebe, und von ihr wieder geliebt werde – – daß die tödtliche Feindschaft ihrer Häuser zwar die Sympathie ihrer Herzen nicht habe verhindern können, aber ihnen hingegen alle Gelegenheit abschneide, sich zu sehen und zu sprechen, ohne daß jedoch dieser harte Zwang eine andre Würkung gethan habe, als die Heftigkeit ihrer Liebe und Sehnsucht zu verdoppeln.]

* Dieser Dialogus ist im Original eine Elegie mit verschränkten Reimen.

Zweyter Aufzug.

Erste Scene.

Die Strasse.

Romeo tritt allein auf.

Romeo.

Kan ich weggehen, wenn mein Herz hier ist? Dreh dich zurük, plumpe Erde, und suche deinen Mittelpunct. (Er geht ab.) Indem er sich entfernt, treten Benvolio und Mercutio von der andern Seite auf und werden ihn gewahr.

Benvolio.

Romeo, Vetter Romeo!

Mercutio.

Er ist klug, und schleicht sich, auf mein Leben, heim zu Bette.

Benvolio.

Nein er lief diesen Weg, und sprang dort über die Garten-Mauer. Ruf ihm, Mercutio!

Mercutio.

Nicht nur das, ich will ihn gar beschwören. He! Romeo! Grillenfänger! Wetterhahn! Tollhäusler! Liebhaber! Erscheine du, erschein in der Gestalt eines Seufzer, rede, aber in lauter Reimen, und ich bin vergnügt. Aechze nur, Ach und O! reime nur Liebe und Triebe, sag meiner Gevatterin Venus nur ein einziges hübsches Wörtchen, häng‘ ihrem stokblinden Sohn und Erben nur einen einzigen Ueber-Namen an, (dem jungen Abraham Cupido, ihm der so gut schoß, als König Cophetua um ein Bettel-Mädchen seufzte* – – doch er hört nicht, er rührt sich nicht, er giebt kein Zeichen von sich; der Affe ist todt, ich muß ihn schon beschwören – – So beschwör‘ ich dich dann bey Rosalinens schönen Augen, bey ihrer hohen Stirne, und bey ihren Purpur-Lippen, bey ihrem niedlichen Fuß, schlanken Bein, runden Knie, und bey den angrenzenden schönen Gegenden, beschwör‘ ich dich, daß du uns in deiner eignen Gestalt erscheinest!

Benvolio.

Wenn er dich hörte, würdest du ihn böse machen.

Mercutio.

Das kan ihn nicht böse machen: Das würd‘ ihn böse machen, wenn ich einen Geist von irgend einer seltsamen Gestalt in seines Mädchens Circel citierte, und ihn so lange dort stehen liesse, bis sie ihn gelegt und zu Boden beschworen hätte; das wäre was, das er vielleicht übel nehmen könnte – – Aber meine Citation ist ehrlich und redlich, und ich beschwör‘ ihn, in seiner Liebsten Namen, einzig und allein zu seinem eignen Besten.

Benvolio.

Kommt, er hat sich vermuthlich hinter diese Bäume verstekt, um keine andre Gesellschaft zu haben, als die schwermüthige Nacht; die Liebe ist blind, und schikt sich am besten in die Dunkelheit.

Mercutio.

Izt wird er dir unter einem Mispeln-Baum sizen, und wünschen, daß seine Liebste von der Art von Früchten seyn möchte, welche die Mädchens Mispeln nennen, wenn sie allein zusammen schwazen – – Gute Nacht, Romeo, ich will in mein Roll-Bette, ich; dieses Feld-Bette ist mir zu kalt; kommt, wollen wir gehen?

Benvolio.

Es wird klüger seyn, als hier jemand zu suchen, der sich nicht finden lassen will.

* Eine doppelte Anspielung, auf eine alte Ballade, oder Romanze, und einen damals bekannten Schüzen, der Abraham hieß.

Zweyte Scene.

Verwandelt sich in Capulets Garten.

Romeo tritt auf.

Romeo.

Der lacht über Narben, die nie keine Wunde fühlte – – Aber stille! was für ein Licht bricht aus jenem Fenster hervor? Es ist der Osten, und Juliet ist die Sonne – – (Juliette erscheint oben am Fenster.) Geh auf, schöne Sonne, und lösche diese neidische Luna aus, die schon ganz bleich und krank vor Verdruß ist, daß du, ihr Mädchen, schöner bist als sie. Sey nicht länger ihre Aufwärterin, da sie so neidisch ist; ihre Vestalen-Livree ist nur blaß und grün, und wird nur von Thörinnen getragen; wirf sie ab – – Sie spricht, und sagt doch nichts; was ist das? – – Ihr Auge redt, ich will ihm antworten – – Wie voreilig ich bin! Sie redt nicht mit mir: Zween von den schönsten Sternen des ganzen Himmels, die anderswo Geschäfte haben, bitten ihre Augen, daß sie, indessen bis sie wiederkommen, in ihren Sphären schimmern möchten – – Wie wenn ihre Augen dort wären, und jene in ihrem Kopfe? Der Glanz ihrer Wangen würde diese Sterne beschämen, wie Tag-Licht eine Lampe; ihre Augen, wenn sie am Himmel stühnden, würden einen solchen Strom von Glanz durch die Luft herabschütten, daß die Vögel zu singen anfiengen, und dächten, es sey nicht Nacht: Sieh! sie lehnt ihre Wange an ihre Hand! O daß ich ein Handschuh an dieser Hand wäre, damit ich diese Wange berühren möchte!

Juliette.

Ach! ich Unglükliche! – –

Romeo.

Sie redt. O, rede noch einmal, glänzender Engel! Denn so über meinem Haupt schwebend scheinst du diesen Augen so glorreich als ein geflügelter Bote des Himmels den weitofnen emporstarrenden Augen der Sterblichen, die, vor Begierde ihn anzugaffen, auf den Rüken fallen – – wenn er die trägschleichenden Wolken theilend auf dem Busen der Luft in majestätischem Flug dahersegelt.

Juliette.

O Romeo, Romeo – – Warum bist du Romeo? – – Verläugne deinen Vater und entsage deinem Namen – – oder wenn du das nicht willt, so schwöre mir nur ewige Liebe und ich will keine Capulet mehr seyn.

Romeo leise.

Soll ich länger zuhören, oder auf dieses antworten?

Juliette.

Nicht du, bloß dein Nahme ist mein Feind; du würdest du selbst seyn, wenn du gleich kein Montague wärest – – Was ist Montague? – – Es ist weder Hand noch Fuß, weder Arm noch Gesicht, noch irgend ein andrer Theil. Was ist ein Name; Das Ding das wir eine Rose nennen, würde unter jedem andern Namen eben so lieblich riechen. Eben so würde Romeo, wenn er schon nicht Romeo genannt würde, diese ganze reizende Vollkommenheit behalten, die ihm, unabhängig von diesem Namen, eigen ist – – Romeo, gieb deinen Namen weg, und für diesen Namen, der kein Theil von dir ist, nimm mein ganzes Ich.

Romeo.

Ich nehme dich beym Wort; nenne mich nur deinen Freund, und ich will meinem Taufnamen entsagen, ich will von nun an nicht mehr Romeo seyn.

Juliette.

Wer bist du, der hier, in Nacht gehüllt, mein einsames Selbstgespräche belauscht?

Romeo.

Durch einen Namen weiß ich dir nicht zu sagen, wer ich bin; mein Name, theure Heilige, ist mir selbst verhaßt, weil er ein Feind von dir ist. Ich wollt‘ ihn zerreissen, wenn ich ihn geschrieben hätte.

Juliette.

So neu sie mir ist, so kenn‘ ich doch diese Stimme – – Bist du nicht Romeo, und ein Montague?

Romeo.

Keines von beyden, schöne Heilige, wenn dir eines davon mißfällt.

Juliette.

Wie kamst du hieher, sage mir das, und warum? Die Garten-Mauer ist hoch und schwer zu ersteigen, und der Ort Tod, wenn dich einer von meinen Verwandten gewahr würde.

Romeo.

Mit der Liebe leichten Flügeln überflog ich diese Mauern, einen zu schwachen Wall gegen den mächtigsten Gott; was die Liebe thun kan, dazu hat sie auch den Muth; und deßwegen können deine Verwandten mich nicht abschreken.

Juliette.

Wenn sie dich sehen, so ermorden sie dich.

Romeo.

O Götter! Es ist mehr Gefahr in deinem Aug als in zwanzig ihrer Schwerdter; sieh nur du mich huldreich an, so verlache ich alles was ihr Groll gegen mich unternehmen kan.

Juliette.

Ich wollte nicht um die ganze Welt, daß sie dich hier sähen.

Romeo.

Der Mantel der Nacht wird mich vor ihren Augen verbergen, und wenn nur du mich liebst, so mögen sie mich immer finden; besser daß ihr Haß mein Leben ende, als daß der Mangel deiner Liebe meinen Tod verlängre.

Juliette.

Wer gab dir Anweisung diesen Plaz zu finden?

Romeo.

Die Liebe, die mich antrieb ihn zu suchen; sie lehnte mir Wiz, und ich lehnte ihr Augen – – Ich bin kein Steuermann, aber wärst du so fern als jenes vom entferntesten Ocean bespülte Ufer, ich würd‘ um ein solches Kleinod mein Leben wagen.

Juliette.

Die Maske der Nacht liegt auf meinem Gesicht, sonst würde meine glühende Wange dir zeigen, wie beschämt ich bin, daß du mich reden hörtest da ich allein zu seyn glaubte. Vergeblich würd‘ ich izt mich befremdet stellen wollen, vergeblich, vergeblich läugnen wollen was ich gesprochen habe – – So fahre dann wohl, Verstellung! Liebst du mich? Ich weiß, du wirst sagen, ja; und ich will mit deinem Wort zufrieden seyn – – wenn du schwörst, so könntest du meineydig werden; Jupiter lacht nur, sagen sie, zu den falschen Schwüren der Verliebten. O werther Romeo, sey redlich, wenn du mir sagst, du liebest mich: Oder wenn du denkst, ich lasse mich zu leicht gewinnen, so will ich sauer sehen, und verkehrt seyn, und dir nein sagen – – aber anders nicht um die ganze Welt – – In der That liebenswürdiger Montague, ich bin zu zärtlich; du könntest deswegen nachtheilig von meiner Aufführung denken; Aber glaube mir, edler Jüngling, du wirst mich in der Probe zuverläßiger finden, als diejenigen welche List genug haben sich zuverstellen und Umstände zu machen. Ich würde selbst mehr gemacht haben, ich muß es bekennen, wenn der Zufall dich nicht, mir unwissend, zum Zeugen meiner zärtlichen Gesinnungen gemacht hätte. Vergieb mir also, und denke, um dieser schleunigen Ergebung willen, nicht schlimmer von einer Liebe, die dir die dunkle Nacht so unverhoft entdekt hat.

Romeo.

Fräulein, bey jenem himmlischen Mond schwör‘ ich, der alle diese frucht-vollen Wipfel mit Silber mahlt – –

Juliette.

O schwöre nicht bey dem Mond, dem unbeständigen Mond, der alle Wochen in seinem cirkelnden Kreise sich ändert – – oder deine Liebe könnte eben so veränderlich werden.

Romeo.

Wobey soll ich denn schwören?

Juliette.

Schwöre gar nicht, oder wenn du ja willst, so schwöre bey deinem anmuthsvollen Selbst, bey dem theuren Gegenstand meiner Anbetung, und ich will dir glauben.

Romeo.

Wenn jemals meine redliche Liebe – –

Juliette.

Gut, schwöre nicht – – So angenehm du selbst mir bist, so ist mir doch diese nächtliche Verbindung nicht angenehm; sie ist zu rasch, zu unbesonnen, zu plözlich zu ähnlich dem Bliz, der schon aufgehört hat zu seyn, eh man sagen kan, es blizt – – Gute Nacht, mein Liebster. Diese Knospe von Liebe kan durch des Sommers reiffenden Athem sich zu einer schönen Blume entfalten, bis wir wieder zusammen kommen. Gute Nacht, gute Nacht – – Eine so süsse Ruhe komme über dein Herz, als die, so ich in meiner Brust empfinde!

Romeo.

O, willt du mich so unbefriediget verlassen?

Juliette.

Und was für eine Befriedigung kanst du noch verlangen?

Romeo.

Die Auswechslung des Gelübds deiner treuen Liebe gegen das Meinige.

Juliette.

Das that ich schon, eh du mich darum batest, und ich wollte lieber ich hätt‘ es nicht gethan.

Romeo.

Möchtest du dein Herz wieder zurüknehmen? Warum das, meine Liebe?

Juliette.

Nur damit ich dir’s noch einmal geben könnte – – und doch, was wünsch‘ ich mir damit, als was ich schon habe? Meine Zärtlichkeit ist so grenzenlos als die See, meine Liebe so tief; je mehr ich dir gebe, je mehr ich habe, denn beyde sind unerschöpflich – – Ich höre ein Getöse – – Lebe wohl, mein Geliebter – – (Man ruft Julietten hinter der Scene.) Gleich, gute Amme; lieber Romeo, sey getreu warte nur ein wenig, ich komme gleich wieder. (Sie geht weg.)

Romeo.

O, glükliche, glükliche Nacht! Ich besorge nur, weil es Nacht ist, daß alles das nur ein Traum sey; es ist zu schmeichelnd-süß um würklich zu seyn. Juliette kommt wieder.

Juliette.

Drey Worte, liebster Romeo, und dann gute Nacht, im Ernst – – Wenn die Absicht deiner Liebe rechtschaffen ist, und auf eine geheiligte Verbindung abzielet, so laß mich durch jemand, den ich morgen an dich schiken will, wissen, wann und wo du die Ceremonien verrichten lassen willst, und ich bin bereit, mein ganzes Glük zu deinen Füssen zu legen, und dir, mein Liebster, durch die ganze Welt zu folgen. (Man ruft Julietten hinter der Scene.) Ich komme gleich – – wenn du es aber nicht wohl meynst, so bitt‘ ich dich – – (Man ruft wieder) Den Augenblik – – ich komme – – gieb deine Bewerbung auf und überlaß mich meinem Gram – – Morgen will ich schiken – –

Romeo.

So möge meine Seele leben – –

Juliette.

Tausendmal gute Nacht – – (Sie geht weg.)

Romeo.

Wie kann dein Wunsch erfüllt werden, da du mich verlässest? – – Schmerzen-volles Scheiden! – – Liebe zu Liebe eilt so freudig wie Schulknaben von ihren Büchern – – aber wenn Liebe sich von Liebe scheiden soll, da geht’s der Schule zu, mit schwermüthigen Bliken – – (Er entfernt sich.) Juliette kommt noch einmal zurük.

Juliette.

St! Romeo! St! – – Wo nemm‘ ich eines Falkeniers Stimme her, um diesen Terzelot sachte wieder zurük zuloken – – Ich darf nicht laut ruffen, sonst wollt ich die Höle wo Echo ligt zersprengen, und ihre helle Zunge von Wiederholung meines Romeo heiser machen.

Romeo.

Ist es meine Liebe die mir bey meinem Namen ruft? welche Musik tönt so süß als die Stimme der Geliebten durch die Nacht hin dem Liebenden tönt!

Juliette.

Romeo!

Romeo.

Meine Liebe!

Juliette.

In welcher Stunde soll ich morgen zu dir schiken?

Romeo.

Um neun Uhr.

Juliette.

Ich will es nicht vergessen, es ist zwanzig Jahre bis dahin – – Ich habe vergessen, warum ich dich zurükrief.

Romeo.

Laß mich hier stehen, biß es dir wieder einfällt.

Juliette.

Deine Gegenwart ist mir so angenehm, daß ich vergessen werde, daß ich dich zu lange hier stehen lasse.

Romeo.

Und ich stehe so gerne hier, daß ich mich nicht erinnre eine andre Heimat zu haben als diese.

Juliette.

Es ist bald Morgen – – Ich wollte du wärest weg, und doch nicht weiter als der Vogel eines spielenden Mädchens, den sie ein wenig von ihrer Hand weghüpfen läßt, aber aus zärtlicher Eifersucht über seine Freyheit, wenn er sich zu weit entfernen will, den armen kleinen Gefangnen gleich wieder an einem seidnen Faden zurükzieht.

Romeo.

Ich wollt‘ ich wäre dein Vogel.

Juliette.

Das wollt‘ ich auch, mein Herz, wenn ich nicht fürchtete daß ich dich gar zu tode liebkosen möchte. Gute Nacht, gute Nacht. Das Scheiden kommt mich so sauer an, daß ich so lange gute Nacht sagen werde, biß es Morgen ist. (Sie geht weg.)

Romeo.

Schlummer ruhe auf deinen Augen, und süsser Friede in deiner Brust! Möcht‘ ich der Schlaf und der Friede seyn, um so lieblich zu ruhen! – – Ich gehe nun in die Celle meines Geistlichen Vaters, ihm mein Glük zu entdeken und ihn um seinen Beystand zu bitten. (ab.)

Dritte Scene.

Verwandelt sich in ein Kloster.

Pater Lorenz tritt mit einem Korb auf.

Lorenz.

Der grau-augichte Morgen lächelt die runzelnde Nacht weg, und zeichnet die östlichen Wolken mit Streiffen von Licht; indem die geflekte Finsterniß gleich einem Betrunknen, den brennenden Rädern des Titan aus dem Wege taumelt. Nun ist es Zeit, daß ich, eh das flammende Auge der Sonne näher kömmt, dem Tag zu liebkosen, und den nächtlichen Thau aufzutroknen, diesen Korb mit balsamischen Kräutern und Blumen von heilsamer Kraft anfülle. Die Erde, die Mutter der Natur, ist auch ihr Grab, und dieses fruchtbare Grab ists, aus dessen Schoos alle diese verschiednen Kinder entspringen, die wir saugend an ihrem mütterlichen Busen hangen sehen; jede Art mit besondern Kräften begabt, jede mit einer eignen Tugend geschmükt, und keine der andern gleich. Wie groß ist nicht die manchfaltige Kraft die in Pflanzen, Kräutern und Steinen ligt! Nichts was auf der Erde sich findet, ist so schlecht, daß die Erde nicht irgend einen besondern Nuzen davon ziehe; nichts so gut, dessen Mißbrauch nicht schädlich sey. Die Tugend selbst, wird durch Ueberspannung oder irrige Anwendung zum Laster, und das Laster hingegen zuweilen durch die Art wie es ausgeübt wird, geadelt – – In dieser kleinen Blume hier liegt Gift und Heil-Kraft beysammen; ihr Geruch stärkt und ermuntert alle Lebens-Kräfte; gekostet hingegen, raubt sie den Sinnen alle Empfindung, und das Leben selbst. Zween eben so feindselige Gegner ligen allezeit in jedes Menschen Brust, die Gnade, und der verdorbne Wille, und wo dieser die Oberhand gewinnt, da hat der krebsartige Tod nur gar zu bald die ganze Pflanze aufgefressen. Romeo zu dem Vorigen.

Romeo.

Guten Morgen, Vater.

Bruder Lorenz.

Benedicite! Was für eine frühe Zunge grüßt mich so freundlich? – – Junger Sohn, es zeigt einen verstörten Kopf an, daß du dein Bette so früh schon verlässest. Sorgen wachen wohl in alter Leute Augen, und wo Sorge wohnt, wird der Schlaf nie sein Nachtlager nehmen: Aber wo kummerfreye Jugend mit unbeladnem Hirn ihre Glieder ruhen läßt, da herrschst der goldne Schlaf. Dein frühes Aufseyn ist mir also ein Zeichen daß irgend eine aufrührische Leidenschaft deine innerliche Ruhe stört – – oder wenn dieses nicht ist, nun, so ist’s bald errathen, daß unser Romeo diese Nacht gar nicht zu Bette gegangen ist.

Romeo.

Das leztere ist wahr, weil mir eine süssere Ruhe zu theil ward.

Bruder Lorenz.

Gott verzeihe dir deine Sünde! warst du bey Rosalinen?

Romeo.

Bey Rosalinen, mein geistlicher Vater? Nein. Ich habe sie bis auf ihren Namen vergessen.

Bruder Lorenz.

Das ist mein guter Sohn! Aber wo bist du denn gewesen?

Romeo.

Ich will es aufrichtig gestehen; ich befand mich vor einiger Zeit, unerkannt, bey einem Gastmal meines Feindes; dort wurd‘ ich unversehens, von einer Person verwundet, die ich zu gleicher Zeit verwundet habe; du besizest die geheiligte Arzney, die uns allein helfen kan; du siehest, heiliger Mann, daß ich keinen Haß in meinem Herzen hege, da meine Bitte sich auf meinen Feind erstrekt.

Bruder Lorenz.

Rede gerad und ohne Umschweiffe mit mir, mein Sohn; eine räthselhafte Beicht‘ erhält auch nur einen räthselhaften Ablaß.

Romeo.

So wisse dann, daß ich des reichen Capulets schöne Tochter liebe; ihr Herz hängt an meinem, wie das meinige an dem ihrigen: Alles ist schon unter uns verglichen, und um gänzlich vereinigt zu seyn, fehlt uns nichts, als der Knoten, den du machen kanst. Wenn, wo, und wie, wir einander zuerst gesehen, geliebt, und unsre Herzen ausgetauscht haben, will ich dir hernach erzählen; alles warum ich izt bitte, ist, daß du einwilligest uns heute noch zu vermählen.

Bruder Lorenz.

Heiliger Franciscus! Was für eine Veränderung ist das! Ist Rosaline, die du so zärtlich liebtest, so schnell vergessen? So sizt wohl die Liebe junger Leute bloß in ihren Augen und nicht im Herzen! Jesu, Maria! Was für Fluthen von Thränen haben deine Wangen um Rosalinen willen überschwemmt! Die Sonne hat deine Seufzer noch nicht vom Himmel weggewischt, dein Gewinsel hallt noch in meinen alten Ohren; sieh, hier sizt auf deiner Wange noch der Flek von einer alten Thräne, die noch nicht weggewaschen ist. Wenn du damals du selbst warst, so gehörst du Rosalinen – – und du bist ihr untreu worden? So gestehe dann, daß es unbillig ist, auf den Leichtsinn der Weiber zu schmählen, da in Männern selbst keine Standhaftigkeit ist.

Romeo.

Und doch beschaltest du mich so oft, daß ich Rosalinen liebe?

Bruder Lorenz.

Daß du in sie vernarrt warst, nicht daß du sie liebtest, mein Kind – –

Romeo.

Und befahlst mir, meine Liebe zu begraben?

Bruder Lorenz.

Aber nicht eine neue aus ihrem Grab heraus zu holen.

Romeo.

Ich bitte dich, schohne meiner; Sie die ich liebe, erwiedert meine Zuneigung durch die ihrige; das that die andre nicht.

Bruder Lorenz.

Ohne Zweifel sagte ihr Herz ihr vorher, wie unzuverläßig das deinige sey! Doch komm nur, junger Flattergeist, folge mir; dein Wankelmuth kan vielleicht gute Folgen nach sich ziehen. Diese Verbindung kan das gesegnete Mittel werden, den alten Haß eurer Familien auszulöschen – – und in dieser einzigen Betrachtung will ich dir behülflich seyn.

Romeo.

O laß uns gehen, ich habe keine Zeit zu versäumen – –

Bruder Lorenz.

Bedächtlich und langsam! Wer zu schnell lauft, stolpert leicht. (Sie gehen ab.)

Vierte Scene.

Verwandelt sich in die Strasse.

Benvolio und Mercutio treten auf.

Mercutio.

Wo, zum T**, mag denn dieser Romeo seyn? Kam er verwichene Nacht nicht nach Hause?

Benvolio.

Sein Bedienter sagt, nein.

Mercutio.

Wie, zum Henker, dieses bleichsüchtige, hartherzige Mensch, diese Rosaline quält ihn, daß er endlich zum Narren d’rüber werden wird.

Benvolio.

Tybalt, des alten Capulets Neffe, hat einen Brief in seines Vaters Haus geschikt.

Mercutio.

Eine Ausforderung, auf mein Leben!

Benvolio.

Romeo wird ihm antworten, wie sich’s gebührt.

Mercutio.

Auf einen Brief kan endlich ein jeder antworten, der Schreiben gelernt hat.

Benvolio.

Nein, ich meyne, Tybalt wird seinen Mann in Romeo finden.

Mercutio.

Wollte Gott! Aber ach, der arme Romeo! er ist schon tod; von einer weissen Dirne schwarzem Aug zu tod gestochen! mit einem Liebes-Liedchen durch und durch – – die Ohren gestossen! Der kleine blinde Bogenschüze hat ihm den Herz-Bendel abgeschossen; und er soll der Mann seyn, sich mit einem Tybalt zu messen?

Benvolio.

Wie, was ist denn Tybalt – –

Mercutio.

Mehr als der Fürst der Kazen; das glaube mir – – O, das ist der herzhafte Obrist-Leutenant aller Complimente; er ficht dir so leicht als du einen Gassen-Hauer singst, und bohrt dir nach der Cadenz, troz dem besten Tanzmeister – – mit eins, zwey, drey, sein Federmesser in den Busen, daß es eine Lust zu sehen ist – – ein wahrer Mörder eines seidnen Knopfs, ein Duellist, ein Duellist! Ein Mann, der immer zu förderst an der Spize seines hohen Hauses steht, ein Mann der sich nach den Noten schlägt – – ah, der unsterbliche Passado, der Punto reverso, der – – Hey! – –

Benvolio.

Der – – was?

Mercutio.

Der Henker hohle diese frazigten, lispelnden, affectierten Narren! Diese süssen Bürschchen, die mit einem halbausländischen Accent ausruffen: Jesu! die allerliebste Klinge! – – Der allerliebste Grenadier! – – die allerliebste H**! – – Wie, ist es nicht erbärmlich, Großvater, daß wir mit diesen Schmetterlingen, mit diesen Mode-Frazen, diesen pardonnés-moi’s heimgesucht seyn sollen, die so steiff auf der neuen Mode halten, daß sie unmöglich auf dem alten Bank ruhig sizen können? – – O! ihre bons, ihre bons! Romeo zu den Vorigen.

Benvolio.

Hier kommt Romeo, hier kommt er – –

Mercutio.

Ohne seinen Rogen, wie ein gedörrter Häring – – O Fleisch, Fleisch, wie bist du fischificiert! – – Izt ist er in den Harmonien vertieft, worinn Petrarch daherfließt: Laura war gegen sein Fräulein nur ein Küchen-Mensch – – Zum Henker, sie hatte einen Liebhaber der sie besser bereimen konnte – – Dido war gegen sein Mädchen nur eine dike Säug-Amme, Helena und Hero Mezen und Landstreichers-Waare, Thisbe ein kazen-augichtes Ding, oder so was – – Aber nun zur Sache! Signor Romeo, bon jour; das ist ein französischer guter Morgen für eure französischen Hosen – – Ihr spieltet uns einen artigen Streich lezte Nacht – –

Romeo.

Guten Morgen – – meine Freunde: Was für einen Streich spielt‘ ich euch dann?

Mercutio.

Daß ihr so davon schlüpftet, wie wir euch ruften.

Romeo.

Um Vergebung, mein lieber Mercutio, mein Geschäfte war wichtig, und in einem solchen Fall wie der meinige, ist es einem ehrlichen Mann erlaubt, eine kleine Ausnahme von den Regeln der Höflichkeit zu machen – -* Die Amme, mit Peter, ihrem Diener, zu den Vorigen.

Amme.

Peter – –

Peter.

He?

Amme.

Meinen Fächer, Peter – –

Mercutio.

Thu es, guter Peter, damit sie ihr Gesicht verbergen kan; ihr Fächer ist doch das schönste von beyden.

Amme.

Guten Tag geb euch Gott, ihr Herren.

Mercutio.

Ein gutes Mittag-Essen geb euch Gott, schönes Frauenzimmer.

Amme.

Ist es schon Mittag-Essens-Zeit?

Mercutio.

Es ist nicht weniger, sag ich euch; denn die – -** [Nachdem diese drey jungen Herren eine Zeitlang ihren geistreichen Spaß mit der Amme gehabt haben, welche dem Romeo sagt, daß sie einen Auftrag an ihn habe, so führen sich endlich die beyden andern ab, und Romeo bleibt bey der Amme zurük.]

Amme.

Ich bitte euch, Gnädiger Herr, wer war der grobe Geselle da, der so voller Raupereyen stekte?

Romeo.

Ein junger Edelmann, Amme, der sich selber gerne reden hört, und in einer Minute mehr sagt, als er in einem Monat zu verantworten im Sinn hat.

Amme.

Wenn er etwas wider mich sagte, so wollt‘ ich ihn auf den Boden kriegen, und wenn er noch einmal so muthig wär‘ als er ist, und zwanzig solche Hansen; und wenn ich nicht kan, so will ich die wol finden, die es können – – der Schurke, der! Ich bin keine von seinen Fleder-Wischen; ich bin keine von seinen Unter-Pfülben! Und du must so da stehn, und zusehen, wie ein jeder Flegel seine Lust an mir büßt?

Peter.

Ich sah niemand seine Lust an euch büssen; wenn ich so was gesehen hätte, ich wollte bald mit der Fuchtel heraus gewesen seyn, das versichr‘ ich euch. Ich habe so viel Herz als ein andrer, wenn ich Sicherheit in einem Handel sehe, und das Gesez auf meiner Seite ist.

Amme.

Nun, bey Gott, ich bin so übel, daß alles an mir zittert – – der garstige Mensch! Ich bitte euch, Gnädiger Herr, ein einziges Wort; und wie ich euch sagte, mein junges Fräulein befahl mir euch aufzusuchen; was sie mir sagte, daß ich sagen sollte, will ich bey mir behalten; aber ich will nur so viel sagen, wenn ihr sie ins Narren-Paradies führen würdet, wie man zu sagen pflegt, so wär‘ es gewißlich eine grosse Sünde, denn das Fräulein ist jung, und wenn ihr sie also nur betrügen wolltet, so wär‘ es in der That nicht hübsch mit einem jungen Fräulein umgegangen – –

Romeo.

Empfiehl mich deiner Fräulein; ich protestiere dir – –

Amme.

Das gute Herz! Wohl, meiner Treue, das will ich ihr sagen: Herr, Gott, sie wird sich vor Freude kaum zu lassen wissen – –

Romeo.

Was willt du ihr denn sagen, Amme? Du hörst mich ja nicht an.

Amme.

Ich will ihr sagen, Gnädiger Herr, daß ihr protestiert, welches, wie ich’s verstehe, ein recht honnettes Anerbieten von einem jungen Cavalier ist – –

Romeo.

Sag ihr, sie möchte ein Mittel ausfindig machen, diesen Nachmittag zur Beichte zu gehen; so solle sie in Bruder Lorenzens Celle zu gleicher Zeit absolviert und copuliert werden – – Hier ist was für deine Mühe.

Amme.

Nein, wahrhaftig, Gnädiger Herr, nicht einen Pfenning.

Romeo.

Geh, geh, mach keine Umstände, du must – –

Amme.

Diesen Nachmittag, Gnädiger Herr? Gut, wir wollen uns einfinden.

Romeo.

Noch eins, gute Amme; warte hinter der Kloster-Mauer, mein Diener soll binnen dieser Stunde bey dir seyn, und dir eine Strik-Leiter bringen, die mich diese Nacht auf den Gipfel meiner Glükseligkeit führen soll. Lebe wohl, sey getreu, und ich will deine Mühe reichlich belohnen.

Amme.

Nun, Gott im Himmel segne dich! Hört einmal, Gnädiger Herr – –

Romeo.

Was willt du mir sagen, meine liebe Amme?

Amme.

Ist euer Bedienter auch verschwiegen? Hörtet ihr niemal sagen, zween können ein Geheimniß am besten bey sich behalten, wenn man einen davon thut?

Romeo.

Ich stehe dir davor, mein Kerl ist so zuverlässig als Stahl und Eisen.

Amme.

Gut, Gnädiger Herr, mein Fräulein ist das holdseligste Fräulein von der Welt – – Herr Gott! wie sie noch ein kleines plapperndes Ding war – – O, – – es ist ein Edelmann in der Stadt, ein gewisser Paris, der seinen Mann gar zu gern bey ihr anbringen möchte; aber sie, die gute Seele, sie säh eben so gern eine Kröte als sie ihn sieht: Ich erzürne sie manchmal und sag ihr, Paris sey der schönere von beyden – – aber das versichr‘ ich euch, wenn ich so rede, so wird sie so bleich wie ein weisses Tuch – – Fangen nicht Rosmarin und Romeo beyde mit einem Buchstaben an?

Romeo.

Ja, Amme, warum fragst du das? Beyde mit einem R.

Amme.

Ah, Spottvogel! Das ist ja ein Hunds-Name – – Nein, nein, ich weiß, es fangt mit einem andern Buchstaben an, und sie sagt die artigsten Sentenzien darüber, über euch und den Rosmarin, daß es euch im Herzen wohlthäte, wenn ihr’s hörtet.

Romeo.

Meine Empfehlung an dein Fräulein – – (Romeo geht ab.)

Amme.

O, tausendmal, Peter – –

Peter.

He?

Amme.

Nimm meinen Fächer, und geh voran. (Sie gehen ab.)

* Hier fängt sich bis zum Auftritt der Amme eine Art von wizigem Duell mit Wortspielen, und abgeschmakt-sinnreichen Einfällen zwischen Romeo und Mercutio an, welcher leztere zuweilen auch noch mit schmuzigen Scherzen um sich wirft, wenn er sich nicht anders mehr zu helfen weiß – – Man kennt schon diese Mode-Seuche von unsers Autors Zeit, und erlaubt uns, eine Lüke zu machen, wo es in unsrer Sprache unmöglich ist so wizig zu seyn wie seine Spaß-Macher.

** Eine abermalige Lüke, die sich von einer Zote des sinnreichen Mercutio anhebt, und im Original mit dem albersten Zeug von der Welt ausgefüllt ist.

Fünfte Scene.

Verwandelt sich in Capulets Haus.

Juliette tritt auf.

Juliette.

Die Gloke schlug neun, wie ich die Amme ausschikte: und sie versprach in einer halben Stunde wieder zu kommen. Vielleicht kan sie ihn nicht finden – – Das kan es nicht seyn – – Oh, sie ist lahm. Die Boten der Liebe sollten Gedanken seyn, die zehnmal schneller fortschlüpfen als Sonnenstralen, wenn sie von dämmernden Hügeln die Schatten der Nacht vertreiben. Deßwegen ziehen leicht-geflügelte Dauben die Liebes-Göttin, und deßwegen hat der Wind-schnelle Cupido Schwingen. Die Sonne hat bereits den höchsten Gipfel ihrer täglichen Reise erstiegen; von neun bis zwölf sind drey lange Stunden – – und doch ist sie noch nicht da – – O, hätte sie warmes jugendliches Blut und ein gerührtes Herz, sie würde so schnell seyn als ein Ball; meine Worte würden sie zu meinem Geliebten stossen, und die seinigen zu mir – – Die Amme und Peter treten auf. O Gott, sie kommt – – O Zuker-Amme, was bringst du mir für eine Zeitung? Hast du ihn angetroffen? – – Schik deinen Diener weg.

Amme.

Peter warte vor der Tür auf mich. (Peter geht ab.)

Juliette.

Nun, gute liebe Amme – – O Himmel, warum siehst du so finster? Wenn deine Zeitung böse ist, so solltest du doch freundlich dazu aussehen; und ist sie gut, so verderbst du ihre Musik, wenn du sie mir mit einem sauern Gesicht vorspielst.

Amme.

Ich bin müde, laßt mich ein wenig ausruhen – – Fy, meine Beine schmerzen mich, was das für ein Gang war!

Juliette.

Ich wollte du hättest meine Beine, und ich deine Zeitung. Nein, komm, ich bitte dich, rede – – Gute, liebe Amme rede.

Amme.

Jesu! was für eine Ungeduld! Könnt ihr denn nicht ein wenig warten? Seht ihr nicht, daß ich ganz ausser Athem bin.

Juliette.

Wie bist du ausser Athem, da du Athem genug hast mir zu sagen, daß du ausser Athem bist? Die Entschuldigung die du für dein Zaudern machst ist länger als die Erzählung, auf die du mich warten läßst. Ist deine Zeitung gut oder böse? Antworte mir nur das; Sag eines von beyden, und ich will auf die Umstände warten; laß mich nicht in der Unruh, ist sie gut oder böse?

Amme.

Wohl, wohl, ihr habt eine feine Wahl getroffen; ihr wißt nicht wie man sich einen Mann auslesen muß: Romeo nein, er nicht; und doch, wenn sein Gesicht gleich nicht besser ist als andrer Leute ihres, so hat er doch die schönsten Waden, die man sehen kan; und was eine Hand, einen Fuß, und einen Leib anbetrift, wenn man schon nicht davon redt, so sind sie doch unvergleichlich. Er ist kein Complimenten-Narr nicht, aber ich bin gut davor, daß er so sanft ist wie ein Lamm – – Geh deines Wegs, Mädchen, und danke Gott – – Wie, habt ihr schon zu Mittag gegessen?

Juliette.

Nein, nein aber das alles wußt‘ ich schon vorher; was sagt er von unsrer Verheurathung? was sagt er davon?

Amme.

Herr, wie mir der Kopf weh thut! was ich für einen Kopf habe! Es schlägt nicht anders drinn, als ob er in zwanzig Stüke fallen sollte – – Und mein Rüken – – O mein Rüken, mein Rüken! Gott verzeih‘ es euch, daß ihr mich ausgeschikt, mit auf- und ablauffen mein Leben einzubüssen.

Juliette.

Bey meiner Treue, es ist mir leid, daß du so übel bist. Liebe, liebe, liebe Amme, ich bitte dich, was sagt mein Romeo?

Amme.

Euer Romeo redt wie ein rechtschaffner Edelmann, und ein artiger, und ein freundlicher, und ein hübscher, und, ich bin gut dafür, auch ein tugendhafter – Wo ist eure Mutter?

Juliette.

Wo meine Mutter ist? Wie, sie ist in ihrem Zimmer; wo soll sie sonst seyn? Wie wunderlich du fragst? Euer Liebhaber redt wie ein rechtschaffner Edelmann – – wo ist eure Mutter! – –

Amme.

O heilige Mutter Gottes, wie hizig ihr seyd! Wahrhaftig, ihr macht mir’s, daß es nicht recht ist. Ist das der Lohn für meine Schmerzen in den Beinen? Ein andermal rüstet eure Gesandschaften selbst aus – –

Juliette.

Was du für einen Lerm machst? Komm, was sagt Romeo?

Amme.

Habt ihr Erlaubniß gekriegt, heut zur Beichte zu gehen?

Juliette.

Ja.

Amme.

So macht euch, sobald ihr könnt, nach Bruder Lorenzens Celle; dort wartet ein Mann auf euch, der euch zu einem Weibe machen will – – Nun rennt das muthwillige Blut wieder in eure Wangen – – Man kan euch kaum was neues sagen, so sind sie lauter Scharlach. Geht ihr zur Kirche; ich muß einen andern Weg, eine Leiter zu holen, auf der euer Liebhaber zu einem Vogel-Nest hinaufklettern soll, so bald es dunkel seyn wird. Ich bin den ganzen Tag mit euerm Vergnügen geplagt, aber heute Nacht werdet ihr die Last selber tragen. Geht, ich will zum Mittag-Essen, macht ihr daß ihr in die Celle kommt.

Juliette.

Wie glüklich bin ich! Leb wohl indessen, gute Amme! (Sie gehen ab.)

Sechste Scene.

Verwandelt sich in das Kloster.

Bruder Lorenz und Romeo treten auf.

Bruder Lorenz.

So lächle der Himmel auf diese heilige Handlung, daß keine nachfolgende Unglüks-Stunden uns zur Reue zwingen mögen!

Romeo.

Amen, Amen! Doch komme was für ein Unglük auch will, es kan die Wonne nicht überwiegen, die mir eine einzige kurze Minute in ihrem Anblik giebt: Vereinige du nur mit heiligen Worten unsre Hände, und dann mag der Tod selbst sein ärgstes thun; es ist genug, wenn ich sie nur mein nennen kann.

Bruder Lorenz.

Diese heftigen Entzükungen nehmen gemeiniglich ein plözliches Ende, und sterben in ihrem Triumph; wie Feuer und Pulver, die sich, indem sie sich begegnen, verzehren. Des süssesten Honigs wird man um seiner Süssigkeit willen zulezt überdrüssig. Liebe also mässig, damit du lange lieben könnest; zu schnell kommt eben so spät an, als zu langsam. (Juliette zu den Vorigen.) Hier kommt das Fräulein. Wie munter, wie leicht auf den Füssen sie ist! Ein Verliebter könnte das leichte Pflaum-Federchen besteigen, das in der üppigen Sommer-Luft herumflattert, und würde doch nicht fallen, so leicht ist Eitelkeit.

Juliette.

Guten Abend, mein geistlicher Vater.

Bruder Lorenz.

Romeo, meine Tochter, soll dir für uns beyde danken.

Juliette.

Ich wünsche ihm eben so viel, sonst wäre sein Dank zu viel.

Romeo.

Ah! Juliette, wenn das Maaß deiner Freude so aufgehäuft ist als das meinige, und du fähiger bist als ich, sie auszudrüken, o so versüsse durch deinen Athem diese umgebende Luft, und laß die zauberische Musik deiner Zunge die Glükseligkeit entfalten, die wir beyde von dieser frohen Zusammenkunft erhalten.

Juliette.

Mein Herz ist zu voll von seinem Glük, als daß es sich in Worte ergiessen könnte – – Die sind nur arm, welche sagen können, wie reich sie sind – – Meine Zärtlichkeit ist zu einem solchen Uebermaaß gestiegen, daß ich nicht die Hälfte meines Reichthums anzugeben vermag.

Bruder Lorenz.

Kommt, kommt mit mir, und wir wollen kurze Arbeit machen; denn, mit eurer Erlaubniß, sollt ihr nicht allein beysammen bleiben, bis die heilige Kirch aus beyden Einen Leib gemacht hat. (Sie gehen ab.)

Dritter Aufzug.

Erste Scene.

Die Strasse.

Mercutio und Benvolio mit ihren Bedienten treten auf.

Benvolio.

Ich bitte dich, lieber Mercutio, laß uns gehen, der Tag ist heiß, und die Capulets schwärmen in den Strassen herum; wenn wir ihnen begegnen, so wird es unfehlbar Händel absezen; denn in diesen heissen Tagen ist das tolle Blut aufrührisch.

Mercutio.

Du kommst mir gerade so vor, wie einer von den tapfern Männern, die, wenn sie in ein Weinhaus kommen, gleich ihren Degen auf den Tisch schmeissen und sagen: Gott gebe daß ich dich nicht nöthig habe! aber sobald ihnen die zweyte Flasche in den Kopf gestiegen ist, ihn gegen den Keller-Jungen ziehen, welches sie in der That nicht nöthig hatten.

Benvolio.

Und einem solchen Burschen bin ich gleich?

Mercutio.

Komm, komm, wenn du aufgebracht bist, bist du ein so hiziger Klingen-Fresser als irgend einer in Italien – – und das schlimmste dabey ist, daß du eben so schnell aufzubringen bist, als du hizig bist, wenn man dich aufgebracht hat.

Benvolio.

Wie kömmt das?

Mercutio.

Wahrhaftig, wenn zween solche wären wie du, wir würden gar bald gar keinen haben, denn einer würde den andern in der ersten Stunde aufreiben. Du? du fängst ja Händel mit einem an, weil er ein Haar mehr oder weniger in seinem Bart hat, als du; du würdest mit einem anbinden, der Nüsse aufknakte, ohne eine andre Ursache angeben zu können, als weil du nußbraune Augen hast. Dein Kopf ist so voller Händel, als ein Ey voll von Dotter und Eyer-Klar – – und doch ist dir dieser nemliche Kopf, um deiner Schlägereyen willen, schon so weich geschlagen worden, als ein gesottnes Ey. Du hast dich mit einem geschlagen, der auf der Strasse hustete, weil er deinen Hund damit aufgewekt habe, der in der Sonne schlafend lag. Fiengst du nicht mit einem Schneider Händel an, weil er sein neues Wams vor Ostern trug? und mit einem andern, weil er seine neue Schuhe mit einem alten Nestel zugeknöpft hatte? Und du willt hier den Hofmeister mit mir machen, und mich vor Händeln warnen!

Benvolio.

Wenn ich so händelsüchtig wäre wie du, es würde mir niemand zwo Stunden um mein Leben geben – – Tybalt, Petrucchio und andre von den Capulets treten auf. Bey meinem Kopf, hier kommen die Capulets – –

Mercutio.

Bey meiner Ferse, ich frage nichts darnach.

Tybalt.

Haltet euch dicht an mir, ich will mit ihnen reden – – Guten Tag, meine Herren, ein Wort mit einem von euch.

Mercutio.

Warum nur Ein Wort? Kuppelt es mit einem leibhaftern Ding zusammen, macht daß ein Wort und eine Ohrfeige draus wird.

Tybalt.

Ihr sollt mich willig genug dazu finden, Herr, wenn ihr mir Gelegenheit dazu geben wollt.

Mercutio.

Könnt ihr denn keine Gelegenheit nehmen, ohne daß man sie euch geben muß?

Tybalt.

Mercutio, du ziehst immer mit Romeo herum – –

Mercutio.

Herumziehen! wie, machst du Bier-Fidler aus uns? Wenn du Bier-Fidler aus uns machst, so erwarte nichts bessers als Mißtöne zu hören – – Hier ist mein Fiddel-Bogen – – Hier ist was, das euch tanzen machen soll! – – Höll-Teufel! Herumziehen! (Er legt die Hand an seinen Degen.)

Benvolio.

Wir sind hier mitten unter den Leuten. Entweder zieht euch an einen abgelegnen Ort zurük, oder macht euren Zwist mit kaltem Blut aus; hier gaffen uns alle Augen an.

Mercutio.

Die Leute haben ihre Augen drum, damit sie sehen sollen; laß sie gaffen; ich will niemand zum Gefallen von der Stelle gehen, ich. Romeo zu den Vorigen.

Tybalt.

Gut! Ihr könnt Friede haben, Herr! Hier kommt mein Mann.

Mercutio.

Aber ich will gehangen seyn, Herr, wenn er euere Liverey trägt; geht nur zuerst zu Felde, er wird euch auf dem Fusse folgen; in diesem Sinn kan Eu. Gnaden ihn wol einen Mann heissen.

Tybalt.

Romeo, die Liebe die ich zu dir trage, giebt mit keinen bessern Gruß für dich als diesen, du bist ein nichtswürdiger Kerl – –

Romeo.

Tybalt, die Ursache die ich habe dein Freund zu seyn, ist groß genug, mich gegen die beleidigende Wuth eines solchen Grusses unempfindlich zu machen – – Ich bin nicht was du sagst – – Also, lebe wohl; ich sehe, du kennst mich nicht.

Tybalt.

Junge, damit sollst du nicht für die Beleidigungen davon kommen, die ich von dir empfangen habe; kehr um, und zieh.

Romeo.

Ich schwöre dir, daß ich dich nie beleidigt habe; ich liebe dich mehr als du dir einbilden kanst; und bis du die Ursach erfahren wirst, warum ich dich liebe, guter Capulet, (leiser) – – dessen Name mir so theuer ist als mein eigner – – gieb dich zufrieden.

Mercutio.

Wie? So gelassen? O schimpfliche, niederträchtige Gelassenheit! – – Tybalt, du Razenfänger, willt du mit mir kommen?

Tybalt.

Was willst du von mir?

Mercutio.

Guter Kazen-König, nichts als eines von deinen neun Leben, um ein bißchen lustig damit zu machen, und je nach dem ihr euch künftig aufführen werdet, euch auch die übrigen auszuklopfen. Wollt ihr euern Degen ziehen? Macht hurtig – –

Tybalt.

Ich bin zu euern Diensten. (Er zieht.)

Romeo.

Liebster Mercutio, stek dein Rapier ein.

Mercutio.

Wolan, Herr, einen kleinen Gang. (Mercutio und Tybalt fechten.)

Romeo.

Zieh, Benvolio – – hilf mir ihnen die Degen aus den Händen schlagen – – Meine Herren – – Um’s Himmels willen, haltet ein – – Tybalt – – Mercutio – – Ihr wißt das ausdrükliche Verbot des Fürsten – – Halt, Tybalt – – armer Mercutio – – (Tybalt geht ab.)

Mercutio.

Ich bin verwundet – – Verderben über eure beyde Häuser! Ich habe meinen Theil. Ist er weg, und hat nichts?

Benvolio.

Wie, bist du verwundet?

Mercutio.

Ja, ja, eine Rize, eine Nadelrize – – Zum Henker, es ist genug, wo ist mein Diener? Geh, Schurke, hol einen Wund-Arzt.

Romeo.

Gutes Muths, Mann, die Wunde wird nicht viel zu bedeuten haben.

Mercutio.

Nein, sie ist nicht so tief als ein Zieh-Brunnen, noch so weit als eine Kirchen-Thür, aber sie ist eben recht, so viel ich brauche; fragt morgen wieder nach mir. Ich bin gepfeffert für diese Welt, das glaubt mir; der Henker hole eure beyden Häuser! Wie? ein Hund, eine Raze, eine Maus, eine Kaze soll einen Mann zu tod krazen? Eine feige Hure, ein Schurke, ein Lumpen-Kerl, der nach dem Rechenbuch ficht? Warum zum Teufel kam’t ihr zwischen uns? Ich wurde unter euerm Arm gestossen – –

Romeo.

Ich that es aus der besten Absicht.

Mercutio.

Hilf mir in irgend ein Haus, Benvolio, oder ich werde umsinken – – Die Pest über eure Häuser! Sie haben eine Wurms-Mahlzeit aus mir gemacht; ich hab‘ es, und bald genug – – Den Teufel über eure Häuser! – – (Mercutio und Benvolio gehen ab.)

Zweyte Scene.

Romeo.

Dieser Edelmann, ein naher Verwandter des Prinzen, mein bester Freund, muß um meinetwillen sein Leben lassen – – meine Ehre ist durch Tybalts Lästerungen beflekt, Tybalts, der kaum seit einer Stunde mein Vetter ist: O süsse Juliette, deine Schönheit hat mich weibisch gemacht – – Würd‘ ein Mann soviel leiden und gelassen bleiben? Benvolio tritt auf.

Benvolio.

O Romeo, Romeo, der brave Mercutio ist todt – –

Romeo.

Dieser unglükselige Tag, es ahnet mir, wird mehr andre nach sich ziehen – – Tybalt zu den Vorigen.

Benvolio.

Hier kommt der rasende Tybalt wieder zurük.

Romeo.

Lebend, im Triumph? und Mercutio ist erschlagen? Hinweg gen Himmel, zurükhaltende Sanftmuth, und du, feuer-augichte Wuth, sey nun meine Führerin! Nun, Tybalt nimm den nichtswürdigen Kerl zurük, den du vorhin mir gabst – – Mercutio’s Seele schwebt nicht weit über unsern Häuptern und wartet auf die deinige – – Du oder ich, einer von uns muß ihm Gesellschaft leisten.

Tybalt.

Du, armseliger Junge, der hier mit ihm zu lauffen gewohnt war, du sollst mit ihm. (Sie fechten; Tybalt fällt.)

Benvolio.

Romeo, hinweg, fliehe – – die Bürger lauffen zusammen, und Tybalt ist erschlagen – – Steh nicht so sinnlos da – – der Prinz wird dein Todes-Urtheil sprechen, wenn du ergriffen wirst – – Hinweg, fliehe, fort!

Romeo.

O! Ich unglükseliger Ball des Glüks – –

Benvolio.

Wie, du zögerst noch? (Romeo entweicht.)

Dritte Scene.

Einige Bürger treten auf.

Bürger.

Welchen Weg floh Tybalt, der den Mercutio ermordet hat? Wo floh er hin?

Benvolio.

Hier ligt Tybalt.

Bürger.

Auf, Herr, geht mit mir – – ich befehle dir’s in des Fürsten Namen, gehorche. Der Prinz, Montague, Capulet, ihre Weiber, u. s. w. treten auf.

Prinz.

Wo sind die schändlichen Urheber dieser Unruh?

Benvolio.

Gnädigster Herr, ich kan den ganzen unglüklichen Hergang dieses fatalen Zwists erzählen; hier ligt, vom jungen Romeo erschlagen, der Mann der den tapfern Mercutio, euern Vetter erschlug.

Lady Capulet.

Tybalt, mein Neffe! O meines Bruders Kind! Unglükseliger Anblik! O weh mir, das Blut meines liebsten Neffen ist vergossen – – Prinz, so wahr du diesen Namen verdienst, so laß unser Blut durch das Blut des mördrischen Montague gerochen werden.

Prinz.

Benvolio, wer war der Anfänger des Handels?

Benvolio.

Tybalt, der hier von Romeo’s Hand erschlagen ligt, von Romeo, der ihm freundlich zuredete, ihn bat die Gefährlichkeit der Händel, die er anfieng, zu bedenken, und daß er sich die schärfste Ahndung von Eurer Durchlaucht zuziehen werde; aber alles was er mit sanfter Stimme, ruhigen Bliken, und demüthig gebognen Knien sagte, war nicht vermögend die wüthende Galle des tauben Tybalts zu besänftigen – – noch ihn abzuhalten, den scharfen Stahl nach des kühnen Mercutio Brust zu züken, der gleich hizig ihm Stoß um Stoß wiedergab, und mit furchtlosem Kaltsinn, mit der einen Hand den kalten Tod auf die Seite schlug, mit der andern ihn zu Tybalt zurük sandte, von dessen geschikter Faust er gleich wieder auf seinen Gegner zurükprallte. – – Romeo ruft was er kan: haltet ein! Freunde! Freunde, haltet ein! und schneller als seine Zunge schlägt sein behender Arm beyder tödtliche Klingen nieder, und stürzt sich zwischen sie: Aber in eben diesem Augenblik durchbort, unter seinem Arm, ein unglüklicher Stoß von Tybalt des unbändigen Mercutio’s Herz; Tybalt entflieht, aber bald kommt er wieder zu Romeo zurük, den eines Freundes Tod zur Rache anspornt, und wie der Bliz sind sie an einander: Denn eh ich sie von einander reissen konnte, war Tybalt erschlagen, und so wie er fiel, begab sich Romeo auf die Flucht. Diß ist die Wahrheit, oder laßt Benvolio sterben.

Lady Capulet.

Er ist ein Verwandter von den Montaguen, die Freundschaft macht ihn verdächtig, er sagt nicht die Wahrheit. Es waren ihrer wenigstens zwanzig gegen den einzigen Tybalt, weniger als diese zwanzig hätten nichts über ihn vermocht. Ich verlange Justiz, Prinz, und es ist nicht in deiner Gewalt sie abzuschlagen. Romeo tödtete Tybalt, Romeo soll nicht leben!

Prinz.

Romeo erschlug ihn, und er erschlug den Mercutio – – von wem soll dann ich das werthe Blut meines Anverwandten fordern?

Lady Montague.

Nicht von Romeo, Prinz, er war Mercutio’s Freund: Sein ganzer Fehler war, daß er dem Mörder Tybalt das Leben nahm, welches ihm das Gesez ohnehin genommen hätte.

Prinz.

Und dieses Verbrechens wegen verbannen wir ihn von Stund an aus Verona – – Euere Feindschaft, euer ungezähmter Groll kostet mich mein eignes Blut, es ist hohe Zeit um meiner eignen Sicherheit willen ihm Einhalt zu thun. Ich will es, ich will durch den Zwang der Straffen erhalten, was Drohung nicht vermocht hat. Keine Entschuldigungen! Keine Vorbitten! weder Thränen noch Fußfälle sollen die ermüdete Gerechtigkeit versöhnen – – Laßt Romeo unverzüglich fliehen, oder die Stunde, worinn er ergriffen wird, ist seine lezte – – Traget diesen Leichnam von hinnen, und erwartet meinen fernern Willen – – Gnade wird selbst zur Mörderin, wenn sie Mördern vergiebt. (Sie gehen ab.)

Vierte Scene.

Verwandelt sich in ein Zimmer in Capulets Haus.

Juliette tritt allein auf.

Juliette.

Eilet, eilet davon, ihr feurigen Rosse der Sonne, euerm Nachtlager zu – – ein solcher Führer, wie Phaeton war, würde euch bald nach Westen gepeitscht, und in einem Augenblik den Tag in düstre Nacht verwandelt haben – – Spreite deinen dichten Vorhang aus, Liebebefördernde Nacht! daß die Augen des müden Phöbus niken, und unbesprochen und ungesehn Romeo in diese Arme fliege. Liebende sehen genug zu ihren zärtlichen Geheimnissen beym Glanz ihrer eignen Schönheiten: Oder wenn die Liebe blind ist, so taugt sie am besten zur Nacht. Komm, stille Nacht, gleich einer sittsamen Matrone ganz in Schwarz gekleidet; komm und lehre mich ein gewinnreiches Spiel verliehren, das um ein paar unbeflekte Jungferschaften gespielt wird – – Verhülle das unbemannte Blut, das meine Wangen erhizt, in deinen schwarzen Schleyer, bis die ungewohnte Liebe kühner wird, und in ihren brünstigsten Ausbrüchen nichts als Unschuld findt. Komm, Nacht, komm, Romeo, komm du Tag in der Nacht, denn du wirst auf den Flügeln der Nacht weisser als Schnee auf eines Raben Rüken ligen; komm, holde Nacht, komm, liebende, schwarz-augichte Nacht! Gieb mir meinen Romeo, und wenn er einst sterben muß, so nimm ihn und schneid ihn in kleine Sterne aus, und er wird dem Antliz des Himmels eine so reizende Anmuth geben, daß die ganze Welt in die Nacht verliebt werden, und den Flitter-Glanz der Sonne nichts mehr achten wird – – O wie lang, wie verdrießlich lang ist dieser Tag, so lang, wie die Nacht vor einem Festtag einem ungeduldigen Kinde, das neue Kleider bekommen hat, und sie noch nicht tragen darf. O, hier kommt meine Amme – – Die Amme mit einer Strik-Leiter. und bringt mir Nachrichten – -jede Zunge, die meines Romeo Namen ausspricht, ist die Zunge eines Engels für mich – – Nun Amme, was giebt’s neues? Was hast du hier? Die Strik-Leiter die Romeo dich holen hieß?

Amme.

Ja, ja, die Strik-Leiter – –

Juliette.

Weh mir! was ist begegnet? warum ringst du die Hände?

Amme.

Ach! daß’s Gott erbarm‘! er ist todt, er ist todt, er ist todt! wir sind verlohren, Fräulein, wir sind verlohren! – – Ach, daß’s Gott erbarm! er ist hin, er ist umgebracht, er ist todt!

Juliette.

Kan der Himmel so mißgünstig seyn?

Amme.

Was der Himmel nicht kan, kan Romeo – – O Romeo! Romeo! Wer hätte sich das einbilden können, Romeo?

Juliette.

Was für ein Teufel bist du, der mich so martert? Diese Folter sollte im Abgrund der Hölle geheult werden! Hat Romeo sich selbst ermordet? Sag nur ja, und diese einzige Sylbe wird mich schneller vergiften als das todtschiessende Auge des Basilisken.

Amme.

Ich sah die Wunde, ich sah sie mit meinen Augen, Gott behüte mich! Hier – – auf seiner männlichen Brust. Eine erbärmliche Leiche, eine blutige erbärmliche Leiche, bleich, bleich wie Asche, ganz mit Blut beschmiert, lauter geronnen Blut – – es wurde mir ohnmächtig wie ich es sah.

Juliette.

O brich mein Herz – – schließt euch zu, meine Augen; öffnet euch nicht mehr – – stirb, arme Unglükliche, daß dich und Romeo Eine Baare drüke!

Amme.

O Tybalt, Tybalt, der beste Freund den ich hatte: O freundlicher, wakrer, edler Tybalt, daß ich leben mußte, dich todt zu sehen!

Juliette.

Was für ein Sturm ist das, der von so entgegenstehenden Seiten bläst. Ist Romeo erschlagen, und ist Tybalt todt? Mein vielgeliebter Vetter, und mein geliebterer Gemahl? Wenn das ist, so mag die Posaune zum allgemeinen Gerichts-Tag blasen – – Denn wer lebt noch, wenn diese zween nicht mehr sind?

Amme.

Tybalt ist todt, und Romeo verbannt; Romeo, der ihn erschlug, ist verbannt.

Juliette.

O Gott! Romeo’s Hand vergoß Tybalts Blut?

Amme.

Das that sie, das that sie, leider Gott erbarm’s, das that sie.

Juliette.

O Schlangen-Herz, unter einem blühenden Gesicht verborgen! wohnte jemals ein Drache in einer so schönen Höhle? Liebreizender Unmensch, Englischer Teufel! – – O Natur, was hast du in der Hölle zu thun, wenn du den Geist eines solchen Teufels in ein irdisches Paradies herbergest? War jemals ein Buch von so schändlichem Inhalt so schön eingebunden? O, daß in einem so prächtigen Palast gleißnerisches Laster wohnen soll!

Amme.

Es ist weder Treu, noch Glauben, noch Ehrlichkeit in diesen Mannsleuten; sie sind alle meineydig, alle Verräther, lauter Nichts, alle Heuchler – – Ah! wo ist mein Diener? Gieb mir ein wenig Aquavit – – Dieser Jammer, diese Noth, diese Sorgen machen eins vor der Zeit grau – – Schaam über diesen Romeo!

Juliette.

Verflucht sey deine Zunge durch einen solchen Wunsch! Er ward nicht zur Schaam gebohren, sie untersteht sich nicht auf seine Stirne zu sizen: Sie ist ein Thron, wo die Ehre zum allgemeinen Monarchen der ganzen Welt gekrönt werden sollte! O was für eine Unglükliche war ich, so wider ihn auszubrechen!

Amme.

Wolltet ihr gut von dem Mörder euers Verwandten reden?

Juliette.

Soll ich übel von meinem Ehemann reden? Ach, armer Gemahl, was für eine Zunge soll deinem Namen liebkosen, da ich, dein dreystündiges Weib, ihn mißhandelt habe? – – Aber warum, Unglüklicher, tödtetest du meinen Vetter? Dieser Vetter, der Unglükselige! würde sonst meinen Gemahl getödtet haben. Zurük, thörichte Thränen, zurük in eure Quelle; ihr seyd ein Zoll der dem Kummer gebührt, und ihr bietet ihn aus Irrthum der Freude dar? Mein Gemahl lebt, den Tybalt ermorden wollte, und Tybalt ist todt, der meinen Gemahl gern getödtet hätte; alles dieses ist Trost; warum wein‘ ich dann? Ach! es war noch ein Wort, schlimmer als Tybalts Tod, das mich ermordet hat; ich streb‘ umsonst es zu vergessen, ach! es dringt sich meinem Gedächtniß auf, wie das Bewußtseyn böser Thaten dem Gemüthe des Sünders; Tybalt ist todt und Romeo verbannt; dieses verbannt, dieses einzige Wort verbannt, hat zehntausend Tybalts ermordet; Tybalts Tod war für sich allein Unglüks genug – – Oder wenn das Unglük ja Gesellschaft haben will, warum folgte, wie sie sagte – – Tybalt ist todt – – warum folgte nicht, dein Vater, oder deine Mutter, oder gar beyde? Aber mit diesem gräßlichen Nachklang: auf, Tybalt ist todt – – Romeo ist verbannt – – Durch dieses einzige Wort ist Vater, Mutter, Tybalt, Romeo, Juliet, alles erschlagen, alles todt! – – Romeo verbannt! Es ist weder Ziel, noch Maaß, noch Ende in dem Tod dieses Worts – – es sind keine Worte die den Jammer ausdrüken, den es in sich hält. Wo ist mein Vater und meine Mutter, Amme?

Amme.

Weinend und jammernd über Tybalts Leiche. Wollt ihr zu ihnen? Ich will euch hinführen.

Juliette.

Waschen sie seine Wunden mit Thränen? Meine sollen, wenn die ihrigen vertroknet sind, über Romeo’s Verbannung fliessen. Nimm diese Strike zu dir – – arme Strike, ihr seyd verrathen, ihr und ich; Romeo ist verbannt! Er wollte sich auf euch einen Weg zu meinem Bette machen; aber nun werd‘ ich als eine verwittwete Jungfrau sterben. Komm, Strik-Leiter; komm, Amme; ich will in mein Braut-Bette, um dem Tod, nicht meinem Romeo in die Arme zu sinken.*

Amme.

Geht in euer Zimmer; ich will den Romeo aufsuchen, der euch trösten soll. Ich weiß wol wo er ist; ich will zu ihm, er ist in Bruder Lorenzens Celle.

Juliette.

O such ihn, find ihn, gieb ihm diesen Ring, und bitt‘ ihn daß er komme, sein leztes Lebewohl zu nehmen. (Sie gehen ab.)

* Im Original sagt Juliette: And Death, not Romeo, take my Maidenhead! – – Shakespear mußte einen Reim auf den vorhergehenden Vers haben, und es ist kein Unsinn, keine Unanständigkeit, die er sich nicht erlauben sollte, um sich nicht lang auf einen Reim besinnen zu dürfen.

Fünfte Scene.

Verwandelt sich in das Kloster.

Bruder Lorenz und Romeo treten auf.

Bruder Lorenz.

Romeo, komm hervor, hervor du furchtsamer Mann; der Kummer ist in deine Schönheit verliebt, und du bist mit der Wiederwärtigkeit verheurathet.

Romeo.

Was bringt ihr mir neues, mein Vater? Was ist des Prinzen Urtheil? Was für ein noch unbekanntes Elend will Bekanntschaft mit mir machen?

Lorenz.

Nur allzuvertraut ist mein theurer Sohn mit so beschwerlicher Gesellschaft. Ich bringe dir Nachricht von des Prinzen Urtheil.

Romeo.

Was weniger kan mein Urtheil seyn als der Tod?

Lorenz.

Ein milderer Spruch ergieng von seinen Lippen – – Nicht dein Tod, nur deine Verbannung.

Romeo.

Ha! Verbannung! Sey mitleidiger, sage, Tod; denn Verbannung hat weit mehr schrekliches in ihren Bliken als der Tod selbst. Sage nicht, Verbannung.

Lorenz.

Hier aus Verona bist du verbannt; sey geduldig, die Welt ist weit und breit.

Romeo.

Ausser Verona’s Mauern ist keine Welt, sondern nichts als Fegfeuer, Abgrund und Hölle. Von hier verbannt ist aus der ganzen Welt verbannt, und aus der Welt verbannt seyn, ist Tod. Dieses verbannt ist nur ein unrecht benannter Tod; wenn du den Tod Verbannung nennst, so ist das nichts bessers als ob du mir den Kopf mit einem goldnen Beil abhautest und zu dem Streich lächeltest, womit du mir das Leben nimmst.

Lorenz.

O Todsünde! O rohe Undankbarkeit! Auf dein Vergehen sezt unser Gesez den Tod; der gütige Fürst tritt dazwischen, stößt das Gesez auf die Seite, und verwandelt das schwarze Wort Tod in Verbannung; welch eine Gnade, und du siehst sie nicht?

Romeo.

Marter ist’s, nicht Gnade! Der Himmel ist da, wo Juliette lebt; jede Kaze, jeder Hund, jede kleine Maus, jedes unwürdige Ding lebt hier im Himmel, und kan sie ansehen, nur Romeo nicht. Armselige Schmeis-Fliegen haben mehr Recht, sind achtbarer, edler, glüklicher als Romeo; sie können sich auf die weisse Hand meiner theuren Juliette sezen, und unsterbliche Wonne von ihren Lippen stehlen – – Fliegen können das thun, indeß daß ich von ihr fliehen muß; und sagst du noch, daß Verbannung nicht Tod ist? – – Sie können’s, nur Romeo kan nicht, denn er ist verbannt – – Hast du keinen Gift-Trank, keinen Dolch, kein plözliches Todes-Werkzeug, (so elend es seyn mag, kan es doch nicht so elend seyn als verbannt) mir das Leben zu nemmen? Ha! Verbannt! O Vater, die Verdammten in der Hölle brauchen dieses Wort, und Heulen folgt darauf – – Wie kanst du so unbarmherzig seyn, du ein Mann Gottes, ein geistlicher Vater, ein Beichtiger, und mein erklärter Freund, mich mit diesem verfluchten Wort, zu zerschmettern?

Lorenz.

Wahnwiziger, liebeskranker Thor, höre mich reden – –

Romeo.

O du willst wieder von Verbannung anfangen – –

Lorenz.

Ich will dir Waffen geben, wodurch du dieses Wort von dir abhalten kanst; die süsse Milch der Wiederwärtigkeit – – Philosophie, die dich beruhigen wird, ob du gleich verbannt bist.

Romeo.

Immer noch verbannt? An den Galgen mit Philosophie; wenn Philosophie nicht eine Juliette machen, eine Stadt versezen, die Urthel eines Prinzen aufheben kan, so hilft sie nicht, so nüzt sie nichts, sagt mir nichts mehr davon – –

Lorenz.

Nun dann, tolle Leute haben keine Ohren, wie ich sehe.

Romeo.

Wie sollten sie, wenn kluge Leute keine Augen haben?

Lorenz.

Komm, laß uns vernünftig von deinen Umständen reden – –

Romeo.

Du kanst von dem nicht reden was du nicht fühlst; wärest du so jung wie ich, und wäre Juliette deine Liebste, wärst du vor einer Stunde mit ihr verheurathet, und hättest in dieser Stunde Tybalten umgebracht, und liebtest bis zum Wahnwiz wie ich, und wärest wie ich verbannt – – dann möchtest du reden, dann möchtest du dir die Haare ausrauffen, und dich auf den Boden werfen, wie ich izt thue, und das Maas zu deinem Grabe nemmen. (Er wirft sich auf den Boden.)

Lorenz.

Steh auf – – es klopft jemand: (Man hört klopfen.) Guter Romeo, verbirg dich.

Romeo.

Nein wahrhaftig, wenn nicht der Dampf Herzzersprengender Seufzer, mich wie ein Nebel vor den Augen der Leute verbirgt.

Lorenz.

Horche! was das für ein Klopfen ist! wer ist da? – – (leise.) Romeo steh auf, du wirst ergriffen werden – – (laut.) – – Nur einen Augenblik Geduld! – – (leise.) Steh auf, (Man klopft immer lauter.) lauf in meine Celle – – (laut.) Gleich, gleich – – Um Gottes willen, was für eine Halsstarrigkeit ist das! – – (Man klopft.) Ich komme, ich komme. Wer klopft so stark? Wer seyd ihr? Was wollt ihr?

Amme (hinter der Scene.)

Laßt mich nur ein, so sollt ihr gleich erfahren, worinn mein Auftrag besteht – – Ich komme von Fräulein Juliette – –

Lorenz.

So seyd willkommen – – (Er macht auf.) Die Amme tritt auf.

Amme.

O ehrwürdiger Herr, o sagt mir, ehrwürdiger Herr, wo ist meiner Fräulein ihr Herr? Wo ist Romeo?

Bruder Lorenz.

Hier, auf dem Boden, den seine Thränen überschwemmen.

Amme.

O, so macht er’s gerade wie mein Gnädiges Fräulein, sie macht’s gerade auch so; o trauervolle Sympathie! Gerade so ligt sie, schluchzend und weinend, und weinend und schluchzend – – Die Baken sind ihr ganz davon aufgeschwollen – – Steht auf, steht auf – – Steht, wenn ihr ein Mann seyd – – Um Juliettens willen, um ihrentwillen, auf vom Boden und steht! warum sollt ihr in ein so tiefes O! – – fallen? – –

Romeo.

Amme! – –

Amme.

Ach, Gnädiger Herr, Gnädiger Herr! – – Mit dem Tod hört alles auf.

Romeo.

Redst du von Julietten? Wie steht es um sie? Glaubt sie nicht, ich sey ein verhärtetet Ruchloser, ein Mörder vom Handwerk, da ich die Kindheit unsrer Freude mit ihr so nahverwandtem Blut beflekt habe? Wo ist sie? Was macht sie? Was sagt meine neuangetraute Gemahlin zu den unverhoften Hinternissen unsrer Liebe?

Amme.

O, sie sagt nichts, Gnädiger Herr; sie thut nichts als weinen und weinen, und sinkt dann auf ihr Bett hin, und fährt dann wieder auf, ruft Tybalt, und dann Romeo, – – und sinkt dann wieder von neuem hin – –

Romeo.

– – Als ob dieser Name wie aus dem tödtlichen Canal einer Flinte geschossen, sie ermorde, wie dieses Namens verfluchte Hand ihren Verwandten ermordet hat – – Sag mir, Vater, sag mir, in was für einem verworfnen Theil dieses Körpers mein Name wohnt? Sag mir’s, damit ich die verhaßte Wohnung zerstören kan. (Er zükt seinen Degen.)

Bruder Lorenz.

Halt deine verzweifelnde Hand. Deine Thränen sind unmännlich und deine wilden Bewegungen die Ausbrüche der vernunftlosen Wuth eines wilden Thiers – – Unweibliches Weibsbild in Gestalt eines Manns, wildes Thier in der schönen Gestalt eines vernünftigen Geschöpfs – – Du sezst mich in Erstaunen. Bey meinem heiligen Orden! Ich traute dir mehr Muth, mehr geseztes Wesen zu. Du hast Tybalten erschlagen – – Willt du nun auch dich, auch deine Geliebte, die in dir lebt, ermorden? Verachtest du so, was deine Geburt, was Himmel und Erde für dich gethan haben; alle drey vereinigten sich, dich groß und glüklich zu machen, und du willt alles durch einen Streich verliehren? Fy, fy, du entehrst deine Gestalt, deine Liebe, deine Vernunft, da du, wie ein Wucherer, an allen dreyen so reich bist, und keines zu dem edeln Gebrauch anwendest wozu du es empfiengest. Deine schöne Gestalt ist ohne den tapfern Muth eines Mannes, nur ein wächsernes Bild – – Deine heilig beschwohrne Liebe nur treuloser Meineyd, da du eben diese Liebe tödten willst, die du zu ernähren angelobet hast. Deine Vernunft, welche beyde regieren und verschönern sollte, wird wie Pulver in eines unachtsamen Soldaten Beutel, durch deine eigne Unbesonnenheit in Feuer gesezt, und du durch dasjenige aufgerieben, was dich beschüzen sollte. Wie, stehe auf, Mann, deine Julia lebt noch, um derentwillen du todt warest: Hierinn bist du glüklich. Tybalt wollte dir das Leben nehmen, aber du nahmst es ihm; hierinn bist du auch glüklich. Das Gesez, das dir den Tod dräute, wurde dein Freund, und verwandelte ihn in Verweisung; auch darinn bist du glüklich. Wie viel Glükseligkeiten – – und du erkennst sie nicht? Die Glükseligkeit kleidet dich in ihren schönsten Puz, und wie ein unartiges verdrießliches Mädchen, schielst du dein Glük und deine Liebe mit unzufriednen Bliken an. Nimm dich in acht, nimm dich in acht, solche Leute nehmen meistens ein elendes Ende. Geh, geh zu deiner Geliebten wie es abgeredet war, steig in ihr Zimmer, weg, und tröste sie; aber siehe zu, daß du dich nicht so lange verweilest, bis die Wache aufzieht; sonst könntest du nicht nach Mantua entrinnen, wo du dich so lange aufhalten sollst, bis wir die gelegne Zeit ersehen, eure Heyrath bekannt zu machen, euch mit euern Freunden auszusöhnen, des Prinzen Verzeihung zu erlangen, und dich mit zwanzigtausendmal mehr Freude zurük zu beruffen, als izt der Schmerz ist mit dem du fortgehst. Geh voran, Amme; grüsse mir dein Fräulein, und bitte sie, sie soll machen, daß das ganze Haus fein bald zu Bette komme, wozu die allgemeine Betrübniß sie ohnehin geneigt machen wird. Romeo wird bald nachfolgen.

Amme.

O Herre, ich hätte die ganze Nacht hier stehen mögen, um so gescheidte Sachen reden zu hören: O was das ist, wenn man gestudiert ist! Gnädiger Herr, ich will meiner Fräulein sagen, daß ihr kommen werdet.

Romeo.

Thu das, und bitte sie, sie soll sich gefaßt machen, mich auszuschelten.

Amme.

Hier ist ein Ring, Gnädiger Herr, den sie mir für euch mitgab – – Eilet doch, macht hurtig, es ist schon sehr spät – –

Romeo.

Wie schnell diese Erwartung meinen Muth wiederaufleben macht!

Bruder Lorenz.

Halte dich in Mantua auf; ich will einen zuverläßigen Mann für euch ausfündig machen, der euch von Zeit zu Zeit berichten soll, was für günstige Umstände sich hier für euch ereignen. Gieb mir deine Hand, es ist späte, lebe wohl! Gute Nacht!

Romeo.

Rieffe mich nicht Freude über alle Freuden hinweg, wie schmerzlich würde mir dieser schnelle Abschied seyn! (Sie gehen ab.)

Sechste Scene.

Verwandelt sich in Capulets Haus. Capulet, Lady Capulet und Paris treten auf.

Capulet.

Es sind so unglükliche Umstände eingefallen, mein Herr, daß wir keine Zeit gehabt haben, unsrer Tochter zuzureden. Seht ihr, sie liebte ihren Vetter Tybalt gar herzlich, und das that ich auch – – Wohl, wir werden gebohren, um wieder zu sterben – – Es ist sehr spät, sie wird diese Nacht nicht herunter kommen; ich versichre euch, wenn mir eure Gesellschaft nicht so lieb wäre, ich würde schon eine Stunde im Bette seyn.

Paris.

Ich bescheide mich gerne, daß diese Trauer-Tage keine Zeit zu Liebes-Bewerbungen sind. Gute Nacht, Gnädige Frau – – Empfehlt mich eurer Tochter – –

Lady Capulet.

Ich will, und morgen früh nachforschen, wie sie gesinnt ist – – Für diese Nacht ist sie zu ihrer Traurigkeit eingeschlossen.

Capulet.

Signor Paris, ich getrau es auf mich zu nehmen, euch meines Kindes Liebe zu versprechen: Ich denke, sie wird sich in allen Stüken von mir regieren lassen – – nichts weiter, ich zweifle gar nicht, Frau, geh du noch zu ihr, eh du zu Bette gehst, gieb ihr Nachricht von Signor Paris Liebe, und sag ihr, hörst du, bis nächsten Mittwoch – – aber sachte – – was ist heut für ein Tag? – –

Paris.

Montag, Gnädiger Herr.

Capulet.

Montag? Ha, ha, gut, Mittwoch ist zu bald, laßt es den Donnerstag seyn; nächsten Donnerstag, sag ihr, soll sie mit diesem edeln Grafen vermählt werden – – Wollt ihr bisdahin fertig seyn? Seyd ihr mit dieser Eilfertigkeit zufrieden? – – wir wollen kein grosses Wesen nicht machen – – Einen oder zween Freunde – – Denn, seht ihr, da Tybalt so kürzlich erst ermordet worden, so würde es so herauskommen, als ob wir wenig Antheil an seinem Unfall nähmen, wenn wir grosse Freuden-Bezeugungen anstellen wollten – – Deßwegen wollen wir etwann ein halb Duzend Freunde haben, und damit ist’s aus. Aber was sagt ihr zum Donnerstag?

Paris.

Gnädiger Herr, ich wollte der Donnerstag wäre Morgen.

Capulet.

Gut, gut, geht izt zu Bette – – auf Donnerstag sey es also – – (Zu Lady Capulet.) Du, geh zu Julietten eh du zu Bette gehst, Weib – – Bereite sie auf ihren Hochzeit-Tag vor. Lebt wohl, Graf – – Licht in mein Zimmer, he! – – Geht zu, geht zu, es ist schon so spät, daß wir’s bald früh heissen dürften. Gute Nacht – – (Sie gehen ab.)

Siebende Scene.

Juliettens Zimmer, von der Garten-Seite. Romeo und Juliette, oben an einem Fenster; woran eine Strik-Leiter befestigt ist.

Juliette.

Willt du schon gehen? Es ist noch lange bis zum Tag: Es war die Nachtigall und nicht die Lerche, die dich vorhin erschrekte – – sie pflegt alle Nacht auf jenem Granatbaum zu singen; glaube mir, mein Herz, es war die Nachtigall.

Romeo.

Es war die Lerche, die Heroldin des Morgens, nicht die Nachtigall. Siehst du, meine Liebe, die neidischen Streiffen, die dort im Osten die sich scheidenden Wolken umwinden: Die Kerzen der Nacht sind abgebrannt, und der fröliche Tag gukt auf den Zehen stehend über die Spizen der neblichten Berge. Ich muß gehen und leben, oder bleiben und sterben.

Juliette.

Jenes Licht ist nicht Tag-Licht, glaube mir’s, es ist irgend ein Meteor, das die Sonne ausdünstet, um in dieser Nacht deine Reise nach Mantua zu beleuchten; bleibe noch ein wenig, du sollst nicht so früh gehen.

Romeo.

Laß mich ergriffen, laß mich zum Tod verurtheilt werden; ich bin zufrieden, wenn du es haben willst. Ich will sagen, jenes Grau sey nicht des Morgens Auge, sondern nur der blasse Gegenschein von Cynthia’s Stirne; und es sey nicht die Lerche, deren Noten so hoch über unserm Haupte zu den himmlischen Gewölben hinauftönen. Nichts als die Sorge um unsre Sicherheit kan mich aus deinen Armen reissen; aber Juliette will’s, und der Tod soll mir willkommen seyn. Wie ists, meine Seele? Laß uns schwazen, es ist noch nicht Tag.

Juliette.

Es ist, es ist; verlaß mich, fliehe, mein Geliebter; es ist die Lerche, die so tonloß singt, ihr mißlautendes, unangenehm-scharfes Gurgeln ruft dich weg – – O gehe, gehe, es wird immer heller und heller.

Romeo.

Sage, immer finstrer und finstrer, da ich in wenigen Augenbliken dich nicht mehr sehen werde. Die Amme kommt herein.

Amme.

Gnädige Frau – –

Juliette.

Amme?

Amme.

Euer Gnaden Frau Mutter ist im Begriff heraufzukommen: Der Tag bricht an, nehmt euch in Acht, seht euch vor – – (ab.)

Juliette.

So muß ich dann von meinem Leben scheiden? – –

Romeo.

Lebe wohl, lebe wohl; noch einen Kuß, und ich will gehen. (Romeo steigt aus dem Fenster herab.)

Juliette.

Und gehst du dann so? O mein Liebster, mein Herr, mein Gemahl, mein Freund! Ich muß alle Tage Nachricht von dir haben, alle Stunden, denn in einer Minute ohne dich sind viele Tage. Ach! nach dieser Rechnung werd‘ ich alt seyn, eh ich meinen Romeo wieder sehe.

Romeo.

Lebe wohl, meine Liebe: ich will keine Gelegenheit versäumen, wodurch ich dir meinen Gruß übermachen kan.

Juliette.

Ach, denkst du, wir werden uns jemals wieder sehen?

Romeo.

Zweifle nicht; es wird eine Zeit kommen, wo alle diese Wiederwärtigkeiten uns zum Stoff angenehmer Gespräche dienen werden.

Juliette.

O Gott! ich hab‘ eine Unglük-weissagende Seele – – Mich dünkt, ich seh dich, da ich so auf dich hinunter schaue, wie einen, der todt in seinem Grabe ligt. Entweder werden meine Augen düster, oder du siehst bleich – –

Romeo.

Glaube mir, Liebe, du kommst mir eben so vor; der Kummer trinkt das Blut in unsern Wangen auf – – Lebe wohl, lebe wohl! – – (Romeo geht ab.)

Achte Scene.

Juliette.

O Glük, Glük, alle Leute nennen dich unbeständig; wenn du unbeständig bist, was thust du mit dem, dessen Treue du kennen solltest? Doch, sey immerhin unbeständig, denn so hab ich Hoffnung, daß du ihn nicht lange behalten, sondern mir bald zurückschiken wirst. Lady Capulet tritt auf.

Lady.

Wie, Tochter, seyd ihr schon auf?

Juliette.

Wer ist da, wer ruft? Ist es meine Gnädige Mamma? Was für eine ungewöhnliche Ursache führt sie so früh hieher?

Lady.

Wie, Juliette, wie steht’s um dich?

Juliette.

Ich bin nicht wohl, Gnädige Frau.

Lady.

Immer noch in Thränen um deines Vetters Tod? Wie, hofst du ihn mit deinen Thränen aus seinem Grab herauszuwaschen? Wenn du es auch könntest, so könntest du ihn doch nicht wieder lebendig machen. Gieb dich also einmal zufrieden. Ein gemässigter Schmerz ist ein Beweis der Liebe; aber zuviel Schmerz beweist allemal zu wenig Verstand.

Juliette.

Ich kan einen so empfindlichen Verlust nicht zuviel beweinen.

Lady.

Auf diese Art verewigst du das Gefühl deines Verlusts, und kanst doch den Freund nicht zurük bringen, dessen Verlust du beweinst.

Juliette.

So wie ich den Verlust meines Freundes fühle, kan ich nicht anders als ihn immer beweinen.

Lady.

Gut, Mädchen, du weinst nicht so sehr um seinen Tod, als daß der Bösewicht lebt, der ihn ermordet hat.

Juliette.

Was für ein Bösewicht, Gnädige Frau?

Lady.

Was für ein andrer als Romeo?

Juliette (leise.)

Bösewicht, und er, sind manche Meilen von einander. (laut.) Gott verzeih‘ ihm! Ich thue es von ganzem Herzen – – Und doch ist niemand der meinem Herzen empfindlichere Schmerzen verursacht als er.

Lady.

Du meynst, weil der Verräther lebt – –

Juliette.

Ich, gnädige Frau, – – (leise.) Ohne daß ihn diese meine Arme erreichen können – – (laut.) Ich wollte nichts, als daß ich allein meines Vetters Tod rächen dürfte.

Lady.

Wir wollen uns Rache verschaffen, sey du unbekümmert; höre nur auf zu weinen. Ich will jemand nach Mantua, wo der verbannte Renegat sich aufhält, senden, der ihn bald genug dem Tybalt nachschiken soll; und dann, hoff ich, wirst du doch zufrieden seyn.

Juliette.

In der That, Gnädige Frau, ich werde nie mit Romeo zufrieden seyn, ich seh‘ ihn dann – – todt – – ist mein armes Herz für meinen unglüklichen Freund.* Gnädige Frau, wenn ihr mir nur einen Mann finden könnt, der ihm einen Gift-Trank bringen wollte, ich wollte ihn so mischen, daß Romeo, sobald er ihn eingenommen hätte, im Frieden schlafen sollte – – O! wie mein Herz es verabscheut, daß ich ihn nennen höre – – und nicht zu ihm kommen kan – – um die Liebe, die ich zu meinem ermordeten Vetter trug, an der Person desjenigen auszulassen, der ihn ermordet hat.

Lady.

Finde du nur das Mittel aus, und laß du mich für den Mann sorgen. Aber nun will ich dir eine angenehme Zeitung sagen, Mädchen.

Juliette.

Sie kommt sehr zu gelegner Zeit, wenn sie angenehm ist. Und worinn besteht sie dann, wenn ich Euer Gnaden bitten darf?

Lady.

Gut, gut, du hast einen sorgfältigen Vater, Kind; der, um dich von deiner Schwermuth zu befreyen, einen unverhoften Freuden-Tag angeordnet hat, an den keine von uns beyden dachte.

Juliette.

Und darf man fragen, was für ein Tag das ist, Gnädige Frau?

Lady.

Den nächsten Donnerstag, mein Kind, früh Morgens wird der junge, edle, liebenswürdige Graf Paris in St. Peters Kirche dich zu einer glüklichen Braut machen.

Juliette.

Nun, bey St. Peters Kirch, und bey St. Peter selbst, das soll er nicht. Ich bin sehr verwundert, daß ich mit so grosser Eilfertigkeit vermählt werden soll, eh mein bestimmter Gemahl sich die mindeste Mühe um mich gegeben hat. Ich bitte Eu. Gnaden, sagt meinem Herrn und Vater, daß ich noch nicht heurathen will; und wenn ichs thue, so soll es eher Romeo seyn, den ich hasse, wie ihr wißt, als Paris – – das sind neue Zeitungen, in der That!

Lady.

Hier kommt euer Vater, sagt ihm das selbst, und seht wie wohl ers von euch aufnehmen wird. Capulet und Amme zu den Vorigen.

Capulet.

Nun, wie gehts? was machst du, Mädchen? Wie, immer noch Thränen? Immer regnerisch? Du stellst in deiner einzigen kleinen Person ein Schiff, die See und den Wind vor; deine Augen, die eine immer abwechselnde Ebbe und Fluth von Thränen machen, sind die See; dein Leib ist das Schiff das in dieser salzichten See dahersegelt; und die Winde deine Seufzer, die, mit deinen Thränen in die Wette rasend, wenn nicht eine plözliche Stille erfolgt, deinen vom Sturm herumgewälzten Leib endlich untergehen machen werden – – Was ist’s, Frau? Habt ihr dem Mädchen unsern Entschluß bekannt gemacht?

Lady.

Ja, mein Herr; aber sie will nichts davon hören, sie bedankt sich davor; ich wollte, die Närrin wäre mit ihrem Grabe verheurathet.

Capulet.

Sachte, nehmt mich mit, Frau, nehmt mich mit euch. Wie, sie will nichts davon hören? Sie dankt uns nicht davor? Sie ist nicht stolz darauf, sie schäzt sich nicht glüklich so unwürdig als sie ist, daß wir ihr einen so würdigen Edelmann zum Bräutigam auserkohren haben?

Juliette.

Nicht stolz darauf, daß ihr es gethan habt, aber doch dankbar; stolz kan ich nicht seyn auf etwas das ich hasse, aber dankbar, selbst für etwas Böses das eure Liebe gut gemeynt hat.

Capulet.

Wie, was, wie, Distinctionen-Macherin? Was soll das bedeuten? Stolz! und ich dank euch! und ich dank euch nicht! und doch nicht stolz! – – Wie, Fräulein Wunderlich, Ihr, schwazt mir nichts von Dank und Stolz und Unstolz und Undank daher, sondern legt eure schönsten Kleider auf Donnerstag Morgen zurechte, um mit Paris zur St. Peters Kirche zu gehen, oder ich will dich auf einer Schleiffe hinziehen lassen. Aus meinem Gesicht, du bleichsüchtiges Raben-Aas! Fort, du Sausödel! du Talk-Gesicht!

Lady Capulet.

Fy, fy, wie, seyd ihr toll?

Juliette.

Liebster Herr Vater, ich bitte euch auf meinen Knien, hört mich nur ein einziges Wort mit Geduld an.

Capulet.

An den Galgen, du junge Meze! Ungehorsame, leichtfertige Creatur! Ich will dir was sagen, geh mir auf den Donnerstag in die Kirche, oder komm mir nimmer vor mein Angesicht. Sag nichts, replicier nicht, antworte mir nichts; meine Finger juken mir. Weib, wir hielten uns kaum für glüklich, weil uns Gott nur dieses einzige Kind gegeben hatte; aber nun seh ich, daß dieses einzige zuviel ist, und daß wir sie zu einem Fluch bekommen haben – – Aus meinem Gesicht, Bastart!

Amme.

Gott im Himmel segne sie! Ihr habt unrecht, Gnädiger Herr, daß ihr so hart mit ihr verfahrt.

Capulet.

Und wie, My Lady Weisheit? Haltet ihr euer Maul, und schnattert mit euern Gevattrinnen – – pakt euch – –

Amme.

Ich rede nichts unrechtes; – – O, Gott gebe euch einen guten Tag – – Darf eins nicht mehr reden?

Capulet.

Still, still, ihr murmelnde Närrin, spielt eure Gravität wenn ihr mit euern Gevatterinnen zecht; hier haben wir ihrer nicht vonnöthen.

Lady.

Ihr seyd zu hizig.

Capulet.

Wie, Sakerlot! Soll einen das nicht wild machen? Tag und Nacht, früh und spat, daheim und ausser dem Haus, allein und in Gesellschaft, wachend und schlafend ist immer meine einzige Sorge gewesen, wie ich sie wohl verheurathen wolle: und izt, da ich einen wakern jungen Edelmann, von schönen Mitteln, von der ansehnlichsten Verwandtschaft, für sie gefunden habe; der, wie alle Leute sagen, Verdienste hat; kurz einen Mann, wie man sich einen wünschen mag, soll ich eine heillose alberne Tröpfin, ein pinselndes Püpchen haben, die, wenn das Glük sie anlacht, antwortet: Ich will noch nicht heurathen – – Ich kan nicht lieben – – Ich bin noch zu jung – – ich bitte um Vergebung – – Gut, wenn ihr nicht heurathen wollt, so will ich euch vergeben; graßt wo ihr wollt, aber mit mir sollt ihr nicht in einem Hause leben; Ueberlegts, denkt ihm nach, es ist mein Brauch nicht, zu spassen. Es ist nicht mehr lange bis Donnerstag; leg die Hand auf dein Herz, bedenk dich; wenn du mein bist, so will ich dich meinem Freunde geben; und bist du’s nicht, so häng dich, bettle, verhungre, stirb auf der Strasse; bey meiner Seele, ich will dich nicht für mein Kind erkennen, und du sollst von dem meinigen nicht soviel bekommen, als du auf der Zunge spüren könntest – Verlaß dich drauf, und bedenk dich, ich werde meinen Eyd gewiß nicht brechen. (Er geht ab.)

Juliette.

Ist denn hier kein mitleidiges Wesen, in den Wolken sizend, das in den Grund meines Schmerzens hinabschaut? – – O meine liebste Mutter, werft mich nicht hinweg, verschiebt diese Heurath nur einen Monat – – nur eine Woche; oder, wenn ihr nicht wollt, so macht mein Braut-Bette in das düstre Begräbniß, wo Tybalt ligt.

Lady Capulet.

Wende dich nicht an mich, ich will kein Wort reden: Thu, was du willst, ich habe dir nichts mehr zu sagen. (Sie geht ab.)

Juliette.

O Gott! O Amme, wie kan diesem vorgebaut werden? Mein Gemahl ist auf Erden; meine Treue im Himmel; wie kan diese Treue wieder zurük kommen, wenn nicht mein Gemahl sie mir zurükschikt, indem er die Erde verläßt? – – Tröste mich, gieb mir einen Rath. O Jammer, Jammer, daß der Himmel so hart, so streng mit einem so sanften Geschöpf als ich bin, verfahren soll! Was sagst du? Hast du kein einziges tröstliches Wörtchen? Nur einen kleinen Trost, Amme! – –

Amme.

Ey ja, und hier ist er; Romeo ist verbannt: Ich wette die ganze Welt gegen nichts, daß er das Herz nicht hat, zurük zu kommen, und Anspruch an euch zu machen; oder wenn ers thun wollte, so müßt er’s doch nur heimlich thun. Weil also die Umstände so beschaffen sind, so wäre das beste, däucht mich, ihr nähmet den Grafen. Oh, er ist ein liebenswürdiger junger Herr! Romeo ist nur ein Feg-Lumpen gegen ihn; ein Adler hat kein so scharfes, so munteres, so schönes Aug als Paris hat. Ich will nicht ehrlich seyn, wenn diese andre Partie nicht besser ist als die erste; und wenn es auch nicht wäre, so ist ja euer erster Mann gestorben, oder so viel als gestorben, da er fern von hier lebt, und euch zu nichts gut ist.

Juliette.

Redst du aus deinem Herzen?

Amme.

Und aus meiner Seele dazu, oder ich will beyde verlohren haben!

Juliette.

Amen.

Amme.

Was?

Juliette.

Gut; du hast mir einen vortrefflichen Trost gegeben; geh hinein, und sag der Gnädigen Frau, weil ich meinen Vater erzürnt habe, so sey ich in Bruder Lorenzens Celle gegangen, um meine Beicht abzulegen, und den Ablaß zu empfangen.

Amme.

Meiner Six, das will ich; und es ist auch wohl gethan. (Sie geht ab.)

Juliette.

Alte Todsünde! böser verführischer Teufel! Es ist wol eine grössere Sünde von dir, daß du mich treubrüchig machen willst, und daß du meinen Gemahl mit eben dieser Zunge lästerst, mit der du ihn so viel tausendmal über alles erhoben hast? Geh, Rathgeberin – – du und mein Busen sollen von nun an keine Gemeinschaft mehr mit einander haben: Ich will zu dem Pater, um zu hören, ob er mir zu helfen weiß; und fehlt alles andre, so hab ich Muth zum Sterben. (Sie geht ab.)

* Der Leser bemerkt ohne unsre Erinnerungen, den erkünstelten Doppelsinn in den Reden der Juliette, womit der Autor ein ziemlich kindisches Spiel treibt. Man hat sie, so gut es möglich war, auszudrüken gesucht, obgleich die natürliche Wortfügung in unsrer Sprache sich nicht recht dazu bequemen wollte.

Vierter Aufzug.

Erste Scene.

Das Kloster. Bruder Lorenz und Paris treten auf.

Bruder Lorenz.

Auf den Donnerstag, Gnädiger Herr! Die Zeit ist sehr kurz.

Paris.

Mein Vater Capulet will es so haben, und seine Eilfertigkeit stimmt zu sehr mit meinen Wünschen überein, als daß ich sie aufzuhalten gedenken könnte.

Bruder Lorenz.

Ihr gesteht doch, daß ihr die Gesinnungen der jungen Dame noch nicht wißt – – Diese Sache geht nicht wie sie gehen soll; es gefällt mir gar nicht.

Paris.

Sie überläßt sich einer ganz unmässigen Traurigkeit über Tybalts Tod, und das war die Ursache, warum ich ihr noch wenig von Liebe sagen konnte; denn Venus lächelt nicht in einem Trauer-Hause. Nun hält es ihr Vater für gefährlich, daß sie ihrem Kummer so viel Plaz geben solle, und beschleuniget unsre Vermählung, in der Absicht, dem Lauf ihrer Thränen dadurch Einhalt zu thun; allein und sich selbst überlassen, findet sie eine Art von Ergözung darinn, eine Traurigkeit zu nähren, von der nichts als die Gesellschaft sie zerstreuen kan. Begreift ihr nun die Ursache dieser Eilfertigkeit?

Bruder Lorenz (bey Seite.)

Ich wollt‘, ich wißte nicht, warum ihr Einhalt gethan werden muß – – Seht, Gnädiger Herr, hier kommt das Fräulein gegen meine Celle her. Juliette zu den Vorigen.

Paris.

Willkommen, meine Liebe, meine Gebieterin, und mein Weib.

Juliette.

Das erste mag alsdann seyn, wenn das lezte seyn kan.

Paris.

Das wird, das muß nächsten Donnerstag seyn, meine Liebe.

Juliette.

Was seyn muß, das wird seyn.

Bruder Lorenz.

Das ist ein Text, über den kein Streit seyn kan.

Paris.

Kommt ihr, diesem Vater zu beichten?

Juliette.

Wenn ich diese Frage beantwortete, so würd‘ ich euch beichten.

Paris.

Läugnet ihm wenigstens nicht, daß ihr mich liebet.

Juliette.

Ich will euch hiemit gebeichtet haben, daß ich ihn liebe.

Paris.

Das will ich auch; ich bin gewiß, daß ihr mich liebt.

Juliette.

Wenn ich das thue, so würd‘ es von grösserm Werth seyn, es hinter euerm Rüken, als es euch ins Gesicht zu sagen.

Paris.

Arme Seele, dein Gesicht ist ganz von Thränen entstellt.

Juliette.

Die Thränen haben nur einen kleinen Sieg dadurch erhalten, denn es war vorhin schon schlecht genug.

Paris.

Du thust ihm mehr Unrecht, mein Kind, indem du das sagst, als alle deine Thränen.

Juliette.

Was die blosse Wahrheit ist, mein Herr, ist keine Verläumdung; und was ich da sagte, sagt‘ ich zu meinem Gesicht.

Paris.

Dein Gesicht ist mein, und du hast es verleumdet.

Juliette.

Es mag seyn, denn mein ist es in der That nicht – – Ist es euch izt gelegen, heiliger Vater, oder soll ich nach der Vesper wieder kommen?

Bruder Lorenz.

Ich habe izt Musse, meine Gedanken-volle Tochter. Gnädiger Herr, mit eurer Erlaubniß – –

Paris.

Gott verhüte, daß ich eure Andacht stören wolle – – Juliette, nächsten Donnerstag will ich euch früh genug weken – – bis dahin, adieu, mit diesem unschuldigen Kuß. (Paris geht ab.)

Juliette.

Geh, verschließ die Thür, und wenn du’s gethan hast, so komm, und weine mit mir – – Mein Elend läßt keine Hoffnung, kein Mittel, keine Rettung übrig.

Bruder Lorenz.

O Juliette, ich kenne deine Noth, und es ängstigt mich, daß ich kein Mittel kenne dir zu helfen. Bis nächsten Donnerstag, hör‘ ich, sollt ihr an diesen Grafen vermählt werden, und nichts kan es hintertreiben.

Juliette.

Sage mir nichts davon, daß du das hörst, wenn du mir nicht sagen kanst, wie ich’s vermeiden kan. Wenn deine Weisheit dir kein Mittel an die Hand geben kan, so billige du nur meinen Entschluß, und ich will mir auf der Stelle durch diesen Dolch helfen. Gott vereinigte mein Herz und Romeo’s; du, unsre Hände; und eh diese Hand, die du meinem Romeo versiegelt hast, eh dieses Herz, das ihn allein für seinen Herrn erkennt, verräthrischer Weise sich einem andern ergeben soll, eh soll dieser Stahl beyden die Bewegung rauben. Suche also in der Wissenschaft, womit die graue Erfahrung eines langen Lebens dich bereichert hat, einen schleunigen Rath; oder gestatte, daß dieses blutige Messer der Schiedrichter zwischen mir und meinem grausamen Schiksal sey – – Antworte mir kurz – – ein jeder Augenblik den ich noch lebe, ist mir verhaßt, wenn das was du mir sagen willst, kein Rettungs-Mittel ist.

Bruder Lorenz.

Halt ein, meine Tochter, ich entdeke eine Art von Hoffnung, die von einem eben so verzweifelten Mittel abhängt, als dasjenige ist, was wir vermeiden wollen. Wenn du entschlossen bist dir eher selbst das Leben zu nehmen, als den Grafen Paris zu heurathen, so ist zu vermuthen, du werdest dir kein Bedenken machen etwas zu wagen, das dem Tod ähnlich ist, um einer Schande zu entgehen, der du dich durch den Tod selbst zu entziehen bereit bist. Wofern du also Muth genug dazu hast, will ich dir ein Mittel geben.

Juliette.

O, befiehl mir, eher als daß ich mich dem Paris überlasse, von den Zinnen jenes Thurms herabzuspringen, oder feßle mich an die felsichte Spize eines steilen Gebürgs, wo heulende Bären und Grimm-volle Löwen schwärmen – – Oder schließ mich eine ganze Nacht durch in ein Beinhaus ein, bis an den Hals, mit morschen Todten-Knochen, dürren Schien-Beinen, und kahlen gelben Schädeln bedekt – – oder befiehl mir in ein neugemachtes Grab zu gehen, und mich zu einem Todten unter sein Leichen-Tuch zu verbergen – – Dinge, wovon der blosse Gedanke mich zittern macht – – befiehl mir’s, und ich will es ohne Zögern thun, um meinem Geliebten eine unbeflekte Treue zu erhalten.

Bruder Lorenz.

Wolan dann, so geh heim, sey aufgeräumt, und thu, als ob du in deine Vermählung mit dem Paris einwilligest; morgen ist Mittwoch; morgen Nachts siehe, daß du dich von deiner Amme erledigest, und allein ligen könnest; und wann du dann in deinem Bette bist, so nimm diese Phiole, und trinke sie rein aus, so wird augenbliklich ein erkältender einschläfernder Dunst durch alle deine Adern lauffen, und jeden deiner Lebens-Geister binden; der Kreislauf deines Bluts wird stillstehen, keine Wärme, kein Athem wird verrathen, daß du noch lebest; die Rosen auf deinen Lippen und Wangen werden zu aschfarber Blässe verwelken; deine Auglieder sich schliessen, als ob der Tod selbst sie vorm Licht des Tages verriegelt hätte; jeder Theil, seiner elastischen Biegsamkeit beraubt, wird steif, kalt und starr seyn; und in dieser anscheinenden Todes-Gestalt wirst du zwo und vierzig Stunden verharren, und dann wie aus einem süssen Schlaf erwachen. Wenn nun der Bräutigam des Morgens kommt, dich aufzuweken, so bist du todt, und wirst dann, nach dem Gebrauch unsers Landes, in deinem schönsten Anzug in eine Baare ohne Dekel gelegt, und in das Begräbniß deiner Familie gebracht – – in eben diese alte Gruft, wo alle Abkömmlinge der Capulets ligen. In der Zwischen-Zeit bis du erwachst, will ich durch Briefe den Romeo von unserm Anschlag benachrichtigen, und ihn hieher beruffen; er und ich wollen dein Erwachen abwarten, und in der nemlichen Nacht soll Romeo dich von hier nach Mantua bringen. Hier hast du das Mittel, das dich von der vorschwebenden Schande, die du fürchtest, retten kan, wenn du frey genug von weibischer Zagheit bist, es mit Entschlossenheit zu gebrauchen.

Juliette.

Gieb mirs, o, gieb mir’s, sag mir nichts von Furcht. (Sie nimmt die Phiole.)

Bruder Lorenz.

Gut, geh izt, und bleibe standhaft bey diesem Entschluß; ich will eilends einen vertrauten Ordensmann mit Briefen an deinen Gemahl nach Mantua senden.

Juliette.

Liebe, gieb mir Stärke, und Stärke wird mir Hülfe geben – – Lebet wohl, mein theurer Vater! – – (Sie gehen ab.)

Zweyte Scene.

Verwandelt sich in Capulets Haus. Capulet, Lady Capulet, Amme, und zween oder drey Bediente treten auf.

Capulet.

Lade alle Gäste ein, deren Namen auf diesem Papier sind – – Du, geh und bestelle mir zwanzig gute Köche.

Bedienter.

Ihr sollt keinen schlechten kriegen, Gnädiger Herr, denn ich will probieren, ob sie ihre Finger leken können.

Capulet.

Wie willst du das probieren?

Bedienter.

Sapperment, Gnädiger Herr, das muß ein schlechter Koch seyn, der seine eigne Finger nicht leken kan; wenn also einer seine Finger nicht leken kan, so soll er daheim bleiben.

Capulet.

Geh, geh – – Wir werden schlecht genug auf einen solchen Anlaß versehen seyn – – He? ist meine Tochter zu Bruder Lorenzen gegangen?

Amme.

Ja, wahrlich.

Capulet.

Gut; vielleicht kan er etwas gutes bey ihr ausrichten: die unartige, eigensinnige Beze, die sie ist! Juliette zu den Vorigen.

Amme.

Seht, da kommt sie von der Beichte; sie sieht ganz frölich aus – –

Capulet.

Was giebts, Starr-Kopf? Wo seyd ihr herumgeschwärmt?

Juliette.

Ich war an einem Ort, wo ich die Sünde des Ungehorsams gegen euch und eure Befehle bereuen lernte, und wo mir auferlegt wurde, auf meine Knie zu fallen und euch um Vergebung zu bitten – – Vergebet mir also, ich bitte euch; von nun an soll euer Wille allezeit meine Richtschnur seyn.

Capulet.

Schikt nach dem Grafen, geht, sagt ihm das; ich will diesen Knoten gleich morgen zusammengeknüpft haben.

Juliette.

Ich traf ihn in Bruder Lorenzens Celle an, und begegnete ihm so freundlich als ich konnte, ohne die Grenzen der Anständigkeit zu überschreiten.

Capulet.

Gut, das hör‘ ich gerne, es ist gut, steh auf; es ist wie es seyn soll; ich muß den Grafen sehen – – He, zum Henker, geht, sag‘ ich, und holt ihn her – – Nun, bey Gott, dieser Pater ist in der That ein ehrwürdiger heiliger Mann, und ein Mann, dem unsre ganze Stadt viel zu danken hat.

Juliette.

Amme, wollt ihr mit mir in mein Zimmer gehen, und mir den Puz aussuchen helfen, den ihr auf den morgenden Tag schiklich findet?

Lady Capulet.

Es ist noch Zeit genug bis Donnerstag.

Capulet.

Geh, Amme, geh mit ihr; morgen soll die Ceremonie vor sich gehen. (Juliette und Amme gehen ab.)

Lady Capulet.

Aber wo sollen wir auf diese Weise Zeit zu den Vorbereitungen hernehmen? Es ist schon beynahe Nacht.

Capulet.

Still, ich will selbst ausgehen, und es soll für alles gesorgt werden, Frau, ich stehe dir davor. Geh du zu Julietten, hilf sie aufpuzen; ich will heute nicht zu Bette gehen, laß mich allein: Ich will einmal in meinem Leben die Hausmutter vorstellen – – he! holla! – – Sie sind alle fort; gut, ich will selbst zu Graf Paris gehen, damit er sich auf morgen gefaßt mache. Es ist mir recht leicht um’s Herz, seitdem sich das Hexen-Mädchen so zum Ziel gelegt hat. (Sie gehen ab.)

Dritte Scene.

Juliettens Zimmer.

Juliette und die Amme treten auf.

Juliette.

Ja, dieser Anzug ist der beste; aber, liebe Amme, ich bitte, laß mich heute Nacht allein; ich werde einen guten Theil davon mit beten zubringen, um den Himmel zu bewegen, daß er mein Vorhaben begünstige – – Du kennst meine sündhaften Umstände, und weißst also wol, daß ichs nöthig habe. Lady Capulet zu den Vorigen.

Lady.

Wie, so geschäftig? Kan ich euch was helfen?

Juliette.

Nein, Gnädige Mamma, wir haben alles zusammengesucht, was wir auf unsern morgenden Umstand nöthig haben können; wenn ihr’s erlauben wolltet, so wünscht‘ ich izt allein gelassen zu werden, und daß ihr die Amme bey euch aufbleiben liesset; denn ich bin gewiß, daß ihr bey diesem unverhoften Vorfall alle Hände voll zu thun haben werdet.

Lady Capulet.

Gute Nacht, geh du zu Bette und schlafe; du hast es vonnöthen. (Lady Capulet und Amme gehen ab.)

Juliette.

Gute Nacht – – Gott weiß, wenn wir uns wieder sehen werden! – – Ich weiß nicht was für ein kalter schrekhafter Schauer durch meine Adern fährt – – Ich will sie zurükruffen, daß sie mir einen Muth einsprechen – – Amme! – – Aber was soll sie hier? Ich muß meine schrekenvolle Scene nothwendig allein spielen – – Komm, Phiole – – Wie wenn diese Tinctur keine Würkung thäte? Soll ich mich dann mit Gewalt an den Grafen verheurathen lassen? Nein, nein, diß soll es verwehren – – Lig‘ du hier – – (Sie weißt auf einen Dolch.) Wie, wenn es ein Gift wäre, das mir der Pater auf eine feine Art beybringen will, um mich aus dem Wege zu schaffen, aus Furcht seine Ehre möchte unter dieser Heurath leiden, da er mich schon vorher mit dem Romeo getrauet hat? Ich fürcht‘, es ist so, und doch, däucht mich, kan es nicht seyn, denn er ist immer als ein heiliger Mann befunden worden. Wie, wenn ich, nachdem man mich in die Gruft geleget, eher erwache als Romeo gekommen ist, mich abzuholen? Das ist ein fürchterlicher Umstand: Werd ich nicht in diesem Gewölbe, dessen fauler Mund keine gesunde Luft einathmet, von dem verpesteten Schwall erstikt werden, eh mein Romeo kommt? Und wenn ich auch lebe, ist es nicht ganz natürlich, daß die grauenvolle Scene von Tod und Nacht, die Vorstellung des Orts, wo ich bin – – in diesem uralten Gewölbe, wo seit so vielen hundert Jahren die Gebeine aller meiner Vorfahren zusammengehäuft ligen – – wo der blutige Tybalt in gähnender Verwesung in seinen Grabtüchern ligt – – wo, wie man sagt, zu gewissen Stunden in der Nacht Geister gehen – – O! Himmel, ist es nicht wahrscheinlich, daß die scheuslichen Ausdünstungen, das gräßliche Geheul der Gespenster, (gleich den Alraunen, wenn sie aus der Erde gerissen werden,) Töne, von deren Anhören lebende Menschen den Verstand verliehren – – mich vor der Zeit erweken werden; oder wenn ich erwache, werd‘ ich von allen diesen Schreknissen umringt, von Sinnen kommen, wahnwiziger Weise mit meiner Voreltern Gebeinen spielen, den halbverfaulten Tybalt aus seinen Tüchern reissen, und in dieser Raserey, mit den Knochen irgend eines grossen Ahnherrn, wie mit einer Keule, mir mein verzweifelndes Gehirn ausschlagen? – – O! Sieh, mich däucht ich sehe meines Vetters Geist, der diesen Romeo bey mir sucht, seinen Mörder! und meinen Gemahl! – – Halt, Tybalt, halt! Romeo, ich komme! Diß trink ich dir zu. (Sie trinkt die Phiole aus, und wirft sich auf ihr Bette.)

Vierte Scene.

Ein Vorsaal in Capulets Hause.

Lady Capulet und die Amme treten auf.

Lady Capulet.

Warte, nimm diese Schlüssel, und hole mehr Gewürz, Amme.

Amme.

Sie ruffen um Datteln und Quitten in die Tarte? Capulet zu den Vorigen.

Capulet.

Auf, munter, hurtig, regt euch, der Hahn hat schon zum andern mal gekräht, die Morgen-Gloke ist schon geläutet worden, es ist drey Uhr – – Sieh zu dem Bakwerk, gute Angelica – – Spar’t nur nichts an den Sachen – –

Amme.

Geht, geht, und mengt euch nicht in Weiber-Sachen – – geht in euer Bett, ihr werdet morgen krank dafür seyn, daß ihr diese Nacht nicht geschlaffen habt.

Capulet.

Nein, nichts weniger – – was? Ich denke wol der Zeit, da ich ganze Nächte durch um einer schlechtern Ursache willen gewacht habe, und bin nie krank geworden.

Lady.

Ja, ja, ihr seyd ein feiner Mäuse-Jäger in eurer Jugend gewesen – – aber heutigs Tags will ich euch schon bewachen, daß ihr nicht so wachen sollt. (Lady Capulet und Amme gehen ab.)

Capulet.

Eifersucht, pure Eifersucht! Nun, Bursche, was giebt’s hier zu thun? Drey oder viere mit Bratspiessen, Körben, Holz, u. s. w. treten auf.

Bedienter.

Sachen für den Koch, Gnädiger Herr, aber ich weiß nicht was.

Capulet.

Macht hurtig, macht hurtig; Schurke, hole trokneres Holz, ruf dem Peter, er wird dir weisen wo es ligt.

Bedienter.

Gnädiger Herr, um Klöze zu finden, hab‘ ich selber Kopfs genug, ich brauche keinen Peter dazu.

Capulet.

Sakerlot! wol gegeben, – – du hast Wiz, Bursche, ha, ha – – Aber bey meiner Treue, es ist schon Tag – – (Man hört Musik von Ferne.) Der Graf wird bald mit Musicanten hier seyn – – er hat es versprochen – – Ich hör ihn schon kommen. Amme – – Frau – – wie, holla, he! Amme, sag ich! Die Amme kommt. Geh, weke Julietten, geh und puze sie auf, ich will gehn und indeß mit Paris schwazen: Fort, mach hurtig, mach hurtig, der Bräutigam ist schon da – – Mach hurtig, sag ich – – (Sie gehen ab.)

Fünfte Scene.

Verwandelt sich in Juliettens Schlaf-Zimmer; Juliette ligt

auf dem Bette.

Die Amme tritt wieder auf.

Amme.

Gnädiges Fräulein he! Fräulein! Juliette Das heißt geschlaffen, das gesteh ich – – he, Däubchen – – he, Fräulein – – fy, ihr Sieben-Schläferin – – he! Liebchen, sag ich – – Fräulein – – Herzchen – – Braut – – wie? nicht ein Wort? Ich seh, ihr nehmt für eure drey Pfenninge zum Voraus; ihr schlaft vor die ganze Woche; gut, in der nächsten Nacht, da bin ich gut dafür, wird Graf Paris Mann dafür seyn, daß ihr wenig genug schlafen sollt – – Gott verzeih mir’s – – heilige Marie! und Amen! – – was für einen gesunden Schlaf sie hat! Ich muß sie aufschreyen – – Fräulein, Fräulein, Fräulein – – Nun, wahrlich, laßt nur den Grafen euch in sein Bette kriegen, er wird euch aufrütteln, mein Treu – – Kan’s denn nicht seyn? Wie, angezogen, in euern Kleidern – – und wieder zurük! – – Ich muß Ernst brauchen – – Fräulein, Fräulein, Fräulein – – O Gott! o Gott! helft, helft, helft! Mein Fräulein ist todt! O Herzenleid! O! warum mußt ich gebohren werden! – – O, einen Schluk Aquavit – – he! – – Gnädiger Herr! Gnädige Frau! Lady Capulet.

Lady Capulet.

Was ist hier für ein Geschrey?

Amme.

O unglükseliger Tag!

Lady Capulet.

Was ist’s, was ist’s?

Amme.

Da seht – – O unglüklicher Tag!

Lady Capulet.

O Gott, o Gott! mein Kind, mein einziges Leben! leb wieder auf, sieh mich an, oder laß mich mit dir sterben. Hülfe, Hülfe! schrey um Hülfe! Capulet zu den Vorigen.

Capulet.

Schämt euch doch, warum bringt ihr Julietten so lange nicht; ihr Gemahl ist gekommen.

Amme.

Sie ist todt, gestorben ist sie, sie ist todt: O! daß es Gott erbarme!

Capulet.

Ha! laßt mich sehen – – O Himmel! es ist aus, sie ist kalt, ihr Blut ist gestockt und ihre Gelenke sind starr – – ihre Lippen sind ohne Leben, der Tod ligt auf ihr, wie ein frühzeitiger Frost auf der angenehmsten Blume des ganzen Gefildes. Verfluchter Unfall! Unglükseliger alter Mann!

Amme.

O des kläglichen Hochzeit-Tags!

Lady Capulet.

Arme trostlose Mutter!

Capulet.

Der Tod, der mir die Freude meines Alters geraubt hat, bindet meine Zunge, und will mich nicht reden lassen. Bruder Lorenz und Paris mit Musicanten.

Bruder Lorenz.

Kommt, ist die Braut fertig zum Kirchgang?

Capulet.

Zum Kirchgang, aber nicht zur Heimholung. O Sohn, in der Nacht vor deinem Hochzeit-Tag ist der Tod bey deinem Weibe gelegen. Sieh, hier ligt sie, die holde Blume die sie war, nun von ihm ihres Schmuks beraubt: Der Tod ist mein Tochter-Mann.

Paris.

Hab ich so lange mich gesehnt, diesen Morgen zu sehen, und giebt er mir nun einen solchen Anblik?

Lady Capulet.

Verfluchter, elender, unseliger, verhaßter Tag! Jammervolleste Stunde, die jemals die Zeit auf ihrer immerwährenden Pilgrimschaft erblikte! Nur ein einziges, ein armes, einziges, liebes, zärtliches Kind; nur ein einziges, das mir zur Freude und zum Trost war, und der unbarmherzige Tod hat es mir weggenommen.*

Capulet.

Unseliger Zufall! – – Mußte unsre Freude auf eine so meuchelmördrische Art ermordet werden! O mein Kind, mein Kind! Meine Seele, nicht mein Kind, sollst du todt seyn? O Gott, todt! – – Mein Kind ist todt – – alle meine Hoffnungen sinken mit ihm ins Grab.

Bruder Lorenz.

Nun, so hemmt doch endlich diesen Ausbruch der Ungeduld und Verzweiflung! Alle diese trostlosen Klagen können euer Weh nicht heilen: Der Himmel und ihr hattet Antheil an diesem liebenswürdigen Mädchen; nun hat der Himmel Alles, und desto besser ist es für sie. Euern Antheil an ihr konntet ihr nicht vor dem Tode bewahren: Aber der Himmel erhält den seinen bey ewigem Leben. Alles was ihr suchtet, war ihre Erhebung – – und ihr weint nun, sie über die Wolken, so hoch als der Himmel selber ist, erhoben zu sehen? Was für eine verkehrte Liebe zu euerm Kind ist das, daß ihr von Sinnen kommen wollt, da ihr seht daß sie glüklich ist! Troknet eure Thränen, umstekt diese schöne Leiche mit Rosmarin, und traget sie, wie es der Gebrauch ist, in ihrem besten Anzug in die Kirche.

Capulet.

Alle Zurüstungen, die wir zu unserm Fest gemacht haben, verwandeln sich nun in ein trauervolles Leichen-Gepränge. Unsre musicalischen Instrumente in melancholische Todten-Gloken, unser hochzeitliches Gastmahl in ein schwermüthiges Leichen-Mahl, unsre festlichen Lobgesänge in bange Klaglieder, und unsre hochzeitlichen Blumen-Kränze dienen nun eine Todten-Baare zu schmüken – – O der kläglichen Verwandlung!

Bruder Lorenz.

Gnädiger Herr, geht hinein, und ihr, Madam, geht mit ihm, und ihr, Signor Paris; ein jedes bereite sich, diese schöne Leiche zu ihrem Grabe zu begleiten; und hütet euch, durch murrende Ungeduld den über euch schwebenden Zorn des Himmels noch mehr zu reizen. (Sie gehen ab.) Sechste Scene. Die Amme und die Musicanten bleiben, wie natürlich, zurük. Die leztern sind so fein, es von sich selbst zu merken, daß sie hier zu nichts mehr nuzen, und die weise Amme sagt es ihnen noch zum Ueberfluß; sie steken also ihre Pfeiffen ein, und wollen gehen. Aber zu grossem Vergnügen der Zuschauer in den obersten Gegenden kommt Peter, und verlangt, daß sie ihm ein lustiges Stükchen aufspielen sollen; dieses giebt dann den Anlaß zu einem kleinen Divertissement von Wortspielen und Spässen im Geschmak des Wiener-Harlequins; einer Abwechslung, die freylich, (wie der sinnreiche Herr von Voltaire weislich bemerkt,) dem Geschmak unsers Autors und seiner Zeitgenossen wenig Ehre macht, aber doch den Vortheil mit sich führt, daß die Zuschauer, (welche ans Ende doch in die Comödie gegangen sind, um sich einen Spaß zu machen,) durch die kläglichen Scenen nicht gar zu sehr gerührt werden.

* Paris hat hier im Original eine Rede, die vollkommner Non-Sense ist, und durch die er die Amme ablößt, die sich mit unaufhörlichen Ausruffungen »O weh, o weh; o Tag, o Tag,« heiser geschrien. Man hat beyde dem Genius des Shakespears aufgeopfert.

Fünfter Aufzug.

Erste Scene.

Mantua.

Romeo tritt auf.

Romeo.

Wenn ich den schmeichelnden Eingebungen des Schlafs trauen dürfte, so würden mir meine Träume angenehme Neuigkeiten vorbedeuten. Ein ungewöhnlicher Geist der Frölichkeit erfüllt meinen Busen, und hebt mich mit angenehmen Gedanken über den Boden empor: Ich träumte, meine Geliebte käme und fände mich todt – – (Was für ein seltsames Ding ein Traum ist, daß er todten Leuten doch noch die Erlaubniß giebt zu denken!) – – und hauchte durch ihre Küsse ein solches Leben in meine Lippen, daß ich wieder von den Todten auferstand und ein Kayser wurde. O Himmel! wie süß ist der würkliche Genuß der Liebe, da ihre Schatten schon so reich an Wonne sind! Balthasar tritt auf. Neue Zeitungen von Verona – – Wie steht’s Balthasar? Bringst du mir Briefe vom Pater? Was macht meine Geliebte? Ist mein Vater wohl? Was macht meine Juliette? Das muß ich noch einmal fragen; denn wenn sie wohl ist, so ist nichts übel.

Balthasar.

So ist sie denn wohl und nichts ist übel. Ihr Leichnam schläft in dem Begräbniß der Capulets, und ihr unsterblicher Theil lebt mit Engeln. Ich sah sie in das Gewölb ihrer Familie legen, und nahm sogleich die Post es euch zu berichten. Vergebung, Gnädiger Herr, daß mein Dienst mich nöthigt, euch eine so böse Zeitung zu bringen!

Romeo.

Ist es würklich so? – – So biet‘ ich euch Troz, ihr Sterne! – – Du kennst meine Wohnung, geh, hole mir Dinte und Papier, und bestelle Post-Pferde – – Ich will diese Nacht noch fort.

Balthasar.

Um Vergebung, Gnädiger Herr, ich darf euch nicht so verlassen. Eure Blike sind düster und wild, und bedeuten nichts Gutes.

Romeo.

Stille! du betrügst dich. Verlaß mich und thu was ich dir sage: Hast du keine Briefe vom Pater an mich?

Balthasar.

Nein, gnädiger Herr.

Romeo.

Das hat nichts zu bedeuten: geh, und bestelle die Pferde; ich will gleich bey dir seyn. (Balthasar geht ab.) Gut, Juliette, heute Nacht will ich bey dir ligen – – Laß sehen, wie machen wir das? Wie schnell findet Unheil den Eingang in ein verzweifelndes Gemüth! – – Ich erinnre mich eines Apothekers, der hier irgend wohnt, und den ich lezthin in einem zerlumpten Kittel, mit überhangenden Augbrauen, Kräuter suchend fand. Ich faßte den Mann ins Auge; seine Blike sahen mager und verhungert aus, Kummer und Elend schien ihn bis auf die Knochen abgenuzt zu haben; in seiner armseligen Bude hieng eine Schildkröte, ein ausgestopfter Alligator, und ein paar andre Häute von mißgeschaffnen Fischen; und rings um auf dem Gestelle stuhnd ein bettelhaftes Gepränge von leeren Büchsen, grünen irdnen Töpfen, Blasen, muffigen Saamen, Resten von Pakfaden, und alte Rosen-Kuchen dünn genug zerstreut, damit es doch etwas gleich sehen sollte. In dem Augenblik da mir dieser armselige Zustand in die Augen fiel, dacht‘ ich bey mir selbst, wenn izt einer Gift brauchte, dessen Verkauff in Mantua ohne Gnad‘ am Leben gestraft wird, so lebt hier ein armseliger Tropf, der ihm’s zu kauffen gäbe. O! dieser Gedanke war eine Ahnung, daß ich diesen Mann bald selber nöthig haben würde. So viel ich mich erinnere, sollte diß das Haus seyn; weil heut ein Feyertag ist, so ist des Bettlers Bude geschlossen. Holla! he! Apotheker. Der Apotheker kommt heraus.

Apotheker.

Wer ruft so laut?

Romeo.

Komm hervor, Mann! Ich sehe, du bist arm; sieh, da sind vierzig Ducaten, gieb mir eine Drachme Gift davor, von so schneller Würkung, daß es sich in einem Augenblik durch alle Adern verbreite, und der Lebens-überdrüssige, der es einnimmt, so plözlich und mit solcher Gewalt des Athemholens entladen werde, als das unaufhaltsame Pulver, sobald es sich entzündet, aus dem fatalen Bauch einer Canone losbricht.

Apotheker.

Dergleichen tödtliche Präparata hab‘ ich; aber das Gesez ist Tod für den, welcher sie hergiebt.

Romeo.

Bist du so nakend und mit Elend beladen, und fürchtest den Tod? Hunger sizt auf deinen Wangen, Mangel und Kummer schauen aus deinen holen Augen hervor, Verachtung und Betteley hangen auf deinem Rüken, und du fürchtest den Tod? Die Welt ist nicht dein Freund, und ihr Gesez auch nicht; die Welt giebt kein Gesez dich reich zu machen; sey also klüger, brich es, und nimm mein Gold.

Apotheker.

Meine Dürftigkeit williget ein, nicht mein Wille.

Romeo.

Auch bezahl‘ ich nicht deinen Willen, sondern deine Dürftigkeit.

Apotheker.

Gießt dieses in was für einen Liquor ihr wollt, und trinkt es aus; und wenn ihr die Stärke von zwanzig Männern hättet, so wird es euch in die andre Welt schiken.

Romeo.

Hier ist dein Gold; ein schädlichers Gift für die Seelen der Menschen, und welches mehr Mordthaten in dieser heillosen Welt verursacht, als diese arme Quaksalbereyen, die du nicht verkauffen kanst: Ich habe dir Gift verkauft, nicht du mir – – fahre wohl, kauf dir zu essen, und mach, daß du zu Fleisch kommst – – Komm, Herz-Stärkung, nicht Gift; komm mit mir, wo ich dich brauche, zu Juliettens Grab. (Sie gehen ab.)

Zweyte Scene.

Verwandelt sich in das Kloster zu Verona. Bruder Johann tritt auf.

Johann.

Ehrwürdiger Sohn des heiligen Franciscus, Bruder! he! Bruder Lorenz kommt heraus.

Lorenz.

Das sollte Bruder Johanns Stimme seyn – – Willkommen von Mantua; was sagt Romeo? Oder habt ihr mir einen Brief von ihm?

Johann.

Da ich abreisen wollte, gieng ich, einen Baarfusser-Bruder von unserm Orden zum Reise-Gefährten zu suchen, der hier in der Stadt war, um Kranken beyzustehen. Ich fand ihn; aber wie wir aus dem Hause gehen wollten, kamen die Visitatoren der Stadt, und weil sie einen Argwohn hatten, daß in dem Hause worinn sie uns fanden, eine anstekende Krankheit grassiere, versiegelten sie die Thüren und liessen uns nicht fort; so daß also meine Reise nach Mantua unterbleiben mußte.

Lorenz.

Wer brachte dann dem Romeo meinen Brief?

Johann.

Ich konnt‘ ihn nicht fortschiken, hier ist er wieder; ich konnte nicht einmal jemand finden, der ihn dir wiedergebracht hätte, so groß war ihre Furcht, sie möchten angestekt werden.

Lorenz.

Das ist ein unglüklicher Zufall! Bey meinem Ordens-Gelübd, der Brief enthielt Sachen von der grössesten Wichtigkeit, und diese Versäumung kan böse Folgen haben. Bruder Johann, geh, schaff mir ein Brech-Eisen und bring mirs in meine Celle.

Lorenz.

Nun muß ich allein in die Gruft; in den nächsten drey Stunden wird die schöne Juliette erwachen – – Wie wird sie über mich schmählen, daß ihr Romeo von allen diesen Vorfällen keine Nachricht bekommen hat! Aber ich will noch einmal nach Mantua schreiben, und sie indeß in meiner Celle verbergen, bis Romeo kommt. Arme lebende Leiche, ich eile, dich aus deiner Todten-Gruft zu ziehen! – – (Er geht ab.)

Dritte Scene.

Verwandelt sich in einen Kirchhof – – auf demselben die Familien-Gruft der Capulets.

Paris und sein Edelknabe, mit einer Fakel, treten auf.

Paris.

Gieb mir deine Fakel, Junge: Geh und steh von Ferne. Doch nein, lösche sie aus, ich möchte nicht gesehen werden – – Leg dich, so lang du bist, unter jenen Taxus-Bäumen hin, und halte dein Ohr dicht an den hohlen Boden, so wird kein Fuß auf diesen Kirchhof treten können, ohne daß du es hörst; und sobald du hörst, daß sich etwas nähert, so zische mir zu; das soll das Zeichen seyn. Gieb mir diese Blumen – – thu, was ich dir sage, geh.

Edelknabe.

Ich fürchte mich herzlich, so allein hier auf dem Kirchhof zu seyn, und doch will ich es wagen. (Geht ab.)

Paris (geht an die Gruft, und streut Blumen über sie.)

Anmuthsvolle Blume! So bestreu‘ ich mit Blumen dein Brautbette: Schöne Juliette, nun die Gespielin der Engel, nimm dieses lezte Merkmal der Liebe, von einem der im Leben dich verehrte, und nun im Tode – – (der Knabe zischt) Der Junge giebt ein Zeichen, es nähert sich was – – was für verfluchte Füsse wandern in dieser späten Nacht hieher, mich in den zärtlichen Gebräuchen der traurenden Liebe zu stören? – – Wie? ein Licht? Verhülle mich eine Weile, o Nacht – – (Er geht bey Seite.)

Vierte Scene.

Romeo und Balthasar mit einem Lichte.

Romeo.

Gieb mir den Karst und das Heb-Eisen. Hier, nimm diesen Brief, und sieh daß du ihn morgen früh meinem Herrn und Vater überlieferst. Gieb mir das Licht; so lieb dir dein Leben ist, befehl‘ ichs dir, du magst hören oder sehen, was du willst, so bleib von ferne stehen, und unterbrich mich nicht in meinem Vorhaben. Warum ich in diese Gruft herabsteige, ist, theils meine Geliebte noch einmal zu sehen, hauptsächlich aber um von ihrem todten Finger einen kostbaren Ring zu ziehen, einen Ring den ich zu einem wichtigen Gebrauch nöthig habe; entfern dich also von hier, geh – – unterfängst du dich aber aus Fürwiz zurükzukehren, um zu sehen, was ich noch mehr zu thun im Sinn habe, beym Himmel, so will ich dich Gelenk für Gelenk in Stüke reissen, und diesen hungrigen Kirchhof mit deinen Gliedern bestreuen. Die Zeit und meine Absichten sind grausam und wild, grimmiger und unerbittlicher als blut-lechzende Tyger und die heulende See.

Balthasar.

Ich will gehen, Gnädiger Herr, und euch nicht stören.

Romeo.

So kanst du mir deine Freundschaft beweisen – – Nimm du das; leb und sey glüklich, fahrwohl, guter Junge.

Balthasar (im Weggehen vor sich.)

Das alles ist mir ein desto stärkerer Beweggrund, mich hier in der Nähe zu verbergen. Ich fürchte seine Blike, und zweifle, daß er was Gutes im Sinn habe.

Romeo.

Du abscheulicher Schlund, verfluchter Rachen des Todes, der das kostbarste was die Welt hatte, verschlungen hat, so zwing ich deine morschen Kinnbaken sich zu öfnen, (er bricht die Gruft auf) um dich mit Gewalt mit noch mehr Speise vollzustopfen.

Paris (kommt hervor.)

Diß ist der verbannte übermüthige Montague, der den Vetter meiner Geliebten erschlug, (welches durch den Kummer den sie darüber hatte, wie man glaubt, die Ursach ihres Todes gewesen ist), und nun ist er gekommen, irgend eine niederträchtige Schmach an ihren Leichnamen auszuüben: Ich will ihn anhalten – – Halt ein mit deiner verdammlichen Arbeit, nichtswürdiger Montague: Willt du deine Wuth bis auf die Todten ausdehnen? Verurtheilter Bösewicht, ich bemächtige mich deiner; gehorche, geh mit mir, du must sterben.

Romeo.

Ich muß, in der That, und darum kam ich hieher – – Guter junger Mensch, reize nicht einen verzweifelnden Mann; flieh von hinnen, und laß mich: Denk an diese, die hier ligen, und laß sie dich schreken. Ich bitte dich, Jüngling, häuffe nicht noch eine neue Sünde über mein Haupt, treibe mich nicht zur Wuth. O geh! Beym Himmel! ich liebe dich besser als mich selbst; denn ich bin gegen mich bewaffnet hieher gekommen. Verweile nicht, geh, und sage, daß du dein Leben der Barmherzigkeit eines rasenden Mannes zu danken habest.

Paris.

Ich verschmähe dein Mitleiden, und arrestiere dich hier als einen Hochverräther.

Romeo.

So willst du mich denn mit Gewalt reizen? Hab es dann an dir selber, Junge. (Sie fechten. Paris fällt.)

Edelknabe.

O Gott, sie fechten, ich will gehen und die Wache holen.

Paris.

Oh, ich bin des Todes; wenn du einiger Erbarmung fähig bist, so öffne die Gruft und lege mich zu Julietten. (Er stirbt.)

Romeo.

Auf meine Ehre, das will ich: Laß mich dieses Gesicht in der Nähe besehen – – Mercutio’s Vetter! der edle Graf Paris! was sagte mir mein Diener unterwegs, indem meine im Sturm herumgewälzte Seele nicht darauf Acht gab, was er sagte – – Mich däucht, er erzählte mir, Paris habe Julietten heurathen sollen. Sagte er das nicht? oder träumte mir’s nur? Oder bin ich unsinnig, daß ich mir einbilde es sey so, weil ich ihn so zärtlich von Julietten reden hörte? – – O gieb mir deine Hand, du, den das Schiksal in mein Unglük verflochten hat, ich will dir ein beneidenswürdiges Grab gewähren – – Ein Grab? O nein, eine Glorie, ermorderter Jüngling; denn Juliette ligt hier, und ihre Schönheit erfüllt diese grauenvolle Gruft mit Licht und Herrlichkeit; Todter, lige du hier, von einem Todten begraben. (Er legt ihn in die Gruft.) Wie oft ist es schon begegnet, daß Sterbende kurz vor ihrem lezten Augenblik noch aufgeräumt gewesen sind – – O gönne mir noch einen solchen Augenblik! – – Meine Geliebte, mein Weib, der Tod, der den Honig deines Athems aufgesogen, hat noch keine Gewalt über deine Schönheit gehabt; du bist nicht besiegt; noch schwebt die purpurne Fahne der Schönheit auf deinen Lippen und Wangen, und die blasse Flagge des Todes ist hier noch nicht aufgestekt – – Tybalt, ligst du hier in deinem blutigen Leichen-Tuch? O was kan ich mehr thun, wie kan ich dich besser rächen, als eben diese Hand, die dein jugendliches Leben geendigt hat, gegen deinen Mörder zu gebrauchen? Vergieb mir, theurer Vetter! – – Ach! liebste Juliette, warum bist du noch so schön? Soll ich glauben, der unwesentliche Tod sey in dich verliebt worden, und das dürre scheußliche Ungeheuer unterhalte dich hier im Dunkeln, um seine Liebste zu seyn? Aus Furcht es möchte so seyn, will ich immer bey dir bleiben, und von diesem Augenblik diesen Palast der düstern Nacht nimmermehr verlassen; hier, hier will ich bleiben, bey den Würmern, die deine Kammer-Mädchen sind; hier will ich eine immerwährende Ruhe finden, wenn ich das tyrannische Joch erboßter Sterne von diesem Lebens-überdrüssigen Fleisch abgeschüttelt habe – – Mein Auge, sieh‘ sie zum leztenmal an; umfanget sie zum leztenmal, meine Arme, und ihr, siegelt, o meine Lippen, mit dem lezten Kuß dem wuchernden Tod eine Verschreibung, die nie wieder abgelößt werden kan – – Diß, meine Liebe, trink ich dir zu! – – o ehrlicher Apotheker, (er trinkt das Gift aus,) Deine Tränke würken gut – – Noch diesen Kuß. (Er stirbt.) Bruder Lorenz mit einer Laterne, einem Brech-Eisen, und einer Spathe.

Bruder Lorenz.

St. Franciscus steh mir bey! Wie manchmal haben schon in später Nacht meine alten Füsse an Gräbern gestolpert! Wer ist hier? Balthasar kommt hervor.

Balthasar.

Ein Freund, der euch wol kennt.

Lorenz.

Heil sey dir! Sage mir, guter Freund, was für eine Fakel seh ich dort, die ihr Licht so vergeblich Würmern und auglosen Schädeln leiht? Wie mich däucht, so brennt sie in der Gruft der Capulets.

Balthasar.

Es ist würklich so, heiliger Vater, und derjenige, der darinn ist, ist mein Herr, einer von euern liebsten Freunden.

Lorenz.

Wie nennt er sich?

Balthasar.

Romeo.

Lorenz.

Wie lang ist er schon da?

Balthasar.

Eine volle halbe Stunde.

Lorenz.

Geh mit mir in die Gruft.

Balthasar.

Ich habe das Herz nicht, ehrwürdiger Herr – – Mein Herr weiß nichts anders als daß ich weggegangen sey, und bedräute mich auf eine fürchterliche Art, daß er mich umbringen wolle, wenn ich zurükbleiben und sein Vorhaben belauschen würde.

Lorenz.

So bleibe du hier, ich will allein gehen – – mich kommt ein Grauen an – – ich fürcht‘, ich fürcht‘ es ist ein Unglük geschehen.

Balthasar.

Wie ich unter diesem Taxus-Baum schlief, da träumte mir mein Herr und ein andrer fechten mit einander und mein Herr habe ihn erschlagen.

Lorenz (bey dem Eingang der Gruft.)

Romeo! O Himmel! was bedeutet dieses Blut das den steinernen Eingang dieser Gruft beflekt? Was bedeuten diese herrenlose Schwerdter, die mit geronnenem Blut beschmizt an diesem Ort des Friedens ligen? Romeo! o Gott, ohne Leben! und dieser? – – Wie? Paris? – – im Blute schwimmend? Ha, was für eine unselige Stunde ist an diesem jammervollen Zufall schuldig? – – Das Fräulein rührt sich – –

Juliette (erwachend.)

O Trostbringender Vater! wo ist mein Gemahl? Ich erinnre mich wohl, wo ich seyn soll, und ich bin da – – Aber wo ist Romeo?

Lorenz.

Ich hör ein Getöse – – Fräulein, komm hervor aus dieser Höle des Todes, der Verwesung und des unnatürlichen Schlafs; eine grössere Macht, als der wir wiederstreben könnten, hat unsern Entwurf durchschnitten; komm, komm mit mir – – dein Gemahl ligt todt hier, und Paris auch – – Komm, ich will dich in ein Kloster von heiligen Schwestern führen: Halte dich nicht mit Fragen auf, ich sehe die Wache kommen – – Komm, geh, liebste Juliette; ich kan nicht länger bleiben – – (Er geht.)

Juliette.

Geh, geh du, und laß mich hier bleiben – – Was ist hier? Ein Becher, in meines Geliebten Hand? – – Gift, wie ich seh, ist sein unzeitiger Tod gewesen – – O du Unfreundlicher, alles auszutrinken, und nicht einen freundschaftlichen Tropfen übrig zu lassen, der mir dir nach helfe! Ich will deine Lippen küssen; vielleicht hängt noch so viel Gift daran, als ich nöthig habe – – Deine Lippen sind noch warm – – Der Edelknabe, mit der Wache treten auf.

Wache.

Weis‘ uns den Weg, Junge.

Juliette.

So? Kommt jemand? So will ich’s kurz machen – – (sie findt einen Dolch.) O glüklicher Dolch! hier ist deine Scheide, hier roste und laß mich sterben. (Sie ersticht sich.)

Knabe.

Hier ist der Ort; dort, wo die Fakel brennt.

Wache.

Der Boden ist voller Blut. Sucht auf dem ganzen Kirchhof, geht, etliche von euch, macht feste wen ihr findet. Erbärmlicher Anblik! Hier ligt der Graf erschlagen, und Juliette in ihrem Blut, noch warm, und kaum entseelt, die doch diese zween Tage schon hier begraben gelegen ist. Geht, zeigt es dem Fürsten an, rennt zu den Capulets, wekt die Montaguen auf – – Und ihr andere sucht – – Die Umstände allein können diese klägliche Begebenheit begreiflich machen. Etliche Wächter mit Balthasar.

2. Wächter.

Hier ist ein Bedienter von Romeo, den wir auf dem Kirchhof gefunden haben.

1. Wächter.

Haltet ihn auf, bis der Fürst kommt. Ein andrer Wächter, mit Bruder Lorenzen.

3. Wächter.

Hier ist ein Franciscaner, der zittert, ächzt und weint; wir fanden dieses Brech-Eisen und diese Spathe bey ihm, und er kam von dieser Seite des Kirchhofs her.

1. Wächter.

Das ist sehr verdächtig; haltet ihn auch auf.

Fünfte Scene.

Der Fürst und sein Gefolge, treten vorn auf der Schaubühne auf.

Fürst.

Was für ein Unheil ist so früh auf, daß es uns aus unserm Morgen-Schlaf wekt? Capulet und Lady Capulet, treten auf der andern Seite auf.

Capulet.

Was mag das seyn, daß ein so gräßliches Geschrey auf den Strassen ist?

Lady Capulet.

Die Strassen sind voll Volks das Romeo schreyt; einige schreyen, Juliette; einige Paris; und alle rennen mit Entsezen und Geschrey unserm Begräbniß zu.

Fürst.

Was für Töne des Schrekens stürzen sich in unser Ohr?

1. Wächter.

Gnädigster Herr, hier ligt der Graf Paris ermordet, und Romeo todt, und Juliette, die zuvor todt war, warm, und vor wenigen Minuten umgebracht.

Fürst.

Sucht, forscht nach, und späht aus, woher diese scheußliche Mordthaten kommen?

1. Wächter.

Hier ist ein Mönch, und des erschlagnen Romeo’s Diener, die mit Werkzeugen, diese Todten-Gräber aufzubrechen, ertappt worden sind.

Capulet.

O Himmel! – – O Weib! Sieh, wie unsre Tochter blutet! Dieser Dolch hat sich verfehlt; sieh, die Scheide ligt auf dem Rüken des Montaguen, und die entblößte Klinge in meiner Tochter Busen – –

Lady Capulet.

O Gott, dieser Anblik ist wie eine Todten-Gloke, die meinem grauen Alter zu Grabe läutet. Montague zu den Vorigen.

Fürst.

Komm, Montague – – und sieh hier deinen einzigen Sohn und Erben – –

Montague.

Weh mir! – – Mein Weib, Gnädigster Herr, ist in dieser Nacht verschieden – – Der Gram über ihres Sohnes Verbannung hat ihr das Herz gebrochen – – Was für ein neues Weh verschwört sich gegen mein graues Alter?

Fürst.

Schau hieher, so wirst du’s sehen.

Montague.

O du Uebelgezogner, was für Lebens-Art war das, dich vor deinem Vater so in’s Grab zu drängen?

Fürst.

Haltet noch mit euern Klagen ein, bis wir diese verworrene Geschichte ins Klare gesezt, und ihren Ursprung und wahren Hergang herausgebracht haben; alsdann will ich selbst der Anführer euers Klag-Geschreys seyn – – Bis dahin, haltet inn! – – bringet die verdächtigen Personen herbey!

Bruder Lorenz.

Ich, der unvermögendste, bin derjenige, den der stärkste Verdacht drükt; Zeit und Ort scheinen mich dieses gräßlichen Mords anzuklagen; und hier steh ich, zugleich mein eigner Ankläger und Advocat zu seyn.

Fürst.

So sage dann, ohne Umschweiffe, was dir davon bekannt ist.

Bruder Lorenz.

Ich will kurz seyn, mein Athem ist ohnehin nicht lang genug für eine langweilige Historie. Romeo, der hier todt ligt, war Juliettens Gemahl, und Sie, die hier todt ligt, Romeo’s getreues Weib: Ich segnete ihre Ehe ein; und der Tag ihrer heimlichen Vermählung war Tybalts Sterb-Tag, dessen unzeitiger Tod den neuen Bräutigam aus dieser Stadt verbannte, und dieses, nicht Tybalts Tod, war die Ursache von Juliettens Gram. Ihr, (zu Capulet) um ihr diesen Kummer aus dem Sinn zu bringen, versprachet sie dem Grafen Paris, und waret im Begriff, sie zu dieser Heurath mit Gewalt zu zwingen. In diesen Umständen kommt sie zu mir, und, mit wilden Bliken, bittet sie mich daß ich ihr ein Mittel an die Hand gebe, diese zweyte Heurath zu vermeiden, oder sie wolle sich in meiner Celle selbst ums Leben bringen. In diesem schwürigen Augenblik kam mir meine Wissenschaft zu Hülfe; ich gab ihr einen Schlaf-Trunk, dessen Würkung meiner Absicht vollkommen antwortete – – denn er sezte sie in einen Zustand, der dem Tode so gleich sah, daß sie für eine Leiche angesehen, und so behandelt wurde. Inmittelst schrieb ich an Romeo, und bestellte ihn, daß er in eben dieser schreklichen Nacht, als der Zeit, worinn die Würkung des Tranks zu Ende gehen würde, hieher kommen, und mir helfen möchte, sie aus ihrem geborgten Grabe heraus zu holen. Allein, Bruder Johann, der ihm meinen Brief überbringen sollte, wurde durch einen Zufall aufgehalten, und gestern kam mein Brief mir wieder zu; ich war also genöthigt, um die bestimmte Zeit ihres Erwachens ganz allein hieher zu kommen, und sie aus der Gruft ihrer Familie zu befreyen: Des Vorhabens, sie so lange in meiner Celle verborgen zu halten, bis ich Gelegenheit fände, den Romeo hieher zu beruffen. Aber wie ich kam, (wenige Minuten vor ihrem Erwachen) da lag der edle Paris hier erschlagen, und der allzugetreue Romeo todt. Sie erwacht, und ich bitte sie inständigst mit mir zu gehen, und diese Schikung des Himmels mit Geduld zu tragen: Allein ein Getöse, das ich gleich darauf hörte, scheuchte mich von der Gruft weg, und sie, verzweifelnd und entschlossen zu sterben, wollte nicht mit mir gehen, sondern legte, wie es scheint, gewaltsame Hand an sich selbst. Alles dieses weiß ich, und von der heimlichen Heurath kan auch ihre Amme Zeugniß geben: Ist aber in allem diesem etwas durch meine Schuld gefehlt und zu diesem unglüklichen Ausgange gebracht worden, so laßt immer mein altes Leben, etliche Stunden vor meiner bestimmten Zeit, der Strenge des Gesezes aufgeopfert werden.

Fürst.

Wir haben dich jederzeit als einen heiligen Mann gekannt. Wo ist Romeo’s Diener? Was kan Er von der Sache berichten?

Balthasar.

Ich brachte meinem Herren die Zeitung von Julia’s Tod, und sogleich kam er mit Post-Pferden von Mantua hieher, unmittelbar hieher, zu dieser nehmlichen Gruft; übergab mir diesen Brief an seinen Vater, und dräute mir, indem er auf die Gruft zugieng, den Tod, wenn ich nicht weggehen und ihn allein lassen wollte.

Fürst.

Gieb mir den Brief, ich will ihn übersehen – – Wo ist des Grafen Knabe, der die Wache herbeyholte? Bursche, was machte dein Herr an diesem Orte?

Knabe.

Er kam, das Grab seiner Geliebten mit Blumen zu bestreuen, und befahl mir von Ferne stehn zu bleiben, wie ich auch that; bald darauf kommt einer mit einem Licht, die Gruft zu öffnen, und augenbliklich zieht mein Herr den Degen gegen ihn; und da lief ich und holte die Wache.

Fürst.

Dieser Brief bekräftiget die Erzählung des Ordens-Manns – – und hier schreibt er, daß er Gift von einem armen Apotheker gekauft, und damit in diese Gruft gekommen sey, um zu sterben und in Juliettens Grab zu ligen – – Wo sind diese Feinde? Capulet! Montague! Seht hier die Ruthe, womit euere Unversöhnlichkeit gezüchtiget wird; seht wie der Himmel Mittel findet, durch die Liebe selbst die Freuden euers Lebens zu tödten. Auch ich, weil ich zuviel Nachsicht gegen euere Uneinigkeiten hatte, habe zween Verwandte verlohren: Wir sind alle gestraft!

Capulet.

O Bruder Montague, gieb mir deine Hand; das ist meiner Tochter Witthumb – – mehr kan ich nicht verlangen.

Montague.

Aber ich kann dir mehr geben; denn ich will ihre Bild-Säule von gediegnem Gold aufstellen, daß, so lange Verona diesen Namen trägt, kein Denkmal dem Denkmal der zärtlichen und getreuen Juliette gleich geschäzt werde!

Capulet.

Eben so glänzend soll Romeo bey seiner Gattin ligen; theure, unglükliche Opfer unsrer unseligen Feindschaft!

Fürst.

Dieser Morgen bringt uns einen düstern Frieden, und die Sonne selbst scheint trauernd ihr Haupt verhüllt zu haben – – Geht, und erwartet unsre Entscheidung, was in diesem unglüklichen Handel Strafe und was Verzeihung verdient – – [Ihr aber, getreue Liebende, die ein allzustrenges Schiksal im Leben getrennt, und nun ein freiwilliger Tod auf ewig vereiniget hat, lebet, Juliette und Romeo, lebet in unserm Andenken, und die späteste Nachwelt möge das Gedächtniß eurer unglüklichen Liebe mit mitleidigen Thränen ehren!]

William Shakespeare – Macbeth

William Shakespeare: Macbeth

Übersetzt von Dorothea Tieck

PERSONEN

DUNCAN, König von Schottland

MALCOLM

DONALBAIN, seine Söhne

MACBETH

BANQUO, Anführer des königlichen Heeres

MACDUFF

LENOX

ROSSE

MENTETH

ANGUS

CATHNESS, schottische Edelleute

FLEANCE, Banquos Sohn

SIWARD, Graf von Northumberland, Führer der englischen Truppen

Der JUNGE SIWARD, sein Sohn

SEYTON, ein Offizier in Macbeths Gefolge

Macduffs kleiner SOHN

Ein englischer ARZT

Ein schottischer ARZT

Ein KRIEGER

Ein PFÖRTNER

Ein ALTER MANN

Ein LORD

Drei MÖRDER

Verschiedene DIENER und BOTEN

LADY MACBETH

LADY MACDUFF

KAMMERFRAU der Lady Macbeth

HEKATE und drei HEXEN

Lords und Ladies, Edelleute, Anführer und Soldaten, Mörder, Gefolge und Boten.

BANQUOS GEIST und andere ERSCHEINUNGEN

(Szene: Schottland, hauptsächlich in Macbeths Schloß. Zu Ende des vierten Aktes: England)

ERSTER AKT

ERSTE SZENE

(Ein freier Platz, Donner und Blitz)

(Drei Hexen treten auf.)

ERSTE HEXE Wann treffen wir drei uns das nächstemal Bei Regen, Donner, Wetterstrahl?

ZWEITE HEXE Wenn der Wirrwarr ist zerronnen, Schlacht verloren und gewonnen.

DRITTE HEXE Noch vor Untergang der Sonnen.

ERSTE HEXE Wo der Ort

ZWEITE HEXE Die Heide dort!

DRITTE HEXE Da zu treffen Macbeth. Fort!

ERSTE HEXE Ich komme, Graupelz.

ALLE Kröte ruft;–sogleich! Schön ist wüst, und wüst ist schön. Wirbelt durch Nebel und Wolkenhöhn!

(Sie verschwinden.)

ZWEITE SZENE

([Freies Feld] Ein Lager bei Fores)

(Kriegsgeschrei hinter der Bühne. Es treten auf der König Duncan, Malcolm, Donalbain, Lenox, Gefolge; ein blutender Krieger kommt ihnen entgegen.)

DUNCAN Wer ist der blutige Mann? Er kann berichten, Nach seinem Ansehn scheints, den neusten Stand Des Aufruhrs.

MALCOLM Dies ist ja der Kämpfer, Der mich als kecker, mutiger Soldat Aus meinen Feinden hieb.–Heil, tapfrer Freund! Dem König gib Bericht vom Handgemenge, Wie du’s verließest.

KRIEGER Es stand zweifelhaft; So wie zwei Schwimmer ringend sich umklammern, Erdrückend ihre Kunst. Der grause Macdonwald– Wert ein Rebell zu sein; ihn so zu stempeln, Umschwärmen, stets sich mehrend, der Natur Bosheiten ihn–ward aus den Westeilanden Von Kernen unterstützt und Galloglassen; Fortuna, scheußlichem Gemetzel lächelnd, Schien des Rebellen Hure; doch umsonst, Denn Held Macbeth–wohl ziemt ihm dieser Name–, Das Glück verachtend mit geschwungnem Stahl, Der heiß von seiner blutigen Arbeit dampfte, Er, wie des Krieges Liebling, haut sich Bahn, Bis er dem Schurken gegenüber steht, Und nicht eh schied noch sagt‘ er Lebewohl, Bis er vom Nabel auf zum Kinn ihn schlitzte Und seinen Kopf gepflanzt auf unsre Zinnen.

DUNCAN O tapfrer Vetter! Würdger Edelmann!

KRIEGER Wie dorther, wo der Sonne Lauf beginnt, Wohl schiffzertrümmernd Sturm und Wetter losbricht, So schwillt aus jenem Quell, der Trost verhieß, Trostlosigkeit. Merk, Schottlands König, merk: Kaum schlug Gerechtigkeit, mit Mut gestählt, In schmähliche Flucht die leichtgefüßten Kernen, Als Norwegs Fürst, den Vorteil auserspähend, Mit noch unblutiger Wehr und frischen Truppen Von neuem uns bestürmt.

DUNCAN Entmutigte Das unsre Feldherrn nicht, Macbeth und Banquo?

KRIEGER Jawohl: wie Spatzen Adler, Hasen Löwen. Gradaus gesagt, muß ich von ihnen melden, Sie waren wie Kanonen, überladen Mit doppeltem Gekrach; so stürzten sie, Die Doppelstreiche doppelnd, auf den Feind. Ob sie in heißem Blute baden wollten, Ob auferbaun ein zweites Golgatha, Ich weiß es nicht. Doch ich bin matt, die Wunden schrein nach Hülfe.

DUNCAN Wie deine Worte zieren dich die Wunden; Und Ehre strömt aus beiden.–Schafft ihm Ärzte!

(Der Krieger wird fortgeführt. [Rosse tritt auf.])

Wer nahet hier?

MALCOLM Der würdge Than von Rosse.

LENOX Welch Eilen deutet uns sein Blick! So müßte Der blicken, der von Wundern melden will.

(Rosse tritt auf.)

ROSSE Gott schütz den König!

DUNCAN Von wannen, edler Than?

ROSSE Von Fife, mein König, Wo Norwegs Banner schlägt die Luft und fächelt Kalt unser Volk. Norwegen selbst, mit fürchterlichen Scharen, Verstärkt durch den abtrünnigen Verräter, Den Than von Cawdor, begann den grausen Kampf, Bis ihm Bellonas Bräutigam, kampfgefeit, Entgegenstürmt mit gleicher Überkraft, Schwert gegen Schwert, Arm gegen drohnden Arm, Und beugt den wilden Trotz: mit einem Wort, Der Sieg blieb unser–

DUNCAN Großes Glück!

ROSSE –so daß Nun Sweno, Norwegs König, Frieden fleht; Doch wir gestatteten ihm nicht Begräbnis Der Seinen, bis er auf Sankt Columban Zehntausend Taler in den Schatz gezahlt.

DUNCAN Nicht frevle länger dieser Than von Cawdor An unsrer Krone Heil.–Port, künde Tod ihm an; Mit seiner Würde grüße Macbeth dann.

ROSSE Ich eile, Herr, von hinnen.

DUNCAN Held Macbeth soll, was der verliert, gewinnen.

(Alle ab.)

DRITTE SZENE

(Die Heide; Gewitter)

(Die drei Hexen treten auf.)

ERSTE HEXE Wo warst du, Schwester?

ZWEITE HEXE Schweine gewürgt.

DRITTE HEXE Schwester, wo du?

ERSTE HEXE Ein Schifferweib, Kastanien hatt’s im Schoß, Und schmatzt‘, und schmatzt‘, und schmatzt‘–Gib mir, sagt ich; Pack dich, du Hexe! schreit das fette Weibsstück. Ihr Mann ist nach Aleppo, führt den „Tiger“; Doch segl ich nach im Sieb, ich kanns, Wie eine Ratte ohne Schwanz; Ich tu’s, ich tu’s, und ich tu’s.

ZWEITE HEXE ’nen Wind kriegst von mir.

ERSTE HEXE Schön von dir!

DRITTE HEXE Von mir ’nen andern.

ERSTE HEXE Ich hab selber all die andern. In alle Häfen blasen die, Jede Ecke kennen sie Auf des Seemanns Karte. Dörr wie Heu ihm jedes Glied! Nie komm auf sein Augenlid Schlaf bei Tage oder Nacht! Leben soll er fluchbedacht! Schwere Wochen, neunmal neun, Siech er, schwind er, schrumpf er ein! Wird auch nicht sein Schiff zerschmettert, Solls doch bleiben sturmumwettert!– Schau, was ich hab!

ZWEITE HEXE Zeig her, zeig her!

ERSTE HEXE ’nes Seemanns Daumen hab ich da, Schiffbruch litt er der Heimat nah!

(Trommeln hinter der Szene.)

DRITTE HEXE Trommeln–Ha, Macbeth ist da!

ALLE DREI Unheilsschwestern, Hand in Hand Schwärmend über Meer und Land, Ziehen so rundum, rundum. Dreimal dein und dreimal mein, Und dreimal noch, so macht es neun! Still!–Der Zauber ist geknüpft.

(Macbeth und Banquo treten auf.)

MACBETH So wüst und schön sah ich noch keinen Tag.

BANQUO Wie weit ists noch nach Fores?–Wer sind diese? So eingeschrumpft, so wild in ihrer Tracht? Die nicht Bewohnern unsrer Erde gleichen, Und doch drauf stehn? Lebt ihr? Wie? Seid ihr was, Das man darf fragen? Ihr scheint mich zu verstehn, Denn jede legt zugleich den rissigen Finger Auf ihren faltgen Mund–ihr solltet Weiber sein, Und doch verbieten eure Bärte mir, Euch so zu deuten.

MACBETH Sprecht, wenn ihr könnt: Wer seid ihr?

ERSTE HEXE Heil dir, Macbeth, Heil! Heil dir, Than von Glamis!

ZWEITE HEXE Heil dir, Macbeth, Heil! Heil dir, Than von Cawdor!

DRITTE HEXE Heil dir, Macbeth, dir, künftgem König, Heil!

BANQUO Was schreckst du, Mann? Erregt dir Furcht, was doch So lieblich lautet?–In der Wahrheit Namen, Seid ihr Wahnbilder oder wirklich das, Was körperlich ihr scheint? Den edeln Kampffreund Grüßt ihr mit neuem Erb und Prophezeiung Von hoher Würd und königlicher Hoffnung, Daß er verzückt da steht; mir sagt ihr nichts! Wenn ihr durchschauen könnt die Saat der Zeit Und sagen: dies Korn sproßt und jenes nicht, So sprecht zu mir, der nicht erfleht noch fürchtet Gunst oder Haß von euch.

ERSTE HEXE Heil!

ZWEITE HEXE Heil!

DRITTE HEXE Heil!

ERSTE HEXE Kleiner als Macbeth, und größer.

ZWEITE HEXE Nicht so beglückt, und doch weit glücklicher.

DRITTE HEXE Könge erzeugst du, bist du selbst auch keiner. So, Heil, Macbeth und Banquo!

ERSTE HEXE Banquo und Macbeth Heil!

MACBETH Bleibt, ihr einsilbgen Sprecher, sagt mir mehr: Mich macht, so hör ich, Sinels Tod zum Glamis; Doch wie zum Cawdor? Der Than von Cawdor lebt Als ein gesunder Mann; und König sein, Das steht so wenig im Bereich des Glaubens, Als Than von Cawdor. Sagt, von wannen euch Die wunderbare Kund ward? Weshalb Auf dürrer Heid ihr unsre Schritte hemmt Mit so prophetschem Gruß?–Sprecht, ich beschwör euch.

(Die Hexen verschwinden.)

BANQUO Die Erd hat Blasen, wie das Wasser hat, So waren diese–wohin schwanden sie?

MACBETH In Luft, und was uns Körper schien, zerschmolz Wie Hauch im Wind. O wären sie noch da!

BANQUO War so was wirklich hier, wovon wir sprechen? Oder aßen wir von jener giftgen Wurzel, Die die Vernunft bewältigt?

MACBETH Eure Kinder, Sie werden Könige.

BANQUO Ihr sollt König werden.

MACBETH Und Than von Cawdor auch; hieß es nicht so?

BANQUO Ganz so in Weis‘ und Worten. Wer kommt da?

(Rosse und Angus treten auf.)

ROSSE Der König hörte hoch erfreut, Macbeth, Die Kunde deines Siegs, und wenn er liest, Wie im Rebellenkampf du selbst dich preisgabst, So streiten in ihm Staunen und Bewundrung, Was dir, was ihm gehört. Doch überschauend, Was noch am selbigen Tag geschehn, verstummt er: In Norwegs kühnen Schlachtreihn sieht er dich, Vor dem nicht bebend, was du selber schufest, Abbilder grausen Tods. Wie Wort auf Wort In schneller Rede, so kam Bot auf Bote, Und jeder trug dein Lob, im großen Kampf Für seinen Thron, und schüttets vor ihm aus.

ANGUS Wir sind gesandt vom königlichen Herrn, Dir Dank zu bringen; vor sein Angesicht Dich zu geleiten nur, nicht dir zu lohnen.

ROSSE Und als das Handgeld einer größern Ehre Hieß er, als Than von Cawdor dich zu grüßen: Heil dir in diesem Titel, würdger Than, Denn er ist dein.

BANQUO Wie, spricht der Teufel wahr?

MACBETH Der Than von Cawdor lebt; was kleidet Ihr Mich in erborgten Schmuck?

ANGUS Der Than war, lebt noch; Doch unter schwerem Urteil schwebt das Leben, Das er verwirkt. Ob er im Bund mit Norweg, Ob, Rückhalt der Rebellen, er geheim Sie unterstützte, ob vielleicht mit beiden Er half zu seines Lands Verderb, ich weiß nicht; Doch Hochverrat, gestanden und erwiesen, Hat ihn gestürzt.

MACBETH (beiseit.) Glamis und Than von Cawdor: Das Höchst ist noch zurück.–Dank Eurer Müh!– Hofft Ihr nicht Euren Stamm gekrönt zu sehen, Da jene, die mich Than von Cawdor nannten, Nichts Mindres prophezeit?

BANQUO Darauf gefußt, Möcht es wohl auch zur Krone Euch entflammen, Jenseits dem Than von Cawdor. Aber seltsam! Oft, uns in eignes Elend zu verlocken, Erzählen Wahrheit uns des Dunkels Schergen, Verlocken erst durch schuldlos Spielwerk, um Vernichtend uns im Letzten zu betrügen.

([Zu Rosse und Angus.])

Vettern, ein Wort!

MACBETH (beiseit.) Zweimal gesprochne Wahrheit, Als Glücksprologe zum erhabnen Schauspiel Von königlichem Inhalt.–Freund‘, ich dank Euch!

(beiseit.)

Die Anmahnung von jenseits der Natur Kann schlimm nicht sein–kann gut nicht sein. Wenn schlimm, Was gibt sie mir ein Handgeld des Erfolgs, Wahrhaft beginnend? Ich bin Than von Cawdor. Wenn gut, warum befängt mich die Versuchung? Deren entsetzlich Bild aufsträubt mein Haar, So daß mein festes Herz ganz unnatürlich An meine Rippen schlägt. Erlebte Greuel Sind schwächer als das Graun der Einbildung. Mein Traum, des Mord nur noch ein Hirngespinst, Erschüttert meine schwache Menschheit so, Daß jede Lebenskraft in Ahnung schwindet, Und nichts ist, als was nicht ist.

BANQUO Seht den Freund, Wie er verzückt ist!

MACBETH (beiseit.) Will das Schicksal mich Als König, nun, mag mich das Schicksal krönen, Tu ich auch nichts.

BANQUO Die neue Würde engt ihn, Wie fremd Gewand sich auch nur durch Gewohnheit Dem Körper fügt.

MACBETH (beiseit.) Komme, was kommen mag; Die Stund und Zeit durchläuft den rauhsten Tag.

BANQUO Edler Macbeth, wir harren Eurer Muße.

MACBETH Habt Nachsicht–in vergeßnen Dingen wühlte Mein dumpfes Hirn. Ihr gütigen Herrn, Eur Mühn Ist eingeschrieben, wo das Blatt ich täglich Umschlag und lese.–Laßt uns nun zum König!–

([Beiseit zu Banquo.])

Denkt dessen, was geschah, und bei mehr Muße, Wenn einige Zeit es reifte, laßt uns frei Aus offner Seele reden!

BANQUO Herzlich gern.

MACBETH Bis dahin still.–Kommt, Freunde!

(Alle ab.)

VIERTE SZENE

(Fores, im Palast)

(Trompeten. Es treten auf Duncan, Malcolm, Donalbain, Lenox, Gefolge.)

DUNCAN Ist Cawdor hingerichtet? Oder jene, Die wir beauftragt, noch nicht wieder da?

MALCOLM Sie sind noch nicht zurück, mein Oberherr; Doch sprach ich einen, der ihn sterben sah, Der sagte mir, er habe den Verrat Freimütig eingestanden, um Eur Hoheit Verzeihn gefleht und tiefe Reu gezeigt. Nichts stand in seinem Leben ihm so gut, Als wie er es verlassen hat; er starb Wie einer, der sich auf den Tod geübt, Und wart das Liebste, was er hatte, von sich, Als wärs unnützer Tand.

DUNCAN Kein Wissen gibts, Der Seele Bildung im Gesicht zu lesen; Es war ein Mann, auf den ich gründete Ein unbedingt Vertraun.–

(Es treten auf Macbeth, Banquo, Rosse und Angus.)

Würdigster Vetter!

([Es treten auf Macbeth, Banquo, Rosse und Angus.])

Die Sünde meines Undanks drückte schwer Mich eben jetzt. Du bist so weit voraus, Daß der Belohnung schnellste Schwing erlahmt, Dich einzuholen. Hättst du wenger doch verdient, Daß ich ausgleichen könnte das Verhältnis Von Dank und Lohn! Nimm das Geständnis an: Mehr schuld ich, als mein Alles zahlen kann.

MACBETH Dienst sowie Lehnspflicht lohnt sich selbst im Tun. Genug, wenn Eure Hoheit unsre Pflichten Annehmen will; und unsre Pflichten sind Die Söhn und Diener Eures Throns und Staates Und tun nur, was sie müssen, tun sie alles, Was Lieb und Ehrfurcht heischt.

DUNCAN Willkommen hier! Ich habe dich gepflanzt und will dich pflegen, Um dein Gedeihn zu fördern.–Edler Banquo, Nicht minder ist dein Wert, und wird von Uns Nicht minder anerkannt. Laß dich umschließen Und an mein Herz dich drücken.

BANQUO Wachs‘ ich da, So ist die Ernte Euer.

DUNCAN Meine Wonne, Üppig im Übermaß, will sich verbergen In Schmerzenstropfen.–Söhne, Vettern, Thans Und ihr, die nächsten Unserm Thron, vernehmt: An Malcolm, Unsern Ältsten, übertragen Wir Unser Thronrecht; Prinz von Cumberland Heißt er demnach, und solche Ehre soll Nicht unbegleitet ihm verliehen sein, Denn Adelszeichen sollen, Sternen gleich, Auf jeden Würdigen strahlen.–Fort von hier Nach Inverness, und sei uns näher stets.

MACBETH Mühsal ist jede Ruh, die Euch nicht dient. Ich selbst bin Euer Bote und beglücke Durch Eures Nahens Kunde meine Hausfrau: So scheid ich demutsvoll.

DUNCAN Mein würdger Cawdor!

MACBETH (für sich.) Ha! Prinz von Cumberland!–Das ist ein Stein, Der muß, sonst fall ich, übersprungen sein, Weil er mich hemmt. Verbirg dich. Sternenlicht! Schau meine schwarzen, tiefen Wünsche nicht! Sieh, Auge, nicht die Hand, doch laß geschehen, Was, wenns geschah, das Auge scheut zu sehen.

(Er geht ab.)

DUNCAN Ja, teurer Banquo, er ist ganz so edel, Und ihn zu preisen, ist mir eine Labung; Es ist ein Fest für mich. Laßt uns ihm nach, Des Lieb uns vorgeeilt, uns zu begrüßen. Wer gleicht dem teuren Vetter?

(Trompeten. Alle gehn ab.)

FÜNFTE SZENE

(Inverness; Zimmer in Macbeths Schloß)

(Lady Macbeth tritt auf mit einem Brief.)

LADY MACBETH (liest.) Sie begegneten mir am Tage des Sieges; und ich erfuhr aus den sichersten Proben, daß sie mehr als menschliches Wissen besitzen. Als ich vor Verlangen brannte, sie weiter zu befragen, verschwanden sie und zerflossen in Luft. Indem ich noch, von Erstaunen betäubt, da stand, kamen die Abgesandten des Königs, die mich als Than von Cawdor begrüßten, mit welchem Titel mich kurz vorher diese Zauberschwestern angeredet und mich durch den Gruß: Heil dir, dem künftigen König, auf die Zukunft verwiesen hatten. Ich habe es für gut gehalten. Dir dies zu vertrauen, meine geliebteste Teilnehmerin der Hoheit, auf daß Dein Mitgenuß an der Freude Dir nicht entzogen werde, wenn Du nicht erfahren hättest, welche Hoheit Dir verheißen ist. Leg es an Dein Herz und lebe wohl.– Glamis bist du, und Cawdor; und sollst werden, Was dir verheißen!–Doch fürcht ich dein Gemüt; Es ist zu voll von Milch der Menschenliebe, Den nächsten Weg zu gehn. Groß möchtst du sein, Bist ohne Ehrgeiz nicht; doch fehlt die Bosheit, Die ihn begleiten muß. Was recht du möchtest, Das möchtst du rechtlich; möchtest falsch nicht spielen, Und unrecht doch gewinnen; möchtest gern Das haben, großer Glamis, was dir zuruft: Dies mußt du tun, wenn du es haben willst!– Und was du mehr dich scheust zu tun, als daß Du ungetan es wünschest. Eil hieher, Auf daß ich meinen Mut ins Ohr dir gieße, Und alles weg mit tapfrer Zunge geißle, Was von dem goldnen Zirkel dich zurückdrängt, Womit das Schicksal dich und Zaubermacht Im voraus schon gekrönt zu haben scheint.–

(Ein Diener tritt auf.)

Was gibt es Neues?

DIENER Noch vor Abend kommt Hieher der König.

LADY MACBETH Tolle Rede sprichst du; Ist nicht dein Herr bei ihm, der, wär es so, Der Anstalt wegen es gemeldet hätte?

DIENER Verzeiht; es ist doch wahr. Der Than kommt gleich, Denn ein Kamrad von mir ritt ihm voraus; Fast tot von großer Eil hatt er kaum Atem, Die Botschaft zu bestellen.

LADY MACBETH Sorg für ihn, Er bringt uns große Zeitung.

(Der Diener geht ab.)

Selbst der Rabe, Der Duncans schicksalsvollen Eingang krächzt Unter mein Dach, ist heiser.–Kommt, ihr Geister, Die ihr auf Mordgedanken lauscht, entweiht mich, Füllt mich vom Wirbel bis zur Zeh, randvoll, Mit wilder Grausamkeit! Verdickt mein Blut, Sperrt jeden Weg und Eingang dem Erbarmen, Daß kein anklopfend Mahnen der Natur Den grimmen Vorsatz lähmt, noch friedlich hemmt Vom Mord die Hand! Kommt an die Weibesbrust, Trinkt Galle statt der Milch, ihr Morddämonen, Wo ihr auch harrt in unsichtbarem Wesen Auf Unheil der Natur! Komm, schwarze Nacht, Umwölk dich mit dem dicksten Dampf der Hölle, Daß nicht mein scharfes Messer sieht die Wunde, Die es geschlagen, noch der Himmel, Durchschauend aus des Dunkels Vorhang, rufe: Halt, halt!–

(Macbeth tritt auf.)

O großer Glamis! Edler Cawdor! Größer als beides durch den künftgen Heilruf! Dein Brief hat über das armselge Heut Mich weit verzückt, und ich empfinde nun Das Künftige im Jetzt.

MACBETH Mein teures Leben, Duncan kommt heut noch.

LADY MACBETH Und wann geht er wieder?

MACBETH Morgen, so denkt er.

LADY MACBETH Oh, nie soll die Sonne Den Morgen sehn! Dein Angesicht, mein Than, Ist wie ein Buch, wo wunderbare Dinge Geschrieben stehn.–Die Zeit zu täuschen, scheine So wie die Zeit: den Willkomm trag im Auge, In Zung und Hand; blick harmlos wie die Blume, Doch sei die Schlange drunter. Wohl versorgt Muß der sein, der uns naht; und meiner Hand Vertrau das große Werk der Nacht zu enden, Daß alle künftgen Tag und Nächt uns lohne Alleinge Königsmacht und Herrscherkrone.

MACBETH Wir sprechen noch davon.

LADY MACBETH Blick hell und licht; Mißtraun erregt verändert Angesicht. Laß alles andre mir!

(Sie gehen ab.)

SECHSTE SZENE

(Daselbst, vor dem Schloß)

(Oboen. Macbeths Dienstboten warten auf. Es treten auf Duncan, Malcolm, Donalbain, Banquo, Lenox, Macduff, Rosse, Angus, Gefolge.)

DUNCAN Dies Schloß hat eine angenehme Lage; Gastlich umfängt die lichte, milde Luft Die heitern Sinne.

BANQUO Dieser Sommergast, Die Schwalbe, die an Tempeln nistet, zeigt Durch ihren fleißgen Bau, daß Himmelsatem Hier lieblich haucht; kein Vorsprung, Fries noch Pfeiler, Kein Winkel, wo der Vogel nicht gebaut Sein hängend Bett und Wiege für die Brut: Wo er am liebsten heckt und wohnt, da fand ich Am reinsten stets die Luft.

(Lady Macbeth tritt auf.)

DUNCAN Seht, unsre edle Wirtin! Die Liebe, die uns folgt, wird oft uns lästig; Doch dankt man ihr als Liebe. Lernt daraus, Noch „Gottes Lohn“ und Dank zu sagen uns Für Eure Last und Müh!

LADY MACBETH All unsre Dienste Zwiefach in jedem Punkt, und dann verdoppelt, Wär nur ein arm und schwaches Tun, verglichen Der hohen Gunst, womit Eur Majestät Verherrlicht unser Haus. Für frühre Würden, Wie für die letzte, Kron der andern, bleiben Wir im Gebet für Euch.

DUNCAN Wo ist denn Cawdor? Wir folgten auf dem Fuß ihm, denn wir wünschten Ihn anzumelden; doch er reitet schnell, Und seine Liebe, schärfer als sein Sporn, Bracht ihn vor uns hierher. Höchst edle Wirtin, Wir sind zu Nacht Eur Gast.

LADY MACBETH Für allezeit Besitzen Eure Diener nur das Ihre, Sich selbst und was sie haben, als Verwalter, Und legen Rechnung ab, nach Eurer Hoheit Befehl, und geben Euch zurück, was Euer.

DUNCAN Reicht mir die Hand; führt mich zu meinem Wirt. Wir lieben herzlich ihn, und Unsre Huld Wird seiner stets gedenken. Teure Wirtin, Erlaubt!

([Er nimmt ihre Hand und führt sie in das Schloß, die übrigen folgen.] Alle ab.)

SIEBENTE SZENE

(Daselbst, [Schloßhof] eine Vorhalle im Schloß)

(Oboen und Fackeln. Ein Vorschneider und mehrere Diener mit Schüsseln gehn über die Bühne; dann kommt Macbeth.)

MACBETH Wärs abgetan, so wie’s getan, wärs gut, ’s wär schnell getan. Wenn nur der Meuchelmord Aussperren könnt aus seinem Netz die Folgen Und bloß Gelingen aus der Tiefe zöge, Daß mit dem Stoß, einmal für immer, alles Sich abgeschlossen hätte, hier, nur hier, Auf dieser Sandbank unsrer Zeitlichkeit, So setzt ich weg mich übers künftge Leben.– Doch immer wird bei solcher Tat uns schon Vergeltung hier: daß, wie wir ihn gegeben, Den blutgen Unterricht, er, kaum gelernt, Zurückschlägt, zu bestrafen den Erfinder. Dies Recht, mit unabweislich fester Hand, Setzt unsern selbstgemischten, giftgen Kelch An unsre eignen Lippen. Er kommt hieher, zwiefach geschirmt: Zuerst Weil ich sein Vetter bin und Untertan; Beides hemmt stark die Tat; dann, ich–sein Wirt, Der gegen seinen Mörder schließen müßte Die Tore und nicht selbst das Messer führen. Dann hat auch dieser Duncan seine Würde So mild getragen, blieb im großen Amt So rein, daß seine Tugenden wie Engel, Posaunenzüngig, werden Rache schrein Dem tiefen Höllengreuel seines Mords Und Mitleid, nackt, ein neugebornes Kind, Reitend auf Sturm, oder Himmels Cherubim Auf unsichtbaren, luftigen Rennern blasen Die Schreckenstat in jedes Aug, bis Tränen Den Wind ertränken. Keinen Sporn hab ich, Die Flanken meines Plans zu stacheln, nur den Kunstreiter Ehrgeiz, der sich überspringt Und auf den andern fällt.

(Lady Macbeth tritt auf.)

Nun, was denn gibts?

LADY MACBETH Er hat fast abgespeist. Warum hast du den Saal verlassen?

MACBETH Hat er Nach mir gefragt?

LADY MACBETH Weißt du nicht, daß ers tat?

MACBETH Wir wolln nicht weiter gehn in dieser Sache; Er hat mich jüngst belohnt, und goldne Achtung Hab ich von Leuten aller Art gekauft, Die will getragen sein im neusten Glanz, Und nicht so plötzlich weggeworfen.

LADY MACBETH War Die Hoffnung trunken, worin du dich hülltest? Schlief sie seitdem, und ist sie nun erwacht, So bleich und krank das anzuschaun, was sie So fröhlich tat? Von jetzt an denke ich Von deiner Liebe so. Bist du zu feige, Derselbe Mann zu sein in Tat und Mut, Der du in Wünschen bist? Möchtst du erlangen, Was du den Schmuck des Lebens schätzen mußt, Und Memme sein in deiner eignen Schätzung? Muß dir „Ich fürchte“ folgen dem „Ich möchte“, Der armen Katz im Sprichwort gleich?

MACBETH Sei ruhig! Ich wage alles, was dem Menschen ziemt; Wer mehr wagt, der ist keiner.

LADY MACBETH Welch ein Tier Hieß dich von deinem Vorsatz mit mir reden? Als du es wagtest, da warst du ein Mann; Und mehr sein, als du warst, das machte dich Nur um so mehr zum Mann. Nicht Zeit, nicht Ort Traf damals zu, du wolltest beide machen; Sie machen selbst sich, und ihr hurtger Dienst Macht dich zu nichts. Ich hab gesäugt und weiß, Süß ists, das Kind zu lieben, das ich tränke; Ich hätt, indem es mir entgegenlächelt‘, Die Brust gerissen aus den weichen Kiefern Und ihm den Kopf geschmettert an die Wand, Hätt ichs geschworen, wie du dieses schwurst.

MACBETH Wenns uns mißlänge–

LADY MACBETH Uns mißlingen!– Schraub deinen Mut nur bis zum höchsten Grad, Und es mißlingt uns nicht. Wenn Duncan schläft, Wozu so mehr des Tages starke Reise Ihn einlädt–seine beiden Kämmerlinge Will ich mit würzgem Weine so betäuben, Daß des Gehirnes Wächter, das Gedächtnis, Ein Dunst sein wird, und der Vernunft Behältnis Ein Dampfhelm nur–wenn nun im viehischen Schlaf Ertränkt ihr Dasein liegt, so wie im Tode, Was können du und ich dann nicht vollbringen Am unbewachten Duncan? Was nicht schieben Auf die berauschten Diener, die die Schuld trifft Des großen Mords?

MACBETH Gebär mir Söhne nur! Aus deinem unbezwungenen Stoffe können Nur Männer sprossen. Wird man es nicht glauben, Wenn wir mit Blut die zwei Schlaftrunknen färben, Die Kämmerling, und ihre Dolche brauchen, Daß sie’s getan?

LADY MACBETH Wer darf was anders glauben, Wenn unsers Grames lauter Schrei ertönt Bei seinem Tode?

MACBETH Ich bin fest; gespannt Zu dieser Schreckenstat ist jeder Nerv. Komm, täuschen wir mit heiterm Blick die Stunde: Birg, falscher Schein, des falschen Herzens Kunde!

(Sie gehn ab.)

ZWEITER AKT

ERSTE SZENE

(Daselbst, Schloßhof)

(Es treten auf Banquo, Fleance, [ein Diener] mit einer Fackel voran.)

BANQUO Wie spät, mein Sohn?

FLEANCE Der Mond ging unter, schlagen hört ichs nicht.

BANQUO Um zwölf Uhr geht er unter.

FLEANCE ’s ist wohl später.

BANQUO Da, nimm mein Schwert!–’s ist Sparsamkeit im Himmel, Aus taten sie die Kerzen.–Nimm das auch! Ein schwerer Schlaftrieb liegt wie Blei auf mir, Und doch möcht ich nicht schlafen. Gnädge Mächte! Hemmt in mir böses Denken, dem Natur Im Schlummer Raum gibt.–Gib mein Schwert!

([Macbeth tritt auf und ein Diener mit einer Fackel.])

Wer da?

(Macbeth tritt auf und ein Diener mit einer Fackel.)

MACBETH Ein Freund.

BANQUO Wie, Herr, noch auf? Der König ist zu Bett. Er war ausnehmend froh und sandte noch All Euren Hausbedienten reiche Gaben; Doch Eure Frau soll dieser Demant grüßen Als seine gütge Wirtin. Höchst zufrieden Begab er sich zur Ruh.

MACBETH Unvorbereitet, Ward nur des Mangels Diener unser Wille, Der sonst sich frei enthüllt‘.

BANQUO Alles war gut.– Mir träumte jüngst von den drei Zauberschwestern: Euch haben sie was Wahres doch gesagt.

MACBETH Ich denke nicht an sie; Doch ließe sich gelegne Stunde finden, So sprächen wir wohl einiges in der Sache, Gewährtet Ihr die Zeit.

BANQUO Wie’s Euch beliebt.

MACBETH Schließt Ihr Euch meinem Sinn an–wenn es ist, Wirds Ehr Euch bringen.

BANQUO Büß ich sie nicht ein, Indem ich sie zu mehren streb, und bleibt Mein Busen frei und meine Lehnspflicht rein, Gern nehm ich Rat an.

MACBETH Gute Nacht indes!

BANQUO Dank, Herr, Euch ebenfalls!

(Banquo, Fleance [und Diener] ab.)

MACBETH Sag deiner Herrin, wenn mein Trank bereit, Soll sie die Glocke ziehn. Geh du zu Bett!

(Der Diener geht ab.)

Ist das ein Dolch, was ich vor mir erblicke, Der Griff mir zugekehrt? Komm, laß dich packen!– Ich faß dich nicht, und doch seh ich dich immer. Bist du, Unglücksgebild, so fühlbar nicht Der Hand, gleich wie dem Aug? Oder bist du nur Ein Dolch der Einbildung, ein nichtig Blendwerk, Das aus dem heiß gequälten Hirn erwächst? Ich seh dich noch, so greifbar von Gestalt Wie der, den jetzt ich zücke. Du gehst mir vor den Weg, den ich will schreiten, Und eben solche Waffe wollt ich brauchen. Mein Auge ward der Narr der andern Sinne, Oder mehr als alle wert.–Ich seh dich stets, Und dir an Griff und Klinge Tropfen Bluts, Was erst nicht war.–Es ist nicht wirklich da: Es ist die blutige Arbeit, die mein Auge So in die Lehr nimmt.–Auf der halben Erde Scheint tot Natur jetzt, den verhangnen Schlaf Quälen Versucherträume; Hexenkunst Begeht den Dienst der bleichen Hekate, Und dürrer Mord schreitet gespenstisch nun, Durch seine Schildwacht aufgeschreckt, den Wolf, Der ihm das Wachtwort heult, so diebschen Schrittes, Wie wild entbrannt Tarquin, dem Ziel entgegen. Du sichere und festgefugte Erde, Hör meine Schritte nicht, wo sie auch wandeln, Daß nicht ausschwatzen selber deine Steine Mein Wohinaus, und von der Stunde nehmen Den jetzgen stummen Graus, der so ihr ziemt. Hier droh ich, er lebt dort; Für heiße Tat zu kalt das müßge Wort!

(Die Glocke wird angeschlagen.)

Ich geh, und ’s ist getan; die Glocke mahnt. Hör sie nicht, Duncan, ’s ist ein Grabgeläut, Das dich zu Himmel oder Höll entbeut.

(Ab. [Er steigt hinauf.)

ZWEITE SZENE

(Daselbst])

(Lady Macbeth tritt unten auf.)

LADY MACBETH Was sie betäubte, hat mich stark gemacht, Und was sie dämpft‘, hat mich entflammt.–Still, horch!– Die Eule wars, die schrie, der Unheilsbote, Der gräßlich gute Nacht wünscht.–Er ist dran: Die Türen sind geöffnet, schnarchend spotten Die überladnen Diener ihres Amts; Ich würzte ihren Schlaftrunk, daß Natur Und Tod sich streiten, wem sie angehören.

MACBETH (hinter der Bühne. [der oben erscheint.]) Wer ist da? He!

([Er geht wieder hinein.])

LADY MACBETH O weh, ich fürchte, sie sind aufgewacht Und nichts geschehn. Der Anschlag, nicht die Tat Verdirbt uns–Horch! Ich legt ihm ihre Dolche Bereit, die mußt er finden.–Hätt er nicht Geglichen meinem Vater, wie er schlief, So hätt ichs selbst getan.–Oh, mein Gemahl!

(Macbeth tritt auf.)

MACBETH Ich hab die Tat getan.–Hörtst du nicht was?

LADY MACBETH Die Eule hört ich schrein, und Heimchen zirpen. Sprachst du nichts?

MACBETH Wann?

LADY MACBETH Jetzt.

MACBETH Wie ich ‚runter kam?

LADY MACBETH Ja.

MACBETH Horch! Wer schläft im zweiten Zimmer?

LADY MACBETH Donalbain.

MACBETH Erbärmlich sieht das aus!

(Betrachtet seine Hände.)

LADY MACBETH Wie wunderlich, Erbärmlich das zu nennen!

MACBETH Der eine lacht‘ im Schlaf–und Mord! schrie einer, Daß sie einander weckten; ich stand und hört es: Sie aber sprachen ihr Gebet und legten Zum Schlaf sich wieder.

LADY MACBETH Dort wohnen zwei beisammen.

MACBETH Der schrie: Gott sei uns gnädig!, jener: Amen! Als sähn sie mich mit diesen Henkershänden. Behorchend ihre Angst konnt ich nicht sagen Amen, als jener sprach: Gott sei uns gnädig!

LADY MACBETH Denk nicht so tief darüber!

MACBETH Doch warum Könnt ich nicht Amen sprechen? War mir doch Die Gnad am meisten not, und Amen stockte Mir in der Kehle.

LADY MACBETH Dieser Taten muß Man so nicht denken; so macht es uns toll.

MACBETH Mir war, als rief es: Schlaft nicht mehr, Macbeth Mordet den Schlaf!–Ihn, den unschuldgen Schlaf; Schlaf, der des Grams verworrn Gespinst entwirrt, Den Tod von jedem Lebenstag, das Bad Der wunden Müh, den Balsam kranker Seelen, Den zweiten Gang im Gastmahl der Natur, Das nährendste Gericht beim Fest des Lebens.

LADY MACBETH Was meinst du?

MACBETH Stets rief es: Schlaft nicht mehr! durchs ganze Haus, Glamis erschlug den Schlaf, und drum wird Cawdor Nicht schlafen mehr, Macbeth nicht schlafen mehr!

LADY MACBETH Wer war es, der so rief? Mein würdger Than, Du läßt den edeln Mut erschlaffen, denkst du So hirnkrank drüber nach. Nimm etwas Wasser Und wasch von deiner Hand das garstge Zeugnis.– Was brachtest du die Dolche mit herunter? Dort liegen müssen sie; geh, bring sie hin Und färb mit Blut die Kämmrer, wie sie schlafen.

MACBETH Ich gehe nicht mehr hin, ich bin entsetzt, Denk ich, was ich getan! Es wieder schaun– Ich wag es nicht!

LADY MACBETH O schwache Willenskraft! Gib mir die Dolche! Schlafende und Tote Sind Bilder nur; der Kindheit Aug allein Scheut den gemalten Teufel. Wenn er blutet, Färb ich damit den Dienern die Gesichter, Denn ihre Schuld solls scheinen.

(Sie geht ab. Man hört klopfen.)

MACBETH Woher klopft es? Wie ists mit mir, daß jeder Ton mich schreckt? Was sind das hier für Hände? Ha, sie reißen Mir meine Augen aus. Kann wohl des großen Meergotts Ozean Dies Blut von meiner Hand rein waschen? Nein; Weit ehr kann diese meine Hand mit Purpur Die unermeßlichen Gewässer färben Und Grün in Rot verwandeln.

(Lady Macbeth kommt zurück.)

LADY MACBETH Meine Hände Sind blutig wie die deinen; doch ich schäme Mich, daß mein Herz so weiß ist.

(Es wird geklopft.)

Klopfen hör ich Am Südtor.–Eilen wir in unsre Kammer; Ein wenig Wasser spült von uns die Tat; Wie leicht dann ist sie!–Deine Festigkeit Verließ dich ganz und gar.

(Es wird geklopft.)

Horch, wieder Klopfen! Tu an dein Nachtkleid; müssen wir uns zeigen, Daß man nicht sieht, wir wachten!–Verlier dich nicht So ärmlich in Gedanken.

MACBETH Meine Tat Zu wissen! Besser von mir selbst nichts wissen!

(Es wird geklopft.)

Klopf Duncan aus dem Schlaf! O könntest du’s!

(Sie gehn ab.)

DRITTE SZENE

(Daselbst)

(Der Pförtner kommt; es wird geklopft.)

PFÖRTNER Das ist ein Klopfen! Wahrhaftig, wenn einer Höllenpförtner wäre, da hätte er was zu schließen.

(Klopfen.)

Poch, poch, poch: Wer da, in Beelzebubs Namen? Ein Pachter, der sich in Erwartung einer reichen Ernte aufhängte. Zur rechten Zeit gekommen; habt ihr auch Schnupftücher genug bei euch? Denn hier werdet ihr dafür schwitzen müssen!–

(Klopfen.)

Poch, poch: Wer da, in des andern Teufels Namen? Mein Treu, ein Zweideutler, der in beide Schalen gegen jede Schale schwören konnte, der um Gottes willen Verrätereien genug beging und sich doch nicht zum Himmel hinein zweideuteln konnte. Herein, Zweideutler!–

(Klopfen.)

Poch, poch, poch: Wer da? Mein Treu, ein englischer Schneider, hier angekommen, weil er etwas aus einer französischen Hose gestohlen. Herein, Schneider; hier kannst du deine Bügelgans braten.

(Klopfen.)

Poch, poch–Keine Ruhe! Wer seid ihr? Aber hier ist es zu kalt für die Hölle; ich mag nicht länger Teufelspförtner sein. Ich dachte, ich wollte von jedem Gewerbe einige hereinlassen, die den breiten Rosenpfad zum ewigen Freudenfeuer wandeln.–

(Klopfen.)

Gleich, gleich! Ich bitt euch, bedenkt doch, daß der Pförtner auch ein Mensch ist.

(Er öffnet das Tor: Macduff und Lenox kommen herein.)

MACDUFF Kamst du so spät zu Bett, Freund, daß du nun so spät aufstehst?

PFÖRTNER Mein Seel, Herr, wir zechten, bis der zweite Hahn krähte; und der Trunk ist ein großer Beförderer von drei Dingen.

MACDUFF Was sind denn das für drei Dinge, die der Trunk vorzüglich befördert?

PFÖRTNER Ei, Herr, rote Nasen, Schlaf und Urin. Buhlerei befördert und dämpft er zugleich; er befördert das Verlangen und dämpft das Tun. Darum kann man sagen, daß vieles Trinken ein Zweideutler gegen die Buhlerei ist: es schafft sie und vernichtet sie, treibt sie an und hält sie zurück, macht ihr Mut und schreckt sie ab, heißt sie sich brav halten und nicht brav halten, zweideutelt sie zuletzt in Schlaf, straft sie Lügen und geht davon.

MACDUFF Ich glaube, der Trunk strafte dich die Nacht Lügen.

PFÖRTNER Ja, Herr, das tat er, in meinen Hals hinein; aber ich vergalt ihm seine Lügen, und ich denke, ich war ihm doch zu stark: denn obgleich er mir die Beine ein paarmal unten wegzog, so fand ich doch einen Kniff, ihn hinauszuschmeißen.

MACDUFF Ist dein Herr schon aufgestanden? Geweckt hat unser Klopfen ihn; hier kommt er.

(Macbeth tritt auf.)

LENOX Guten Morgen, edler Herr!

MACBETH Guten Morgen, beide!

MACDUFF Wacht schon der König, würdger Than?

MACBETH Noch nicht.

MACDUFF Mir gab er den Befehl, ihn früh zu wecken; Die Zeit versäumt ich fast.

MACBETH Ich führ Euch hin.

MACDUFF Ich weiß, es ist ’ne Müh, die Euch erfreut; Doch es ist eine Müh.

MACBETH Die Arbeit, die uns freut, wird zum Ergötzen. Hier ist die Tür.

MACDUFF Ich wag es, ihn zu wecken, Denn das ward mir befohlen.

(Er geht ab.)

LENOX Reist der König Heut ab?

MACBETH So ists, er hat es so bestimmt.

LENOX Die Nacht war stürmisch; wo wir schliefen, riß es Den Schlot herab, und wie man sagt, erscholl Ein Wimmern in der Luft, ein Todesstöhnen, Ein Prophezein in fürchterlichem Laut Von wildem Brand und gräßlichen Geschichten, Neu ausgebrütet einer Zeit des Leidens. Der dunkle Vogel schrie die ganze Nacht. Man sagt, die Erde bebte fieberkrank.

MACBETH Es war ’ne rauhe Nacht.

LENOX Mein jugendlich Gedächtnis sucht umsonst Nach ihresgleichen.

(Macduff kommt [von oben herunter] zurück.)

MACDUFF O Grausen, Grausen, Grausen! Zung und Herz Faßt es nicht, nennt es nicht!

MACBETH und LENOX Was ist geschehn?

MACDUFF Jetzt hat die Höll ihr Meisterstück gemacht! Der kirchenräuberische Mord brach auf Des Herrn geweihten Tempel und stahl weg Das Leben aus dem Heiligtum.

MACBETH Was sagt Ihr? Das Leben?

LENOX Meint Ihr Seine Majestät?

MACDUFF Geht ein zur Kammer und zerstört die Sehkraft Durch eine neue Gorgo! Laßt mich schweigen; Seht, und dann redet selbst!

(Macbeth und Lenox gehen ab.)

Erwacht, erwacht!

([Macbeth und Lenox gehen ab.])

Die Sturmglock angeschlagen! Mord! Verrat! Banquo und Donalbain! Malcolm! Erwacht! Werft ab den flaumgen Schlaf, des Todes Abbild, Und seht ihn selbst, den Tod! Auf, auf, und schaut Des Weltgerichtes Vorspiel! Malcolm! Banquo! Steigt wie aus eurem Grab, wie Geister schreitet, Als Graungefolge diesen Mord zu schaun!

[Die Glocken stürmt!]

(Die Lärmglocke läutet. Lady Macbeth tritt auf.)

LADY MACBETH Was ist denn vorgefallen, Daß solche schreckliche Trompete ruft Zum Rat die Schläfer dieses Hauses? Sprecht!

MACDUFF O zarte Frau, Ihr dürft nicht hören, was ich sagen könnte. Vor eines Weibes Ohr es nennen, wäre Ein Mord, wie Ihrs vernähmt.

(Banquo tritt auf.)

O Banquo, Banquo! Der König, unser Herr, ermordet!

LADY MACBETH Wehe! In unserm Haus?

BANQUO Zu grausam, wo auch immer!– O lieber Macduff, widersprich dir selber Und sag, es sei nicht so.

(Macbeth und Lenox kommen mit Rosse zurück.)

MACBETH War ich gestorben, eine Stunde nur, Eh dies geschah, gesegnet war mein Dasein! Von jetzt gibt es nichts Ernstes mehr im Leben; Alles ist Tand, gestorben Ruhm und Gnade! Der Lebenswein ist ausgeschenkt, nur Hefe Blieb noch zu prahlen dem Gewölbe.

(Malcolm und Donalbain treten auf.)

DONALBAIN Wem Geschah ein Leid?

MACBETH Euch selbst, und wißt es nicht: Der Born, der Ursprung Eures Blutes ist Versiegt, die Lebensquelle selbst versiegt.

MACDUFF Eur königlicher Vater ist ermordet.

MALCOLM Ha! Von wem?

LENOX Die Kämmerlinge, scheint es, sind die Täter; Denn Händ und Antlitz trugen blutge Zeichen, Auch ihre Dolche, die unabgewischt Auf ihren Polstern lagen. Wie im Wahnsinn, So starrt‘ ihr Auge, und es war gefährlich, Nur ihnen nah zu kommen.

MACBETH Oh, jetzt bereu ich meine Wut, daß ich Sie niederstieß.

MACDUFF Warum habt Ihrs getan?

MACBETH Wer ist weis‘ und entsetzt, gefaßt und wütig, Pflichttreu und kalt in einem Augenblick? Kein Mensch. Die Raschheit meiner heftgen Liebe Lief schneller als die zögernde Vernunft. Duncan lag hier, die Silberhaut verbrämt Mit seinem goldnen Blut; die offnen Wunden, Sie waren wie ein Riß in der Natur, Eingang verheernden Unheils; dort die Mörder, Getaucht in ihres Handwerks Farb, die Dolche Abscheulich von geronnenem Blute schwarz. Wer konnte sich da zügeln, der ein Herz Voll Liebe hatt und in dem Herzen Mut, Die Liebe zu beweisen?

LADY MACBETH Helft mir fort!

MACDUFF Seht nach der Lady!

MALCOLM Weshalb schweigen wir, Da unser Anspruch an dies Weh der nächste?

DONALBAIN Was solln wir sprechen, hier, wo unser Schicksal Herstürzen kann aus irgendeinem Winkel, Uns zu ergreifen? Fort, denn unsre Tränen Sind noch nicht reif.

MALCOLM Noch unser heftger Gram Zu handeln schon bereit.

BANQUO Seht nach der Lady!

(Lady Macbeth wird fortgeführt.)

Und haben wir verhüllt erst unsre Blößen, Die so zu zeigen unschicklich, so treffen Wir uns, der blutgen Untat nachzuforschen Bis auf den Grund. Uns schütteln Furcht und Zweifel; Ich steh in Gottes großer Hand, und so Kämpf ich der ungesprochnen Anmutung Bösen Verrats entgegen.

MACDUFF So auch ich.

ALLE Wir alle.

MACBETH Wir wolln uns vollends anziehn und bald wieder Uns in der Halle treffen.

ALLE Wohl, so sei’s!

(Malcolm und Donalbain bleiben; die übrigen gehn ab.)

MALCOLM Was tust du? Laß uns nicht zu ihnen halten. Erlognen Schmerz zu zeigen, ist ’ne Kunst, Die leicht dem Falschen wird. Ich geh nach England.

DONALBAIN Nach Irland ich; unser getrenntes Glück Verwahrt uns besser. Wo wir sind, drohn Dolche In jedes Lächeln, und je blutsverwandter, So mehr verwandt dem Tode.

MALCOLM Der mörderische Pfeil ist abgeschossen Und fliegt noch; Sicherheit ist nur für uns, Vermeiden wir das Ziel. Drum schnell zu Pferde, Und zaudern wir nicht, jene noch zu grüßen, Nein, heimlich fort! Nicht strafbar ist der Dieb, Der selbst sich stiehlt, wo keine Gnad ihm blieb.

(Sie gehn ab.)

VIERTE SZENE

(Daselbst. Vor dem Schloß)

(Rosse tritt auf mit einem alten Mann.)

ALTER Auf siebzig Jahr kann ich mich gut erinnern; In diesem Zeitraum sah ich Schreckenstage Und wunderbare Ding; doch diese böse Nacht Macht alles Vorge klein.

ROSSE O guter Vater, Der Himmel, sieh, als zürn er Menschentaten, Droht dieser blutgen Bühn. Die Uhr zeigt Tag, Doch dunkle Nacht erstickt die Wanderlampe. Ists Sieg der Nacht, ist es die Scham des Tages, Daß Finsternis der Erd Antlitz begräbt, Wenn lebend Licht es küssen sollte?

ALTER Unnatürlich, Wie die geschehne Tat. Am letzten Dienstag Sah ich, wie stolzen Flugs ein Falke schwebte Und eine Eul ihm nachjagt‘ und ihn würgte.

ROSSE Und Duncans Rosse, seltsam ists, doch sicher, So rasch und schön, die Kleinod‘ ihres Bluts, Brachen, verwildert ganz, aus ihren Ställen Und stürzten fort, sich sträubend dem Gehorsam, Als wollten Krieg sie mit den Menschen führen.

ALTER Man sagt, daß sie einander fraßen.

ROSSE Ja; Entsetzlich wars, ich hab es selbst gesehn. Da kommt der edle Macduff–

(Macduff tritt auf.)

Nun, Herr, wie geht die Welt?

MACDUFF Ei, seht Ihrs nicht?

ROSSE Weiß man, wer tat die mehr als blutge Tat?

MACDUFF Jene, die Macbeth tötete.

ROSSE O Jammer! Was hofften sie davon?

MACDUFF Sie warn gedungen. Malcolm und Donalbain, des Königs Söhne, Sind heimlich fort, entflohn; dies wälzt auf sie Der Tat Verdacht.

ROSSE Stets gegen die Natur! Verschwenderischer Ehrgeiz, so verschlingst du Des eignen Lebens Unterhalt!–So wird Die Königswürde wohl an Macbeth fallen?

MACDUFF Er ist ernannt schon und zu seiner Krönung Nach Scone gegangen.

ROSSE Wo ist Duncans Leichnam?

MACDUFF Nach Colmes-Kill führt man ihn zur heilgen Gruft, Wo die Gebeine seiner Ahnen alle Versammelt ruhn.

ROSSE Geht Ihr nach Scone?

MACDUFF Nein, Vetter, Ich geh nach Fife.

ROSSE So will ich hin.

MACDUFF Lebt wohl! Mag alles so geschehn, daß wir nicht sagen: Bequemer war der alte Rock zu tragen!

([Er geht ab.])

ROSSE Vater, lebt wohl!

ALTER Gott segne Euch und den, der redlich denkt; Unheil zum Heil, Zwietracht zum Frieden lenkt!

(Sie gehen ab.)

DRITTER AKT

ERSTE SZENE

(Fores, Saal im Schlosse)

(Banquo tritt auf.)

BANQUO Du hasts nun, König, Cawdor, Glamis, alles, Wie’s angezeigt die Zauberfraun–ich fürchte, Du spieltest schändlich drum. Doch ward gesagt, Es solle nicht bei deinem Stamme bleiben; Ich aber sollte Wurzel sein und Vater Von vielen Köngen. Kommt von ihnen Wahrheit, Wie, Macbeth, ihre Wort an dich bestätgen, Warum, bei der Erfüllung, die dir ward, Solln sie nicht mein Orakel gleichfalls sein Und meine Hoffnung kräftgen? Still, nichts weiter.

(Trompeten, es treten auf Macbeth als König und Lady Macbeth als Königin; Lenox, Rosse, Lords, Ladies und Gefolge.)

MACBETH Hier unser höchster Gast.

LADY MACBETH Ward er vergessen, Wars wie ein Riß in unserm großen Fest Und alles ungeziemend.

MACBETH Herr, wir halten Ein feierliches Mahl heut abend, und Ich bitt um Eure Gegenwart.

BANQUO Eur Hoheit Hat zu befehlen; unauflöslich bleibt Für immer meine Pflicht an Euch gebunden.

MACBETH Verreist Ihr noch den Nachmittag?

BANQUO Ja, Herr.

MACBETH So hätten wir wohl Euren Rat gewünscht, Der stets voll Einsicht und ersprießlich war, Im Staatsrat heut; doch gönnt ihn morgen uns. Geht Eure Reise weit?

BANQUO So weit, mein König, Daß sie die Zeit von jetzt bis Abend ausfüllt; Hält nicht mein Pferd sich gut, so muß ich wohl Noch von der Nacht ’ne dunkle Stunde borgen.

MACBETH Fehlt nicht bei unserm Fest!

BANQUO Mein Fürst, ich komme.

MACBETH Wir hören, unsre blutgen Vettern weilen In England und in Irland; nicht bekennend Den grausen Vatermord, mit seltnen Märchen Die Hörer täuschend. Doch das sei für morgen, Da außerdem das Staatsgeschäft uns alle Zusammenruft. Säumt länger nicht: lebt wohl, Bis wir zu Nacht uns sehn. Geht Fleance mit Euch?

BANQUO Ja, teurer Herr; die Zeit mahnt uns zur Eil.

MACBETH Den Rossen wünsch ich schnellen, sichern Lauf; Besteigt sie alsobald und reiset glücklich!–

(Banquo geht ab.)

Ein jeder sei nun Herr von seinen Stunden Bis sieben Uhr; uns die Geselligkeit Zu würzen, sind wir bis zum Abendessen Mit uns allein. Bis dahin Gott befohlen!

([Alle gehen ab; Macbeth bleibt.] Lady Macbeth, Lords, Ladies und Gefolge ab.)

Du da, ein Wort: sind jene Männer hier?

([Der Diener tritt ein.])

DIENER Sie harren vor dem Schloßtor, mein Gebieter.

MACBETH Führ sie Uns vor!–

(Diener geht ab.)

Das so zu sein, ist nichts, Doch sicher so zu sein.–In Banquo wurzelt Tief Unsre Furcht; in seinem Königssinn Herrscht was, das will gefürchtet sein. Viel wagt er, Und außer diesem unerschrocknen Geist Hat Weisheit er, die Führerin des Muts, Zum sichern Wirken. Außer ihm ist keiner, Vor dem ich zittern muß; und unter ihm Beugt sich mein Genius scheu, wie, so erzählt man, Vor Cäsar Mark Anton. Er schalt die Schwestern Gleich, als sie mir den Namen König gaben, Und hieß sie zu ihm sprechen; dann prophetisch Begrüßten sie ihn Vater vieler Könge. Mein Haupt empfing die unfruchtbare Krone; Das dürre Zepter reichten sie der Faust, Daß eine fremde Hand es mir entwinde, Kein Sohn von mir es erbe. Ist es so? Hab ich für Banquos Stamm mein Herz befleckt, Für sie erwürgt den gnadenreichen Duncan, In meinen Friedensbecher Gift gegossen Einzig für sie und mein unsterblich Kleinod Dem Erzfeind aller Menschen preisgegeben, Zu krönen sie, zu krönen Banquos Brut! Eh das geschieht, komm, Schicksal, in die Schranken Und fordre mich auf Tod und Leben!–Holla!

(Der Diener kommt mit zwei Mördern.)

Geh vor die Tür und warte, bis Wir rufen.–

(Der Diener geht ab.)

Wars gestern nicht, da wir einander sprachen?

ERSTER MÖRDER So war es, Majestät.

MACBETH Gut denn, habt ihr Nun meinen Reden nachgedacht? So wißt, Daß er es ehmals war, der euch so schwer Gedrückt, was, wie ihr wähntet, ich getan, Der völlig schuldlos. Dies bewies ich euch In unsrer Unterredung, macht‘ euch klar, Wie man euch hinterging und hemmte; nannt euch Die Werkzeug auch und wer mit ihnen wirkte, Und alles sonst, was selbst ’ner halben Seele Und blödstem Sinne zurief: Das tat Banquo!

ERSTER MÖRDER So habt Ihrs uns erklärt.

MACBETH Ich tat es und ging weiter; deshalb nun Hab ich euch wieder her beschieden. Fühlt ihr Geduld vorherrschend so in eurem Wesen, Daß ihr dies hingehn laßt? Seid ihr so fromm, Zu beten für den guten Mann und sein Geschlecht, des schwere Hand zum Grab euch beugte, Zu Bettlern machte euch und eure Kinder?

ERSTER MÖRDER Mein König, wir sind Männer.

MACBETH Ja, im Verzeichnis lauft ihr mit als Männer, Wie Jagd- und Windhund, Blendling, Wachtelhund, Spitz, Pudel, Schäferhund und Wolfshund, alle Der Name Hund benennt. Das Rangregister Scheidet dann erst den schnellen, trägen, klugen, Den Hausbewacher und den Jäger, jeden Nach seiner Eigenschaft, die ihm Natur Liebreich geschenkt, wodurch ihm wird besondre Bezeichnung aus der Schar, die alle gleich Benamt, und so ists mit dem Menschen auch. Habt ihr nun einen Platz im Rangregister, Und nicht den schlechtsten in der Mannheit, sprecht; Und solches Werk vertrau ich eurem Busen, Dessen Vollstreckung euren Feind entrafft, Herzinnig fest an Unsre Lieb euch schmiedet; Da Unser Wohlsein kränkelt, wenn er lebt, Und nur in seinem Tod gesundet.

ZWEITER MÖRDER Herr, Mit hartem Stoß und Schlag hat mich die Welt So aufgereizt, daß michs nicht kümmert, was Der Welt zum Trotz ich tu.

ERSTER MÖRDER Und ich bin einer, So matt von Elend, so zerzaust vom Unglück, Daß ich mein Leben setz auf jeden Wurf, Es zu verbessern oder loszuwerden.

MACBETH Ihr wißt es beide, Banquo war eur Feind.

[ZWEITER] BEIDE MÖRDER Gewiß, mein Fürst.

MACBETH So ist er meiner auch, Und in so blutger Näh, daß jeder Pulsschlag Von ihm nach meinem Herzensleben zielt. Und wenngleich meine Macht mit offnem Antlitz Ihn löschen könnt aus meinem Blick und frei Mein Wort die Tat gestehn; doch darf ichs nicht, Um manchen, der mir Freund ist so wie ihm, Des Lieb ich nicht kann missen; seinen Fall Muß ich beklagen, den ich selbst erschlug; Und darum sprech ich euch um Beistand an, Dem Pöbelauge das Geschäft verlarvend Aus manchen wichtgen Gründen.

ZWEITER MÖRDER Wir vollziehn, Was Ihr befehlt.

ERSTER MÖRDER Wenn unser Leben auch–

MACBETH Aus euren Augen leuchtet euer Mut. In dieser Stunde spätstens meld ich euch, Wo ihr euch stellt, bericht euch aufs genauste Den Augenblick; denn heut nacht muß es sein, Und etwas ab vom Schloß–stets dran gedacht, Daß ich muß rein erscheinen! Und mit ihm, Um nichts nur halb und obenhin zu tun, Muß Fleance, sein Sohn, der ihm Gesellschaft leistet, Des Wegsein mir nicht minder wichtig ist Als seines Vaters, das Geschick mit ihm Der dunkeln Stunde teilen. Entschließt euch nun für euch; gleich komm ich wieder.

[ZWEITER] BEIDE MÖRDER Wir sind entschlossen, Herr.

MACBETH So ruf ich euch Alsbald; verweilt da drin!

(Die Mörder ab.)

Es ist entschieden. Denkst, Banquo, du den Himmel zu gewinnen, Muß deine Seel heut nacht den Flug beginnen.

(Alle ab.)

ZWEITE SZENE

(Daselbst, ein anderes Zimmer)

(Lady Macbeth tritt auf mit einem Diener.)

LADY MACBETH Ist Banquo fort vom Hof?

DIENER Ja, Herrin, doch er kommt zurück heut abend.

LADY MACBETH Dem König meld, ich lasse ihn ersuchen Um wenge Augenblicke.

DIENER Ich gehorche.

(Er geht ab.)

LADY MACBETH Nichts ist gewonnen, alles ist dahin, Stehn wir am Ziel mit unzufriednem Sinn: Viel sichrer, das zu sein, was wir zerstört, Als daß Zerstörung schwankend Glück gewährt.

(Macbeth tritt auf.)

Nun, teurer Freund, was bist du so allein Und wählst nur trübe Bilder zu Gefährten? Gedanken hegend, die doch tot sein sollten, Wie jen‘, an die sie denken. Was unheilbar, Vergessen sei’s! Geschehn ist, was geschehn.

MACBETH Verwundet ward die Schlange, nicht getötet; Sie heilt und bleibt dieselb, indes ihr Zahn Wie sonst gefährdet unsre arme Bosheit. Doch ehe soll der Dinge Bau zertrümmern, Die beiden Welten schaudern, eh wir länger In Angst verzehren unser Mahl und schlafen In der Bedrängnis solcher grausen Träume, Die uns allnächtlich schütteln. Lieber bei Dem Toten sein, den, Frieden uns zu schaffen, Zum Frieden wir gesandt, als auf der Folter Der Seel in ruheloser Qual zu zucken. Duncan ging in sein Grab, Sanft schläft er nach des Lebens Fieberschauern. Sein Ärgstes tat Verrat: nicht Gift noch Dolch, Einheimsche Bosheit, fremder Anfall, nichts Kann ferner ihn berühren.

LADY MACBETH O laß gut sein, Mein liebster Mann, nun glätte deine Miene, Sei froh und munter heut mit deinen Gästen!

MACBETH Das will ich, Liebe, und sei’s bitte auch! Vor allem wend auf Banquo deine Sorgfalt Und schenk ihm Auszeichnung mit Wort und Blick. Unsicher noch sind wir genötigt, so Zu baden unsre Würd in Schmeichelströmen; Daß unser Antlitz Larve wird des Herzens, Verbergend, was es ist.

LADY MACBETH Du mußt das lassen!

MACBETH Oh, von Skorpionen voll ist mein Gemüt! Du weißt, Geliebte, Banquo lebt und Fleance.

LADY MACBETH Doch gilt nicht ewig ihres Lebens Lehnsbrief.

MACBETH Ja, das ist Trost: man kann noch an sie kommen; Drum sei du fröhlich! Eh die Fledermaus Geendet ihren klösterlichen Flug, Eh, auf den Ruf der dunkeln Hekate, Der hornbeschwingte Käfer, schläfrig summend, Die nächtge Schlummerglocke hat geläutet, Ist eine Tat geschehn furchtbarer Art.

LADY MACBETH Was hast du vor?

MACBETH Unschuldig bleibe, Kind, und wisse nichts, Bis du der Tat kannst Beifall rufen. Komm Mit deiner dunklen Binde, Nacht, verschließe Des mitleidvollen Tages zartes Auge, Streich durch mit unsichtbarer, blutger Hand Und reiß in Stücke jenen großen Lehnsbrief, Der meine Wangen bleicht!–Das Licht wird trübe, Die Kräh erhebt den Flug zum dunstigen Wald; Zum Schlaf duckt sich des Tages gute Welt, Indes schwarz Nachtzeug seine Beut anfällt. Du staunst mich an? Still!–Sündentsproßne Werke Erlangen nur durch Sünden Kraft und Stärke. So bitte, geh mit mir!

(Sie gehn ab.)

DRITTE SZENE

(Daselbst, ein Park oder Rasen mit einem Tor, das zum [beim] Schloß führt)

(Drei Mörder treten auf.)

ERSTER MÖRDER Wer aber hieß dich zu uns stoßen?

DRITTER MÖRDER Macbeth.

ZWEITER MÖRDER Man braucht ihm nicht zu mißtraun; denn er kennt Unser Geschäft, das man uns aufgetragen, Und weiß genau Bescheid.

ERSTER MÖRDER So bleib bei uns. Der West glimmt noch von schwachen Tagesstreifen, Der Reiter spornt nun eilger durch die Dämmrung, Zur Schenke noch zu kommen, und schon naht Der, den wir hier erwarten.

DRITTER MÖRDER Pferde!–Horcht!

BANQUO (hinter der Szene.) Heda, bringt Licht!

ZWEITER MÖRDER Er muß es sein; die andern, Die noch erwartet wurden, sind schon alle Im Schloß.

ERSTER MÖRDER Die Pferde machen einen Umweg.

DRITTER MÖRDER Fast eine Meile; und er geht gewöhnlich, Wie jeder tut, von hier bis an das Schloßtor Zu Fuß.

([Banquo und Fleance treten auf, ein Diener mit einer Fackel voran.])

ZWEITER MÖRDER Ein Licht!

DRITTER MÖRDER Er ist es.

ERSTER MÖRDER Macht euch dran!

(Banquo und Fleance treten mit einer Fackel auf.)

BANQUO ’s kommt Regen noch zu Nacht.

ERSTER MÖRDER So mag er fallen!

(Ersticht Banquo.)

BANQUO Weh mir! Verrat! Flieh, guter Fleance, flieh, flieh! Du kannst mein Rächer sein.–O Schurke!

(Banquo stirbt. Fleance entkommt [und der Diener fliehn].)

DRITTER MÖRDER Wer schlug das Licht aus?

ERSTER MÖRDER Wars nicht wohl getan?

DRITTER MÖRDER Nur einer liegt; der Sohn entfloh.

ZWEITER MÖRDER So ist Die beste Hälfte unsrer Müh verloren.

ERSTER MÖRDER Gut, gehn wir denn und melden, was getan.

(Sie gehn ab.)

VIERTE SZENE

(Daselbst. Prunksaal im Schloß, gedeckte Tafel)

(Es treten auf Macbeth, Lady Macbeth, Rosse, Lenox, Lords, Gefolge.)

MACBETH Ihr kennt selbst euren Rang: nehmt Platz! Willkommen Seid ein für allemal!

LORDS Dank Euer Hoheit!

MACBETH Wir wollen Uns in die Gesellschaft mischen Als aufmerksamer Wirt. Die Wirtin nahm Schon ihren Sitz; doch mit Vergünstigung Ersuchen Wir um ihren Gruß und Willkomm.

LADY MACBETH Sprich ihn für mich zu allen unsern Freunden; Denn herzlich heiß ich alle sie willkommen.

([Der erste Mörder tritt zur Seitentür ein.])

MACBETH Sieh, ihres Herzens Dank kommt dir entgegen. Gleich voll sind beide Seiten. Hier will ich Mich in die Mitte setzen.

(Der erste Mörder tritt zur Tür ein.)

Ungehemmt Sei nun die Lust; gleich soll der Becher kreisen.–

([Geht zur Tür.])

Auf deiner Stirn ist Blut.

MÖRDER So ist es Banquos.

MACBETH Viel besser draußen an dir, als in ihm drinnen! So ist er abgetan?

MÖRDER Herr, seine Kehle Ist durchgeschnitten. Das tat ich für ihn.

MACBETH Du bist der beste Kehlabschneider; doch Auch der ist gut, der das für Fleance getan; Warst du’s, so hast du deinesgleichen nicht.

MÖRDER Mein königlicher Herr, Fleance ist entwischt.

MACBETH So bin ich wieder krank; sonst wär gesund ich Und stark wie Marmor, fest wie Fels gegründet, Weit, allgemein, wie Luft und Windeshauch; Doch jetzt bin ich umschränkt, gepfercht, umpfählt, Geklemmt von niederträchtger Furcht und Zweifeln. Doch Banquo ist uns sicher?

MÖRDER Ja, teurer Herr, im Graben liegt er sicher: In seinem Kopfe zwanzig tiefe Wunden, Die kleinst ein Lebenstod.

MACBETH Nun, Dank! Da liegt Die ausgewachsne Schlange; das entflohne Gewürm ist giftig einst, nach seiner Art; Doch zahnlos jetzt.–Nun mach dich fort; auf morgen Vernehm ich mehr.

(Mörder geht ab.)

LADY MACBETH Mein königlicher Herr, Ihr seid kein heitrer Wirt. Das Fest ist feil, Wird nicht das Mahl durch Freundlichkeit gewürzt, Durch Willkomm erst geschenkt. Man speist am besten Daheim; doch auswärts macht die Höflichkeit Den Wohlgeschmack der Speisen; nüchtern wäre Gesellschaft sonst.

MACBETH Du holde Mahnerin!– Nun, auf die Eßlust folg ein gut Verdauen, Gesundheit beiden!

LENOX Gefällt es Eurer Hoheit, sich zu setzen?

(Banquos Geist kommt und setzt sich auf Macbeths Platz.)

MACBETH Beisammen wär uns hier des Landes Adel, Wenn unser Freund nicht, unser Banquo, fehlte; Doch möcht ich lieber ihn unfreundlich schelten, Als eines Unfalls wegen ihn bedauern.

LENOX Da er nicht kommt, verletzt er sein Versprechen. Gefällts Eur Majestät, uns zu beglücken, Indem Ihr Platz in unsrer Mitte nehmt?

MACBETH Die Tafel ist voll.

LENOX Hier ist ein Platz noch.

MACBETH Wo?

LENOX Hier, teurer König. Was erschreckt Eur Hoheit?

MACBETH Wer von euch tat das?

LORDS Was, mein guter Herr?

MACBETH Du kannst nicht sagen, daß ichs tat! O schüttle Nicht deine blutgen Locken gegen mich!

ROSSE Steht auf, Ihr Herrn, dem König ist nicht wohl.

LADY MACBETH Bleibt sitzen, Herrn, der König ist oft so Und wars von Jugend an–o steht nicht auf! Schnell geht vorbei der Anfall, augenblicks Ist er dann wohl. Beachtet Ihr ihn viel, So reizt Ihr ihn, und länger währt das Übel. Eßt, seht ihn gar nicht an.–Bist du ein Mann?

MACBETH Ja, und ein kühner, der das wagt zu schauen, Wovor der Teufel blaß wird.

LADY MACBETH Schönes Zeug! Das sind die wahren Bilder deiner Furcht; Das ist der luftge Dolch, der, wie du sagtest, Zu Duncan dich geführt!–Ha, dieses Zucken, Dies Starrn, Nachäffung wahren Schrecks, sie paßten Zu einem Weibermärchen am Kamin, Bestätigt von Großmütterchen.–O schäm dich! Was machst du für Gesichter, denn am Ende Schaust du nur auf ’nen Stuhl.

MACBETH Ich bitt dich, sieh, blick auf, schau an!–Was sagst du? Ha, meinethalb! Wenn du kannst nicken, sprich auch! Wenn Grab und Beingewölb uns wiederschickt, Die wir begruben, sei der Schlund der Geier Uns Totengruft!

(Der Geist geht fort.)

LADY MACBETH Was! Ganz entmannt von Torheit!

MACBETH So wahr ich leb, ich sah ihn!

LADY MACBETH O der Schmach!

MACBETH Blut ward auch sonst vergossen, schon vor alters, Eh menschlich Recht den frommen Staat verklärte, Ja, auch seitdem geschah so mancher Mord, Zu schrecklich für das Ohr: da wars doch so, Daß, war das Hirn heraus, der Mann auch starb, Und damit gut. Doch heute stehn sie auf, Mit zwanzig Todeswunden an den Köpfen, Und stoßen uns von unsern Stühlen: Das Ist wohl seltsamer noch als solch ein Mord.

LADY MACBETH Mein König, Ihr entzieht Euch Euren Freunden.

MACBETH Ha, ich vergaß! Staunt über mich nicht, meine würdgen Freunde; Ich hab ein seltsam Übel, das nichts ist Für jene, die mich kennen. Allen Wohlsein Und Lieb! Ich will mich setzen. Wein! Füllt voll!

([Der Geist kommt.])

So trink ich auf das Wohl der ganzen Tafel, Und Banquos, unsers Freunds, den wir vermissen. Wär er doch hier! Sein Wohlergehen wie aller Trink ich: Ihm, Euch!

LORDS Wir danken pflichtergeben.

(Der Geist erscheint wieder.)

MACBETH Aus meinen Augen!–Weg!–Die Erd verberg dich! Marklos ist dein Gebein, dein Blut ist kalt, Du hast kein Anschaun mehr in diesen Augen, Mit denen du so stierst.

LADY MACBETH Nehmt dies, Ihr Herrn, Als was Alltägliches, nichts weiter ists; Nur daß es uns des Abends Lust verdirbt.

MACBETH Was einer wagt, wag ich! Komm du mir nah als zottger russischer Bär, Geharnischt Nashorn, Tiger aus Hyrkanien, Nimm jegliche Gestalt, nur diese nicht– Nie werden meine festen Nerven beben. Oder sei lebend wieder, fordre mich In eine Wüst aufs Schwert; verkriech ich mich Dann zitternd, ruf mich aus als Dirnenpuppe! Hinweg, gräßlicher Schatten, Unkörperliches Blendwerk, fort!

(Geist entweicht.)

Ha, so! Du nicht mehr da, nun bin ich wieder Mann.– Ich bitte, steht nicht auf!

LADY MACBETH Ihr habt die Lust Verscheucht und die Geselligkeit gestört Durch höchst fremdartge Grillen.

MACBETH Kann solch Wesen An uns vorüberziehn wie Sommerwolken, Ohn unser mächtig Staunen? Ihr entfremdet Mich meinem eignen Selbst, bedenk ich jetzt, Daß ihr anschaut Gesichte solcher Art, Und doch die Röte eurer Wangen bleibt, Wenn Schreck die meinen bleicht.

ROSSE Was für Gesichte?

LADY MACBETH Ich bitt Euch, sprecht nicht; er wird schlimm und schlimmer; Fragen bringt ihn in Wut. Gut Nacht mit eins! Beim Weggehn haltet nicht auf Euern Rang, Geht all zugleich!

LENOX Wir wünschen Eurer Hoheit Gut Nacht und beßres Wohl.

LADY MACBETH Gut Nacht Euch allen!

(Alle Lords nebst Gefolge gehn ab.)

MACBETH Es fordert Blut, sagt man; Blut fordert Blut. Man sah, daß Fels sich regt‘ und Bäume sprachen, Auguren haben durch Geheimnis-Deutung Von Elstern, Krähn und Dohlen ausgefunden Den tief verborgnen Mörder.–Wie weit ist die Nacht?

LADY MACBETH Im Kampf fast mit dem Tag, ob Nacht, ob Tag.

MACBETH Was sagst du, daß Macduff zu kommen weigert Auf unsre Ladung?

LADY MACBETH Sandtest du nach ihm?

MACBETH Ich hörts von ungefähr; doch will ich senden. Kein einzger, in des Haus mir nicht bezahlt Ein Diener lebte. Morgen will ich hin Und in der Frühe zu den Zauberschwestern; Sie sollen mehr mir sagen, denn gespannt Bin ich, das Schlimmst auf schlimmstem Weg zu wissen. Zu meinem Vorteil muß sich alles fügen; Ich bin einmal so tief in Blut gestiegen, Daß, wollt ich nun im Waten stillestehn, Rückkehr so schwierig war als durchzugehn. Seltsames glüht im Kopf, es will zur Hand Und muß getan sein, eh noch recht erkannt.

LADY MACBETH Dir fehlt die Würze aller Wesen, Schlaf.

MACBETH Zu Bett!–Daß selbstgeschaffnes Graun mich quält, Ist Furcht des Neulings, dem die Übung fehlt. Wahrlich, wir sind zu jung nur.

(Sie gehen ab.)

FÜNFTE SZENE

(Die Heide, Donner)

(Hekate kommt, die drei Hexen ihr entgegen.)

ERSTE HEXE Was gibt es, Hekate, warum so zornig?

HEKATE Ihr garstgen Vetteln, hab ich denn nicht recht? Da ihr euch, dreist und unverschämt, erfrecht Und treibt mit Macbeth euren Spuk, In Rätselkram, in Mord und Trug? Und ich, die Meistrin eurer Kraft, Die alles Unheil wirkt und schafft, Mich bat man nicht um meine Gunst, Zu Ehr und Vorteil unsrer Kunst? Und, schlimmer noch: was ihr getan, Nützt nur dem eigensinnigen Mann, Voll Tück und Grimm. Wie alle Welt Ers nur mit sich, mit euch nicht hält. Das bessert nun! Macht euch davon, Und an dem Pfuhl des Acheron Trefft morgen früh mich! Er kommt hin, Zu hören seines Schicksals Sinn. Mit Hexenspuk und Sprüchen seid Und jedem Zauberkram bereit. Ich muß zur Luft hinauf; die Nacht Wird auf ein Unheilswerk verbracht; Groß Werk vor Mittag werden soll. Ein Tropfen, giftger Dünste voll, An einem Horn des Mondes blinkt, Den fang ich, eh er niedersinkt; Der, destilliert mit Zauberflüchen, Ruft Geister, die mit listgen Sprüchen Ihn mächtig täuschen, daß Betörung Ihn treibt zu eigener Zerstörung. Schicksal und Tod soll er verachten, Nicht kennen Furcht, nach Gnad nicht trachten. Ihr wißt es ja, daß Sicherheit Des Menschen Erbfeind jederzeit. (Musik hinter der Szene. Gesang: „Komm hinfort, komm hinfort“ etc.) [Fort jetzt] Hört zu! Dort sitzt mein kleiner Geist, o schaut, In einer dunkeln Wolk und ruft mich laut.

(Gesang hinter der Szene:)

Komm herbei, komm herbei! Hekate, o komm herbei!

HEKATE Ich komm, ich komm, ich komme! So schnell ich immer kann! So schnell ich immer kann!]] (Ab.)

ERSTE HEXE Fort, laßt uns eilen; bald kommt sie zurück.

(Ab.)

SECHSTE SZENE

(Fores, im Schloß)

(Lenox und ein Lord treten auf.)

LENOX Mein Wort berührt nur leicht, was Ihr gedacht; Sinnt ferner drüber nach. Ich sage nur, Seltsam gings zu: der gnadenreiche Duncan Ward von Macbeth beklagt. Nun, er war tot! Der wackre Banquo ging zu spät noch aus. Wollt Ihr, so könnt Ihr sagen: Fleance erschlug ihn, Denn Fleance entfloh. Man muß so spät nicht ausgehn. Wer kann wohl anders, als es schändlich finden, Daß Donalbain und Malcolm töteten Den gnadenreichen Vater? Höllsche Untat! Wie grämte Macbeth sich! Erschlug er nicht In frommer Wut die beiden Täter gleich, Die weinbetäubt und schlaf versunken waren? Wars edel nicht getan? Ja, klüglich auch; Denn jedes Menschen Seel hätt es empört, Ihr Leugnen anzuhören. Also sag ich, Alles verfügt‘ er wohl. So denk ich auch, Hätt Duncans Söhn er hinter Schloß und Riegel –Was, mit des Himmels Hülfe, nie geschehn soll–, Sie würden fühlen, was es sagen will, Den Vater zu ermorden; so auch Fleance. Doch still, für dreiste Wort, und weil er ausblieb Beim Feste des Tyrannen, fiel Macduff In Ungunst, wie ich hör. Wißt Ihr, wo Malcolm Sich aufhält?

LORD Duncans Sohn, durch den Tyrannen Beraubt des Erbrechts, lebt an Englands Hof, Wo ihn der fromme Eduard aufgenommen, So huldreich, daß des Glückes Bosheit nichts Ihm raubt an Achtung. Dorthin will Macduff, Des heilgen Königs Hülfe zu erbitten, Daß er Northumberland und Siward sende, Damit durch ihren Beistand, nächst dem Schutz Des Himmels, wir von neuem schaffen mögen Den Tafeln Speis und unsern Nächten Schlaf, Fest und Bankett befrein von blutgen Messern, Mit Treuen huldgen, freie Ehr empfangen, Was alles uns jetzt fehlt; und diese Nachricht Hat so den König aufgeregt, daß er Zum Kriege rüstet.

LENOX Sandte er zu Macduff?

LORD Ja; doch mit einem kurzen „Herr, nicht ich“ Schickt er den finstern Boten heim; der murmelt, Als wollt er sagen: Ihr bereut die Stunde, Die mich beschwert mit dieser Antwort.

LENOX Dien ihm Als Warnung das, so fern zu bleiben, wie Ihm seine Weisheit rät. Ein heilger Engel Flieg zu dem Hof von England und verkünde Die Botschaft, eh er kommt, daß Segen schnell Dies Land erfreue, von verfluchter Hand So hart gedrückt!

LORD Auch mein Gebet sei mit ihm!

(Sie gehn ab.)

VIERTER AKT

ERSTE SZENE

(Eine finstre Höhle, in der Mitte ein brodelnder Kessel)

(Donner; die drei Hexen kommen.)

ERSTE HEXE Die gelbe Katz hat dreimal miaut.

ZWEITE HEXE Drei- und einmal der Igel gequiekt.

DRITTE HEXE Harpyie schreit:–’s ist Zeit, ’s ist Zeit!

ERSTE HEXE Um den Kessel dreht euch rund! Giftgekrös in seinen Schlund! Kröt, die unterm kalten Stein Tag‘ und Nächte, dreißig und ein, Giftschleim schlafend ausgegoren, Sollst zuerst im Kessel schmoren!

ALLE Doppelt plagt euch, mengt und mischt! Kessel brodelt, Feuer zischt.

ZWEITE HEXE Sumpfger Schlange Schwanz und Kopf Brat und koch im Zaubertopf: Molchesaug und Unkenzehe, Hundezung und Hirn der Krähe; Zäher Saft des Bilsenkrauts, Eidechsbein und Flaum vom Kauz: Starken Zauber eingemischt! Höllenbrei im Kessel zischt.

ALLE Doppelt plagt euch, mengt und mischt! Kessel brodelt, Feuer zischt.

DRITTE HEXE Wolfeszahn und Kamm des Drachen, Hexenmumie, Gaum und Rachen Aus des Haifischs scharfem Schlund; Schierlingswurz aus finsterm Grund; Auch des Lästerjuden Lunge, Türkennase, Tatarzunge; Eibenreis, vom Stamm gerissen In des Mondes Finsternissen; Hand des gleich erwürgten Knaben, Den die Metz gebar im Graben, Dich soll nun der Kessel haben. Tigereingeweid hinein, Und der Brei wird fertig sein.

ALLE Doppelt plagt euch, mengt und mischt! Kessel brodelt, Feuer zischt.

ZWEITE HEXE Kühlt es nun mit Paviansblut, Zauber wird dann stark und gut!

(Hekate kommt.)

HEKATE Recht so! Ich lobe euer Walten; Und jede soll auch Lohn erhalten. Nun um den Kessel reiht euch, singt Kobolden gleich in einem Ring, Verhexend alles, was darin!

(Gesang)

Geister weiß [und grau, Geister rot und blau, Rührt, rührt, rührt, Rührt aus aller Kraft!]

(Hekate ab.)

ZWEITE HEXE Ha, mir juckt der Daumen sehr, Etwas Böses kommt hieher!

([Klopfen.])

Laßt ihn ein, wers mag sein.

(Macbeth tritt auf.)

MACBETH Nun, ihr geheimen, schwarzen Nachtunholde! Was macht ihr da?

ALLE Ein namenloses Werk.

MACBETH Bei dem, was ihr da treibt, beschwör ich euch –Wie ihr zur Kund auch kommt–, antwortet mir: Entfesselt ihr den Sturm gleich, daß er kämpft Gegen die Kirchen, und die schäumgen Wogen Vernichten und verschlingen alle Schiffahrt, Daß reifes Korn sich legt und Wälder brechen, Daß Burgen auf den Schloßwart niederprasseln, Daß Pyramiden und Paläste beugen Bis zu dem Grund die Häupter; müßte selbst Der ganze Schatz der zeugenden Natur Zusammentaumeln, bis Vernichtung selbst Vergeht: Gebt Antwort mir auf meine Fragen!

ERSTE HEXE Sprich!

ZWEITE HEXE Frag!

DRITTE HEXE Wir geben Antwort.

ERSTE HEXE Hörst du’s aus unserm Munde lieber oder Von unsern Meistern?

MACBETH Ruft sie, ich will sie sehn!

ERSTE HEXE Gießt der Sau Blut, die neun Jungen Fraß, noch zu; werft Fett, gedrungen Aus des Mörders Rabenstein, In die Glut!

ALLE Kommt, groß und klein! Seid dienstbehend und stellt euch ein!

(Donner. Ein bewaffnetes Haupt steigt aus dem Kessel.)

MACBETH Sprich, unbekannte Macht–

ERSTE HEXE Er weiß dein Fragen: Hören mußt du, selbst nichts sagen.

DIE ERSCHEINUNG Macbeth! Macbeth! Macbeth! Scheu den Macduff, Scheue den Than von Fife.–Laßt mich–genug!

(Versinkt.)

MACBETH Wer du auch seist, für deine Warnung Dank! Du trafst den wunden Fleck.–Doch noch ein Wort–

ERSTE HEXE Er läßt sich nicht befehlen. Hier ein andrer, Mächtger als jener.

(Donner. Ein blutiges Kind steigt aus dem Kessel.)

DIE ERSCHEINUNG Macbeth! Macbeth! Macbeth!

MACBETH Hätt ich drei Ohren, hört ich dich.

DIE ERSCHEINUNG Sei blutig, kühn und fest, lach aller Toren: Dir schadet keiner, den ein Weib geboren; Kein solcher kränkt Macbeth.

(Versinkt.)

MACBETH Dann leb, Macduff, was brauch ich dich zu fürchten? Doch mach ich doppelt sicher Sicherheit Und nehm ein Pfand vom Schicksal. Du sollst sterben! Dann sag ich zu der bleichen Furcht: du lügst!– Und schlafe trotz dem Donner.

([Donner. Ein gekröntes Kind steigt aus dem Kessel, mit einem Baum in der Hand.])

Was ist das,

(Donner. Die Erscheinung eines gekrönten Kindes mit einem Baum in der Hand steigt auf.)

Das aufsteigt wie der Sprößling eines Königs Und um die Kindesstirn geflochten hat Den Kranz der Majestät?

ALLE Horch; sprichs nicht an!

DIE ERSCHEINUNG Sei löwenkühn und stolz; nichts darfst du scheuen, Wer tobt, wer knirscht, und ob Verräter dräuen: Macbeth wird nie besiegt, bis einst hinan Der große Birnams-Wald zum Dunsinan Feindlich emporsteigt.

(Versinkt.)

MACBETH Das kann nimmer werden! Wer wirbt den Wald, heißt Bäume von der Erden Die Wurzel lösen? Wie der Spruch entzückt! Aufruhr ist tot, bis Birnams Waldung rückt Bergan, und Macbeth lebt in seiner Hoheit Bis an das Ziel der Tage, zahlt Tribut Nur der Natur und Zeit. Doch klopft mein Herz, nur eins noch zu erfahren; Sprecht, kann mir eure Kunst dies offenbaren: Wird Banquos Same je dies Reich regieren?

ALLE Frag weiter nichts!

MACBETH Ich will befriedigt sein! Versagt mir das, Und seid verflucht auf ewig! Laßt mich wissen–

([Oboen.])

Warum versinkt der Kessel? Welch Getön?

(Oboen.)

ERSTE HEXE Erscheint!

ZWEITE HEXE Erscheint!

DRITTE HEXE Erscheint!

ALLE Erscheint dem Aug und quält den Sinn, Wie Schatten kommt und fahrt dahin!

(Acht Könige erscheinen und gehen über die Bühne, der letzte trägt einen Spiegel; Banquo folgt.)

MACBETH Du bist zu ähnlich Banquos Geist! Hinab! Dein Diadem brennt mir die Augen.–Und du Mit goldumwundner Stirne gleichst dem ersten– Ein dritter wie der zweite! Garstge Hexen, Was zeigt ihr das? Ein vierter! Blick, erstarre! Wie, dehnt die Reih sich bis zum Jüngsten Tag? Und noch?–Ein siebter!–Ich will nichts mehr sehn.– Da kommt der achte noch und hält ’nen Spiegel, Der mir viel andre zeigt, und manche seh ich, Die zwei Reichsäpfel und drei Zepter tragen– Furchtbarer Anblick! Ja, ich seh, ’s ist wahr; Denn blutbesudelt lächelt Banquo her Und deutet auf sie als die Seinen.–Ists so?

ERSTE HEXE Ja, alles ist so.–Doch warum Steht Macbeth da so starr und stumm? Auf, zu ermuntern seinen Geist, Ihm unsre schönsten Künste weist! Durch Zauber schaff ich luftge Weisen, Auf, tanzt in vielverschlungnen Kreisen! Der König soll uns Lob gewähren, Sein Kommen wußten wir zu ehren.

(Musik; die Hexen tanzen und verschwinden.)

MACBETH Wo sind sie? Fort? Mag diese Unglücksstunde Verflucht auf ewig im Kalender stehn!– Herein, du draußen!

(Lenox tritt auf.)

LENOX Was befiehlt Eur Hoheit?

MACBETH Sahst du die Zauberschwestern?

LENOX Nein, mein König.

MACBETH Sie kamen nicht vorbei?

LENOX Gewiß nicht, Herr.

MACBETH Verpestet sei die Luft, auf der sie fahren, Und alle die verdammt, so ihnen trauen! Ich hörte Pferdgalopp–wer kam vorbei?

LENOX Zwei oder drei, Herr, die Euch Nachricht brachten, Daß Macduff floh nach England.

MACBETH Floh nach England?

LENOX Ja, gnädger Herr.

MACBETH O Zeit, vor eilst du meinem grausen Tun! Nie wird der flüchtge Vorsatz eingeholt, Geht nicht die Tat gleich mit. Von Stund an nun Sei immer meines Herzens Erstling auch Erstling der Hand. Und den Gedanken gleich Zu krönen, sei’s getan, so wie gedacht. Die Burg Macdufis will ich jetzt überfallen; Fife wird erobert, und dem Schwert geopfert Sein Weib und Kind und alle armen Seelen Aus seinem Stamm. Das ist nicht Torenwut; Es ist getan, eh sich erkühlt mein Blut. Nur keine Geister mehr!–Wo sind die Herrn? Komm, führ mich hin zu ihnen.

(Sie gehn ab.)

ZWEITE SZENE

(Fife, Zimmer in Macduffs Schloß)

(Es treten auf Lady Macduff, ihr kleiner Sohn und Rosse.)

LADY MACDUFF Was tat er denn, landflüchtig so zu werden?

ROSSE Geduldig müßt Ihr sein.

LADY MACDUFF Er war es nicht! Die Flucht ist Wahnsinn. Wenn nicht unsre Taten, Macht Furcht uns zu Verrätern.

ROSSE Wenig wißt Ihr, Ob er der Weisheit oder Furcht gehorchte.

LADY MACDUFF Weisheit! Sein Weib, die kleinen Kinder lassen, Haushalt wie seine Würden, an dem Ort, Von dem er selbst entflieht? Er liebt uns nicht, Ihm fehlt natürliches Gefühl. Bekämpft Der schwache Zaunkönig, das kleinste Vöglein, Die Eule doch für seine Brut im Nest. Bei ihm ist alles Furcht und Liebe nichts; Nicht größer ist die Weisheit, wo die Flucht So gegen die Vernunft rennt.

ROSSE Teure Muhme, Ich bitte, mäßigt Euch, denn Euer Gatte Ist edel, klug, vorsichtig, kennt am besten Der Tage Sturm. Nicht viel mehr darf ich sagen. Doch harte Zeit ist, wenn Verräter wir Sind unbewußt, wenn uns Gerüchte ängsten, Aus Furcht nur, doch nicht wissend, was wir fürchten, Getrieben auf empörtem, wildem Meer, Nach allen Seiten hin.–So lebt denn wohl! Nicht lang, und wieder frag ich vor bei Euch. Was so tief sank, geht unter oder klimmt Zur alten Höh empor. Mein Vetterchen, Gott segne dich!

LADY MACDUFF Hat einen Vater und ist vaterlos!

ROSSE Ich bin so kindisch, daß ein längres Bleiben Mich nur beschämen würd und Euch entmutgen: Lebt wohl mit eins!

(Er geht ab.)

LADY MACDUFF Nun, Freund, tot ist dein Vater! Und was fängst du nun an? Wie willst du leben?

SOHN Wie Vögel, Mutter.

LADY MACDUFF Wie, von Würmern? Fliegen?

SOHN Nein, was ich kriegen kann; so machen sie’s.

LADY MACDUFF Du armer Vogel würdest nicht das Netz, Leimrute, Schling und Falle fürchten.

SOHN Wie doch? Für arme Vögel stellt man die nicht auf.– Mein Vater ist nicht tot, was du auch sagst.

LADY MACDUFF Ja, doch; wo kriegst du nun ’nen Vater her?

SOHN Nun, wo kriegst du ’nen Mann her?

LADY MACDUFF Ei, zwanzig kauf ich mir auf jedem Markt.

SOHN So kaufst du sie, sie wieder zu verkaufen.

LADY MACDUFF Du sprichst so klug du kannst, und für dein Alter Doch wahrlich klug genug.

SOHN War mein Vater ein Verräter, Mutter?

LADY MACDUFF Ja, das war er.

SOHN Was ist ein Verräter?

LADY MACDUFF Nun, einer, der schwört und es nicht hält.

SOHN Und sind alle Verräter, die das tun?

LADY MACDUFF Jeder, der das tut, ist ein Verräter und muß aufgehängt werden.

SOHN Müssen denn alle aufgehängt werden, die schwören und es nicht halten?

LADY MACDUFF Jawohl.

SOHN Wer muß sie denn aufhängen?

LADY MACDUFF Nun, die ehrlichen Leute.

SOHN Dann sind die, welche schwören und es nicht halten, rechte Narren; denn ihrer sind so viele, daß sie die ehrlichen Leute schlagen könnten und aufhängen dazu.

LADY MACDUFF Nun, Gott stehe dir bei, armes Äffchen! Aber was willst du nun anfangen, um einen Vater zu bekommen?

SOHN Wenn er tot wäre, so würdest du um ihn weinen, und tätest du das nicht, so wäre es ein gutes Zeichen, daß ich bald einen neuen Vater bekomme.

LADY MACDUFF Armes Närrchen, wie du plauderst!

(Ein Bote tritt auf.)

BOTE Gott mit Euch, schöne Frau! Ihr kennt mich nicht, Doch weiß ich Euren Stand und edeln Namen. Ich fürchte, daß Gefahr Euch nah bedroht; Verschmäht Ihr nicht den Rat ’nes schlichten Mannes, So bleibt nicht hier; schnell fort mit Euren Kleinen! Euch so zu schrecken bin ich grausam zwar, Doch wärs Unmenschlichkeit, es nicht zu tun, Da die Gefahr so nah. Der Himmel schütz Euch! Ich darf nicht weilen.

(Er geht ab.)

LADY MACDUFF Wohin sollt ich fliehn? Ich tat nichts Böses. Doch jetzt denk ich dran: Dies ist die irdsche Welt, wo Böses tun Oft löblich ist und Gutes tun zuweilen Schädliche Torheit heißt. Warum denn, ach, Verlaß ich mich auf diese Frauenwaffe Und sag, ich tat nichts Böses?

([Die Mörder kommen.])

Was für Gesichter?

(Mörder treten auf.)

ERSTER MÖRDER Wo ist Euer Mann?

LADY MACDUFF Nicht, hoff ich, an so unheiligem Ort, Wo deinesgleichen ihn findet.

ERSTER MÖRDER Der Verräter!

SOHN Du lügst, struppköpfiger Schurke!

ERSTER MÖRDER Was, du Ei!

(Ersticht ihn.)

Verräterbrut!

([Ersticht das Kind.])

SOHN Er hat mich umgebracht! Mutter, ich bitte dich, lauf fort!

(Stirbt. Lady Macduff geht ab, „Mord“ schreiend und von den Mördern verfolgt.)

LADY MACDUFF (entflieht und schreit:) Mord!

(Die Mörder verfolgen sie.)]

DRITTE SZENE

(England. [Park beim] Vor dem königlichen Schloß)

(Malcolm und Macduff treten auf.)

MALCOLM Laßt uns einsamen Schatten suchen und Durch Tränen unser Herz erleichtern.

MACDUFF Lieber Laßt uns, das Todesschwert ergreifend, wacker Aufstehn für unser hingestürztes Recht. An jedem Morgen heulen neue Witwen, Und neue Waisen schreien; neuer Jammer Schlägt an des Himmels Wölbung, daß er tönt, Als fühlt‘ er Schottlands Schmerz und hallte gellend Den Klagelaut zurück.

MALCOLM Das, was ich glaube, Will ich betrauern, glauben, was ich weiß, Und helfen will ich, wo ich kann, wenn Zeit Und Freund‘ ich finde. Was Ihr mir erzählt, Kann wohl sich so verhalten. Der Tyrann, Des Name schon die Zung uns schwären macht, Galt einst für ehrlich. Ihr habt ihn geliebt; Noch kränkt‘ er Euch nicht. Ich bin jung, doch etwas Könnt Ihr durch mich von ihm verdienen. Klug ists, Ein arm, unschuldig, schwaches Lamm zu opfern, Um einen zorngen Gott zu sühnen.

MACDUFF Ich bin kein Verräter.

MALCOLM Aber Macbeth ists. Auch strenge Tugend kann sich schrecken lassen Durch königliches Machtwort.–Doch verzeiht! Mein Denken kann das, was Ihr seid, nicht wandeln. Stets sind die Engel hell, fiel auch der hellste; Borgt alles Schlechte auch den Schein der Tugend, Doch müßte Tugend wie sie selbst erscheinen.

MACDUFF So hab ich meine Hoffnung denn verloren!

MALCOLM Vielleicht da, wo ich meinen Zweifel fand. Wie, in der Hast verließt Ihr Weib und Kind, So teure Pfänder, mächtge Liebesknoten, Selbst ohne Abschiednehmen? Ich ersuch Euch– Mein Mißtraun spricht nicht so. Euch zu entehren, Nur, mich zu sichern. Ihr könnt rein und treu sein, Was ich von Euch auch denke.

MACDUFF Blute, blute, Du armes Vaterland! So lege festen Grund denn, Tyrannei, Rechtmäßigkeit wagt nicht, dich anzugreifen! Trage dein Leid, dein echter Herrscher zittert! Prinz, lebe wohl! Nicht möcht ich sein der Schurke, Den du mich achtest, für den weiten Raum, Den der Tyrann in seinen Klauen hält, Zusamt dem reichen Ost.

MALCOLM Sei nicht beleidigt! Nicht unbedingter Argwohn sprach aus mir. Ich glaub es, unser Land erliegt dem Joch. Es weint und blutet; jeder neue Tag Schlägt neue Wunden ihm. Auch glaub ich wohl, Daß Hände sich erhöben für mein Recht. So bietet der huldreiche England mir Manch wackres Tausend. Doch, bei alledem, Wenn ich nun tret auf des Tyrannen Haupt, Es trag auf meinem Schwert, wird größre Laster Mein armes Land noch tragen als zuvor, Mehr dulden und auf schlimmre Art als je, Durch den, der folgen wird.

MACDUFF Wer wäre dieser?

MALCOLM Mich selber mein ich, in dem, wie ich weiß, Die Keime aller Laster so geimpft sind, Daß, brechen sie nun auf, der schwarze Macbeth Rein scheint wie Schnee und er dem armen Staat Lammartig dünkt, vergleicht er ihn mit meiner Maßlosen Sündlichkeit.

MACDUFF Nicht in Legionen Der grausen Höll ist ein verruchtrer Teufel, Der Macbeth überragt.

MALCOLM Wohl ist er blutig, Wollüstig, geizig, falsch, betrügerisch, Jähzornig, tückisch; schmeckt nach jeder Sünde, Die Namen hat. Doch völlig unstillbar Treibt mich Begierde; eure Weiber, Töchter, Jungfraun, Matronen könnten nicht ausfüllen Den Abgrund meiner Lust; und mein Verlangen Würd überspringen jede feste Schranke, Die meine Willkür hemmte. Besser Macbeth, Als daß ein solcher herrscht.

MACDUFF Unmäßigkeit Ist wohl auch Tyrannei und hat schon oft Manchen beglückten Thron zu früh verwaist, Viel Könige gestürzt. Allein deshalb Zagt nicht, zu nehmen, was Eur Eigen ist! Ihr mögt der Lust ein weites Feld gewähren Und kalt erscheinen, mögt die Welt verblenden. Der willgen Frauen gibts genug; unmöglich Kann solch ein Geier in Euch sein, der alle Verschlänge, die der Hoheit gern sich opfern, Zeigt sie ein solch Gelüst.

MALCOLM Daneben wuchert In meinem tief verderbten Sinn der Geiz, So unersättlich, daß, wär ich der König, Räumt ich die Edeln weg um ihre Güter; Dem raubt ich die Juwelen, dem das Haus; Mehr haben wäre mir die Würzung nur, Den Hunger mehr zu reizen; Netze strickt ich, Mit bösem Streit den Redlichen zu fangen, Um Reichtum ihn vernichtend.

MACDUFF Dieser Geiz Steckt tiefer, schlingt verderblicher die Wurzeln, Als sommerliche Lust; er war das Schwert, Das unsre Könige schlug. Doch fürchtet nichts; Schottland hat Reichtum gnug. Euch zu befriedgen, Der Euch mit Recht gehört. Dies alles ist Erträglich, ausgesöhnt durch Tugenden.

MALCOLM Die hab ich nicht–die Königstugenden, Wahrheit, Gerechtigkeit, Starkmut, Geduld, Ausdauer, Milde, Andacht, Gnade, Kraft, Mäßigkeit, Demut, Tapferkeit; von allen Ist keine Spur in mir–nein, Überfluß An jeglichem Verbrechen, ausgeübt In jeder Art. Ja, hätt ich Macht, ich würde Der Eintracht süße Milch zur Hölle gießen, Verwandeln allen Frieden in Empörung, Vernichten alle Einigkeit auf Erden.

MACDUFF O Schottland! Schottland!

MALCOLM Darf nun ein solcher wohl regieren? Sprich! Ich bin, wie ich gesagt.

MACDUFF Regieren? Nein, Nicht leben darf er! Oh, unselges Volk, Beherrscht mit blutigem Tyrannenzepter, Wann doch erlebst du wieder frohe Tage? Nie, denn der echtste Erbe deines Throns Hat sich durch selbstgesprochnen Bann verflucht Und brandmarkt seinen Stamm. Dein hoher Vater War ein höchst heilger Fürst; die dich gebar, Weit öfter auf den Knien als auf den Füßen, Starb jeden Tag des Lebens. Fahre wohl! Die Sünden, die du selbst dir zugesprochen, Verbannen mich aus Schottland.–O mein Herz, Dein Hoffen endet hier!

MALCOLM Macduff, dein edler Zorn, Das Kind der Redlichkeit, tilgt aus der Seele Mir jeden schwarzen Argwohn und versöhnt Mit deiner Treu und Ehre mein Gemüt. Der teuflische Macbeth hat oft versucht, Durch solche Künste mich ins Garn zu locken, Drum schirmt vor allzu gläubiger Hast mich Vorsicht. Doch Gott mag richten zwischen dir und mir, Denn jetzt geb ich mich ganz in deine Hände. Die Selbstverleumdung widerruf ich, schwöre Die Laster ab, durch die ich mich geschmäht, Als meinem Wesen fremd. Noch weiß ich nichts Vom Weibe, habe nimmer falsch geschworen, Verlangte kaum nach dem, was mir gehört! Stets hielt ich treu mein Wort, verriete selbst Den Satan nicht den Teufeln; Wahrheit gilt Mir mehr als Leben, meine erste Lüge War diese gegen mich. Mein wahres Selbst Ist dir und meinem armen Land geweiht, Wohin auch schon, noch eh du hergekommen, Der alte Siward mit zehntausend Kriegern Bereit stand aufzubrechen, und wir gehn Mitsammen nun. Sei uns das Glück gewogen, Wie unser Streit gerecht ist!–Warum schweigst du?

MACDUFF Schwer läßt sich so Willkommnes und zugleich So Unwillkommenes vereinen.

(Ein Arzt tritt auf.)

MALCOLM Gut! Mehr nachher.–

([Ein Arzt tritt auf.])

Geht heut der König aus?

ARZT Ja, Prinz, denn viele Arme sind versammelt, Die seine Hülf erwarten; ihre Krankheit Trotzt jeder Heilkunst, doch rührt er sie an, Hat so der Himmel seine Hand gesegnet, Daß sie sogleich genesen.

MALCOLM Dank Euch, Doktor!

(Der Arzt geht ab.)

MACDUFF Was für ’ne Krankheit ists?

MALCOLM Sie heißt das Übel; Ein wundertätig Werk vom guten König, Das ich ihn oft, seit ich in England bin, Vollbringen sah. Wie er zum Himmel fleht, Weiß er am besten. Seltsam Heimgesuchte, Voll Schwulst und Aussatz, kläglich anzuschauen, An denen alle Kunst verzweifelt, heilt er, Um ihren Nacken eine Goldmünz hängend, Mit heiligem Gebet. Und nach Verheißung Wird er vererben auf die künftgen Herrscher Die Wundergabe. Zu der heilgen Kraft Hat er auch himmlischen Prophetengeist; So steht um seinen Thron vielfacher Segen, Ihn gottbegabt verkündend.

([Rosse tritt auf.])

MACDUFF Wer kommt da?

MALCOLM Ein Landsmann, ob ich gleich ihn noch nicht kenne.

(Rosse tritt auf.)

MACDUFF Mein hochgeliebter Vetter, sei willkommen!

MALCOLM Jetzt kenn ich ihn.–O Gott, entferne bald, Was uns einander fremd macht.

ROSSE Amen, Herr!

MACDUFF Stehts noch um Schottland so?

ROSSE Ach, armes Land, Das fast vor sich erschrickt! Nicht unsre Mutter Kann es mehr heißen, sondern unser Grab, Wo nur, wer von nichts weiß, noch etwa lächelt, Wo Seufzen, Stöhnen, Schrein die Luft zerreißt, Und keiner achtets, wo Verzweiflung gilt Als ganz gewohnte Regung; keiner fragt: Um wen? beim Grabgeläut; der Wackern Leben Welkt schneller als der Strauß auf ihrem Hut, Sie sterben, eh sie krank sind.

MACDUFF O Erzählung, Zu herb und doch zu wahr!

MALCOLM Was ist die neuste Kränkung?

ROSSE Wer die erzählt, die eine Stunde alt, Wird ausgezischt; jedweder Augenblick Zeugt eine neue.

MACDUFF Wie stehts um mein Weib?

ROSSE Nun–wohl.

MACDUFF Und meine Kinder alle?

ROSSE Auch wohl.

MACDUFF Nicht stürmte der Tyrann in ihren Frieden?

ROSSE Sie waren all in Frieden, als ich schied.

MACDUFF Sei nicht mit Worten geizig; sprich, wie stehts?

ROSSE Als ich fortging, die Nachricht herzubringen, An der ich schwer trug, lief dort ein Gerücht, Daß manche wackren Leute ausgezogen, Und diesen Glauben fand ich auch bestätigt, Weil ich im Feld sah des Tyrannen Truppen. Nun ist zu helfen Zeit; Eur Aug in Schottland Erschüfe Krieger, trieb in Kampf die Frauen, Ihr Elend abzuschütteln.

MALCOLM Sei’s ihr Trost, Daß wir schon nahn. Der gütge England leiht uns Den wackern Siward und zehntausend Mann; Ein alter Krieger, keinen bessern gibts In aller Christenheit.

ROSSE Könnt ich den Trost Mit Trost vergelten! Doch ich habe Worte– O würden sie in leere Luft geheult, Wo nie ein Ohr sie faßte!

MACDUFF Wen betriffts? Ists allgemeines Weh? Ists eigner Schmerz, Der einem nur gehört?

ROSSE Kein redlich Herz, Das nicht mit leidet; doch der größre Teil Ist nur für dich allein.

MACDUFF Gehört es mir, Enthalte mirs nicht vor; schnell laß michs haben!

ROSSE Dein Ohr wird meine Zunge ewig hassen, Die’s mit dem jammervollsten Ton betäubt, Den jemals du gehört.

MACDUFF Ha, ich errat es!

ROSSE Dein Schloß ist überfallen; Weib und Kinder Grausam erschlagen! Zu erzählen wie, Das hieß‘, auf diesen Berg von Opfern noch Als letztes häufen deinen Tod.

MALCOLM O Himmel!– Nein, Mann, drück nicht den Hut so in die Augen, Gib Worte deinem Schmerz. Gram, der nicht spricht, Preßt das beladne Herz, bis daß es bricht.

MACDUFF Auch meine Kinder?

ROSSE Gattin, Kinder, Diener, Was man nur fand.

MACDUFF Und ich muß ferne sein! Mein Weib gemordet auch?

ROSSE Ich sagt es.

MALCOLM Faßt Euch! Laßt uns Arznei aus mächtger Rache mischen, Dies Todesweh zu heilen.

MACDUFF Er hat nicht Kinder! All die süßen Kleinen? Alle sagst du?–O Höllengeier!–Alle! Was! All die holden Küchlein, samt der Mutter, Mit einem wilden Griff?

MALCOLM Ertragt es wie ein Mann!

MACDUFF Das will ich auch; Doch ebenso muß wie ein Mann ichs fühlen: Vergessen kann ich nicht, daß das gewesen, Was mir das Liebste war. Konnte der Himmel Es anschaun und nicht helfen? Sündger Macduff, Für dich sind sie erschlagen! Ich Verworfner! Für ihre Sünden nicht, nein, für die meinen Sind sie gewürgt.–Schenk ihnen Frieden, Gott!

MALCOLM Dies wetze scharf dein Schwert, verwandle Gram In Zorn, erschlaffe nicht dein Herz, entflamm es!

MACDUFF Ich will das Weib nicht mit den Augen spielen Und prahlen mit der Zung!–Doch, gütger Himmel, Verkürze jeden Aufschub! Stirn an Stirn Führ diesen Teufel Schottlands mir entgegen! Stell ihn in meines Schwerts Bereich; entrinnt er, Himmel, vergib ihm auch!

MALCOLM So klingt es männlich! Jetzt kommt zum König, fertig steht das Heer, Es mangelt nur noch, daß wir Abschied nehmen. Macbeth ist reif zur Ernte, und dort oben Bereiten ewge Mächte schon das Messer. Faßt frischen Mut; so lang ist keine Nacht, Daß endlich nicht der helle Morgen lacht.

(Sie gehen ab.)

FÜNFTER AKT

ERSTE SZENE

(Dunsinan, Zimmer im Schloß)

(Es treten auf ein Arzt und eine Kammerfrau.)

ARZT Zwei Nächte habe ich nun mit Euch gewacht, aber keine Bestätigung Eurer Aussage gesehen. Wann ist sie zuletzt umhergewandelt?

KAMMERFRAU Seitdem Seine Majestät in den Krieg zog, habe ich gesehen, wie sie aus ihrem Bett aufstand, ihr Nachtgewand umwarf, ihren Schreibtisch aufschloß, Papier nahm, es zusammenlegte, schrieb, das Geschriebene las, es versiegelte und dann wieder zu Bett ging: und die ganze Zeit im tiefsten Schlafe.

ARZT Eine große Zerrüttung der Natur, die Wohltat des Schlafes zu genießen und zugleich die Geschäfte des Wachens zu verrichten. In dieser schlafenden Aufregung, außer dem Umherwandeln und anderem Tun, was, irgend einmal, habt Ihr sie sprechen hören?

KAMMERFRAU Dinge, die ich ihr nicht nachsprechen werde.

ARZT Mir könnt Ihrs vertrauen; und es ist notwendig, daß Ihr es tut.

KAMMERFRAU Weder Euch noch irgend jemand, da ich keine Zeugen habe, meine Aussage zu bekräftigen.

([Lady Macbeth kommt, eine Kerze in der Hand.])

Seht, da kommt sie!

(Lady Macbeth kommt mit einer Kerze.)

So ist ihre Art und Weise! Und, bei meinem Leben, fest im Schlaf. Beobachtet sie, versteckt Euch!

ARZT Wie kam sie zu dem Licht?

KAMMERFRAU Das brennt neben ihrem Bett. Sie hat immer Licht; es ist ihr Befehl.

ARZT Seht, ihre Augen sind offen!

KAMMERFRAU Ja, aber ihre Sinne geschlossen.

ARZT Was macht sie nun? Schaut, wie sie sich die Hände reibt!

KAMMERFRAU Das ist ihre gewöhnliche Gebärde, daß sie tut, als wüsche sie sich die Hände; ich habe wohl gesehen, daß sie es eine Viertelstunde hintereinander tat.

LADY MACBETH Da ist noch ein Fleck.

ARZT Horch, sie spricht! Ich will aufschreiben, was sie sagt, um hernach meine Erinnerung daraus zu ergänzen.

LADY MACBETH Fort, verdammter Fleck, fort, sag ich!–Eins, zwei! Nun, dann ist es Zeit, es zu tun.–Die Hölle ist finster!– Pfui, mein Gemahl, pfui, ein Soldat und furchtsam! Was haben wir zu fürchten, wer es weiß, da niemand unsre Gewalt zur Rechenschaft ziehen darf?–Aber wer hätte gedacht, daß der alte Mann noch so viel Blut in sich hätte?

ARZT Hört Ihr wohl?

LADY MACBETH Der Than von Fife hatte ein Weib: Wo ist sie nun? –Wie, wollen diese Hände denn nie rein werden?– Nichts mehr davon, mein Gemahl, nichts mehr davon; du verdirbst alles mit diesem Auffahren.

ARZT Ei, ei! Ihr habt erfahren, was Ihr nicht solltet!

KAMMERFRAU Gesprochen hat sie, was sie nicht sollte, das ist gewiß. Gott weiß, was sie erfahren hat.

LADY MACBETH Noch immer riecht es hier nach Blut; alle Wohlgerüche Arabiens würden diese kleine Hand nicht wohlriechend machen. Oh, oh, oh!

ARZT Was das für ein Seufzer war! Ihr Herz ist schmerzlich beladen.

KAMMERFRAU Ich möchte nicht ein solches Herz im Busen tragen, nicht für den Königsschmuck des ganzen Leibes.

ARZT Gut, gut!

KAMMERFRAU Gebe Gott, daß es gut sei!

ARZT Diese Krankheit liegt außer dem Gebiete meiner Kunst; aber ich habe Menschen gekannt, die im Schlaf umherwandelten und doch fromm in ihrem Bett starben.

LADY MACBETH Wasch deine Hände, leg dein Nachtkleid an, sieh doch nicht so blaß aus!–Ich sage es dir noch einmal, Banquo ist begraben, er kann aus seiner Gruft nicht herauskommen.

ARZT Wirklich?

LADY MACBETH Zu Bett, zu Bett! Es wird ans Tor geklopft. Komm, komm, komm, komm, gib mir die Hand!–Was geschehen ist, kann man nicht ungeschehn machen. –Zu Bett, zu Bett, zu Bett!

(Sie geht ab.)

ARZT Geht sie nun zu Bett?

KAMMERFRAU Unverzüglich.

ARZT Man flüstert Schlimmes. Taten unnatürlich Erzeugen unnatürliche Zerrüttung; Die kranke Seele will ins taube Kissen Entladen ihr Geheimnis. Sie bedarf Des Beichtgers mehr noch als des Arztes.–Gott, Vergib uns allen! Seht nach ihr; entfernt, Womit sie sich verletzen könnt, und habt Ein Auge stets auf sie!–So, gute Nacht! Der Anblick hat mir Schreck und Graun gemacht. Ich denk und darf nichts sagen.

KAMMERFRAU Nun, schlaft wohl!

(Sie gehn ab.)

ZWEITE SZENE

(Feld, in der Nähe von Dunsinan)

(Es treten auf mit Trommeln und Fahnen Menteth, Cathness, Angus, Lenox, Soldaten.)

MENTETH Das Heer von England naht, geführt von Malcolm, Seinem Ohm Siward und dem guten Macduff: Von Rache glühn sie; denn ihr herbes Leid Erregte wohl den abgestorbnen Greis Zu blutig grimmem Kampf.

ANGUS Bei Birnams Wald, Von dorther nahn sie, treffen wir sie wohl.

CATHNESS Ob Donalbain bei seinem Bruder ist?

LENOX Gewiß nicht, Herr; denn eine Liste hab ich Vom ganzen Adel. Dort ist Siwards Sohn, Und mancher glatte Jüngling, der zuerst Die Mannheit prüft.

MENTETH Und was tut der Tyrann?

CATHNESS Das mächtge Dunsinan befestigt er. Toll heißt ihn mancher; wer ihn minder haßt, Nennts tapfre Wut; doch ists gewiß, er kann Den wild empörten Zustand nicht mehr schnallen In den Gurt der Ordnung.

ANGUS Jetzt empfindet er Geheimen Mord, an seinen Händen klebend; Jetzt straft Empörung stündlich seinen Treubruch. Die er befehligt, handeln auf Befehl, Aus Liebe nicht. Jetzt fühlt er seine Würde Zu weit und lose, wie des Riesen Rock Hängt um den diebschen Zwerg.

MENTETH Ist es ein Wunder, Wenn sein gequälter Sinn auffährt und schaudert? Muß all sein Fühlen sich doch selbst verdammen, Weils seiner Seele eignet.

CATHNESS Ziehn wir weiter, Da Dienst zu weihen, wo es Lehnspflicht fordert; Suchen wir auf das Heil des kranken Staates! Mit ihm vergießen wir, zum Wohl des Landes, All unser Blut.

LENOX So viel, daß es betaut Die Herrscherblum, ertränkt das giftge Kraut. So geh der Zug nach Birnam.

(Sie marschieren vorüber.)

DRITTE SZENE

(Dunsinan, ein Zimmer im Schloß)

(Macbeth tritt auf; der Arzt, Gefolge.)

MACBETH Bringt keine Nachricht mehr! Laßt alle fliehn; Bis Birnams Wald anrückt auf Dunsinan, Ist Furcht mir nichts. Was ist der Knabe Malcolm? Gebar ihn nicht ein Weib? Die Geister, kundig All irdischen Waltens, prophezeiten so: Sei kühn, Macbeth, kein Mann, vom Weib geboren, Soll je dir was anhaben. Flieht denn immer, Ihr falschen Thans, zu Englands Weichlingen! Dies Herz und meinen Herrschergeist verwegen, Dämpft Zweifel nicht und soll die Furcht nie regen.

(Ein Diener tritt auf.)

Der Teufel brenn dich schwarz, milchbleicher Lump! Wie kommst du an den Gänseblick?

DIENER Da sind zehntausend–

MACBETH Gäns, Schuft?

DIENER Krieger, Herr.

MACBETH Reib dein Gesicht, die Furcht zu überröten, Weißlebriger Hund. Was denn für Krieger, Hansnarr? Hol dich der Teufel! Deine Kreidewangen Verführen all zur Furcht. Was denn für Krieger, Molkengesicht?

DIENER Erlaubt, das Heer von England!

MACBETH Weg dein Gesicht!

(Diener ab.)

Seyton!–Mir wird ganz übel, Seh ich so–Seyton! Heda!–Dieser Ruck Kuriert auf immer oder liefert jetzt mich. Ich lebte lang genug; mein Lebensweg Geriet ins Dürre, ins verwelkte Laub; Und was das hohe Alter soll begleiten, Gehorsam, Liebe, Ehre, Freundestrost, Danach darf ich nicht aussehn; doch, statt dessen Flüche, nicht laut, doch tief. Munddienst und Hauch, Was gern das arme Herz mir weigern möchte, Und wagts nicht.–Seyton!

(Seyton kommt.)

SEYTON Was befiehlt mein Herrscher?

MACBETH Was gibt es Neues?

SEYTON Alles wird bestätigt, Was das Gerücht verkündet.

MACBETH Ich will fechten, Bis mir das Fleisch gehackt ist von den Knochen. Gebt meine Rüstung mir!

SEYTON Noch tuts nicht not.

MACBETH Ich leg sie an. Mehr Reiter sendet aus, durchstreift das Land; Wer Furcht nennt, wird gehängt.–Bringt mir die Rüstung! Was macht die Kranke, Arzt?

ARZT Nicht krank sowohl, Als durch gedrängte Phantasiegebilde Gestört, der Ruh beraubt.

MACBETH Heil sie davon! Kannst nichts ersinnen für ein krank Gemüt? Tief wurzelnd Leid aus dem Gedächtnis reuten? Die Qualen löschen, die ins Hirn geschrieben? Und mit Vergessens süßem Gegengift Die Brust entledigen jener giftgen Last, Die schwer das Herz bedrückt?

ARZT Hier muß der Kranke selbst das Mittel finden.

MACBETH Den Hunden deine Kunst, ich mag sie nicht.– Legt mir die Rüstung an; den Stab her!–Seyton, Schick aus!–Doktor, die Thans verlassen mich.– Nun, mach geschwind!–Arzt, könntst du meinem Land Beschaun das Wasser, seine Krankheit finden, Und es zum kräftgen frühern Wohlsein reingen, Wollt ich mit deinem Lob das Echo wecken, Daß es dein Lob weit hallte. –Weg den Riemen!– Welche Purganz, Rhabarber, Senna führte Wohl ab die Englischen?–Hörst du von ihnen?

ARZT Ja, hoher König, Eure Kriegesrüstung Macht, daß wir davon hören.

MACBETH Bringts mir nach!– Nicht Tod und nicht Verderben ficht mich an, Kommt Birnams Wald nicht her nach Dunsinan!

([Er geht ab.] Alle außer dem Arzt gehen ab.)

ARZT War ich von Dunsinan mit Heil und Glück, So brächte mich kein Vorteil je zurück.

([Alle] ab.)

VIERTE SZENE

(Feld in der Nähe von Dunsinan, ein Wald in [der Ferne] Sichtweite)

(Es treten auf mit Trommeln und Fahnen Malcolm, der alte Siward, sein Sohn, Macduff, Menteth, Cathness, Angus, Lenox, Rosse, Soldaten.)

MALCOLM Vettern, die Tage, hoff ich, sind uns nah, Wo Kammern sicher sind.

MENTETH Wir zweifeln nicht.

SIWARD Wie heißt der Wald da vor uns?

MENTETH Birnams Wald.

MALCOLM Ein jeder Krieger hau sich ab ’nen Zweig Und trag ihn vor sich; so verbergen wir Die Truppenzahl, und irrig wird der Feind In seiner Schätzung.

[EIN SOLDAT] SOLDATEN Es soll gleich geschehn.

([Die Soldaten gehn ab.])

SIWARD Wir hören nichts, als daß mit Zuversicht Sich der Tyrann auf Dunsinan befestigt Und die Belagrung ausstehn will.

MALCOLM Darauf Vertraut er einzig. Wo’s nur möglich ist, Empört sich hoch und niedrig gegen ihn, Und niemand folgt ihm, als erzwungnes Volk, Das nicht von Herzen dient.

MACDUFF Laßt bis zum Siege Gerechtes Urteil ausstehn; lenkt den Eifer Auf unsern Kriegszug!

SIWARD Ja, es naht die Zeit, Wo richtiges Unterscheiden läßt erkennen, Das, was wir schulden, was wir unser nennen. Grübeln und Träumen hofft ohn Sicherheit; Echten Erfolg entscheidet erst der Streit, Und ihm entgegen führt den Kriegeszug!

(Alle gehen marschierend ab.)

FÜNFTE SZENE

(Dunsinan, im Schloß)

(Mit Trommeln und Fahnen treten auf Macbeth, Seyton, Soldaten.)

MACBETH Pflanzt unsre Banner auf die äußre Mauer; Stets heißts: sie kommen! Unser festes Schloß Lacht der Belagrung; mögen sie hier liegen, Bis Hunger sie und Krankheit aufgezehrt. Verstärken die sie nicht, die uns gehören, Wir hätten, Bart an Bart, sie kühn getroffen Und sie nach Haus gegeißelt.

(Ein Schrei von Frauen hinter der Szene.)

Was für Lärm?

([Weibergeschrei hinter der Szene.])

SEYTON Es ist Geschrei von Weibern, gnädger Herr.

(Geht ab.)

MACBETH Verloren hab ich fast den Sinn der Furcht. Es gab ’ne Zeit, wo kalter Schaur mich faßte, Wenn der Nachtvogel schrie, das ganze Haupthaar Bei einer schrecklichen Geschicht empor Sich richtete, als wäre Leben drin. Ich hab mich vollgeschluckt mit so viel Grauen: Entsetzen, meinem Mordsinn eng vertraut, Schreckt nun mich nimmermehr.–

(Seyton kommt zurück.)

Weshalb das Wehschrein?

SEYTON Die Königin, Herr, ist tot.

MACBETH Sie hätte später sterben können; es hätte Die Zeit sich für ein solches Wort gefunden.– Morgen, und morgen, und dann wieder morgen, Kriecht so mit kleinem Schritt von Tag zu Tag, Zur letzten Silb auf unserm Lebensblatt; Und alle unsre Gestern führten Narren Den Pfad zum staubigen Tod. Aus, kleines Licht! Leben ist nur ein wandelnd Schattenbild, Ein armer Komödiant, der spreizt und knirscht Sein Stündchen auf der Bühn und dann nicht mehr Vernommen wird; ein Märchen ists, erzählt Von einem Blödling, voller Klang und Wut, Das nichts bedeutet.

(Ein Bote kommt.)

Du hast was auf der Zunge: schnell heraus!

BOTE Mein königlicher Herr, Ich sollte melden das, was, wie ich glaube, Ich sah; doch wie ichs tun soll, weiß ich nicht.

MACBETH Nun, sags nur, Mensch!

BOTE Als ich den Wachtdienst auf dem Hügel tat– Ich schau nach Birnam zu, und sieh, mir deucht, Der Wald fängt an zu gehn.

MACBETH Lügner und Sklav!

(Schlägt ihn.)

BOTE Laßt Euren Zorn mich fühlen, ists nicht so: Drei Meilen weit könnt Ihr ihn kommen sehn; Ein gehnder Wald–wahrhaftig!

MACBETH Sprichst du falsch, Sollst du am nächsten Baum lebendig hangen, Bis Hunger dich verschrumpft hat; sprichst du wahr, Magst du mir meinethalb dasselbe tun.– Einzieh ich die Entschlossenheit, beginne Den Doppelsinn des bösen Feinds zu merken, Der Lüge spricht wie Wahrheit: Fürchte nichts, Bis Birnams Wald anrückt auf Dunsinan!– Und nunmehr kommt ein Wald nach Dunsinan! Waffen nun, Waffen, und hinaus!– Ist Wahrheit das, was seine Meldung spricht, So ist kein Fliehn von hier, ist Bleiben nicht. Das Sonnenlicht will schon verhaßt mir werden; O fiel in Trümmer jetzt der Bau der Erden! Auf, läutet Sturm! Wind, blas! Heran, Verderben! Den Harnisch auf dem Rücken will ich sterben.

(Alle ab.)

SECHSTE SZENE

(Daselbst. Feld vor dem Schloß)

(Es treten auf mit Trommeln und Fahnen Malcolm, der alte Siward, Macduff, die übrigen Anführer, das Heer mit Zweigen.)

MALCOLM Jetzt nah genug! Werft ab die laubigen Schirme Und zeigt euch, wie ihr seid! Ihr, würdger Oheim, Führt mit dem Vetter, Eurem edlen Sohn, Die erste Schar; ich und der würdge Macduff Besorgen, was noch übrig ist zu tun, Wie wir es angeordnet.

SIWARD Lebt denn wohl! Zieht uns nur heut entgegen der Tyrann, Mag er den schlagen, der nicht fechten kann!

MACDUFF Trompeten, blast, beteuert kühnen Mut, Herolde ruft ihr uns in Tod und Blut!

(Alle ab. [Schlachtgetümmel hinter der Szene.])

SIEBENTE SZENE

(Daselbst. Ein andrer Teil des Feldes)

(Kriegsgeschrei. Macbeth tritt auf.)

MACBETH Sie banden mich an den Pfahl, fliehn kann ich nicht, Muß wie der Bär der Hatz entgegenkämpfen: Wo ist er, der nicht ward vom Weib geboren? Den fürcht ich, keinen sonst.

(Der junge Siward kommt.)

DER JUNGE SIWARD Wie ist dein Name?

MACBETH Du wirst erschrecken, ihn zu hören.

DER JUNGE SIWARD Nein! Nennst du dich auch mit einem grimmren Namen Als einer in der Höll.

MACBETH Mein Nam ist Macbeth.

DER JUNGE SIWARD Der Teufel selber könnte nichts verkünden, Verhaßter meinem Ohr.

MACBETH Und nichts so furchtbar.

DER JUNGE SIWARD Abscheulicher Tyrann, du lügst! Das soll Mein Schwert dir zeigen.

(Gefecht, der junge Siward fällt.)

MACBETH Wardst vom Weib geboren.– Der Schwerter lach ich, spotte der Gefahr, Womit ein Mann droht, den ein Weib gebar.

(Er geht ab. Getümmel, Macduff kommt.)

MACDUFF Dort ist der Lärm.–Zeig dein Gesicht, Tyrann! Fällst du, und nicht von meinem Schwert, so werden Mich meines Weibs, der Kinder Geister quälen; Ich kann auf armes Kernenvolk nicht schlagen, Die in gedungner Hand die Lanze führen. Nur du, Macbeth! Wo nicht, kehrt schartenlos Und ohne Tat mein Schwert zurück zur Scheide. Dort mußt du sein; dies mächtge Tosen kündet, Daß dort vom ersten Range einer kämpft. O Glück, eins bitt ich nur: laß mich ihn finden!

(Er geht ab. Getümmel. Malcolm und der alte Siward kommen.)

SIWARD Hieher, mein Prinz!–Das Schloß ergab sich willig; Auf beiden Seiten kämpft des Wütrichs Volk. Die edlen Thans tun wackre Kriegesdienste; Der Tag hat sich fast schon für Euch entschieden, Nur wenig ist zu tun.

MALCOLM Wir trafen Feinde, Die uns vorbei haun.

SIWARD Kommt, Prinz, in die Festung!

(Sie gehen ab. Getümmel,)

ACHTE SZENE

(Daselbst. Ein anderer Teil des Feldes)

(Macbeth kommt.)

MACBETH Weshalb sollt ich den römschen Narren spielen, Sterbend durchs eigne Schwert? So lange Leben Noch vor mir sind, stehn denen Wunden besser.

(Macduff kommt zurück.)

MACDUFF Zu mir, du Höllenhund, zu mir!

MACBETH Von allen Menschen mied ich dich allein; Du, mach dich nur zurück, mit Blut der Deinen Ist meine Seele schon zu sehr beladen.

MACDUFF Ich habe keine Worte, meine Stimme Ist nur in meinem Schwert. Du Schurke! Blutger, Als Sprache Worte hat!

(Sie fechten.)

MACBETH Verlorne Müh! So leicht magst du die unteilbare Luft Mit scharfem Schwert durchhaun, als mich verletzen. Auf Schädel, die verwundbar, schwing den Stahl; Mein Leben ist gefeit, kann nicht erliegen Einem vom Weib Gebornen.

MACDUFF So verzweifle An deiner Kunst, und sage dir der Engel, Dem du von je gedient, daß vor der Zeit Macduff geschnitten ward aus Mutterleib.

MACBETH Verflucht die Zunge, die mir dies verkündet, Denn meine beste Mannheit schlägt sie nieder! Und keiner trau dem Gaukelspiel der Hölle, Die uns mit doppelsinnger Rede äfft, Die Wort dem Ohr nur hält mit Glückverheißung Und es der Wahrheit bricht.–Mit dir nicht kämpf ich.

MACDUFF Nun, so ergib dich, Memme! Und leb als Wunderschauspiel für die Welt. Wir wollen dich als seltnes Ungeheuer Im Bild auf Stangen führen, mit der Schrift: Hier zeigt man den Tyrannen.

MACBETH Ich will mich nicht ergeben, um zu küssen Den Boden vor des Knaben Malcolm Fuß, Gehetzt zu werden von des Pöbels Flüchen. Ob Birnams Wald auch kam nach Dunsinan, Ob meinen Gegner auch kein Weib gebar, Doch wag ich noch das Letzte: vor die Brust Werf ich den mächtgen Schild. Nun magst dich wahren, Wer Halt! zuerst ruft, soll zur Hölle fahren!

(Sie gehen kämpfend ab. Rückzug. Trompeten. Es treten auf mit Trommeln und Fahnen Malcolm, der alte Siward, Rosse, Lenox, Angus, Cathness, Menteth und Soldaten.)

MALCOLM O wären lebend die vermißten Freunde!

SIWARD Mancher muß draufgehn; doch soviel ich sehe, Ist dieser große Tag wohlfeil erkauft.

MALCOLM Vermißt wird Macduff und Eur edler Sohn.

ROSSE Eur Sohn, Mylord, hat Kriegerschuld gezahlt. Er lebte nur, bis er ein Mann geworden; In seiner Kühnheit war dies kaum bewährt Durch unverzagten Kampf in blutger Schlacht, Als er starb wie ein Mann.

SIWARD So ist er tot?

ROSSE Ja, und getragen aus dem Feld. Eur Schmerz Muß nicht nach seinem Wert gemessen werden, Sonst wär er endlos.

SIWARD Hat er vorn die Wunden?

ROSSE Ja, auf der Stirn.

SIWARD Wohl: sei er Gottes Kriegsmann! Hätt ich so viele Söhn‘, als Haar‘ ich habe, Ich wünschte keinem einen schönern Tod: Das ist sein Grabgeläut.

MALCOLM Mehr Trauer ist er Noch wert; ich weih sie ihm.

SIWARD Mehr tun ist Schwäche. Er schied geehrt und zahlte seine Zeche. So, Gott sei mit ihm!–Seht, ein neuer Trost!

(Macduff kommt mit Macbeths Kopf.)

MACDUFF Heil, König! Denn das bist du. Schau, hier steht Des Usurpators Haupt; nun sind wir frei! Ich seh umringt dich von des Reiches Perlen, Die meinen Gruß im Herzen mit mir sprechen, Und deren lautes Wort ich jetzt erheische: Dem König Schottlands Heil!

ALLE Heil, Schottlands König!

(Trompetenstoß.)

MALCOLM Wir wollen nicht vergeblich Zeit verschwenden, Mit Eurer Liebe einzeln abzurechnen, Und quitt mit Euch zu werden. Thans und Vettern, Hinfort seid Grafen, die zuerst in Schottland Mit dieser Ehre prangen. Was zu tun noch, Was nun gepflanzt muß werden mit der Zeit, Als Rückberufung der verbannten Freunde, Die des Tyrannen listger Schling entflohn, Einziehn der blutgen Schergen dieses toten Bluthunds und seiner höllischen Königin, Die, wie man glaubt, gewaltsam selbst ihr Leben Geendet.–Alles, was Uns sonst noch obliegt, Das, mit der ewgen Gnade Gnadenhort, Vollenden Wir nach Maß und Zeit und Ort. Euch allen werd und jedem Dank und Lohn, Und jetzt zur Krönung lad ich Euch nach Scone. (Trompetenstoß. Alle ab.)

William Shakespeare – Julius Cäsar

William Shakespeare: Julius Cäsar

Erster Aufzug

Erste Szene

Rom. Eine Straße

Flavius, Marullus und ein Haufe von Bürgern

Flavius.

Packt euch nach Haus, ihr Tagediebe! fort!

Ist dies ein Feiertag! Was? wißt ihr nicht,

Daß ihr als Handwerksleut an Werkeltagen

Nicht ohn ein Zeichen der Hantierung dürft

Umhergehn? – Welch‘ Gewerbe treibst du? sprich!

Erster Bürger.

Nun, Herr, ich bin ein Zimmermann.

Marullus.

Wo ist dein ledern Schurzfell und dein Maß?

Was machst du hier in deinen Sonntagskleidern? –

Ihr, Freund, was treibt Ihr?

Zweiter Bürger.

Die Wahrheit zu gestehn, Herr, gegen einen feinen Arbeiter gehalten, mache ich nur, sozusagen, Flickwerk.

Marullus.

Doch welch Gewerb? Antworte gradezu.

Zweiter Bürger.

Ein Gewerbe, Herr, das ich mit gutem Gewissen treiben kann, wie ich hoffe. Es besteht darin, einen schlechten Wandel zu verbessern.

Marullus.

Welch ein Gewerb, du Schuft? welch ein Gewerb?

Zweiter Bürger.

Nein, ich bitte Euch, Herr, laßt Euch die Geduld nicht reißen. Wenn aber ja was reißt, so gebt Euch nur in meine Hand.

Marullus.

Was meinst du damit? Mich in deine Hand geben, du naseweiser Bursch?

Zweiter Bürger.

Nun ja, Herr, damit ich Euch flicken kann.

Flavius.

Du bist ein Schuhflicker, nicht wahr?

Zweiter Bürger.

Im Ernst, Herr, ich bin ein Wundarzt für alte Schuhe: wenn’s gefährlich mit ihnen steht, so mache ich sie wieder heil. So hübsche Leute, als jemals auf Rindsleder getreten, sind auf meiner Hände Werk einhergegangen.

Flavius.

Doch warum bist du in der Werkstatt nicht?

Was führst du diese Leute durch die Gassen?

Zweiter Bürger.

Meiner Treu, Herr, um ihre Schuhe abzunutzen, damit ich wieder Arbeit kriege. Doch im Ernst, Herr, wir machen Feiertag, um den Cäsar zu sehen und uns über seinen Triumph zu freuen.

Marullus.

Warum euch freun? Was hat er wohl erobert?

Was für Besiegte führt er heim nach Rom

Und fesselt sie zur Zier an seinen Wagen?

Ihr Blöck‘! ihr Steine! schlimmer als gefühllos!

O harte Herzen! arge Männer Roms!

Habt ihr Pompejus nicht gekannt? Wie oft

Stiegt ihr hinan auf Mauern und auf Zinnen,

Auf Türme, Fenster, ja auf Feueressen,

Die Kinder auf dem Arm, und saßet da

Den lieben langen Tag, geduldig wartend,

Bis durch die Straßen Roms Pompejus zöge?

Und saht ihr seinen Wagen nur von fern,

Erhobt ihr nicht ein allgemeines Jauchzen,

So daß die Tiber bebt‘ in ihrem Bett,

Wenn sie des Lärmes Widerhall vernahm

An ihren hohlen Ufern?

Und legt ihr nun die Feierkleider an?

Und spart ihr nun euch einen Festtag aus?

Und streut ihr nun ihm Blumen auf den Weg,

Der siegprangt über des Pompejus Blut?

Hinweg!

In eure Häuser lauft, fallt auf die Knie

Und fleht die Götter an, die Not zu wenden,

Die über diesen Undank kommen muß!

Flavius.

Geht, geht, ihr guten Bürger! und versammelt

Für dies Vergehen eure armen Brüder;

Führt sie zur Tiber, weinet eure Tränen

Ins Flußbett, bis ihr Strom, wo er am flachsten,

Die höchsten ihrer Uferhöhen küßt.

(Die Bürger ab.)

Sieh, wie die Schlacken ihres Innern schmelzen!

Sie schwinden weg, verstummt in ihrer Schuld.

Geht Ihr den Weg, hinab zum Kapitol;

Hierhin will ich. Entkleidet dort die Bilder,

Seht Ihr mit Ehrenzeichen sie geschmückt.

Marullus.

Ist das erlaubt?

Ihr wißt, es ist das Luperkalienfest.

Flavius.

Es tut nichts: laßt mit den Trophäen Cäsars

Kein Bild behängt sein. Ich will nun umher

Und will den Pöbel von den Gassen treiben.

Das tut auch Ihr, wo Ihr gedrängt sie seht.

Dies wachsende Gefieder, ausgerupft

Der Schwinge Cäsars, wird den Flug ihm hemmen,

Der, über Menschenblicke hoch hinaus,

Uns alle sonst in knechtscher Furcht erhielte. (Beide ab.)

Zweite Szene

Ein öffentlicher Platz In einem feierlichen Aufzuge mit Musik kommen Cäsar, Antonius, zum Wettlauf gerüstet, Calpurnia, Portia, Decius, Cicero, Brutus, Cassius und Casca; hinter ihnen ein großes Gedränge, darunter ein Wahrsager

Cäsar.

Calpurnia!

Casca.

Still da! Cäsar spricht. (Die Musik hält inne.)

Cäsar.

Calpurnia!

Calpurnia.

Hier, mein Gemahl!

Cäsar.

Stellt dem Antonius grad Euch in den Weg

Wenn er zur Wette läuft. – Antonius!

Antonius.

Erlauchter Cäsar?

Cäsar.

Vergeßt, Antonius, nicht, in Eurer Eil

Calpurnia zu berühren; denn es ist

Ein alter Glaube, unfruchtbare Weiber,

Berührt bei diesem heilgen Wettelauf,

Entladen sich des Fluchs.

Antonius.

Ich werd es merken.

Wenn Cäsar sagt: «Tu das», so ist’s vollbracht.

Cäsar.

Beginnt; laßt nichts von den Gebräuchen aus. (Musik.)

Wahrsager.

Cäsar!

Cäsar.

He, wer ruft?

Casca.

Es schweige jeder Lärm: noch einmal, still! (Die Musik hält inne.)

Cäsar.

Wer ist es im Gedräng, der mich begehrt?

Durch die Musik dringt gellend eine Stimme,

Die «Cäsar!» ruft. Spricht Cäsar neigt sein Ohr.

Wahrsager.

Nimm, vor des Märzen Idus dich in acht.

Cäsar.

Wer ist der Mann?

Brutus.

Ein Wahrsager; er warnt Euch vor des Märzen Idus.

Cäsar.

Führt ihn mir vor, laßt sein Gesicht mich sehn.

Casca.

Komm aus dem Haufen, Mensch; tritt vor den Cäsar.

Cäsar.

Was sagst du nun zu mir? Sprich noch einmal.

Wahrsager.

Nimm vor des Märzen Idus dich in acht.

Cäsar.

Er ist ein Träumer; laßt ihn gehn, und kommt. (Ein Marsch. Alle bis auf Brutus und Cassius gehn ab.)

Cassius.

Wollt Ihr den Hergang bei dem Wettlauf sehn?

Brutus.

Ich nicht.

Cassius.

Ich bitt Euch, tut’s.

Brutus.

Ich hab am Spiel nicht Lust, mir fehlt ein Teil

Vom muntern Geiste des Antonius;

Doch muß ich Euch in Eurem Wunsch nicht hindern.

Ich laß Euch, Cassius.

Cassius.

Brutus, seit kurzem geb ich acht auf Euch;

Ich find in Eurem Blick die Freundlichkeit,

Die Liebe nicht, an die Ihr mich gewöhnt.

Zu unwirsch und zu fremd begegnet Ihr

Dem Freunde, der Euch liebt.

Brutus.

Mein Cassius,

Betrügt Euch nicht. Hab ich den Blick verschleiert,

So kehrt die Unruh meiner Mienen sich

Nur gegen mich allein. Seit kurzem quälen

Mich Regungen von streitender Natur,

Gedanken, einzig für mich selbst geschickt,

Die Schatten wohl auf mein Betragen werfen.

Doch laßt dies meine Freunde nicht betrüben

(Wovon Ihr einer sein müßt, Cassius),

Noch mein achtloses Wesen anders deuten,

Als daß, mit sich im Krieg, der arme Brutus

Den andern Liebe kund zu tun vergißt.

Cassius.

Darin, Brutus, mißverstand ich Euren Unmut.

Deshalb begrub hier diese Brust Entwürfe

Von großem Werte, würdige Gedanken.

Sagt, Brutus, könnt Ihr Euer Antlitz sehn?

Brutus.

Nein, Cassius, denn das Auge sieht sich nicht,

Als nur im Widerschein, durch andre Dinge.

Cassius.

So ist’s;

Und man beklagt sich sehr darüber, Brutus,

Daß Ihr nicht solche Spiegel habt, die Euren

Verborgnen Wert Euch in die Augen rückten,

Auf daß Ihr Euren Schatten säht. Ich hörte,

Wie viele von den ersten Männern Roms

(Nur Cäsarn nehm ich aus), von Brutus redend,

Und seufzend unter dieser Zeiten Joch,

Dem edlen Brutus offne Augen wünschten.

Brutus.

Auf welche Wege, Cassius, lockt Ihr mich,

Daß Ihr mich heißt in meinem Innern suchen,

Was doch nicht in mir ist?

Cassius.

Drum, lieber Brutus, schickt Euch an zu hören.

Und weil Ihr wißt, Ihr könnt Euch selbst so gut

Nicht sehn als durch den Widerschein, so will

Ich, Euer Spiegel, Euch bescheidentlich

Von Euch entdecken, was Ihr noch nicht wißt.

Und denkt von mir kein Arges, werter Brutus.

Wär ich ein Lacher aus der Menge; pflegt ich

Mein Herz durch Alltagsschwüre jedem neuen

Beteurer auszubieten; wenn Ihr wißt,

Daß ich die Menschen streichle, fest sie herze

Und dann sie lästre; oder wenn Ihr wißt,

Daß ich beim Schmaus mich mit der ganzen Schar

Verbrüdern mag, dann hütet Euch vor mir. (Trompeten und Freudengeschrei.)

Brutus.

Was heißt dies Jauchzen? Wie ich fürchte, wählt

Das Volk zum König Cäsarn.

Cassius.

Fürchtet Ihr’s?

Das hieße ja, Ihr möchtet es nicht gern.

Brutus.

Nein, Cassius, nicht gern; doch lieb ich ihn.

Doch warum haltet Ihr mich hier so lange?

Was ist es, das Ihr mir vertrauen möchtet?

Ist’s etwas, dienlich zum gemeinen Wohl,

Stellt Ehre vor ein Auge, Tod vors andre,

Und beide seh ich gleiches Mutes an.

Die Götter sein mir günstig, wie ich mehr

Die Ehre lieb, als vor dem Tod mich scheue.

Cassius.

Ich weiß, daß diese Tugend in Euch wohnt,

Sogut ich Euer äußres Ansehn kenne.

Wohl! Ehre ist der Inhalt meiner Rede.

Ich weiß es nicht, wie Ihr und andre Menschen

Von diesem Leben denkt; mir, für mich selbst,

Wär es so lieb, nicht da sein, als zu leben

In Furcht vor einem Wesen wie ich selbst.

Ich kam wie Cäsar frei zur Welt, so Ihr;

Wir nährten uns sogut, wir können beide

Sogut wie er des Winters Frost ertragen.

Denn einst, an einem rauhen stürmschen Tage,

Als wild die Tiber an ihr Ufer tobte,

Sprach Cäsar zu mir: «Wagst du, Cassius, nun

Mit mir zu springen in die zornge Flut

Und bis dorthin zu schwimmen?» – Auf dies Wort,

Bekleidet, wie ich war, stürzt ich hinein

Und hieß ihn folgen; wirklich tat er’s auch.

Der Strom brüllt‘ auf uns ein; wir schlugen ihn

Mit wackern Sehnen, warfen ihn beiseit

Und hemmten ihn mit einer Brust des Trotzes.

Doch eh wir das gewählte Ziel erreicht,

Rief Cäsar: «Hilf mir, Cassius! ich sinke.»

Ich, wie Äneas, unser großer Ahn,

Aus Trojas Flammen einst auf seinen Schultern

Den alten Vater trug, so aus den Wellen

Zog ich den müden Cäsar. – Und der Mann

Ist nun zum Gott erhöht, und Cassius ist

Ein arm Geschöpf und muß den Rücken beugen,

Nickt Cäsar nur nachlässig gegen ihn.

Als er in Spanien war, hatt er ein Fieber,

Und wenn der Schaur ihn ankam, merkt ich wohl

Sein Beben: ja, er bebte, dieser Gott!

Das feige Blut der Lippen nahm die Flucht,

Sein Auge, dessen Blick die Welt bedräut,

Verlor den Glanz, und ächzen hört ich ihn.

Ja, dieser Mund, der horchen hieß die Römer

Und in ihr Buch einzeichnen seine Reden,

Ach, rief: «Titinius! gib mir zu trinken!»

Wie’n krankes Mädchen. Götter! ich erstaune,

Wie nur ein Mann so schwächlicher Natur

Der stolzen Welt den Vorsprung abgewann,

Und nahm die Palm allein. (Jubelgeschrei. Trompeten.)

Brutus.

Ein neues Jauchzen!

Ich glaube, dieser Beifall gilt die Ehren,

Die man auf Cäsars Haupt von neuem häuft.

Cassius.

Ja, er beschreitet, Freund, die enge Welt

Wie ein Colossus, und wir kleinen Leute,

Wir wandeln unter seinen Riesenbeinen,

Und schaun umher nach einem schnöden Grab.

Der Mensch ist manchmal seines Schicksals Meister:

Nicht durch die Schuld der Sterne, lieber Brutus,

Durch eigne Schuld nur sind wir Schwächlinge.

Brutus und Cäsar – was steckt doch in dem Cäsar,

Daß man den Namen mehr als Euren spräche?

Schreibt sie zusammen: ganz so schön ist Eurer;

Sprecht sie: er steht den Lippen ganz so wohl;

Wägt sie: er ist so schwer; beschwört mit ihnen:

Brutus ruft Geister auf so schnell wie Cäsar.

(Jubelgeschrei.)

Nun denn, im Namen der gesamten Götter,

Mit was für Speise nährt der Cäsar sich,

Daß er so groß ward? Zeit, du bist entehrt.

Rom, du verlorst die Kraft des Heldenstamms.

Welch Alter schwand wohl seit der großen Flut,

Das nicht geglänzt durch mehr als einen Mann?

Wer sagte jemals, wenn er sprach von Rom,

Es faß ihr weiter Kreis nur einen Mann?

Nun ist in Rom fürwahr des Raums genug:

Find’t man darin nur einen einzgen Mann.

O, beide hörten wir von unsern Vätern:

«Einst gab es einen Brutus, der so gern

Des alten Teufels Hof als einen König

Geduldet hätt in Rom.»

Brutus.

Daß Ihr mich liebt, bezweifl‘ ich keineswegs;

Worauf Ihr bei mir dringt, das ahn ich wohl;

Was ich davon gedacht und von den Zeiten,

Erklär ich Euch in Zukunft. Doch für jetzt

Möcht ich, wenn ich Euch freundlich bitten darf,

Nicht mehr getrieben sein. Was ihr gesagt,

Will ich erwägen; was Ihr habt zu sagen,

Mit Ruhe hören und gelegne Zeit,

So hohe Dinge zu besprechen, finden.

Bis dahin, edler Freund, beherzigt dies:

Brutus wär lieber eines Dorfs Bewohner,

Als sich zu zählen zu den Söhnen Roms

In solchem harten Stand, wie diese Zeit

Uns aufzulegen droht.

Cassius.

Ich bin erfreut, daß meine schwachen Worte

Dem Brutus so viel Funken nur entlockt. Cäsar und sein Zug kommen zurück.

Brutus.

Das Spiel ist aus, und Cäsar kehrt zurück.

Cassius.

Wenn sie uns nahn, zupft Casca nur am Ärmel,

Er wird nach seiner mürr’schen Art Euch sagen,

Was von Belang sich heut ereignet hat.

Brutus.

Ich will es tun. Doch seht nur, Cassius,

Auf Cäsars Stirne glüht der zornge Fleck,

Die andern sehn gescholtnen Dienern gleich.

Calpurnias Wang ist blaß, und Cicero

Blickt mit so feurigen und roten Augen,

Wie wir ihn wohl im Kapitol gesehn,

Wenn Senatoren ihn im Rat bestritten.

Cassius.

Casca wird uns berichten, was es gibt.

Cäsar.

Antonius!

Antonius.

Cäsar?

Cäsar.

Laßt wohlbeleibte Männer um mich sein,

Mit glatten Köpfen, und die nachts gut schlafen.

Der Cassius dort hat einen hohlen Blick;

Er denkt zuviel: die Leute sind gefährlich.

Antonius.

O fürchtet den nicht; er ist nicht gefährlich,

Er ist ein edler Mann und wohlgesinnt.

Cäsar.

Wär er nur fetter! – Zwar ich fürcht ihn nicht;

Doch wäre Furcht nicht meinem Namen fremd,

Ich kenne niemand, den ich eher miede

Als diesen hagern Cassius. Er liest viel;

Er ist ein großer Prüfer und durchschaut

Das Tun der Menschen ganz; er liebt kein Spiel,

Wie du, Antonius, hört nicht Musik;

Er lächelt selten, und auf solche Weise,

Als spott er sein, verachte seinen Geist,

Den irgend was zum Lächeln bringen konnte.

Und solche Männer haben nimmer Ruh,

Solang die jemand größer sehn als sich;

Das ist es, was sie so gefährlich macht.

Ich sag dir eher, was zu fürchten stände,

Als was ich fürchte; ich bin stets doch Cäsar.

Komm mir zur Rechten, denn dies Ohr ist taub,

Und sag mir wahrhaft, was du von ihm denkst. (Cäsar und sein Gefolge ab; Casca bleibt zurück.)

Casca.

Ihr zogt am Mantel mich; wollt Ihr mich sprechen?

Brutus.

Ja, Casca, sag uns, was sich heut begeben,

Daß Cäsar finster sieht.

Casca.

Ihr wart ja bei ihm; wart Ihr nicht?

Brutus.

Dann fragt ich Casca nicht, was sich begeben.

Casca.

Nun, man bot ihm eine Krone an, und als man sie ihm anbot, schob er sie mit dem Rücken der Hand zurück: so -; und da erhob das Volk ein Jauchzen.

Brutus.

Worüber jauchzten sie zum andern Mal?

Casca.

Nun, auch darüber.

Cassius.

Sie jauchzten dreimal ja; warum zuletzt?

Casca.

Nun, auch darüber.

Brutus.

Wurd ihm die Krone dreimal angeboten?

Casca.

Ei, meiner Treu, wurde sie’s, und er schob sie dreimal zurück; jedesmal sachter als das vorige Mal; und bei jedem Zurückschieben jauchzten meine ehrlichen alten Freunde.

Cassius.

Wer bot ihm die Krone an?

Casca.

Je nun, Antonius.

Brutus.

Sagt uns die Art und Weise, lieber Casca.

Casca.

Ich kann mich ebensogut hängen lassen, als euch die Art und Weise erzählen: es waren nichts als Possen, ich gab nicht acht darauf. Ich sah den Mark Anton ihm eine Krone anbieten – doch eigentlich war’s keine rechte Krone, es war so ’ne Art von Stirnband – und wie ich euch sagte, er schob sie einmal beiseite; aber bei alledem hätte er sie nach meinem Bedünken gern gehabt. Dann bot er sie ihm nochmals an, und dann schob er sie nochmals zurück; aber nach meinem Bedünken kam es ihm hart an, die Finger wieder davonzutun. Und dann bot er sie ihm zum dritten Male an; er schob sie zum dritten Male zurück; und jedesmal, daß er sie ausschlug, kreischte das Gesindel und klatscht in die rauhen Fäuste und warfen die schweißigen Nachtmützen in die Höhe und gaben eine solche Last stinkenden Atems von sich, weil Cäsar die Krone ausschlug, daß Cäsar fast daran erstickt wäre; denn er ward ohnmächtig und fiel nieder, und ich für mein Teil wagte nicht zu lachen, aus Furcht, ich möchte den Mund auftun und die böse Luft einatmen.

Cassius.

Still doch! ich bitt Euch. Wie? er fiel in Ohnmacht?

Casca.

Er fiel auf dem Marktplatze nieder, hatte Schaum vor dem Munde und war sprachlos.

Brutus.

Das mag wohl sein; er hat die fallende Sucht.

Cassius.

Nein, Cäsar hat sie nicht. Doch Ihr und ich

Und unsrer wackrer Casca, wir haben sie.

Casca.

Ich weiß nicht, was Ihr damit meint; aber ich bin gewiß, Cäsar fiel nieder. Wenn das Lumpenvolk ihn nicht beklatschte und auszischte, je nachdem er ihnen gefiel oder mißfiel, wie sie es mit den Komödianten auf dem Theater machen, so bin ich kein ehrlicher Kerl.

Brutus.

Was sagt‘ er, als er zu sich selber kam?

Casca.

Ei nun, eh er hinfiel, als er merkte, daß der gemeine Haufe sich freute, daß er die Krone ausschlug, so riß er euch sein Wams auf und bot ihnen seinen Hals zum Abschneiden – triebe ich irgend ’ne Hantierung, so will ich mit den Schuften zur Hölle fahren, wo ich ihn nicht beim Wort genommen hätte – und damit fiel er hin. Als er wieder zu sich selbst kam, sagte er, wenn er irgendwas Unrechtes getan oder gesagt hätte, so bäte er Ihre Edeln, es seinem Übel beizumessen. Drei oder vier Weibsbilder, die bei mir standen, riefen – «Ach, die gute Seele!» und vergaben ihm von ganzem Herzen. Doch das gilt freilich nicht viel; wenn er ihre Mütter totgeschlagen hätte, sie hätten’s ebensogut getan.

Brutus.

Und darauf ging er so verdrießlich weg?

Casca.

Ja.

Cassius.

Hat Cicero etwas gesagt?

Casca.

Ja, er sprach griechisch.

Cassius.

Was wollt er denn?

Casca.

Ja, wenn ich Euch das sage, so will ich Euch niemals wieder vor die Augen kommen. Aber die ihn verstanden, lächelten einander zu und schüttelten die Köpfe. Doch was mich anlangt, mir war es griechisch. Ich kann Euch noch mehr Neues erzählen: dem Marullus und Flavius ist das Maul gestopft, weil sie Binden von Cäsars Bildsäulen gerissen haben. Lebt wohl. Es gab noch mehr Possen, wenn ich mich nur darauf besinnen könnte.

Cassius.

Wollt Ihr heute abend bei mir speisen, Casca?

Casca.

Nein, ich bin schon versagt.

Cassius.

Wollt Ihr morgen bei mir zu Mittag speisen?

Casca.

Ja, wenn ich lebe und Ihr bei Eurem Sinne bleibt und Eure Mahlzeit das Essen verlohnt.

Cassius.

Gut, ich erwart Euch.

Casca.

Tut das; lebt beide wohl! (Ab.)

Brutus.

Was für ein plumper Bursch ist dies geworden?

Er war voll Feuer als mein Schulgenoß.

Cassius.

Das ist er jetzt noch bei der Ausführung

Von jedem kühnen, edlen Unternehmen,

Stellt er sich schon so unbeholfen an.

Dies rauhe Wesen dient gesundem Witz

Bei ihm zur Brüh; es stärkt der Leute Magen,

Eßlustig seine Reden zu verdaun.

Brutus.

So ist es auch. Für jetzt verlaß ich Euch,

Und morgen, wenn Ihr wünscht mit mir zu sprechen,

Komm ich zu Euch ins Haus; doch wenn Ihr wollt,

So kommt zu mir, und ich will Euch erwarten.

Cassius.

Das will ich; bis dahin gedenkt der Welt.

(Brutus ab.)

Gut, Brutus, du bist edel; doch ich sehe,

Dein löbliches Gemüt kann seiner Art

Entwendet werden. Darum ziemt es sich,

Daß Edle sich zu Edlen immer halten.

Wer ist so fest, den nichts verführen kann?

Cäsar ist feind mir, und er liebt den Brutus,

Doch wär ich Brutus nun, er Cassius,

Er sollte mich nicht lenken. Diese Nacht

Werf ich ihm Zettel von verschiednen Händen,

Als ob sie von verschiednen Bürgern kämen,

Durchs Fenster, alle voll der großen Meinung,

Die Rom von seinem Namen hegt, wo dunkel

Auf Cäsars Ehrsucht soll gedeutet sein.

Dann denke Cäsar seines nahen Falles;

Wir stürzen bald ihn, oder dulden alles. (Ab.)

Dritte Szene

Eine Straße. Ungewitter

Casca, mit gezognem Schwert, und Cicero kommen von verschiednen Seiten

Cicero.

Guten Abend, Casca! Kommt Ihr her von Cäsar?

Warum so atemlos und so verstört?

Casca.

Bewegt’s Euch nicht, wenn dieses Erdballs Feste

Wankt wie ein schwaches Rohr? O Cicero!

Ich sah wohl Stürme, wo der Winde Schelten

Den knotgen Stamm gespaltet, und ich sah

Das stolze Meer anschwellen, wüten, schäumen,

Als wollt es an die drohnden Wolken reichen;

Doch nie bis heute nacht, noch nie bis jetzt

Ging ich durch einen Feuerregen hin.

Entweder ist im Himmel innrer Krieg,

Wo nicht, so reizt die Welt durch Übermut

Die Götter, uns Zerstörung herzusenden.

Cicero.

Ja, saht Ihr jemals wundervollre Dinge?

Casca.

Ein Sklave, den Ihr wohl von Ansehn kennt,

Hob seine linke Hand empor; sie flammte

Wie zwanzig Fackeln auf einmal, und doch,

Die Glut nicht fühlend, blieb sie unversengt.

Auch kam (seitdem steckt ich mein Schwert nicht ein)

Beim Kapitol ein Löwe mir entgegen;

Er gaffte stark mich an, ging mürrisch weiter

Und tat mir nichts. Auf einen Haufen hatten

Wohl hundert bleiche Weiber sich gedrängt,

Entstellt von Furcht; die schwuren, daß sie Männer

Mit feurgen Leibern wandern auf und ab

Die Straßen sahn. Und gestern saß der Vogel

Der Nacht sogar am Mittag auf dem Markte

Und kreischt‘ und schrie. Wenn dieser Wunderzeichen

So viel zusammentreffen, sage niemand:

«Dies ist der Grund davon, sie sind natürlich»;

Denn Dinge schlimmer Deutung, glaub ich, sind’s

Dem Himmelstrich, auf welchen sie sich richten.

Cicero.

Gewiß, die Zeit ist wunderbar gelaunt;

Doch Menschen deuten oft nach ihrer Weise

Die Dinge, weit entfernt vom wahren Sinn.

Kommt Cäsar morgen auf das Kapitol?

Casca.

Ja, denn er trug es dem Antonius auf,

Euch kund zu tun, er werde morgen kommen.

Cicero.

Schlaft wohl denn, Casca! Dieser Aufruhr läßt

Nicht draußen weilen.

Casca.

Cicero, lebt wohl! (Cicero ab.) Cassius tritt auf.

Cassius.

Wer da?

Casca.

Ein Römer.

Cassius.

Casca, nach der Stimme.

Casca.

Eur Ohr ist gut. Cassius, welch eine Nacht?

Cassius.

Die angenehmste Nacht für wackre Männer.

Casca.

Wer sah den Himmel je so zornig drohn?

Cassius.

Die, welche so voll Schuld die Erde sahn.

Ich, für mein Teil, bin durch die Stadt gewandert,

Mich unterwerfend dieser grausen Nacht,

Und so entgürtet, Casca, wie Ihr seht,

Hab ich die Brust dem Donnerkeil entblößt.

Und wenn des Blitzes schlängelnd Blau zu öffnen

Des Himmels Busen schien, bot ich mich selbst

Dem Strahl des Wetters recht zum Ziele dar.

Casca.

Warum versucht Ihr den Himmel so?

Es steht dem Menschen Furcht und Zittern an,

Wenn die gewaltgen Götter solche Boten

Furchtbarer Warnung, uns zu schrecken, senden.

Cassius.

O Casca! Ihr seid stumpf; der Lebensfunke,

Der glühen sollt in Römern, fehlt Euch, oder

Ihr braucht ihn nicht. Ihr sehet bleich und starrt,

Von Furcht ergriffen und versenkt in Staunen,

Des Himmels ungewohnten Grimm zu schauen.

Doch wolltet Ihr den wahren Grund erwägen,

Warum die Feur, die irren Geister alle,

Was Tier‘ und Vögel macht vom Stamm entarten

Und Greise faseln, Kinder prophezein;

Warum all diese Dinge ihr Gesetz,

Natur und angeschaffne Gaben wandeln

In Mißbeschaffenheit: nun so erkennt Ihr,

Der Himmel hauchte diesen Geist in sie,

Daß sie der Furcht und Warnung Werkzeug würden

Für irgendeinen mißbeschaffnen Zustand.

Nun könnt ich, Casca, einen Mann dir nennen,

Ganz ähnlich dieser schreckenvollen Nacht,

Der donnert, blitzt, die Gräber öffnet, brüllt,

So wie der Löwe dort im Kapitol;

Ein Mann, nicht mächtiger als ich und du

An Leibeskraft, doch drohend angewachsen,

Und furchtbar, wie der Ausbruch dieser Gärung.

Casca.

’s ist Cäsar, den Ihr meint. Nicht, Cassius?

Cassius.

Es sei auch, wer es sei: die Römer haben

Jetzt Mark und Bein, wie ihre Ahnen hatten.

Doch weh uns! unsrer Väter Geist ist tot,

Und das Gemüt der Mütter lenket uns,

Denn unser Joch und Dulden zeigt uns weibisch.

Casca.

Ja freilich heißt’s, gewillt sei der Senat,

Zum König morgen Cäsarn einzusetzen;

Er soll zur See, zu Land die Krone tragen

An jedem Ort, nur in Italien nicht.

Cassius.

Ich weiß, wohin ich diesen Dolch dann kehre;

Den Cassius soll von Knechtschaft Cassius lösen.

Darin, ihr Götter, macht ihr Schwache stark,

Darin, ihr Götter, bändigt ihr Tyrannen;

Noch felsenfeste Burg, noch ehrne Mauern,

Noch dumpfe Keller, noch der Ketten Last

Sind Hindernisse für des Geistes Stärke.

Das Leben, dieser Erdenschranken satt,

Hat stets die Macht, sich selber zu entlassen.

Und weiß ich dies, so wiß auch alle Welt:

Den Teil der Tyrannei, der auf mit liegt,

Werf ich nach Willkür ab.

Casca.

Das kann auch ich.

So trägt ein jeder Sklav in eigner Hand

Gewalt, zu brechen die Gefangenschaft.

Cassius.

Warum denn wäre Cäsar ein Tyrann?

Der arme Mann! Ich weiß, er wär kein Wolf,

Wenn er nicht säh, die Römer sind nur Schafe;

Er wär kein Leu, wenn sie nicht Rehe wären.

Wer eilig will ein mächtig Feuer machen,

Nimmt schwaches Stroh zuerst; was für Gestrüpp

Ist Rom, und was für Plunder, wenn es dient

Zum schlechten Stoff, der einem schnöden Dinge

Wie Cäsar Licht verleiht? Doch, o mein Gram!

Wo führtest du mich hin? Ich spreche dies

Vielleicht vor einem willgen Knecht; dann weiß ich,

Daß ich muß Rede stehn; doch führ ich Waffen,

Und mich bekümmern die Gefahren nicht.

Casca.

Ihr sprecht mit Casca, einem Mann, der nie

Ein Ohrenbläser war. Hier, meine Hand!

Werbt nur Partei zur Abstellung der Übel,

Und dieser Fuß soll Schritt mit jedem halten,

Der noch soweit geht.

Cassius.

Ein geschloßner Handel!

Nun, Casca, wißt: ich habe manche schon

Der Edelmütigsten von Rom beredet,

Mit mir ein Unternehmen zu bestehn

Von ehrenvoll-gefährlichem Erfolg.

Ich weiß, sie warten in Pompejus‘ Halle

Jetzt eben mein; denn in der furchtbarn Nacht

Kann niemand unter freiem Himmel dauern.

Des Elementes Antlitz und Gestalt

Ist wie das Werk beschaffen, das wir treiben:

Höchst blutig, feurig und höchst fürchterlich. Cinna tritt auf.

Casca.

Seid still ein Weilchen, jemand kommt in Eil.

Cassius.

Ich hör am Gange, daß es Cinna ist;

Er ist ein Freund. – Cinna, wohin so eilig?

Cinna.

Euch sucht ich. Wer ist das? Metellus Cimber?

Cassius.

Nein, es ist Casca, ein Verbündeter

Zu unsrer Tat. Werd ich erwartet, Cinna?

Cinna.

Das ist mir lieb. Welch eine grause Nacht!

Ein paar von uns sahn seltsame Gesichte.

Cassius.

Werd ich erwartet, sagt mir?

Cinna.

Ja,

Ihr werdet es. O Cassius! könntet Ihr

In unsern Bund den edlen Brutus ziehn –

Cassius.

Seid ruhig! Guter Cinna, diesen Zettel,

Seht, wie Ihr in des Prätors Stuhl ihn legt,

Daß Brutus nur ihn finde; diesen werft

Ihm in das Fenster; diesen klebt mit Wachs

Ans Bild des alten Brutus. Dies getan,

Kommt zu Pompejus‘ Hall und trefft uns dort.

Ist Decius Brutus und Trebonius da?

Cinna.

Ja, alle, bis auf Cimber, und der sucht

In Eurem Haus Euch auf. Gut, ich will eilen

Die Zettel anzubringen, wie Ihr wünscht.

Cassius.

Dann stellt Euch ein bei des Pompejus‘ Bühne.

(Cinna ab.)

Kommt, Casca, laßt uns beide noch vor Tag

In seinem Hause Brutus sehn. Drei Viertel

Von ihm sind unser schon; der ganze Mann

Ergibt sich bei dem nächsten Angriff uns.

Casca.

O, er sitzt hoch in alles Volkes Herzen,

Und was in uns als Frevel nur erschiene,

Sein Ansehn wird es, wie der Stein der Weisen,

In Tugend wandeln und in Würdigkeit.

Cassius.

Ihn, seinen Wert, wie sehr wir ihn bedürfen,

Gabt Ihr recht wohl getroffen. Laßt uns gehn,

Es ist nach Mitternacht; wir wollen ihn

Vor Tage wecken und uns sein versichern. (Ab.)

Zweiter Aufzug

Erste Szene

Rom. Der Garten des Brutus

Brutus tritt auf

Brutus.

He, Lucius! auf! –

Ich kann nicht aus der Höh der Sterne raten,

Wie nah der Tag ist. – Lucius, hörst du nicht? –

Ich wollt, es wär mein Fehler, so zu schlafen. –

Nun, Lucius, nun! Ich sag: erwach! Auf, Lucius! Lucius kommt.

Lucius.

Herr, riefet Ihr?

Brutus.

Bring eine Kerze mir ins Lesezimmer,

Und wenn sie brennt, so komm und ruf mich hier.

Lucius.

Ich will es tun, Herr. (Ab.)

Brutus.

Es muß durch seinen Tod geschehn. Ich habe

Für mein Teil keinen Grund, ihn wegzustoßen,

Als fürs gemeine Wohl. Er wünscht, gekrönt zu sein;

Wie seinen Sinn das ändern möchte, fragt sich.

Der warme Tag ist’s, der die Natter zeugt;

Das heischt mit Vorsicht gehn. Ihn krönen? – Ja –

Und dann ist’s wahr, wir leihn ihm einen Stachel,

Womit er kann nach Willkür Schaden tun.

Der Größe Mißbrauch ist, wenn von der Macht

Sie das Gewissen trennt; und, um von Cäsarn

Die Wahrheit zu gestehn, ich sah noch nie,

Daß ihn die Leidenschaften mehr beherrscht

Als die Vernunft. Doch oft bestätigt sich’s,

Die Demut ist der jungen Ehrfurcht Leiter;

Wer sie hinanklimmt, kehrt den Blick ihr zu;

Doch hat er erst die höchste Spross‘ erreicht,

Dann kehret er der Leiter seinen Rücken,

Schaut himmelan, verschmäht die niedern Tritte,

Die ihn hinaufgebracht. Das kann auch Cäsar:

Drum, eh er kann, beugt vor. Und weil der Streit

Nicht Schein gewinnt durch das, was Cäsar ist,

Legt so ihn aus: das, was er ist, vergrößert,

Kann dies und jenes Übermaß erreichen.

Drum achtet ihn gleich einem Schlangenei,

Das, ausgebrütet, giftig würde werden

Wie sein Geschlecht, und würgt ihn in der Schale. Lucius kommt zurück.

Lucius.

Die Kerze brennt in Eurem Zimmer, Herr.

Als ich nach Feuerstein im Fenster suchte,

Fand ich dies Blatt, versiegelt; und ich weiß,

Es war nicht da, als ich zu Bette ging.

Brutus.

Geh wieder in dein Bett; es ist noch Nacht.

Ist morgen nicht des Märzen Idus, Knabe?

Lucius.

Ich weiß nicht, Herr.

Brutus.

Such im Kalender denn, und sag es mir.

Lucius.

Das will ich, Herr. (Ab.)

Brutus.

Die Ausdünstungen, schwirrend in der Luft,

Gewähren Licht genug, dabei zu lesen.

(Er öffnet den Brief und liest.)

«Brutus, du schläfst. Erwach und sieh dich selbst!

Soll Rom? – Sprich, schlage, stelle her!

Brutus, du schläfst. Erwache! -»

Oft hat man schon dergleichen Aufgebote

Mir in den Weg gestreut.

«Soll Rom?» – So muß ich es ergänzen:

«Soll Rom vor einem Manne beben?» Wie?

Mein Ahnherr trieb einst von den Straßen Roms

Tarquin hinweg, als er ein König hieß.

«Sprich, schlage, stelle her!» Werd ich zu sprechen,

Zu schlagen angemahnt? O Rom, ich schwöre,

Wenn nur die Herstellung erfolgt, empfängst du

Dein ganz Begehren von der Hand des Brutus! Lucius kommt zurück.

Lucius.

Herr, vierzehn Tage sind vom März verstrichen. (Man klopft draußen.)

Brutus.

’s ist gut. Geh an die Pforte; jemand klopft. (Lucius ab.)

Seit Cassius mich spornte gegen Cäsar,

Schlief ich nicht mehr.

Bis zur Vollführung einer furchtbarn Tat,

Vom ersten Antrieb, ist die Zwischenzeit

Wie ein Phantom, ein grauenvoller Traum.

Der Genius und die sterblichen Organe

Sind dann im Rat vereint; und die Verfassung

Des Menschen, wie ein kleines Königreich,

Erleidet dann den Zustand der Empörung. Lucius kommt zurück.

Lucius.

Herr, Euer Bruder Cassius wartet draußen;

Er wünschet Euch zu sehn.

Brutus.

Ist er allein?

Lucius.

Nein, es sind mehr noch bei ihm.

Brutus.

Kennst du sie?

Lucius.

Nein, Herr, sie tragen eingedrückt die Hüte

Und das Gesicht im Mantel halb begraben,

Daß ich durchaus sie nicht erkennen kann

An irgendeinem Zuge.

Brutus.

Laß sie sein. (Lucius ab.)

Es sind die Bundesbrüder. O Verschwörung!

Du schämst dich, die verdächtge Stirn bei Nacht

Zu zeigen, wann das Bös‘ am freisten ist?

O denn, bei Tag, wo willst du eine Höhle

Entdecken, dunkel gnug es zu verlarven,

Dein schnödes Antlitz? – Verschwörung, suche keine!

In Lächeln hüll es und in Freundlichkeit!

Denn trätst du auf in angeborner Bildung,

So wär der Erebus nicht finster gnug,

Vor Argwohn dich zu schützen. Cassius, Casca, Decius, Metellus Cimber und Trebonius treten auf.

Cassius.

Sind wir gelegen? Guten Morgen, Brutus!

Ich fürchte, daß wie Eure Ruhe stören.

Brutus.

Längst war ich auf und wach die ganze Nacht.

Kenn ich die Männer, welche mit Euch kommen?

Cassius.

Ja, jeden aus der Zahl; und keiner hier,

Der Euch nicht hoch hält, und ein jeder wünscht,

Ihr hättet nur die Meinung von Euch selbst,

Die jeder edle Römer von Euch hegt.

Dies ist Trebonius.

Brutus.

Er ist willkommen.

Cassius.

Dies Decius Brutus.

Brutus.

Er ist auch willkommen.

Cassius.

Dies Casca, dies Cinna, und dies Metellus Cimber.

Brutus.

Willkommen alle!

Was stellen sich für wache Sorgen zwischen

Die Nacht und eure Augen?

Cassius.

Auf ein Wort,

Wenn’s Euch beliebt. (Sie reden leise miteinander.)

Decius.

Hier liegt der Ost: bricht da der Tag nicht an?

Casca.

Nein.

Cinna.

Doch, um Verzeihung! und die grauen Streifen,

Die das Gewölk durchziehn, sind Tagesboten.

Casca.

Ihr sollt gestehn, daß ihr euch beide trügt.

Die Sonn erscheint hier, wo mein Degen hinweist;

Das ist ein gut Teil weiter hin nach Süden,

Wenn ihr die junge Jahreszeit erwägt.

Zwei Monde noch, und höher gegen Norden

Steigt ihre Flamm empor, und grade hier

Steht hinterm Kapitol der hohe Ost.

Brutus.

Gebt eure Hand mir, einer nach dem andern.

Cassius.

Und lasset uns beschwören den Entschluß.

Brutus.

Nein, keinen Eid! Wenn nicht der Menschen Antlitz,

Das innre Seelenleid, der Zeit Verfall –

Sind diese Gründe schwach, so brecht nur auf,

Und jeder fort zu seinem trägen Bett!

Laßt frechgesinnte Tyrannei dann schalten,

Bis jeder nach dem Lose fällt. Doch tragen

Sie Feuer gnug in sich, wie offenbar,

Um Feige zu entflammen und mit Mut

Des Weibes schmelzendes Gemüt zu stählen:

O dann, Mitbürger! welchen andern Sporn

Als unsre Sache braucht es, uns zu stacheln

Zur Herstellung? Was für Gewähr, als diese:

Verschwiegne Römer, die das Wort gesprochen,

Und nicht zurückziehn? Welchen andern Eid,

Als Redlichkeit mit Redlichkeit im Bund,

Daß dies gescheh, wo nicht, dafür zu sterben?

Laßt Priester, Memmen, listge Männer schwören,

Verdorrte Greis und solche Jammerseelen,

Die für das Unrecht danken; schwören laßt

Bei bösen Händeln Volk, dem man nicht traut.

Entehrt nicht so den Gleichmut unsrer Handlung

Und unsern unbezwinglich festen Sinn,

Zu denken, unsre Sache, unsre Tat

Brauch einen Eid; da jeder Tropfe Bluts,

Der edel fließt in jedes Römers Adern,

Sich seines echten Stamms verlustig macht,

Wenn er das kleinste Teilchen nur verletzt

Von irgendeinem Worte, das er gab.

Cassius.

Doch wie mit Cicero? Forscht man ihn aus?

Ich denk, er wird sehr eifrig für uns sein.

Casca.

Laßt uns ihn nicht vorübergehn.

Cinna.

Nein, ja nicht.

Metellus.

Gewinnt ihn ja für uns. Sein Silberhaar

Wird eine gute Meinung uns erkaufen

Und Stimmen werben, unser Werk zu preisen.

Sein Urteil habe unsre Hand gelenkt:

So wird es heißen; unsre Hastigkeit

Und Jugend wird im mindsten nicht erscheinen,

Von seinem würdgen Ansehn ganz bedeckt.

Brutus.

O nennt ihn nicht! Laßt uns ihm nichts eröffnen,

Denn niemals tritt er einer Sache bei,

Wenn andre sie erdacht.

Cassius.

So laßt ihn weg.

Casca.

’s ist wahr; er paßt auch nicht.

Decius.

Wird niemand sonst, als Cäsar, angetastet?

Cassius.

Ja, gut bedacht! Mich dünkt, daß Mark Anton,

Der so beliebt beim Cäsar ist, den Cäsar

Nicht überleben darf. Er wird sich uns

Gewandt in Ränken zeigen, und ihr wißt,

Daß seine Macht, wenn er sie nutzt, wohl hinreicht,

Uns allen Not zu schaffen. Dem zu wehren,

Fall Cäsar und Antonius zugleich.

Brutus.

Zu blutge Weise, Cajus Cassius, wär’s,

Das Haupt abschlagen und zerhaun die Glieder,

Wie Grimm beim Tod und Tücke hinterher.

Antonius ist ja nur ein Glied des Cäsar.

Laßt Opferer uns sein, nicht Schlächter, Cajus.

Wir alle stehen gegen Cäsars Geist,

Und in dem Geist des Menschen ist kein Blut.

O könnten wir doch Cäsars Geist erreichen

Und Cäsarn nicht zerstücken! Aber ach!

Cäsar muß für ihn bluten. Edle Freunde,

Laßt kühnlich uns ihn töten, doch nicht zornig;

Zerlegen laßt uns ihn, ein Mahl für Götter,

Nicht ihn zerhauen wie ein Aas für Hunde.

Laßt unsre Herzen, schlauen Herren gleich,

Zu rascher Tat aufwiegeln ihre Diener.

Und dann zum Scheine schmälen. Dadurch wird

Notwendig unser Werk und nicht gehässig;

Und wenn es so dem Aug des Volks erscheint,

Wird man uns Reiniger, nicht Mörder nennen.

Was Mark Anton betrifft, denkt nicht an ihn,

Denn er vermag nicht mehr als Cäsars Arm,

Wenn Cäsars Haupt erst fiel.

Cassius.

Doch fürcht ich ihn,

Denn seine Liebe hängt so fest am Cäsar.

Brutus.

Ach, guter Cassius, denket nicht an ihn!

Liebt er den Cäsar, so vermag er nichts

Als gegen sich; sich härmen, für ihn sterben.

Und das wär viel von ihm, weil er der Lust,

Der Wüstheit, den Gelagen sich ergibt.

Trebonius.

Es ist kein Arg in ihm; er sterbe nicht.

Denn er wird leben und dies einst belachen. (Die Glocke schlägt.)

Brutus.

Still! zählt die Glocke.

Cassius.

Sie hat drei geschlagen.

Trebonius.

Es ist zum Scheiden Zeit.

Cassius.

Doch zweifl‘ ich noch,

Ob Cäsar heute wird erscheinen wollen;

Denn kürzlich ist er abergläubisch worden,

Ganz dem entgegen, wie er sonst gedacht

Von Träumen, Einbildung und heilgen Bräuchen.

Vielleicht, daß diese großen Wunderdinge,

Das ungewohnte Schrecken dieser Nacht

Und seiner Augurn Überredung ihn

Entfernt vom Kapitol für heute hält.

Decius.

Das fürchtet nimmer; wenn er das beschloß,

So übermeistr‘ ich ihn. Er hört es gern,

Das Einhorn lasse sich mit Bäumen fangen,

Der Löw im Netz, der Elefant in Gruben,

Der Bär mit Spiegeln und der Mensch durch Schmeichler;

Doch sag ich ihm, daß er die Schmeichler haßt,

Bejaht er es, am meisten dann geschmeichelt.

Laßt mich gewähren;

Denn ich verstehe sein Gemüt zu lenken,

Und will ihn bringen auf das Kapitol.

Cassius.

Ja, laßt uns alle gehn, um ihn zu holen.

Brutus.

Zur achten Stund aufs späteste, nicht wahr?

Cinna.

Das sei das Spätste, und dann bleibt nicht aus.

Metellus.

Cajus Ligarius ist dem Cäsar feind,

Der’s ihm verwies, daß er Pompejus lobte;

Es wundert mich, daß niemand sein gedacht.

Brutus.

Wohl, guter Cimber, geht nur vor bei ihm;

Er liebt mich herzlich, und ich gab ihm Grund;

Schickt ihn hieher, so will ich schon ihn stimmen.

Cassius.

Der Morgen übereilt uns: laßt uns gehn.

Zerstreut euch, Freunde; doch bedenket alle,

Was ihr gesagt, und zeigt euch echte Römer.

Brutus.

Seht, werte Männer, frisch und fröhlich aus;

Tragt euren Vorsatz nicht auf eurer Stirn.

Nein, führt’s hindurch, wie Helden unsrer Bühne,

mit munterm Geist und würdger Festigkeit.

Und somit insgesamt euch guten Morgen!

(Alle ab, außer Brutus.)

He, Lucius! – Fest im Schlaf? Es schadet nichts.

Genieß den honigschweren Tau des Schlummers.

Du siehst Gestalten nicht, noch Phantasien,

Womit geschäftge Sorg ein Hirn erfüllt;

Drum schläfst du so gesund. Portia tritt auf.

Portia.

Mein Gatte! Brutus!

Brutus.

Was wollt Ihr, Portia? warum steht Ihr auf?

Es dient Euch nicht, die zärtliche Natur

Dem rauhen kalten Morgen zu vertraun.

Portia.

Euch gleichfalls nicht. Unfreundlich stahlt Ihr, Brutus,

Von meinem Bett Euch; und beim Nachtmahl gestern

Erhobt Ihr plötzlich Euch und gingt umher,

Sinnend und seufzend mit verschränkten Armen.

Und wenn ich Euch befragte, was es sei,

So starrtet Ihr mich an mit finstern Blicken.

Ich drang in Euch, da riebt Ihr Euch die Stirn

Und stampftet ungeduldig mit dem Fuß;

Doch hielt ich an, doch gabt Ihr keine Rede

Und winktet mit der Hand unwillig weg,

Damit ich Euch verließ. Ich tat es auch,

Besorgt, die Ungeduld noch zu verstärken,

Die schon zu sehr entflammt schien, und zugleich

Mir schmeichelnd, nur von Laune rühr es her,

Die ihre Stunden hat bei jedem Mann.

Nicht essen, reden, schlafen läßt es Euch;

Und könnt es Eure Bildung so entstellen,

Als es sich Eurer Fassung hat bemeistert,

So kennt ich Euch nicht mehr. Mein teurer Gatte,

Teilt mir die Ursach Eures Kummers mit.

Brutus.

Ich bin nicht recht gesund, und das ist alles.

Portia.

Brutus ist weise; wär er nicht gesund,

Er nähm die Mittel wahr, um es zu werden.

Brutus.

Das tu ich, gute Portia; geh zu Bett.

Portia.

Ist Brutus krank? und ist es heilsam, so

Entblößt umherzugehn und einzusaugen

Den Dunst des Morgens? Wie, ist Brutus krank,

Und schleicht er vom gesunden Bett sich weg,

Der schnöden Ansteckung der Nacht zu trotzen?

Und reizet er die böse Fieberluft,

Sein Übel noch zu mehren? – Nein, mein Brutus,

Ihr tragt ein krankes Übel im Gemüt,

Wovon, nach meiner Stelle Recht und Würde,

Ich wissen sollte; und auf meinen Knien

Fleh ich bei meiner einst gepriesnen Schönheit,

Bei allen Euren Liebesschwüren, ja,

Bei jenem großen Schwur, durch welchen wir

Einander einverleibt und eins nur sind:

Enthüllt mir, Eurer Hälfte, Eurem Selbst,

Was Euch bekümmert, was zu Nacht für Männer

Euch zugesprochen; denn es waren hier

Sechs oder sieben, die ihr Antlitz selbst

Der Finsternis verbargen.

Brutus.

O kniet nicht, liebe Portia.

Portia.

Ich braucht es nicht, wärt Ihr mein lieber Brutus.

Ist’s im Vertrag der Ehe, sagt mir, Brutus,

Bedungen, kein Geheimnis sollt ich wissen,

Das Euch gehört? Und bin ich Euer Selbst

Nur gleichsam, mit gewissen Einschränkungen?

Beim Mahl um Euch zu sein, Eur Bett zu teilen,

Auch wohl mit Euch zu sprechen? Wohn ich denn

Nur in der Vorstadt Eurer Zuneigung?

Ist es nur das, so ist ja Portia

Des Brutus Buhle nur und nicht sein Weib.

Brutus.

Ihr seid mein echtes, ehrenwertes Weib,

So teuer mir als wie die Purpurtropfen,

Die um mein trauernd Herz sich drängen.

Portia.

Wenn dem so wär, so wüßt ich dies Geheimnis.

Ich bin ein Weib, gesteh ich, aber doch

Ein Weib, das Brutus zur Gemahlin nahm.

Ich bin ein Weib, gesteh ich, aber doch

Ein Weib von gutem Rufe, Catos Tochter.

Denkt Ihr, ich sei so schwach wie mein Geschlecht,

Aus solchem Stamm erzeugt und so vermählt?

Sagt das Geheimnis mir: ich will’s bewahren,

Ich habe meine Stärke hart erprüft,

Freiwillig eine Wunde mir versetzend

Am Schenkel hier; ertrüg ich das geduldig

Und ein Geheimnis meines Gatten nicht?

Brutus.

Ihr Götter, macht mich wert des edlen Weibes!

(Man klopft draußen.)

Horch! horch! man klopft; geh eine Weil hinein,

Und unverzüglich soll dein Busen teilen,

Was noch mein Herz verschließt.

Mein ganzes Bündnis will ich dir enthüllen

Und meiner finstern Stirne Zeichenschrift.

Verlaß mich schnell. (Portia ab.) Lucius und Ligarius kommen.

Brutus.

Wer klopft denn, Lucius?

Lucius.

Hier ist ein Kranker, der Euch sprechen will.

Brutus.

Ligarius ist’s, von dem Metellus sprach.

Du, tritt beiseit. – Cajus Ligarius, wie?

Ligarius.

Nehmt einen Morgengruß von matter Zunge.

Brutus.

O welche Zeit erwählt Ihr, wackrer Cajus,

Ein Tuch zu tragen! Wärt Ihr doch nicht krank!

Ligarius.

Ich bin nicht krank, hat irgendeine Tat,

Des Namens Ehre würdig, Brutus vor.

Brutus.

Solch eine Tat, Ligarius, hab ich vor,

Wär Euer Ohr gesund, davon zu hören.

Ligarius.

Bei jedem Gott, vor dem sich Römer beugen,

Hier sag ich ab der Krankheit. Seele Roms!

Du wackrer Sohn, aus edlem Blut entsprossen!

Wie ein Beschwörer riefst du auf in mir

Den abgestorbnen Geist. Nun heiß mich laufen,

So will ich an Unmögliches mich wagen,

Ja Herr darüber werden. Was zu tun?

Brutus.

Ein Wagestück, das Kranke heilen wird.

Ligarius.

Doch gibt’s nicht auch Gesunde krank zu machen?

Brutus.

Die gibt es freilich. Was es ist, mein Cajus,

Eröffn ich dir auf unserm Weg zu ihm,

An dem es muß geschehn.

Ligarius.

Macht Euch nur auf

Mit neu entflammtem Herzen folg ich Euch,

Zu tun, was ich nicht weiß. Doch es genügt,

Daß Brutus mir vorangeht.

Brutus.

Folgt mir denn. (Beide ab.)

Zweite Szene

Ein Zimmer in Cäsars Palaste

Donner und Blitz. Cäsar im Nachtkleide

Cäsar.

Zu Nacht hat Erd und Himmel Krieg geführt.

Calpurnia rief im Schlafe dreimal laut:

«O helft! Sie morden Cäsarn!» Niemand da? Ein Diener kommt.

Diener.

Herr?

Cäsar.

Geh, heiß die Priester gleich zum Opfer schreiten,

Und bring mir ihre Meinung vom Erfolg.

Diener. Es soll geschehn. (Ab.)

Calpurnia (tritt auf).

Was meint Ihr, Cäsar? Denkt Ihr auszugehn?

Ihr müßt heut keinen Schritt vom Hause weichen.

Cäsar.

Cäsar geht aus. Mir haben stets Gefahren

Im Rücken nur gedroht; wenn sie die Stirn

Des Cäsar werden sehn, sind sie verschwunden.

Calpurnia.

Cäsar, ich hielt auf Wunderzeichen nie,

Doch schrecken sie mich nun. Im Haus ist jemand,

Der außer dem, was wir gesehn, gehört,

Von Greueln meldet, so die Wach erblickt‘.

Es warf auf offner Gasse eine Löwin,

Und Grüft erlösten gähnend ihre Toten.

Wildglühnde Krieger fochten auf den Wolken,

In Reihn, Geschwadern und nach Kriegsgebrauch,

Wovon es Blut gesprüht aufs Kapitol.

Das Schlachtgetöse klirrte in der Luft;

Da wiehern Rosse, Männer röcheln sterbend,

Und Geister wimmerten die Straßen durch.

O Cäsar! unerhört sind diese Dinge;

Ich fürchte sie.

Cäsar.

Was kann vermieden werden,

Das sich zum Ziel die mächtgen Götter setzten?

Ich gehe dennoch aus, denn diese Zeichen,

So gut wie Cäsarn, gelten sie der Welt.

Calpurnia.

Kometen sieht man nicht, wenn Bettler sterben;

Der Himmel selbst flammt Fürstentod herab.

Cäsar.

Der Feige stirbt schon vielmal, eh er stirbt,

Die Tapfern kosten einmal nur den Tod.

Von allen Wundern, die ich je gehört,

Scheint mir das größte, daß sich Menschen fürchten,

Da sie doch sehn, der Tod, das Schicksal aller,

Kommt, wann er kommen soll.

Der Diener kommt zurück.

Was dünkt den Augurn?

Diener.

Sie raten Euch, für heut nicht auszugehn.

Da sie dem Opfertier das Eingeweide

Ausnahmen, fanden sie kein Herz darin.

Cäsar.

Die Götter tun der Feigheit dies zur Schmach.

Ein Tier ja wäre Cäsar ohne Herz,

Wenn er aus Furcht sich heut zu Hause hielte.

Das wird er nicht; gar wohl weiß die Gefahr,

Cäsar sei noch gefährlicher als sie.

Wir sind zwei Leun, an einem Tag geworfen,

Und ich der ältre und der schrecklichste;

Und Cäsar wird doch ausgehn.

Calpurnia.

Ach, mein Gatte!

In Zuversicht geht Eure Weisheit unter.

Geht heute doch nicht aus; nennt’s meine Furcht,

Die Euch zu Hause hält, nicht Eure eigne.

Wir senden Mark Anton in den Senat,

Zu sagen, daß Ihr unpaß heute seid.

Laßt mich auf meinen Knien dies erbitten.

Cäsar.

Ja, Mark Anton soll sagen, ich sei unpaß,

Und dir zulieb will ich zu Hause bleiben.

Decius tritt auf.

Sieh, Decius Brutus kommt; der soll’s bestellen.

Decius.

Heil, Cäsar! Guten Morgen, würdger Cäsar!

Ich komm Euch abzuholen zum Senat.

Cäsar.

Und seid gekommen zur gelegnen Zeit,

Den Senatoren meinen Gruß zu bringen.

Sagt ihnen, daß ich heut nicht kommen will;

Nicht kann, ist falsch; daß ich’s nicht wage, falscher;

Ich will nicht kommen heut, sagt ihnen das.

Calpurnia.

Sagt, er sei krank.

Cäsar.

Hilft Cäsar sich mit Lügen?

Streckt ich so weit erobernd meinen Arm,

Graubärten scheu die Wahrheit zu verkleiden?

Geht, Decius! sagt nur: Cäsar will nicht kommen.

Decius.

Laßt einen Grund mich wissen, großer Cäsar,

Daß man mich nicht verlacht, wenn ich es sage.

Cäsar.

Der Grund ist nur mein Will‘; ich will nicht kommen,

Das gnügt zu des Senats Befriedigung.

Doch um Euch insbesondre gnug zu tun,

Weil ich Euch liebe, will ich’s Euch eröffnen:

Calpurnia hier, mein Weib, hält mich zu Haus.

Sie träumte diese Nacht, sie säh mein Bildnis,

Das wie ein Springbrunn klares Blut vergoß

Aus hundert Röhren; rüstge Römer kamen

Und tauchten lächelnd ihre Hände drein.

Dies legt sie aus als Warnungen und Zeichen

Und Unglück, das uns droht, und hat mich kniend

Gebeten, heute doch nicht auszugehn.

Decius.

Ihr habt den Traum ganz irrig ausgelegt;

Es war ein schönes, glückliches Gesicht.

Eur Bildnis, Blut aus vielen Röhren spritzend,

Worein so viele Römer lächelnd tauchten,

Bedeutet, saugen werd aus Euch das große Rom

Belebend Blut; und große Männer werden

Nach Heiligtümern und nach Ehrenpfändern

Sich drängen. Das bedeutet dieser Traum.

Cäsar.

Auf diese Art habt Ihr ihn wohl erklärt.

Decius.

Ja, wenn Ihr erst gehört, was ich Euch melde.

Wißt denn: an diesem Tag will der Senat

Dem großen Cäsar eine Krone geben.

Wenn Ihr nun sagen laßt, Ihr wollt nicht kommen,

So kann es sie gereun. Auch ließ‘ es leicht

Zum Spott sich wenden; jemand spräche wohl:

«Verschiebt die Sitzung bis auf andre Zeit,

Wenn Cäsars Gattin beßre Träume hat.»

Wenn Cäsar sich versteckt, wird man nicht flüstern:

«Seht! Cäsar fürchtet sich?»

Verzeiht mir, Cäsar; meine Herzensliebe

Heißt dieses mich zu Eurem Vorteil sagen,

Und Schicklichkeit steht meiner Liebe nach.

Cäsar.

Wie töricht scheint nun Eure Angst, Calpurnia!

Ich schäme mich, daß ich ihr nachgegeben.

Reicht mein Gewand mir her, denn ich will gehn.

Publius, Brutus, Ligarius, Metellus,

Casca, Trebonius und Cinna treten auf.

Da kommt auch Publius, um mich zu holen.

Publius.

Guten Morgen, Cäsar!

Cäsar.

Publius, willkommen! –

Wie, Brutus? seid Ihr auch so früh schon auf? –

Guten Morgen, Casca! – Cajus Ligarius,

So sehr war Cäsar niemals Euer Feind

Als dieses Fieber, das Euch abgezehrt. –

Was ist die Uhr?

Brutus.

Es hat schon acht geschlagen.

Cäsar.

Habt Dank für Eure Müh und Höflichkeit.

Antonius tritt auf.

Seht! Mark Anton, der lange schwärmt des Nachts,

Ist doch schon auf. – Antonius, seid gegrüßt!

Antonius.

Auch Ihr, erlauchter Cäsar!

Cäsar.

Befehlt, daß man im Hause fertig sei;

Es ist nicht recht, so auf sich warten lassen.

Ei, Cinna! – Ei, Metellus! – Wie, Trebonius?

Ich hab mit Euch ein Stündchen zu verplaudern;

Gedenkt daran, daß Ihr mich heut besucht,

Und bleibt mir nah, damit ich Euer denke.

Trebonius.

Das will ich, Cäsar – (beiseite) will so nah Euch sein,

Daß Eure besten Freunde wünschen sollen,

Ich wär entfernt gewesen.

Cäsar.

Lieben Freunde,

Kommt mit herein und trinkt ein wenig Weins,

Dann gehen wir gleich Freunden miteinander.

Brutus (beiseite).

Daß gleich nicht stets dasselbe ist, o Cäsar!

Das Herz des Brutus blutet, es zu denken. (Alle ab.)

Dritte Szene

Eine Straße nahe beim Kapitol

Artemidorus tritt auf und liest einen Zettel

Artemidorus.

«Cäsar, hüte dich vor Brutus; sei wachsam gegen Cassius; halte dich weit vom Casca; habe ein Auge auf Cinna; mißtraue dem Trebonius; beobachte den Metellus Cimber; Decius Brutus liebt dich nicht; beleidigt hast du den Cajus Ligarius. Nur ein Sinn lebt in allen diesen Männern, und er ist gegen Cäsar gerichtet. Wo du nicht unsterblich bist, schau um dich. Sorglosigkeit gibt der Verschwörung Raum. Mögen dich die großen Götter schützen! Der Deinige Artemidorus.» Hier will ich stehn, bis er vorübergeht,

Und will ihm dies als Bittschrift überreichen.

Mein Herz bejammert, daß die Tugend nicht

Frei von dem Zahn des Neides leben kann.

O Cäsar, lies! so bist du nicht verloren;

Sonst ist das Schicksal mit Verrat verschworen. (Ab.)

Vierte Szene

Ein andrer Teil derselben Straße vor dem Hause des Brutus

Portia und Lucius kommen

Portia.

Ich bitt dich, Knabe, lauf in den Senat.

Halt dich mit keiner Antwort auf und geh!

Was wartest du?

Lucius.

Zu hören, was ich soll.

Portia.

Ich möchte dort und wieder hier dich haben,

Eh ich dir sagen kann, was du da sollst.

O Festigkeit, steh unverrückt mir bei,

Stell einen Fels mir zwischen Herz und Zunge!

Ich habe Mannessinn, doch Weibeskraft.

Wie fällt doch ein Geheimnis Weibern schwer! –

Bist du noch hier?

Lucius.

Was sollt ich, gnädge Frau?

Nur hin zum Kapitol und weiter nichts,

Und so zurück zu Euch, und weiter nichts?

Portia.

Nein, ob dein Herr wohl aussieht, melde mir,

Denn er ging unpaß fort, und merk dir recht,

Was Cäsar macht, wer mit Gesuch ihm naht.

Still, Knabe! Welch Geräusch?

Lucius.

Ich höre keins.

Portia.

Ich bitt dich, horch genau.

Ich hörte wilden Lärm, als föchte man,

Und der Wind bringt vom Kapitol ihn her.

Lucius.

Gewißlich, gnädge Frau, ich höre nichts. Ein Wahrsager kommt.

Portia.

Komm näher, Mann! Wo führt dein Weg dich her?

Wahrsager.

Von meinem Hause, liebe gnädge Frau.

Portia.

Was ist die Uhr?

Wahrsager.

Die neunte Stund etwa.

Portia.

Ist Cäsar schon aufs Kapitol gegangen?

Wahrsager.

Nein, gnädge Frau; ich geh, mir Platz zu nehmen,

Wo er vorbeizieht auf das Kapitol.

Portia.

Du hast an Cäsar ein Gesuch, nicht wahr?

Wahrsager.

Das hab ich, gnädge Frau. Beliebt es Cäsarn,

Aus Güte gegen Cäsar mich zu hören,

So bitt ich ihn, es gut mit sich zu meinen.

Portia.

Wie? weißt du, daß man ihm ein Leid will antun?

Wahrsager.

Keins seh ich klar vorher, viel, fürcht ich, kann geschehn.

Doch guten Tag! Hier ist die Straße eng;

Die Schar, die Cäsarn auf der Ferse folgt,

Von Senatoren, Prätorn, Supplikanten,

Würd einen schwachen Mann beinah erdrücken.

Ich will an einen freiern Platz und da

Den großen Cäsar sprechen, wenn er kommt. (Ab.)

Portia.

Ich muß ins Haus. Ach, welch ein schwaches Ding

Das Herz des Weibes ist! O Brutus!

Der Himmel helfe deinem Unternehmen. –

Gewiß, der Knabe hört‘ es. – Brutus wirbt um etwas,

Das Cäsar weigert. – O, es wird mir schlimm!

Lauf, Lucius, empfiehl mich meinem Gatten,

Sag, ich sei fröhlich, komm zu mir zurück

Und melde mir, was er dir aufgetragen. (Beide ab.)

Dritter Aufzug

Erste Szene

Das Kapitol. Sitzung des Senats Ein Haufe Volks in der Straße, die zum Kapitol führt, darunter Artemidorus und der Wahrsager. Trompetenstoß. Cäsar, Brutus, Cassius, Casca, Decius, Metellus, Trebonius, Cinna, Antonius, Lepidus, Popilius, Publius und andre kommen

Cäsar.

Des Märzen Idus ist nun da.

Wahrsager.

Ja, Cäsar,

Doch nicht vorbei.

Artemidorus.

Heil, Cäsar! Lies den Zettel hier.

Decius.

Trebonius bittet Euch, bei guter Weile

Dies untertänige Gesuch zu lesen.

Artemidorus.

Lies meines erst, o Cäsar! Mein Gesuch

Betrifft den Cäsar näher; lies, großer Cäsar! (Tritt dem Cäsar näher.)

Cäsar.

Was uns betrifft, werd auf die Letzt verspart.

Artemidorus.

Verschieb nicht, Cäsar, lies im Augenblick.

Cäsar.

Wie? ist der Mensch verrückt?

Publius.

Mach Platz, Gesell!

Cassius.

Was? Drängt ihr auf der Straße mit Gesuchen?

Kommt in das Kapitol. (Cäsar geht in das Kapitol, die übrigen folgen ihm.

Alle Senatoren stehen auf.)

Popilius.

Mög euer Unternehmen heut gelingen!

Cassius.

Welch Unternehmen, Lena?

Popilius.

Geh’s euch wohl. (Er nähert sich dem Cäsar.)

Brutus.

Was sprach Popilius Lena da?

Cassius.

Er wünschte,

Daß unser Unternehmen heut gelänge;

Ich fürchte, unser Anschlag ist entdeckt.

Brutus.

Seht, wie er Cäsarn naht! Gebt acht auf ihn.

Cassius.

Sei schleunig, Casca, daß man nicht zuvorkommt.

Was ist zu tun hier, Brutus? Wenn es auskommt,

Kehrt Cassius oder Cäsar nimmer heim;

Denn ich entleibe mich.

Brutus.

Sei standhaft, Cassius.

Popilius spricht von unserm Anschlag nicht.

Er lächelt, sieh, und Cäsar bleibt in Ruh.

Cassius.

Trebonius nimmt die Zeit wahr, Brutus; sieh,

Er zieht geschickt den Mark Anton beiseite. (Antonius und Trebonius ab.

Cäsar und die Senatoren nehmen ihre Sitze ein.)

Decius.

Wo ist Metellus Cimber? Laßt ihn gehn

Und sein Gesuch sogleich dem Cäsar reichen.

Brutus.

Er ist bereit; drängt an und steht ihm bei.

Cinna.

Casca, Ihr müßt zuerst den Arm erheben.

Cäsar.

Sind alle da? Was für Beschwerden gibt’s,

Die Cäsar heben muß und sein Senat?

Metellus (niederkniend).

Glorreicher, mächtigster, erhabner Cäsar!

Metellus Cimber wirft vor deinen Sitz

Ein Herz voll Demut nieder.

Cäsar.

Cimber, hör,

Ich muß zuvor dir kommen. Dieses Kriechen,

Dies knechtische Verbeugen könnte wohl

Gemeiner Menschen Blut in Feuer setzen

Und vorbestimmte Wahl, gefaßten Schluß

Zum Kinderwillen machen. Sei nicht töricht

Und denk, so leicht empört sei Cäsars Blut,

Um aufzutaun von seiner echten Kraft

Durch das, was Narrn erweicht: durch süße Worte,

Gekrümmtes Bücken, hündisches Geschmeichel.

Dein Bruder ist verbannt durch einen Spruch;

Wenn du für ihn dich bückst und flehst und schmeichelst,

So stoß ich dich wie einen Hund hinweg.

Wiß, Cäsar tut kein Unrecht; ohne Gründe

Befriedigt man ihn nicht.

Metellus.

Gibt’s keine Stimme, würdiger als meine,

Die süßer tön im Ohr des großen Cäsar,

Für des verbannten Bruders Wiederkehr?

Brutus.

Ich küsse deine Hand, doch nicht als Schmeichler,

Und bitte, Cäsar, daß dem Publius Cimber

Die Rückberufung gleich bewilligt werde.

Cäsar.

Wie? Brutus!

Cassius.

Gnade, Cäsar! Cäsar, Gnade!

Auch Cassius fällt tief zu Füßen dir,

Begnadigung für Cimber zu erbitten.

Cäsar.

Ich ließe wohl mich rühren, glich‘ ich euch;

Mich rührten Bitten, bät ich, um zu rühren.

Doch ich bin standhaft wie des Nordens Stern,

Des unverrückte, ewig stete Art

Nicht ihresgleichen hat am Firmament.

Der Himmel prangt mit Funken ohne Zahl,

Und Feuer sind sie all‘ und jeder leuchtet;

Doch einer nur behauptet seinen Stand.

So in der Welt auch; sie ist voll von Menschen,

Und Menschen sind empfindlich, Fleisch und Blut;

Doch in der Menge weiß ich einen nur,

Der unbesiegbar seinen Platz bewahrt,

Vorn Andrang unbewegt; daß ich der bin,

Auch hierin laßt es mich ein wenig zeigen,

Daß ich auf Cimbers Banne fest bestand

Und drauf besteh, daß er im Banne bleibe.

Cinna.

O Cäsar!

Cäsar.

Fort, sag ich! Willst du den Olymp versetzen?

Decius.

Erhabner Cäsar! –

Cäsar.

Kniet nicht Brutus auch umsonst?

Casca.

Dann, Hände, sprecht für mich! (Casca sticht Cäsarn mit dem Dolch in den Nacken. Cäsar fällt ihm in den Arm. Er wird alsdann von verschiednen andern Verschwornen und zuletzt von Marcus Brutus mit Dolchen durchstochen.)

Cäsar.

Brutus, auch du? – So falle, Cäsar! (Er stirbt. Die Senatoren und das Volk fliehen bestürzt.)

Cinna.

Befreiung! Freiheit! Die Tyrannei ist tot!

Lauft fort! verkündigt! ruft es durch die Gassen!

Cassius.

Hin zu der Rednerbühne! Rufet aus:

«Befreiung! Freiheit! Wiederherstellung!»

Brutus.

Seid nicht erschrocken, Volk und Senatoren!

Flieht nicht! Steht still! Die Ehrsucht hat gebüßt.

Casca.

Geht auf die Rednerbühne, Brutus.

Decius.

Ihr, Cassius, auch.

Brutus.

Wo ist Publius?

Cinna.

Hier, ganz betroffen über diesen Aufruhr.

Metellus.

Steht dicht beisammen, wenn ein Freund des Cäsar

Etwa –

Brutus.

Sprecht nicht von Stehen! – Publius, getrost!

Wir haben nicht im Sinn, Euch Leid zu tun,

Auch keinem Römer sonst: sagt ihnen das.

Cassius.

Und geht nur, Publius, damit das Volk,

Das uns bestürmt, nicht Euer Alter kränke.

Brutus.

Tut das; und niemand steh für diese Tat

Als wir, die Täter. Trebonius kommt zurück.

Cassius.

Wo ist Mark Anton?

Trebonius.

Er floh bestürzt nach Haus, und Männer, Weiber

Und Kinder blicken starr und schrein und laufen,

Als wär der jüngste Tag.

Brutus.

Schicksal! wir wollen sehn, was dir geliebt.

Wir wissen, daß wir sterben werden; Frist

Und Zeitgewinn nur ist der Menschen Trachten.

Cassius.

Ja, wer dem Leben zwanzig Jahre raubt,

Der raubt der Todesfurcht so viele Jahre.

Brutus.

Gesteht das ein, und Wohltat ist der Tod.

So sind wir Cäsars Freunde, die wir ihm

Die Todesfurcht verkürzten. Bückt euch, Römer,

Laßt unsre Händ in Cäsars Blut uns baden

Bis an die Ellenbogen! Färbt die Schwerter!

So treten wir hinaus bis auf den Markt,

Und, überm Haupt die roten Waffen schwingend,

Ruft alle dann: «Erlösung! Friede! Freiheit!»

Cassius.

Bückt euch und taucht! In wie entfernter Zeit

Wird man dies hohe Schauspiel wiederholen,

In neuen Zungen und mit fremdem Pomp!

Brutus.

Wie oft wird Cäsar noch zum Spiele bluten,

Der jetzt am Fußgestell Pompejus‘ liegt,

Dem Staube gleich geachtet!

Cassius.

Sooft als das geschieht,

Wird man auch unsern Bund, die Männer nennen,

Die Freiheit wiedergaben ihrem Land.

Decius.

Nun, sollen wir hinaus?

Cassius.

Ja, alle fort!

Brutus voran, und seine Tritte zieren

Wir mit den kühnsten, besten Herzen Roms. Ein Diener kommt.

Brutus.

Doch stillt Wer kommt? Ein Freund des Mark Anton.

Diener.

So, Brutus, hieß mich mein Gebieter knien,

So hieß Antonius mich niederfallen,

Und tief im Staube hieß er so mich reden:

«Brutus ist edel, tapfer, weis und redlich,

Cäsar war groß, kühn, königlich und gütig.

Sprich: Brutus lieb ich, und ich ehr ihn auch.

Sprich: Cäsarn fürchtet ich, ehrt ihn und liebt ihn.

Will Brutus nur gewähren, daß Anton

Ihm sicher nahen und erforschen dürfe,

Wie Cäsar solche Todesart verdient,

So soll dem Mark Anton der tote Cäsar

So teuer nicht als Brutus lebend sein;

Er will vielmehr dem Los und der Partei

Des edlen Brutus unter den Gefahren

Der wankenden Verfassung treulich folgen.»

Dies sagte mein Gebieter, Mark Anton.

Brutus.

Und dein Gebieter ist ein wackrer Römer,

So achtet ich ihn stets.

Sag, wenn es ihm geliebt, hieher zu kommen,

So steh ich Red ihm und, bei meiner Ehre,

Entlaß ihn ungekränkt.

Diener.

Ich hol ihn gleich. (Ab.)

Brutus.

Ich weiß, wir werden ihn zum Freunde haben.

Cassius.

Ich wünsch es; doch es wohnt ein Sinn in mir,

Der sehr ihn fürchtet; und mein Unglücksahnen

Trifft immer ein aufs Haar. Antonius kommt zurück.

Brutus.

Hier kommt Antonius ja. – Willkommen, Mark Anton!

Antonius.

O großer Cäsar! liegst du so im Staube?

Sind alle deine Siege, Herrlichkeiten,

Triumphe, Beuten eingesunken nun

In diesen kleinen Raum? – Gehab dich wohl! –

Ich weiß nicht, edle Herrn, was ihr gedenkt,

Wer sonst noch bluten muß, wer reif zum Fall.

Wofern ich selbst kann keine Stunde besser

Als Cäsars Todesstunde, halb so kostbar

Kein Werkzeug sein, als diese eure Schwerter,

Geschmückt mit Blut, dem edelsten der Welt.

Ich bitt euch, wenn ihr’s feindlich mit mir meint,

Jetzt, da noch eure Purpurhände dampfen,

Büßt eure Lust. Und lebt ich tausend Jahre,

Nie werd ich so bereit zum Tod mich fühlen;

Kein Ort gefällt mir so, kein Weg zum Tode,

Als hier beim Cäsar fallen, und durch euch,

Die ersten Heldengeister unsrer Zeit.

Brutus.

O Mark Anton! begehrt nicht Euren Tod.

Wir müssen blutig zwar und grausam scheinen,

Wie unsre Händ und die geschehne Tat

Uns zeigen; doch Ihr seht die Hände nur,

Und dieses blutge Werk, so sie vollbracht;

Nicht unsre Herzen: sie sind mitleidsvoll,

Und Mitleid gegen Roms gesamte Not

(Wie Feuer Feuer löscht, so Mitleid Mitleid)

Verübt‘ an Cäsarn dies. Was Euch betrifft,

Für Euch sind unsre Schwerter stumpf, Anton.

Seht, unsre Arme, trotz verübter Tücke,

Und unsre Herzen, brüderlich gesinnt,

Empfangen Euch mit aller Innigkeit,

mit redlichen Gedanken und mit Achtung.

Cassius.

Und Eure Stimme soll soviel als jede

Bei der Verteilung neuer Würden gelten.

Brutus.

Seid nur geduldig, bis wir erst das Volk

Beruhigt, das vor Furcht sich selbst nicht kennt;

Dann legen wir den Grund Euch dar, weswegen

Ich, der den Cäsar liebt‘, als ich ihn schlug,

Also verfahren.

Antonius.

Ich bau auf eure Weisheit.

Mir reiche jeder seine blutge Hand;

Erst, Marcus Brutus, schütteln wir sie uns;

Dann, Cajus Cassius, faß ich Eure Hand;

Nun Eure, Decius Brutus; Eure, Cinna;

Metellus, Eure nun; mein tapfrer Casca,

Die Eure; reicht, Trebonius, Eure mir

Zuletzt, doch nicht der letzte meinem Herzen.

Ach, all ihr edlen Herrn, was soll ich sagen,

Mein Ansehn steht jetzt auf so glattem Boden,

Daß ich euch eines von zwei schlimmen Dingen,

Ein Feiger oder Schmeichler, scheinen muß.

Daß ich dich liebte, Cäsar, o ’s ist wahr!

Wofern dein Geist jetzt niederblickt auf uns,

Wird’s dich nicht kränken, bittrer als dein Tod,

Zu sehn, wie dein Antonius Frieden macht

Und deiner Feinde blutge Hände drückt,

Du Edelster, in deines Leichnams Nähe?

Hätt ich so manches Aug als Wunden du,

Und jedes strömte Tränen, wie sie Blut,

Das ziemte besser mir, als einen Bund

Der Freundschaft einzugehn mit deinen Feinden.

Verzeih mir, Julius! – Du edler Hirsch,

Hier wurdest du erjagt, hier fielest du;

Hier stehen deine Jäger, mit den Zeichen

Des Mordes und von deinem Blut bepurpurt.

O Welt, du warst der Wald für diesen Hirsch,

Und er, o Welt! war seines Waldes Stolz. –

Wie ähnlich einem Wild, von vielen Fürsten

Geschossen, liegst du hier!

Cassius.

Antonius –

Antonius.

Verzeiht mir, Cajus Cassius;

Dies werden selbst die Feinde Cäsars sagen,

An einem Freund ist’s kalte Mäßigung.

Cassius.

Ich tadl Euch nicht, daß Ihr den Cäsar preist;

Allein, wie denkt Ihr Euch mit uns zu stehen?

Seid Ihr von unsern Freunden? oder sollen

Wir vorwärtsdringen, ohn auf Euch zu baun?

Antonius.

Deswegen faßt ich eure Hände; nur

Vergaß ich mich, als ich auf Cäsarn blickte.

Ich bin euch allen Freund und lieb euch alle,

In Hoffnung, eure Gründe zu vernehmen,

Wie und warum gefährlich Cäsar war.

Brutus.

Jawohl, sonst wär dies ein unmenschlich Schauspiel.

Und unsre Gründe sind so wohl bedacht,

Wärt Ihr der Sohn des Cäsar, Mark Anton,

Sie gnügten Euch.

Antonius.

Das such ich einzig ja.

Auch halt ich an um die Vergünstigung,

Den Leichnam auszustellen auf dem Markt

Und auf der Bühne, wie’s dem Freunde ziemt,

Zu reden bei der Feier der Bestattung.

Brutus.

Das mögt Ihr, Mark Anton.

Cassius.

Brutus, ein Wort mit Euch.

(Beiseite.) Ihr wißt nicht, was Ihr tut; gestattet nicht,

Daß ihm Antonius die Rede halte.

Wißt Ihr, wie sehr das Volk durch seinen Vortrag

Sich kann erschüttern lassen?

Brutus.

Nein, verzeiht.

Ich selbst betrete erst die Bühn und lege

Von unsers Cäsars Tod die Gründe dar.

Was dann Antonius sagen wird, erklär ich,

Gescheh erlaubt und mit Bewilligung;

Es sei uns recht, daß Cäsar jeder Ehre

Teilhaftig werde, so die Sitte heiligt.

Dies wird uns mehr Gewinn als Schaden bringen.

Cassius.

Wer weiß, was vorfällt? Ich bin nicht dafür.

Brutus.

Hier, Mark Anton, nehmt Ihr die Leiche Cäsars.

Ihr sollt uns nicht in Eurer Rede tadeln,

Doch sprecht von Cäsarn Gutes nach Vermögen

Und sagt, daß Ihr’s mit unserm Willen tut.

Sonst sollt Ihr gar mit dem Begräbnis nichts

Zu schaffen haben. Auf derselben Bühne,

Zu der ich jetzo gehe, sollt Ihr reden,

Wenn ich zu redet, aufgehört.

Antonius.

So sei’s!

Ich wünsche weiter nichts.

Brutus.

Bereitet denn die Leich und folget uns. (Alle bis auf Antonius ab.)

Antonius.

O du, verzeih mir, blutend Stückchen Erde!

Daß ich mit diesen Schlächtern freundlich tat.

Du bist der Rest des edelsten der Männer,

Der jemals lebt, im Wechsellauf der Zeit.

Weh! weh der Hand, die dieses Blut vergoß!

Jetzt prophezei ich über deinen Wunden,

Die ihre Purpurlippen öffnen, stumm

Von meiner Zunge Stimm und Wort erflehend:

Ein Fluch wird fallen auf der Menschen Glieder,

Und innre Wut und wilder Bürgerzwist

Wird ängsten alle Teil‘ Italiens;

Verheerung, Mord wird so zur Sitte werden

Und so gemein das Furchtbarste, daß Mütter

Nur lächeln, wenn sie ihre zarten Kinder

Gevierteilt von des Krieges Händen sehn.

Die Fertigkeit in Greueln würgt das Mitleid;

Und Cäsars Geist, nach Rache jagend, wird,

Zur Seit ihm Ate, heiß der Höll entstiegen,

In diesen Grenzen mit des Herrschers Ton

Mord rufen und des Krieges Hund‘ entfesseln,

Daß diese Schandtat auf zum Himmel stinke

Von Menschenaas, das um Bestattung ächzt.

Ein Diener kommt.

Ihr dienet dem Octavius Cäsar? nicht?

Diener.

Ja, Mark Anton.

Antonius.

Cäsar beschied ihn schriftlich her nach Rom.

Diener.

Den Brief empfing er und ist unterwegs;

Und mündlich hieß er mich an Euch bestellen

(Er erblickt den Leichnam Cäsars.)

O Cäsar!

Antonius.

Dein Herz ist voll, geh auf die Seit und weine.

Ich sehe, Leid steckt an; denn meine Augen,

Da sie des Grames Perlen sahn in deinen,

Begannen sie zu fließen – Kommt dein Herr?

Diener.

Er bleibt zur Nacht von Rom nur sieben Meilen.

Antonius.

Reit schnell zurück und meld‘ ihm, was geschehn.

Hier ist ein Rom voll Trauer und Gefahr,

Kein sichres Rom noch für Octavius.

Eil hin und sag ihm das! – Nein, warte noch!

Du sollst nicht fort, bevor ich diese Leiche

Getragen auf den Markt und meine Rede

Das Volk geprüft, wie dieser blutgen Männer

Unmenschliches Beginnen ihm erscheint.

Und demgemäß sollst du dem jungen Cäsar

Berichten, wie allhier die Dinge stehn.

Leih deinen Arm mir. (Beide ab mit Cäsars Leiche.)

Zweite Szene

Das Forum

Brutus und Cassius kommen mit einem Haufen Volks

Bürger.

Wir wollen Rechenschaft! Legt Rechenschaft uns ab!

Brutus.

So folget mir und gebt Gehör mir, Freunde. –

Ihr, Cassius geht in eine andre Straße

Und teilt die Haufen –

Wer mich will reden hören, bleibe hier;

Wer Cassius folgen will, der geh mit ihm.

Wir wollen öffentlich die Gründ‘ erklären

Von Cäsars Tod.

Erster Bürger.

Ich will den Brutus hören.

Zweiter Bürger.

Den Cassius ich: so können wir die Gründe

Vergleichen, wenn wir beide angehört. (Cassius mit einigen Bürgern ab. Brutus besteigt die Rostra.)

Dritter Bürger.

Der edle Brutus steht schon oben – still!

Brutus.

Seid ruhig zum Schluß.

Römer! Mitbürger! Freunde! Hört mich meine Sache führen und seid still, damit ihr hören möget. Glaubt mir um meiner Ehre willen und hegt Achtung vor meiner Ehre, damit ihr glauben mögt. Richtet mich nach eurer Weisheit und weckt eure Sinne, um desto besser urteilen zu können. Ist jemand in dieser Versammlung, irgendein herzlicher Freund Cäsars, dem sage ich: des Brutus Liebe zum Cäsar war nicht geringer als seine. Wenn dieser Freund dann fragt, warum Brutus gegen Cäsar aufstand, ist dies meine Antwort: nicht, weil ich Cäsarn weniger liebte, sondern weil ich Rom mehr liebte. Wolltet ihr lieber, Cäsar lebte und ihr stürbet alle als Sklaven, als daß Cäsar tot ist, damit ihr alle lebet wie freie Männer? Weil Cäsar mich liebte, wein ich um ihn; weil er glücklich war, freue ich mich; weil er tapfer war, ehr ich ihn; aber weil er herrschsüchtig war, erschlug ich ihn. Also Tränen für seine Liebe, Freude für sein Glück, Ehre für seine Tapferkeit und Tod für seine Herrschsucht. Wer ist hier so niedrig gesinnt, daß er ein Knecht sein möchte? Ist es jemand, er rede, denn ihn habe ich beleidigt. Wer ist hier so roh, daß er nicht wünschte, ein Römer zu sein? Ist es jemand, er rede, denn ihn habe ich beleidigt. Wer ist hier so schlecht, daß er sein Vaterland nicht liebte? Ist es jemand, er rede, denn ihn habe ich beleidigt. Ich halte inne, um Antwort zu hören.

Bürger (verschiedene Stimmen auf einmal).

Niemand, Brutus! niemand!

Brutus.

Dann habe ich niemand beleidigt. Ich tat Cäsarn nichts, als was ihr dem Brutus tun würdet. Die Untersuchung über seinen Tod ist im Kapitol aufgezeichnet; sein Ruhm nicht geschmälert, wo er Verdienste hatte, seine Vergehen nicht übertrieben, für die er den Tod gelitten.

Antonius und andre treten auf mit Cäsars Leiche.

Hier kommt seine Leiche, von Mark Anton betrauert, der, ob er schon keinen Teil an seinem Tode hatte, die Wohltat seines Sterbens, einen Platz im gemeinen Wesen, genießen wird. Wer von euch wird es nicht? Hiermit trete ich ab. Wie ich meinen besten Freund für das Wohl Roms erschlug, so habe ich denselben Dolch für mich selbst, wenn es dem Vaterland gefällt, meinen Tod zu bedürfen.

Bürger.

Lebe, Brutus! lebe! lebe!

Erster Bürger.

Begleitet mit Triumph ihn in sein Haus.

Zweiter Bürger.

Stellt ihm ein Bildnis auf bei seinen Ahnen.

Dritter Bürger.

Er werde Cäsar!

Vierter Bürger.

Im Brutus krönt ihr Cäsars beßre Gaben.

Erster Bürger.

Wir bringen ihn zu Haus mit lautem Jubel.

Brutus. Mitbürger –

Zweiter Bürger.

Schweigt doch! Stille! Brutus spricht.

Erster Bürger.

Still da!

Brutus.

Ihr guten Bürger, laßt allein mich gehn;

Bleibt mir zuliebe hier beim Mark Anton.

Ehrt Cäsars Leiche, ehret seine Rede,

Die Cäsars Ruhm verherrlicht. Dem Antonius

Gab unser Will‘ Erlaubnis, sie zu halten.

Ich bitt euch, keiner gehe fort von hier

Als ich allein, bis Mark Anton gesprochen. (Ab.)

Erster Bürger.

He, bleibt doch! Hören wir den Mark Anton.

Dritter Bürger.

Laßt ihn hinaufgehn auf die Rednerbühne.

Ja, hört ihn! Edler Mark Anton, hinauf!

Antonius.

Um Brutus‘ willen bin ich euch verpflichtet.

Vierter Bürger.

Was sagt er da vom Brutus?

Dritter Bürger.

Er sagt, um Brutus‘ willen find er sich

Uns insgesamt verpflichtet.

Vierter Bürger.

Er täte wohl,

Dem Brutus hier nichts Übles nachzureden.

Erster Bürger.

Der Cäsar war ein Tyrann.

Dritter Bürger.

Ja, das ist sicher;

Es ist ein Glück für uns, daß Rom ihn los ward.

Vierter Bürger.

Still! Hört doch, was Antonius sagen kann!

Antonius.

Ihr edlen Römer –

Bürger.

Still da! hört ihn doch!

Antonius.

Mitbürger! Freunde! Römer! hört mich an:

Begraben will ich Cäsarn, nicht ihn preisen.

Was Menschen Übles tun, das überlebt sie,

Das Gute wird mit ihnen oft begraben.

So sei es auch mit Cäsarn! Der edle Brutus

Hat euch gesagt, daß er voll Herrschsucht war;

Und war er das, so war’s ein schwer Vergehen,

Und schwer hat Cäsar auch dafür gebüßt.

Hier, mit des Brutus Willen und der andern

(Denn Brutus ist ein ehrenwerter Mann,

Das sind sie alle, alle ehrenwert),

Komm ich, bei Cäsars Leichenzug zu reden.

Er war mein Freund, war mir gerecht und treu;

Doch Brutus sagt, daß er voll Herrschsucht war,

Und Brutus ist ein ehrenwerter Mann.

Er brachte viel Gefangne heim nach Rom,

Wofür das Lösegeld den Schatz gefüllt.

Sah das der Herrschsucht wohl am Cäsar gleich?

Wenn Arme zu ihm schrien, so weinte Cäsar;

Die Herrschsucht sollt aus härterm Stoff bestehn.

Doch Brutus sagt, daß er voll Herrschsucht war,

Und Brutus ist ein ehrenwerter Mann.

Ihr alle saht, wie am Lupercusfest

Ich dreimal ihm die Königskrone bot,

Die dreimal er geweigert. War das Herrschsucht?

Doch Brutus sagt, daß er voll Herrschsucht war,

Und ist gewiß ein ehrenwerter Mann.

Ich will, was Brutus sprach, nicht widerlegen;

Ich spreche hier von dem nur, was ich weiß.

Ihr liebtet all ihn einst nicht ohne Grund;

Was für ein Grund wehrt euch, um ihn zu trauern?

O Urteil, du entflohst zum blöden Vieh,

Der Mensch ward unvernünftig! – Habt Geduld!

Mein Herz ist in dem Sarge hier beim Cäsar,

Und ich muß schweigen, bis es mir zurückkommt.

Erster Bürger.

Mich dünkt, in seinen Reden ist viel Grund.

Zweiter Bürger.

Wenn man die Sache recht erwägt, ist Cäsarn

Groß Unrecht widerfahren.

Dritter Bürger.

Meint Ihr, Bürger?

Ich fürcht, ein Schlimmrer kommt an seine Stelle.

Vierter Bürger.

Habt ihr gehört? Er nahm die Krone nicht;

Da sieht man, daß er nicht herrschsüchtig war.

Erster Bürger.

Wenn dem so ist, so wird es manchem teuer

Zu stehen kommen.

Zweiter Bürger.

Ach, der arme Mann!

Die Augen sind ihm feuerrot vom Weinen.

Dritter Bürger.

Antonius ist der bravste Mann in Rom.

Vierter Bürger.

Gebt acht! Er fängt von neuem an zu reden.

Antonius.

Noch gestern hätt umsonst dem Worte Cäsars

Die Welt sich widersetzt; nun liegt er da,

Und der Geringste neigt sich nicht vor ihm.

O Bürger! strebt ich, Herz und Mut in euch

Zur Wut und zur Empörung zu entflammen,

So tät ich Cassius und Brutus Unrecht,

Die ihr als ehrenwerte Männer kennt.

Ich will nicht ihnen Unrecht tun, will lieber

Dem Toten Unrecht tun, mir selbst und euch,

Als ehrenwerten Männern, wie sie sind.

Doch seht dies Pergament mit Cäsars Siegel;

Ich fand’s bei ihm, es ist sein letzter Wille.

Vernähme nur das Volk dies Testament

(Das ich, verzeiht mir, nicht zu lesen denke),

Sie gingen hin und küßten Cäsars Wunden

Und tauchten Tücher in sein heilges Blut,

Ja, bäten um ein Haar zum Angedenken,

Und sterbend nennten sie’s im Testament

Und hinterließen’s ihres Leibes Erben

Zum köstlichen Vermächtnis.

Vierter Bürger.

Wir wollen’s hören: lest das Testament!

Lest, Mark Anton!

Bürger.

Ja, ja, das Testament!

Laßt Cäsars Testament uns hören.

Antonius.

Seid ruhig, lieben Freund‘! Ich darf’s nicht lesen,

Ihr müßt nicht wissen, wie euch Cäsar liebte.

Ihr seid nicht Holz, nicht Stein, ihr seid ja Menschen;

Drum, wenn ihr Cäsars Testament erführt,

Es setzt‘ in Flammen euch, es macht‘ euch rasend.

Ihr dürft nicht wissen, daß ihr ihn beerbt,

Denn wüßtet ihr’s, was würde draus entstehn?

Bürger.

Lest das Testament! Wir wollen’s hören, Mark Anton!

Ihr müßt es lesen! Cäsars Testament!

Antonius.

Wollt ihr euch wohl gedulden? wollt ihr warten?

Ich übereilte mich, da ich’s euch sagte.

Ich fürcht, ich tu den ehrenwerten Männern

Zu nah, durch deren Dolche Cäsar fiel;

Ich fürchte es.

Vierter Bürger.

Sie sind Verräter: ehrenwerte Männer!

Bürger.

Das Testament! Das Testament!

Zweiter Bürger.

Sie waren Bösewichter, Mörder! Das Testament!

Lest das Testament!

Antonius.

So zwingt ihr mich, das Testament zu lesen?

Schließt einen Kreis um Cäsars Leiche denn,

Ich zeig euch den, der euch zu Erben machte.

Erlaubt ihr mir’s? Soll ich hinuntersteigen?

Bürger.

Ja, kommt nur!

Zweiter Bürger.

Steigt herab! (Er verläßt die Rednerbühne.)

Dritter Bürger.

Es ist Euch gern erlaubt.

Vierter Bürger.

Schließt einen Kreis herum.

Erster Bürger.

Zurück vom Sarge! von der Leiche weg!

Zweiter Bürger.

Platz für Antonius! für den edlen Antonius!

Antonius.

Nein, drängt nicht so heran! Steht weiter weg!

Bürger.

Zurück! Platz da! zurück!

Antonius.

Wofern ihr Tränen habt, bereitet euch,

Sie jetzo zu vergießen. Diesen Mantel,

Ihr kennt ihn alle; doch erinnr‘ ich mich

Des ersten Males, daß ihn Cäsar trug

In seinem Zelt, an einem Sommerabend –

Er überwand den Tag die Nervier –

Hier, schauet! fuhr des Cassius Dolch herein;

Seht, welchen Riß der tücksche Casca machte!

Hier stieß der vielgeliebte Brutus durch;

Und als er den verfluchten Stahl hinwegriß,

Schaut her, wie ihm das Blut des Cäsar folgte,

Als stürzt‘ es vor die Tür, um zu erfahren,

Ob wirklich Brutus so unfreundlich klopfte.

Denn Brutus, wie ihr wißt, war Cäsars Engel.

Ihr Götter, urteilt, wie ihn Cäsar liebte!

Kein Stich von allen schmerzte so wie der.

Denn als der edle Cäsar Brutus sah,

Warf Undank, stärker als Verräterwaffen,

Ganz nieder ihn; da brach sein großes Herz,

Und in dem Mantel sein Gesicht verhüllend,

Grad am Gestell der Säule des Pompejus,

Von der das Blut rann, fiel der große Cäsar.

O meine Bürger, welch ein Fall war das!

Da fielet ihr und ich, wir alle fielen,

Und über uns frohlockte blutge Tücke.

O ja! nun weint ihr, und ich merk, ihr fühlt

Den Drang des Mitleids; dies sind milde Tropfen.

Wie? weint ihr, gute Herzen, seht ihr gleich

Nur unsers Cäsars Kleid verletzt? Schaut her!

Hier ist er selbst, geschändet von Verrätern.

Erster Bürger.

O kläglich Schauspiel!

Zweiter Bürger.

O edler Cäsar!

Dritter Bürger.

O jammervoller Tag!

Vierter Bürger.

O Buben und Verräter!

Erster Bürger.

O blutger Anblick!

Zweiter Bürger.

Wir wollen Rache! Rache! Auf und sucht!

Sengt! brennt! schlagt! mordet! laßt nicht einen leben!

Antonius.

Seid ruhig, meine Bürger!

Erster Bürger.

Still da! Hört den edlen Antonius!

Zweiter Bürger.

Wir wollen ihn hören, wir wollen ihm folgen,

wir wollen für ihn sterben!

Antonius.

Ihr guten, lieben Freund‘, ich muß euch nicht

Hinreißen zu des Aufruhrs wildem Sturm.

Die diese Tat getan, sind ehrenwert.

Was für Beschwerden sie persönlich führen,

Warum sie’s taten, ach! das weiß ich nicht;

Doch sind sie weis und ehrenwert, und werden

Euch sicherlich mit Gründen Rede stehn.

Nicht euer Herz zu stehlen, komm ich, Freunde;

Ich bin kein Redner, wie es Brutus ist,

Nur, wie ihr alle wißt, ein schlichter Mann

Dem Freund ergeben, und das wußten die

Gar wohl, die mir gestattet, hier zu reden.

Ich habe weder Witz noch Wort‘ und Würde,

Noch Kunst des Vortrags noch die Macht der Rede,

Der Menschen Blut zu reizen; nein, ich spreche

Nur gradezu und sag euch, was ihr wißt.

Ich zeig euch des geliebten Cäsars Wunden,

Die armen stummen Munde, heiße die

Statt meiner reden. Aber wär ich Brutus

Und Brutus Mark Anton, dann gäb es einen,

Der eure Geister schürt‘ und jeder Wunde

Des Cäsars eine Zunge lieh‘, die selbst

Die Steine Roms zum Aufstand würd empören.

Dritter Bürger.

Empörung!

Erster Bürger.

Steckt des Brutus Haus in Brand!

Dritter Bürger.

Hinweg denn! kommt, sucht die Verschwornen auf!

Antonius.

Noch hört mich, meine Bürger, hört mich an!

Bürger.

Still da! Hört Mark Anton! den edlen Mark Anton!

Antonius.

Nun, Freunde, wißt ihr selbst auch, was ihr tut?

Wodurch verdiente Cäsar eure Liebe?

Ach nein! ihr wißt nicht. – Hört es denn! Vergessen

Habt ihr das Testament, wovon ich sprach.

Bürger.

Wohl wahr! Das Testament! Bleibt, hört das Testament!

Antonius.

Hier ist das Testament mit Cäsars Siegel;

Darin vermacht er jedem Bürger Roms,

Auf jeden Kopf euch, fünfundsiebzig Drachmen.

Zweiter Bürger.

O edler Cäsar! – Kommt, rächt seinen Tod!

Dritter Bürger.

O königlicher Cäsar.

Antonius.

Hört mich mit Geduld!

Bürger.

Still da!

Antonius.

Auch läßt er alle seine Lustgehege,

Verschloßne Lauben, neugepflanzte Gärten

Diesseit der Tiber euch und euren Erben

Auf ewge Zeit, damit ihr euch ergehn

Und euch gemeinsam dort ergötzen könnt.

Das war ein Cäsar: wann kommt seinesgleichen?

Erster Bürger.

Nimmer! nimmer! – Kommt! hinweg! hinweg! hinweg!

Verbrennt den Leichnam auf dem heilgen Platze,

Und mit den Bränden zündet den Verrätern

Die Häuser an. Nehmt denn die Leiche auf!

Zweiter Bürger.

Geht! holt Feuer!

Dritter Bürger.

Reißt Bänke ein!

Vierter Bürger.

Reißt Sitze, Läden, alles ein! (Die Bürger mit Cäsars Leiche ab.)

Antonius.

Nun wirk es fort. Unheil, du bist im Zuge:

Nimm, welchen Lauf du willst! –

Ein Diener kommt.

Was bringst du, Bursch?

Diener.

Herr! Octavius ist schon nach Rom gekommen.

Antonius.

Wo ist er?

Diener.

Er und Lepidus sind in Cäsars Hause.

Antonius.

Ich will sofort dahin, ihn zu besuchen,

Er kommt erwünscht. Das Glück ist aufgeräumt

Und wird in dieser Laun uns nichts versagen.

Diener.

Ich hört ihn sagen, Cassius und Brutus

Sei’n durch die Tore Roms wie toll geritten.

Antonius.

Vielleicht vernahmen sie vom Volke Kundschaft,

Wie ich es aufgewiegelt. Führ indes

Mich zum Octavius. (Beide ab.)

Dritte Szene

Eine Straße

Cinna, der Poet, tritt auf

Cinna.

Mir träumte heut, daß ich mit Cäsarn schmauste,

Und Mißgeschick füllt meine Phantasie.

Ich bin unlustig, aus dem Haus zu gehn,

Doch treibt es mich heraus. Bürger kommen.

Erster Bürger.

Wie ist Euer Name?

Zweiter Bürger.

Wo geht Ihr hin?

Dritter Bürger.

Wo wohnt Ihr?

Vierter Bürger.

Seid Ihr verheiratet oder ein Junggesell?

Zweiter Bürger.

Antwortet jedem unverzüglich.

Erster Bürger.

Ja, und kürzlich.

Vierter Bürger.

Ja, und weislich.

Dritter Bürger.

Ja, und ehrlich, das raten wir Euch.

Cinna.

Wie ist mein Name? Wohin gehe ich? Wo wohne ich? Bin ich verheiratet oder ein Junggesell? Also um jedem Manne unverzüglich und kürzlich, weislich und ehrlich zu antworten, sage ich weislich: ich bin ein Junggesell.

Zweiter Bürger.

Das heißt soviel: wer heiratet, ist ein Narr. Dafür Denke ich Euch eins zu versetzen. Weiter, unverzüglich!

Cinna.

Unverzüglich gehe ich zu Cäsars Bestattung.

Erster Bürger.

Als Freund oder Feind?

Cinna.

Als Freund.

Zweiter Bürger.

Das war unverzüglich beantwortet.

Vierter Bürger.

Eure Wohnung, kürzlich!

Cinna.

Kürzlich, ich wohne beim Kapitol.

Dritter Bürger.

Euer Name, Herr! ehrlich!

Cinna.

Ehrlich, mein Name ist Cinna.

Erster Bürger.

Reißt ihn in Stücke! Er ist ein Verschworner.

Cinna.

Ich bin Cinna, der Poet! Ich bin Cinna, der Poet!

Vierter Bürger.

Zerreißt ihn für seine schlechten Verse! Zerreißt ihn für seine schlechten Verse!

Cinna.

Ich bin nicht Cinna, der Verschworne.

Vierter Bürger.

Es tut nichts! sein Name ist Cinna; reißt ihm den Namen aus dem Herzen und laßt ihn laufen.

Dritter Bürger.

Zerreißt ihn! Zerreißt ihn! Kommt, Brände! Heda, Feuerbrände! Zum Brutus! Zum Cassius! Steckt alles in Brand! Ihr zu des Decius Hause! Ihr zu des Casca! Ihr zu des Ligarius! Fort! Kommt! (Alle ab.)

Vierter Aufzug

Erste Szene

Rom. Ein Zimmer des Antonius

Antonius, Octavius und Lepidus, an einem Tische sitzend

Antonius.

Die müssen also sterben, deren Namen

Hier angezeichnet stehn.

Octavius.

Auch Euer Bruder

Muß sterben, Lepidus. Ihr willigt drein?

Lepidus.

Ich willge drein.

Octavius.

Zeichn ihn, Antonius.

Lepidus.

Mit dem Beding, daß Publius nicht lebe,

Der Eurer Schwester Sohn ist, Mark Anton.

Antonius.

Er lebe nicht; sieh her, ein Strich verdammt ihn.

Doch Lepidus, geht Ihr zu Cäsars Haus,

Bringt uns sein Testament; wir wollen sehn,

Was an Vermächtnissen sich kürzen läßt.

Lepidus.

Wie? Soll ich hier euch finden?

Octavius.

Hier oder auf dem Kapitol. (Lepidus ab.)

Antonius.

Dies ist ein schwacher, unbrauchbarer Mensch,

Zum Botenlaufen nur geschickt. Verdient er,

Wenn man die dreibenannte Welt verteilt,

Daß er als dritter Mann sein Teil empfange?

Octavius.

Ihr glaubtet es und hörtet auf sein Wort,

Wen man im schwarzen Rate unsrer Acht

Zum Tode zeichnen sollte.

Antonius.

Octavius, ich sah mehr Tag‘ als Ihr.

Ob wir auf diesen Mann schon Ehren häufen,

Um manche Last des Leumunds abzuwälzen,

Er trägt sie doch nur wie der Esel Gold,

Der unter dem Geschäfte stöhnt und schwitzt,

Geführt, getrieben, wie den Weg wir weisen;

Und hat er unsern Schatz, wohin wir wollen,

Gebracht, dann nehmen wir die Last ihm ab

Und lassen ihn als ledgen Esel laufen,

Daß er die Ohren schütteln mög und grasen

Auf offner Weide.

Octavius.

Tut, was Euch beliebt;

Doch ist er ein geprüfter, wackrer Krieger.

Antonius.

Das ist mein Pferd ja auch, Octavius,

Dafür bestimm ich ihm sein Maß von Futter.

Ist’s ein Geschöpf nicht, das ich lehre fechten,

Umwenden, halten, grade vorwärts rennen,

Des körperliches Tun mein Geist regiert?

In manchem Sinn ist Lepidus nichts weiter:

Man muß ihn erst abrichten, lenken, mahnen;

Ein Mensch von dürftgem Geiste, der sich nährt

Von Gegenständen, Künsten, Nachahmungen,

Die, alt und schon von andern abgenutzt,

Erst seine Mode werden. Sprecht nicht anders

Von ihm als einem Werkzeug nur. – Und nun,

Octavius, vernehmet große Dinge:

Brutus und Cassius werben Völker an,

Wir müssen ihnen stracks die Spitze bieten;

Drum laßt die Bundsgenossen uns versammeln,

Die Freunde sichern, alle Macht aufbieten;

Und laßt zu Rat uns sitzen alsobald,

Wie man am besten Heimliches entdeckt

Und offnen Fährlichkeiten sicher trotzt.

Octavius.

Das laßt uns tun; denn uns wird aufgelauert,

Und viele Feinde bellen um uns her;

Und manche, so da lächeln, fürcht ich, tragen

Im Herzen tausend Unheil. (Beide ab.)

Zweite Szene

Vor Brutus‘ Zelte im Lager nahe bei Sardes Trommeln werden gerührt. Brutus, Lucilius, Lucius und Soldaten treten auf. Pindarus und Titinius kommen ihnen entgegen

Brutus.

Halt!

Lucilius.

He! Gebt das Wort und haltet.

Brutus.

Was gibt’s, Lucilius? Ist Cassius nahe?

Lucilius.

Er ist nicht weit, und hier kommt Pindarus,

Im Namen seines Herrn Euch zu begrüßen. (Pindarus überreicht dem Brutus einen Brief.)

Brutus.

Sein Gruß ist freundlich. Wißt, daß Euer Herr,

Von selbst verändert oder schlecht beraten,

Mir gültgen Grund gegeben, ungeschehn

Geschehenes zu wünschen. Aber ist er

Hier in der Näh, so wird er mir genugtun.

Pindarus.

Ich zweifle nicht, voll Ehr und Würdigkeit

Wird, wie er ist, mein edler Herr erscheinen.

Brutus.

Wir zweifeln nicht an ihm. – Ein Wort, Lucilius:

Laßt mich erfahren, wie er Euch empfing.

Lucilius.

Mit Höflichkeit und Ehrbezeugung gnug,

Doch nicht mit so vertrauter Herzlichkeit,

Nicht mit so freiem, freundlichem Gespräch,

Als er vordem wohl pflegte.

Brutus.

Du beschreibst,

Wie warme Freund‘ erkalten. Merke stets

Lucilius, wenn Lieb erkrankt und schwindet,

Nimmt sie gezwungne Höflichkeiten an.

Einfältge, schlichte Treu weiß nichts von Künsten;

Doch Gleisner sind wie Pferde, heiß im Anlauf:

Sie prangen schön mit einem Schein von Kraft;

Doch sollen sie den blutgen Sporn erdulden,

So sinkt ihr Stolz, und falschen Mähren gleich

Erliegen sie der Prüfung. – Naht sein Heer?

Lucilius.

Sie wollten Nachtquartier in Sardes halten.

Der größte Teil, die ganze Reiterei

Kommt mit dem Cassius. (Ein Marsch hinter der Szene.)

Brutus.

Horch! Er ist schon da.

Rückt langsam ihm entgegen. Cassius tritt auf mit Soldaten.

Cassius.

Halt!

Brutus.

Halt! Gebt das Befehlswort weiter. (Hinter der Szene: Halt! – Halt! – Halt!)

Cassius.

Ihr tatet mir zu nah, mein edler Brutus.

Brutus.

Ihr Götter, richtet! Tu ich meinen Feinden

Zu nah? und sollt ich’s meinem Bruder tun?

Cassius.

Brutus, dies Euer würdiges Benehmen

Deckt Unrecht zu, und wenn Ihr es begeht –

Brutus.

Seid ruhig, Cassius! bringet leise vor,

Was für Beschwerd Ihr habt. – Ich kenn Euch wohl.

Im Angesicht der beiden Heere hier,

Die nichts von uns als Liebe sehen sollten,

Laßt uns nicht hadern. Heißt hinweg sie ziehn;

Führt Eure Klagen dann in meinem Zelt;

Ich will Gehör Euch geben.

Cassius.

Pindarus,

Heißt unsre Obersten ein wenig weiter

Von diesem Platz hinweg die Scharen führen.

Brutus.

Tut Ihr das auch, Lucilius. Laßt niemand,

Solang die Unterredung dauert, ein.

Laßt Lucius und Titinius Wache stehn. (Alle ab.)

Dritte Szene

Im Zelte des Brutus Lucius und Titinius in einiger Entfernung davon. Brutus und Cassius treten auf

Cassius.

Eur Unrecht gegen mich erhellet hieraus:

Ihr habt den Lucius Pella hart verdammt,

Weil er bestochen worden von den Sardern;

Mein Brief, worin ich mich für ihn verwandt,

Weil ich ihn kenne, ward für nichts geachtet.

Brutus.

Ihr tatet Euch zu nah, in solchem Fall zu schreiben.

Cassius.

In solcher Zeit, wie diese, ziemt es nicht,

Daß jeder kleine Fehl bekrittelt werde.

Brutus.

Laßt mich Euch sagen, Cassius, daß Ihr selbst

Verschrien seid, weil Ihr hohle Hände macht,

Weil Ihr an Unverdiente Eure Ämter

Verkauft und feilschet.

Cassius.

Mach ich hohle Hände?

Ihr wißt wohl, Ihr seid Brutus, der dies sagt,

Sonst, bei den Göttern! wär dies Wort Eur letztes.

Brutus.

Des Cassius Name adelt die Bestechung,

Darum verbirgt die Züchtigung ihr Haupt.

Cassius.

Die Züchtigung!

Brutus.

Denkt an den März, denkt an des Märzen Idus!

Hat um das Recht der große Julius nicht

Geblutet? Welcher Bube legt‘ an ihn

Die Hand wohl, schwang den Stahl, und nicht ums Recht?

Wie? Soll nun einer derer, die den ersten

Von allen Männern dieser Welt erschlugen,

Bloß, weil er Räuber schützte: sollen wir

Mit schnöden Gaben unsre Hand besudeln?

Und unser Würden weiten Kreis verkaufen

Für soviel Plunders, als man etwa greift?

Ein Hund sein lieber und den Mond anbellen,

Als solch ein Römer!

Cassius.

Brutus, reizt mich nicht!

Ich will’s nicht dulden. Ihr vergeßt Euch selbst,

Wenn Ihr mich so umzäunt; ich bin ein Krieger,

Erfahrner, älter, fähiger als Ihr,

Bedingungen zu machen.

Brutus.

Redet nur, –

Ihr seid es doch nicht, Cassius.

Cassius.

Ich bin’s.

Brutus.

Ich sag, Ihr seid es nicht.

Cassius.

Drängt mich nicht mehr, ich werde mich vergessen;

Gedenkt an Euer Heil, reizt mich nicht länger.

Brutus.

Geht, leichtgesinnter Mann!

Cassius.

Ist’s möglich?

Brutus.

Hört mich an, denn ich will reden.

Muß ich mich Eurer jähen Hitze fügen?

Muß ich erschrecken, wenn ein Toller starrt?

Cassius.

Ihr Götter! Götter! muß ich all dies dulden?

Brutus.

All dies? Noch mehr! Ergrimmt, bis es Euch birst,

Das stolze Herz. Geht, zeiget Euren Sklaven,

Wie rasch zum Zorn Ihr seid, und macht sie zittern.

Muß ich beiseit mich drücken? muß den Hof

Euch machen? Muß ich dastehn und mich krümmen

Vor Eurer krausen Laune? Bei den Göttern!

Ihr sollt hinunterwürgen Euren Gift,

Und wenn Ihr börstet; denn von heute an

Dient Ihr zum Scherz, ja zum Gelächter mir,

Wenn Ihr Euch so gebärdet.

Cassius.

Dahin kam’s?

Brutus.

Ihr sagt, daß Ihr ein beßrer Krieger seid:

Beweist es denn, macht Euer Prahlen wahr.

Es soll mir lieb sein; denn, was mich betrifft,

Ich werde gern von edlen Männern lernen.

Cassius.

Ihr tut zu nah, durchaus zu nah mir, Brutus.

Ich sagt, ein ältrer Krieger, nicht ein beßrer.

Sagt ich, ein beßrer?

Brutus.

Und hättet Ihr’s gesagt, mir gilt es gleich.

Cassius.

Mir hätte Cäsar das nicht bieten dürfen.

Brutus.

O schweigt! Ihr durftet ihn auch nicht so reizen.

Cassius.

Ich durfte nicht?

Brutus.

Nein.

Cassius.

Wie? Durft ihn nicht reizen?

Brutus.

Ihr durftet es für Euer Leben nicht.

Cassius.

Wagt nicht zuviel auf meine Liebe hin,

Ich möchte tun, was mich nachher gereute.

Brutus.

Ihr habt getan, was Euch gereuen sollte.

Eur Drohn hat keine Schrecken, Cassius;

Denn ich bin so bewehrt durch Redlichkeit,

Daß es vorbeizieht wie der leere Wind,

Der nichts mir gilt. Ich sandte hin zu Euch

Um eine Summe Golds, die Ihr mir abschlugt.

Ich kann kein Geld durch schnöde Mittel heben.

Beim Himmel! lieber prägt ich ja mein Herz

Und tröpfelte mein Blut für Drachmen aus

Als daß ich aus der Bauern harten Händen

Die jämmerliche Habe winden sollte

Durch irgendeinen Schlich. – Ich sandt um Gold zu Euch,

Um meine Legionen zu bezahlen;

Ihr schlugt mir’s ab: war das, wie Cassius sollte?

Hätt ich dem Cajus Cassius so erwidert?

Wenn Marcus Brutus je so geizig wird,

Daß er so lumpge Pfennige den Freunden

Verschließt, dann rüstet eure Donnerkeile,

Zerschmettert ihn, ihr Götter!

Cassius.

Ich schlug es Euch nicht ab.

Brutus.

Ihr tatet es.

Cassius.

Ich tat’s nicht; der Euch meine Antwort brachte,

War nur ein Tor. – Brutus zerreißt mein Herz –

Es sollt ein Freund des Freundes Schwächen tragen,

Brutus macht meine größer, als sie sind.

Brutus.

Das tu ich nicht, bis Ihr damit mich quält.

Cassius.

Ihr liebt mich nicht.

Brutus.

Nicht Eure Fehler lieb ich.

Cassius.

Nie konnt ein Freundesaug dergleichen sehn.

Brutus.

Des Schmeichlers Auge säh sie nicht, erschienen

Sie auch so riesenhaft wie der Olymp.

Cassius.

Komm, Mark Anton, und komm, Octavius, nur!

Nehmt eure Rach allein am Cassius;

Denn Cassius ist des Lebens überdrüssig,

Gehaßt von einem, den er liebt; getrotzt

Von seinem Bruder; wie ein Knecht gescholten.

Man späht nach allen meinen Fehlern, zeichnet

Sie in ein Denkbuch, lernt sie aus dem Kopf,

Wirft sie mir in die Zähne. – Oh, ich könnte

Aus meinen Augen meine Seele weinen!

Da ist mein Dolch, hier meine nackte Brust;

Ein Herz drin, reicher als des Plutus Schacht,

Mehr wert als Gold; wo du ein Römer bist,

So nimm’s heraus. Ich, der dir Gold versagt,

Ich biete dir mein Herz. Stoß zu, wie einst

Auf Cäsar! Denn ich weiß, als du am ärgsten

Ihn haßtest, liebtest du ihn mehr, als je

Du Cassius geliebt.

Brutus.

Steckt Euren Dolch ein!

Seid zornig, wenn Ihr wollt: es steh Euch frei!

Tut, was Ihr wollt, Schmach soll für Laune gelten.

O Cassius! einem Lamm seid Ihr gesellt,

Das so nur Zorn hegt wie der Kiesel Feuer,

Der, viel geschlagen, flüchtge Funken zeigt

Und gleich drauf wieder kalt ist.

Cassius.

Lebt ich dazu,

Ein Scherz nur und Gelächter meinem Brutus

Zu sein, wenn Gram und böses Blut mich plagt?

Brutus.

Als ich das sprach, hatt ich auch böses Blut.

Cassius.

Gesteht Ihr soviel ein? Gebt mir die Hand.

Brutus.

Und auch mein Herz.

Cassius.

O Brutus!

Brutus.

Was verlangt Ihr?

Cassius.

Liebt Ihr mich nicht genug, Geduld zu haben,

Wenn jene rasche Laune, von der Mutter

Mir angeerbt, macht, daß ich mich vergesse?

Brutus.

Ja, Cassius; künftig, wenn Ihr allzu streng

Mit Eurem Brutus seid, so denket er,

Die Mutter schmäl aus Euch, und läßt Euch gehn. (Lärm hinter der Szene.)

Ein Poet (hinter der Szene).

Laßt mich hinein, ich muß die Feldherrn sehn.

Ein Zank ist zwischen ihnen; ’s ist nicht gut,

Daß sie allein sind.

Lucilius (hinter der Szene).

Ihr sollt nicht hinein.

Poet (hinter der Szene).

Der Tod nur hält mich ab. Der Poet tritt ein.

Cassius.

Ei nun, was gibt’s?

Poet.

Schämt ihr euch nicht, ihr Feldherrn? Was beginnt ihr?

Liebt euch, wie sich’s für solche Männer schickt;

Fürwahr, ich hab mehr Jahr‘ als ihr erblickt.

Cassius.

Ha, ha! wie toll der Zyniker nicht reimt!

Brutus.

Ihr Schlingel, packt Euch! Fort, verwegner Bursch!

Cassius.

Ertragt ihn, Brutus! seine Weis ist so.

Brutus.

Kennt er die Zeit, so kenn ich seine Laune.

Was soll der Krieg mit solchen Schellennarren?

Geh fort, Gesell!

Cassius.

Fort! fort! geh deines Wegs! (Der Poet ab.)

Lucilius und Titinius kommen.

Brutus.

Lucilius und Titinius, heißt die Obersten

Auf Nachtquartier für ihre Scharen denken.

Cassius.

Kommt selber dann und bringt mit euch Messala

Sogleich zu uns herein. (Lucilius und Titinius ab.)

Brutus.

Lucius, eine Schale Weins.

Cassius.

Ich dachte nicht, daß Ihr so zürnen könntet.

Brutus.

O Cassius, ich bin krank an manchem Gram.

Cassius.

Ihr wendet die Philosophie nicht an,

Die ihr bekennt, gebt Ihr zufällgen Übeln Raum.

Brutus.

Kein Mensch trägt Leiden besser. – Portia starb.

Cassius.

Ha! Portia!

Brutus.

Sie ist tot.

Cassius.

Lag das im Sinn Euch, wie entkam ich lebend?

O bittrer, unerträglicher Verlust!

An welcher Krankheit?

Brutus.

Die Trennung nicht erduldend;

Und Gram, daß mit Octavius Mark Anton

So mächtig worden – denn mit ihrem Tod

Kam der Bericht – das brachte sie von Sinnen,

Und wie sie sich allein sah, schlang sie Feuer.

Cassius.

Und starb so?

Brutus.

Starb so.

Cassius.

O ihr ewgen Götter! Lucius kommt mit Wein und Kerzen.

Brutus.

Sprecht nicht mehr von ihr. – Gebt eine Schale Weins!

Hierin begrab ich allen Unglimpf, Cassius. (Trinkt.)

Cassius.

Mein Herz ist durstig, Euch Bescheid zu tun.

Füllt, Lucius, bis der Wein den Becher kränzt;

Von Brutus‘ Liebe trink ich nie zuviel. (Trinkt.) Titinius und Messala kommen.

Brutus.

Herein, Titinius! Seid gegrüßt, Messala!

Nun laßt uns dicht um diese Kerze sitzen

Und, was uns frommt, in Überlegung ziehn.

Cassius.

O Portia, bist du hin!

Brutus.

Nicht mehr, ich bitt Euch!

Messala, seht, ich habe Brief‘ empfangen,

Daß Mark Anton, mit ihm Octavius,

Heranziehn gegen uns mit starker Macht

Und ihren Heerzug nach Philippi lenken.

Messala.

Ich habe Briefe von demselben Inhalt.

Brutus.

Mit welchem Zusatz?

Messala.

Daß durch Proskription und Achtserklärung

Octavius, Mark Anton und Lepidus

Auf hundert Senatoren umgebracht.

Brutus.

Darüber weichen unsre Briefe ab.

Der meine spricht von siebzig Senatoren,

Die durch die Ächtung fielen; Cicero

Sei einer aus der Zahl.

Cassius.

Auch Cicero?

Messala.

Ja, er ist tot, und durch den Achtsbefehl. –

Kam Euer Brief von Eurer Gattin, Herr?

Brutus.

Nein, Messala.

Messala.

Und meldet Euer Brief von ihr Euch nichts?

Brutus.

Gar nichts, Messala.

Messala.

Das bedünkt mich seltsam.

Brutus.

Warum? Wißt Ihr aus Eurem Brief von ihr?

Messala.

Nein, Herr.

Brutus.

Wenn Ihr ein Römer seid, sagt mir die Wahrheit.

Messala.

Tragt denn die Wahrheit, die ich sag, als Römer:

Sie starb, und zwar auf wunderbare Weise.

Brutus.

Leb wohl denn, Portia! – Wir müssen sterben,

Messala; dadurch, daß ich oft bedacht,

Sie müß einst sterben, hab ich die Geduld,

Es jetzt zu tragen.

Messala.

So trägt ein großer Mann ein großes Unglück.

Cassius.

Durch Kunst hab ich soviel hievon als ihr,

Doch die Natur ertrüg’s in mir nicht so.

Brutus.

Wohlan, zu unserm lebenden Geschäft!

Was denkt Ihr? Ziehn wir nach Philippi gleich?

Cassius.

Mir scheint’s nicht ratsam.

Brutus.

Euer Grund?

Cassius.

Hier ist er:

Weit besser ist es, wenn der Feind uns sucht;

So wird er, sich zum Schaden, seine Mittel

Erschöpfen, seine Krieger müde machen.

Wir liegen still indes, bewahren uns

In Ruh wehrhaften Stand und Munterkeit.

Brutus.

Den bessern Gründen müssen gute weichen.

Das Land von hier bis nach Philippi hin

Beweist uns nur aus Zwang Ergebenheit,

Denn murrend hat es Lasten uns gezahlt.

Der Feind, indem er durch dasselbe zieht,

Wird seine Zahl daraus ergänzen können

Und uns erfrischt, vermehrt, ermutigt nahn.

Von diesem Vorteil schneiden wir ihn ab,

Wenn zu Philippi wir die Stirn ihm bieten,

Dies Volk im Rücken.

Cassius.

Hört mich, lieber Bruder!

Brutus.

Erlaubt mir gütig! – Ferner müßt Ihr merken,

Daß wir von Freunden alles aufgeboten,

Daß unsre Legionen übervoll

Und unsre Sache reif. Der Feind nimmt täglich zu;

Wir, auf dem Gipfel, stehn schon an der Neige.

Der Strom der menschlichen Geschäfte wechselt;

Nimmt man die Flut wahr, führet sie zum Glück;

Versäumt man sie, so muß die ganze Reise

Des Lebens sich durch Not und Klippen winden.

Wir sind nun flott auf solcher hohen See

Und müssen, wenn der Strom uns hebt, ihn nutzen;

Wo nicht, geht unser schwimmend Gut verloren.

Cassius.

So zieht denn, wie Ihr wollt; wir rücken selbst

Dem Feind entgegen nach Philippi vor.

Brutus.

Die tiefe Nacht hat das Gespräch beschlichen,

Und die Natur muß frönen dem Bedürfnis,

Das mit ein wenig Ruh wir täuschen wollen.

Ist mehr zu sagen noch?

Cassius.

Nein. Gute Nacht!

Früh stehn wir also morgen auf, und fort.

Brutus.

Lucius, mein Schlafgewand! (Lucius ab.) Lebt wohl, Messala!

Gute Nacht, Titinius! Edler, edler Cassius,

Gute Nacht und sanfte Ruh!

Cassius.

O teurer Bruder,

Das war ein schlimmer Anfang dieser Nacht.

Nie trenne solcher Zwiespalt unsre Herzen,

Nie wieder, Brutus.

Brutus.

Alles steht ja wohl.

Cassius.

Nun, gute Nacht!

Brutus.

Gute Nacht, mein guter Bruder!

Titinius und Messala.

Mein Feldherr, gute Nacht!

Brutus.

Lebt alle wohl. (Cassius, Titinius und Messala ab.)

Lucius kommt zurück mit dem Nachtkleide.

Brutus.

Gib das Gewand, wo hast du deine Laute?

Lucius.

Im Zelte hier.

Brutus.

Wie? Schläfrig? Armer Schelm,

Ich tadle drum dich nicht; du hast dich überwacht.

Ruf Claudius her und andre meiner Leute,

Sie sollen hier im Zelt auf Kissen schlafen.

Lucius.

Varro und Claudius! Varro und Claudius kommen.

Varro.

Ruft mein Gebieter?

Brutus.

Ich bitt euch, liegt in meinem Zelt und schlaft;

Bald weck ich euch vielleicht, um irgendwas

Bei meinem Bruder Cassius zu bestellen.

Varro.

Wenn’s Euch beliebt, wir wollen stehn und warten.

Brutus.

Das nicht! Nein, legt euch nieder, meine Freunde. –

(Die beiden Diener legen sich nieder.)

Vielleicht verändert noch sich mein Entschluß. –

Sieh, Lucius, hier das Buch, das ich so suchte;

Ich steckt es in die Tasche des Gewandes.

Lucius.

Ich wußte wohl, daß mein Gebieter mir

Es nicht gegeben.

Brutus.

Hab Geduld mit mir,

Mein guter Junge, ich bin sehr vergeßlich.

Hältst du noch wohl die müden Augen auf

Und spielst mir ein paar Weisen auf der Laute?

Lucius.

Ja, Herr, wenn’s Euch beliebt.

Brutus.

Das tut’s, mein Junge.

Ich plage dich zuviel, doch du bist willig.

Lucius.

Es ist ja meine Pflicht.

Brutus.

Ich sollte dich

Zur Pflicht nicht über dein Vermögen treiben;

Ich weiß, daß junges Blut auf Schlafen hält.

Lucius.

Ich habe schon geschlafen, mein Gebieter.

Brutus.

Du tatest recht und sollst auch wieder schlafen.

Ich will nicht lang dich halten; wenn ich lebe,

Will ich dir Gutes tun.

(Musik und ein Lied.)

Die Weis ist schläfrig – Mörderischer Schlummer,

Legst du die blei’rne Keul auf meinen Knaben,

Der dir Musik macht? – Lieber Schelm, schlaf wohl,

Ich tu dir’s nicht zuleid, daß ich dich wecke;

Nickst du, so brichst du deine Laut entzwei;

Ich nehm sie weg, und schlaf nun, guter Knabe.

Laßt sehn! Ist, wo ich aufgehört zu lesen,

Das Blatt nicht eingelegt? Hier, denk ich, ist’s. (Er setzt sich.)

Der Geist Cäsars erscheint.

Wie dunkel brennt die Kerze! – Ha, wer kommt?

Ich glaub, es ist die Schwäche meiner Augen,

Die diese schreckliche Erscheinung schafft.

Sie kommt mir näher – Bist du irgendwas?

Bist du ein Gott, ein Engel oder Teufel,

Der starren macht mein Blut, das Haar mir sträubt?

Gib Rede, was du bist.

Geist.

Dein böser Engel, Brutus.

Brutus.

Weswegen kommst du?

Geist.

Um dir zu sagen, daß du zu Philippi

Mich sehn sollst.

Brutus.

Gut, ich soll dich wiedersehn?

Geist.

Ja, zu Philippi. (Verschwindet.)

Brutus.

Nun, zu Philippi will ich denn dich sehn.

Nun ich ein Herz gefaßt, verschwindest du;

Gern spräch ich mehr mit dir noch, böser Geist. –

Bursch! Lucius! – Varro! Claudius! wacht auf!

Claudius!

Lucius.

Die Saiten sind verstimmt.

Brutus.

Er glaubt, er sei bei seiner Laute noch.

Erwache, Lucius!

Lucius.

Herr?

Brutus.

Hast du geträumt, daß du so schrieest, Lucius?

Lucius.

Ich weiß nicht, mein Gebieter, daß ich schrie.

Brutus.

Ja doch, was tatst du; sahst du irgendwas?

Lucius.

Nichts auf der Welt.

Brutus.

Schlaf wieder, Lucius. – Heda, Claudius!

Du, Bursch, wach auf!

Varro.

Herr?

Claudius.

Herr?

Brutus.

Weswegen schriet ihr so in eurem Schlaf?

Varro und Claudius.

Wir schrieen, Herr?

Brutus.

Ja, saht ihr irgendwas?

Varro.

Ich habe nichts gesehn.

Claudius.

Ich gleichfalls nicht.

Brutus.

Geht und empfehlt mich meinem Bruder Cassius;

Er lasse früh voraufziehn seine Macht,

Wir wollen folgen.

Varro und Claudius.

Herr, es soll geschehn. (Alle ab.)

Fünfter Aufzug

Erste Szene

Die Ebene von Philippi

Octavius, Antonius und ihr Heer

Octavius.

Nun, Mark Anton, wird meine Hoffnung wahr.

Ihr spracht, der Feind werd auf den Höhn sich halten

Und nicht herab in unsre Ebene ziehn;

Es zeigt sich anders: seine Scharen nahn!

Sie wollen zu Philippi hier uns mahnen

Und Antwort geben, eh wir sie befragt.

Antonius.

Pah, steck ich doch in ihren Herzen, weiß,

Warum sie’s tun. Sie wären’s wohl zufrieden,

Nach andern Plätzen hinzuziehn, und kommen

Mit bangem Trotz, im Wahn, durch diesen Aufzug

Uns vorzuspiegeln, sie besitzen Mut.

Allein dem ist nicht so. Ein Bote tritt auf.

Bote.

Bereitet euch, ihr Feldherrn.

Der Feind rückt an in wohlgeschloßnen Reihn.

Sein blutges Schlachtpanier ist ausgehängt,

Und etwas muß im Augenblick geschehn.

Antonius.

Octavius, führet langsam Euer Heer

Zur linken Hand der Ebene weiter vor.

Octavius.

Zur rechten ich; behaupte du die linke.

Antonius.

Was kreuzt Ihr mich, da die Entscheidung drängt?

Octavius.

Ich kreuz Euch nicht, doch ich verlang es so. (Marsch.)

Trommeln werden gerührt. Brutus und Cassius kommen mit ihrem Heere; Lucilius, Titinius, Messala und andre.

Brutus.

Sie halten still und wollen ein Gespräch.

Cassius.

Titinius, steh! Wir treten vor und reden.

Octavius.

Antonius, geben wir zur Schlacht das Zeichen?

Antonius.

Nein, Cäsar, laßt uns ihres Angriffs warten.

Kommt, tretet vor! Die Feldherrn wünschen ja

Ein Wort mit uns.

Octavius.

Bleibt stehn bis zum Signal.

Brutus.

Erst Wort, dann Schlag: nicht wahr, ihr Landsgenossen?

Octavius.

Nicht, daß wir mehr als ihr nach Worten fragen.

Brutus.

Gut Wort, Octavius, gilt wohl bösen Streich.

Antonius.

Ihr, Brutus, gebt bei bösem Streich gut Wort.

Des zeuget Cäsars Herz, durchbohrt von Euch,

Indes Ihr rieft: «Lang lebe Cäsar, Heil!»

Cassius.

Die Führung Eurer Streiche, Mark Anton,

Ist uns noch unbekannt; doch Eure Worte

Begehn an Hyblas Bienen Raub und lassen

Sie ohne Honig.

Antonius.

Nicht auch stachellos?

Brutus.

O ja! auch tonlos, denn Ihr habt ihr Summen

Gestohlen, Mark Anton, und drohet weislich,

Bevor Ihr stecht.

Antonius.

Ihr tatet’s nicht, Verräter,

Als eure schnöden Dolch‘ einander stachen

In Cäsars Brust. Ihr zeigtet eure Zähne

Wie Affen, krocht wie Hunde, bücktet tief

Wie Sklaven euch und küßtet Cäsars Füße;

Derweil von hinten der verfluchte Casca

Mit tückschem Bisse Cäsars Nacken traf.

O Schmeichler!

Cassius.

Schmeichler! – Dankt Euch selbst nun, Brutus,

Denn diese Zunge würde heut nicht freveln,

Wär Cassius‘ Rat befolgt.

Octavius.

Zur Sache! kommt! Macht Widerspruch uns schwitzen,

So kostet rötre Tropfen der Erweis.

Seht! auf Verschworne zück ich dieses Schwert:

Wann, denkt ihr, geht es wieder in die Scheide?

Nie, bis des Cäsar dreiundzwanzig Wunden

Gerächt sind, oder bis ein andrer Cäsar

Mit Mord gesättigt der Verräter Schwert.

Brutus.

Cäsar, du kannst nicht durch Verräter sterben,

Du bringest denn sie mit.

Octavius.

Das hoff ich auch;

Von Brutus‘ Schwert war Tod mir nicht bestimmt.

Brutus.

O wärst du deines Stammes Edelster,

Du könntest, junger Mann, nicht schöner sterben.

Cassius.

Ein launisch Bübchen, unwert solchen Ruhms,

Gesellt zu einem Wüstling und ’nem Trinker.

Antonius.

Der alte Cassius!

Octavius.

Kommt, Antonius! fort!

Trotz in die Zähne schleudr‘ ich euch, Vertäter!

Wagt ihr zu fechten heut, so kommt ins Feld,

Wo nicht, wenn’s euch gemutet. (Octavius und Antonius mit ihrem Heere ab.)

Cassius.

Nun tobe, Wind! schwill, Woge! schwimme, Nachen!

Der Sturm ist wach und alles auf dem Spiel.

Brutus.

Lucilius, hört! ich muß ein Wort Euch sagen.

Lucilius. Herr? (Brutus und Lucilius reden beiseite miteinander.)

Cassius.

Messala!

Messala.

Was befiehlt mein Feldherr?

Cassius.

Messala, dies ist mein Geburtstag; grade

An diesem Tag kam Cassius auf die Welt.

Gib mir die Hand, Messala, sei mein Zeuge,

Daß ich gezwungen, wie Pompejus einst,

An eine Schlacht all unsre Freiheit wage.

Du weißt, ich hielt am Epicurus fest

Und seiner Lehr; nun ändr‘ ich meinen Sinn

Und glaub an Dinge, die das Künftge deuten.

Auf unserm Zug von Sardes stürzten sich

Zwei große Adler auf das vordre Banner;

Da saßen sie und fraßen gierig schlingend

Aus unsrer Krieger Hand; sie gaben uns

Hieher bis nach Philippi das Geleit;

Heut morgen sind sie auf und fortgeflohn.

Statt ihrer fliegen Raben, Geier, Krähn

Uns überm Haupt und schaun herab auf uns

Als einen siechen Raub; ihr Schatten scheint

Ein Trauerhimmel, unter dem das Heer,

Bereit, den Atem auszuhauchen, liegt.

Messala.

Nein, glaubt das nicht.

Cassius.

Ich glaub es auch nur halb,

Denn ich bin frischen Mutes und entschlossen,

Zu trotzen standhaft jeglicher Gefahr.

Brutus.

Tu das, Lucilius.

Cassius.

Nun, mein edler Brutus,

Sein uns die Götter heute hold, auf daß wir

Gesellt in Frieden unserm Alter nahn!

Doch weil das Los der Menschen niemals sicher,

Laßt uns bedacht sein auf den schlimmsten Fall.

Verlieren wir dies Treffen, so ist dies

Das allerletzte Mal, daß wir uns sprechen:

Was habt Ihr dann Euch vorgesetzt zu tun?

Brutus.

Ganz nach der Vorschrift der Philosophie,

Wonach ich Cato um den Tod getadelt,

Den er sich gab (ich weiß nicht, wie es kommt,

Allein ich find es feig und niederträchtig,

Aus Furcht, was kommen mag, des Lebens Zeit

So zu verkürzen), will ich mit Geduld

Mich waffnen und den Willen hoher Mächte

Erwarten, die das Irdische regieren.

Cassius.

Dann, geht die Schlacht verloren, laßt Ihr’s Euch

Gefallen, daß man durch die Straßen Roms

Euch im Triumphe führt?

Brutus.

Nein, Cassius, nein! Glaub mir, du edler Römer,

Brutus wird nie gebunden gehn nach Rom;

Er trägt zu hohen Sinn. Doch dieser Tag

Muß enden, was des Märzen Idus anfing;

Ob wir uns wieder treffen, weiß ich nicht:

Drum laßt ein ewig Lebewohl uns nehmen.

Gehab dich wohl, mein Cassius, für und für!

Sehn wir uns wieder, nun, so lächeln wir;

Wo nicht, so war dies Scheiden wohlgetan.

Cassius.

Gehab dich wohl, mein Brutus, für und für!

Sehn wir uns wieder, lächeln wir gewiß;

Wo nicht, ist wahrlich wohlgetan dies Scheiden.

Brutus.

Nun wohl, rückt vor! O wüßte jemand doch

Das Ende dieses Tagwerks, eh es kommt!

Allein es gnüget, enden wird der Tag,

Dann wissen wir sein Ende. – Kommt und fort! (Alle ab.)

Zweite Szene

Das Schlachtfeld Getümmel. Brutus und Messala kommen

Brutus.

Reit, reit, Messala, reit! Bring diese Zettel

Den Legionen auf der andern Seite. (Lautes Getümmel.)

Laß sie auf einmal stürmen, denn ich merke,

Octavius‘ Flügel hält nur schwachen Stand;

Ein schneller Anfall wirft ihn übern Haufen.

Reit! reit, Messala! Laß herab sie kommen! (Beide ab.)

Dritte Szene

Ein andrer Teil des Schlachtfeldes Getümmel. Cassius und Titinius kommen

Cassius.

O sieh, Titinius! sieh! die Schurken fliehn.

Ich selbst ward meiner eignen Leute Feind:

Dies unser Banner wandte sich zur Flucht;

Ich schlug den Feigen und entriß es ihm.

Titinius.

O Cassius! Brutus gab das Wort zu früh.

Im Vorteil gegen den Octavius, setzt‘ er

Zu hitzig nach; sein Heer fing an zu plündern,

Indes uns alle Mark Anton umzingelt. Pindarus kommt.

Pindarus.

Herr, flieht doch weiter! flieht doch weiter weg!

Antonius ist in Euren Zelten, Herr;

Drum, edler Cassius, flieht! Flieht weit hinweg!

Cassius.

Der Hügel hier ist weit genug. Schau, schau,

Titinius! Sind das meine Zelte nicht,

Wo ich das Feuer sehe?

Titinius.

Ja, mein Feldherr.

Cassius.

Wenn du mich hebst, Titinius, so besteig

Mein Pferd, setz ihm die Sporen in die Seite,

Bis es zu jener Mannschaft dich gebracht

Und wieder her, damit ich sicher wisse,

Ob jene Mannschaft Freund ist oder Feind.

Titinius.

Wie ein Gedanke bin ich wieder hier. (Ab.)

Cassius.

Geh, Pindarus, steig höher auf den Hügel,

Denn mein Gesicht ist kurz; acht auf Titinius

Und sag mir, was du auf dem Feld entdeckst.

(Pindarus ab.)

An diesem Tage atmet ich zuerst;

Die Zeit ist um, und enden soll ich da,

Wo ich begann; mein Leben hat den Kreislauf

Vollbracht. – Du dort, was gibt’s?

Pindarus (oben).

O Herr!

Cassius.

Was gibt’s?

Pindarus.

Titinius ist von Reitern ganz umringt;

Sie jagen auf ihn zu, doch spornt er weiter.

Nun sind sie dicht schon bei ihm – nun Titinius!

Sie steigen ab – er auch – er ist gefangen;

Und horcht! sie jubeln laut. (Freudengeschrei.)

Cassius.

Steig nur herunter, sieh nicht weiter zu.

O Memme, die ich bin, so lang zu leben,

Bis ich den besten Freund vor meinen Augen

Gefangen sehen muß!

Pindarus kommt zurück.

Komm, Bursch, hieher!

Ich macht in Parthia dich zum Gefangnen

Und ließ dich schwören, deines Lebens schonend,

Was ich nur immer tun dich hieß‘, du wollest

Es unternehmen. Komm nun, halt den Schwur!

Sei frei nun, und mit diesem guten Schwert,

Das Cäsars Leib durchbohrt, triff diesen Busen.

Erwidre nichts! Hier fasse du das Heft,

Und ist mein Angesicht verhüllt, wie jetzt,

So führ das Schwert. – Cäsar, du bist gerächt

Und mit demselben Schwert, das dich getötet. (Er stirbt.)

Pindarus.

So bin ich frei, doch wär ich’s lieber nicht,

Hätt es auf mir beruht. – O Cassius!

Weit weg flieht Pindarus von diesem Lande,

Dahin, wo nie ein Römer ihn bemerkt. (Ab.) Titinius und Messala kommen.

Messala.

Es ist nur Tausch, Titinius; denn Octav

Ward von des edlen Brutus Macht geschlagen,

Wie Cassius‘ Legionen von Antonius.

Titinius.

Die Zeitung wird den Cassius sehr erquicken.

Messala.

Wo ließt Ihr ihn?

Titinius.

Ganz trostlos, neben ihm

Sein Sklave Pindarus, auf diesem Hügel.

Messala.

Ist er das nicht, der auf dem Boden liegt?

Titinius.

Er liegt nicht da wie lebend. – O mein Herz!

Messala.

Nicht wahr, er ist es?

Titinius.

Nein, er war’s, Messala:

Doch Cassius ist nicht mehr. – O Abendsonne!

Wie du in deinen roten Strahlen sinkst,

So ging in Blut der Tag des Cassius unter.

Die Sonne Roms ging unter; unser Tag

Ist hingeflohn; nun kommen Wolken, Tau,

Gefahren; unsre Taten sind getan.

Mißtraun in mein Gelingen bracht ihn um.

Messala.

Mißtraun in guten Ausgang bracht ihn um.

O hassenswerter Wahn! der Schwermut Kind!

Was zeigst du doch dem regen Witz der Menschen

Das, was nicht ist! O Wahn, so bald empfangen,

Zu glücklicher Geburt gelangst du nie

Und bringst die Mutter um, die dich erzeugt.

Titinius.

Auf, Pindarus! Wo bist du, Pindarus?

Messala.

Such ihn, Titinius; ich indessen will

Zum edlen Brutus und sein Ohr durchbohren

Mit dem Bericht. Wohl nenn ich es durchbohren;

Denn scharfer Stahl und giftge Pfeile würden

Dem Ohr des Brutus so willkommen sein,

Als Meldung dieses Anblicks.

Titinius.

Eilt, Messala!

Ich suche Pindarus indessen auf. (Messala ab.)

Warum mich ausgesandt, mein wackrer Cassius?

Traf ich nicht deine Freunde? Setzten sie

Nicht diesen Siegeskranz auf meine Stirn,

Ihn dir zu bringen? Vernahmst du nicht ihr Jubeln?

Ach, jeden Umstand hast du mißgedeutet!

Doch halt, nimm diesen Kranz um deine Stirn;

Dein Brutus hieß mich dir ihn geben; ich

Vollführe sein Gebot. – Komm schleunig, Brutus,

Und sieh, wie ich den Cajus Cassius ehrte!

Verzeiht, ihr Götter! – Dies ist Römerbrauch:

Komm, Cassius‘ Schwert! triff den Titinius auch. (Er stirbt.) Getümmel. Messala kommt zurück mit Brutus, dem jungen Cato, Strato, Volumnius und Lucilius.

Brutus.

Wo? Wo, Messala? sag, wo liegt die Leiche?

Messala.

Seht, dort! Titinius trauert neben ihr.

Brutus.

Titinius‘ Antlitz ist emporgewandt.

Cato.

Er ist erschlagen.

Brutus.

O Julius Cäsar! Du bist mächtig noch;

Dein Geist geht um, er ist’s, der unsre Schwerter

In unser eignes Eingeweide kehrt. (Lautes Getümmel.)

Cato.

Mein wackrer Freund Titinius! Seht doch her,

Wie er den toten Cassius gekränzt!

Brutus.

Und leben noch zwei Römer, diesen gleich?

Du letzter aller Römer, lebe wohl!

Unmöglich ist’s, daß Rom je deinesgleichen

Erzeugen sollte. – Diesem Toten, Freunde,

Bin ich mehr Tränen schuldig, als ihr hier

Mich werdet zahlen sehen; aber, Cassius,

Ich finde Zeit dazu, ich finde Zeit.

Drum kommt, und schickt nach Thassos seine Leiche,

Er soll im Lager nicht bestattet werden;

Es schlüg uns nieder. – Komm, Lucilius!

Komm, junger Cato! Zu der Walstatt hin!

Ihr, Flavius und Labeo, laßt unsre Scharen rücken!

Es ist drei Uhr, und, Römer, noch vor Nacht

Versuchen wir das Glück in einer zweiten Schlacht. (Alle ab.)

Vierte Szene

Ein andrer Teil des Schlachtfeldes Getümmel. Soldaten von beiden Heeren, fechtend; darauf Brutus, Cato, Lucilius und andre

Brutus.

Noch, Bürger, o noch haltet hoch die Häupter!

Cato.

Ein Bastard, der’s nicht tut! Wer will mir folgen?

Ich rufe meinen Namen durch das Feld:

Ich bin der Sohn des Marcus Cato, hört!

Feind der Tyrannen, Freund des Vaterlands!

Ich bin der Sohn des Marcus Cato, hört!

Brutus (dringt auf den Feind ein).

Und ich bin Brutus, Marcus Brutus, ich;

Des Vaterlandes Freund: kennt mich als Brutus! (Ab, indem er auf den Feind eindringt. Cato wird überwältigt und fällt.)

Lucilius.

O junger, edler Cato! bist du hin?

Ja! tapfer wie Titinius stirbst du nun,

Man darf dich ehren als des Cato Sohn.

Erster Soldat.

Ergib dich, oder stirb!

Lucilius. Nur um zu sterben

Ergeb ich mich. Hier ist soviel für dich (Bietet ihm Geld an),

Daß du sogleich mich töten wirst; nun töte

Den Brutus, und es ehre dich sein Tod.

Erster Soldat.

Wir dürfen’s nicht. – Ein edler Gefangner.

Zweiter Soldat.

Platz da!

Sagt dem Antonius, daß wir Brutus haben.

Erster Soldat.

Ich will es melden. – Sieh, da kommt der Feldherr.

Antonius tritt auf.

Wir haben Brutus, Herr! wir haben Brutus!

Antonius.

Wo ist er?

Lucilius.

In Sicherheit; Brutus ist sicher gnug.

Verlaß dich drauf, daß nimmermehr ein Feind

Den edlen Brutus lebend fangen wird.

Die Götter schützen ihn vor solcher Schmach!

Wo ihr ihn findet, lebend oder tot,

Er wird wie Brutus, wie er selbst, sich zeigen.

Antonius.

Dies ist nicht Brutus, Freund, doch auf mein Wort,

Ein nicht geringrer Fang. Verwahrt ihn wohl,

Erweist nur Gutes ihm; ich habe lieber

Zu Freunden solche Männer als zu Feinden.

Eilt! seht, ob Brutus tot ist oder lebt!

Und bringt Bericht zu des Octavius Zelt,

Wie alles sich begeben. (Alle ab.)

Fünfte Szene

Ein andrer Teil des Schlachtfeldes Brutus, Dardanius, Clitus, Strato und Volumnius treten auf

Brutus.

Kommt, armer Überrest von Freunden! ruht

An diesem Felsen.

Clitus.

Herr, Statilius zeigte

Das Fackellicht, doch kommt er nicht zurück;

Er ist gefangen oder gar erschlagen.

Brutus.

Setz dich zu mir. Erschlagen ist die Losung,

Es ist des Tages Sitte. – Höre, Clitus! (Spricht leise mit ihm.)

Clitus.

Wie, gnädger Herr? Ich? Nicht um alle Welt.

Brutus.

Still denn! kein Wort!

Clitus.

Eh tötet ich mich selbst.

Brutus.

Dardanius, hör! (Spricht leise mit ihm.)

Dardanius.

Ich eine solche Tat?

Clitus.

O Dardanius!

Dardanius.

O Clitus!

Clitus.

Welch einen schlimmen Antrag tat dir Brutus?

Dardanius.

Ich sollt ihn töten, Clitus; sieh, er sinnt.

Clitus.

Nun ist das herrliche Gefäß voll Gram,

So daß es durch die Augen überfließt.

Brutus.

Komm zu mir, Freund Volumnius: ein Wort!

Volumnius.

Was sagt mein Feldherr?

Brutus.

Dies, Volumnius:

Der Geist des Cäsar ist zu zweien Malen

Mir in der Nacht erschienen; erst zu Sardes,

Und vorge Nacht hier in Philippis Ebne.

Ich weiß, daß meine Stunde kommen ist.

Volumnius.

Nicht doch, mein Feldherr.

Brutus.

O ja, es ist gewiß, Volumnius.

Du siehst, Volumnius, wie es um uns steht;

Der Feind hat uns zum Abgrund hingetrieben. (Getümmel.)

Es ziemt sich mehr, von selbst hineinzuspringen,

Als zu erwarten seinen letzten Stoß.

Volumnius, wir gingen in die Schule

Zusammen, wie du weißt. Ich bitte dich

Um jener unsrer alten Liebe willen:

Halt du mein Schwert, indes ich drein mich stürze.

Volumnius.

Das, Brutus, ist kein Dienst für einen Freund. (Fortdauerndes Getümmel.)

Clitus.

Flieht, Herr, o flieht! Hier gilt kein Säumen mehr.

Brutus.

Lebt wohl denn, Ihr – und Ihr – und Ihr, Volumnius.

Du, Strato, lagst die ganze Zeit im Schlaf:

Leb wohl auch du! – Mitbürger, meinem Herzen

Ist’s Wonne, daß ich noch im ganzen Leben

Nicht einen fand, der nicht getreu mir war.

Ich habe Ruhm von diesem Unglückstage,

Mehr, als Octavius und Mark Anton

Durch diesen schnöden Sieg erlangen werden.

So lebt zusammen wohl! Denn Brutus‘ Zunge

Schließt die Geschichte seines Lebens bald.

Nacht deckt mein Auge, mein Gebein will Ruh,

Es strebte längst nur dieser Stunde nach. (Getümmel. Geschrei hinter der Szene.- «Flieht! flieht! flieht!»)

Clitus.

Flieht, Herr! o flieht!

Brutus.

Nur fort! Ich will euch folgen.

(Clitus, Dardanius und Volumnius ab.)

Ich bitt dich, Strato, bleib bei deinem Herrn.

Du bist ein Mensch von redlichem Gemüt,

In deinem Leben war ein Funken Ehre.

Halt denn mein Schwert, und wende dich hinweg,

Indes ich drein mich stürze. Willst du, Strato?

Strato.

Gebt erst die Hand mir. Herr, gehabt Euch wohl!

Brutus.

Leb wohl, mein Freund! – Besänftge, Cäsar, dich!

Nicht halb so gern bracht ich dich um als mich. (Er stürzt sich auf sein Schwert und stirbt.)

Getümmel. Rückzug. Octavius und Antonius mit ihrem Heere, Messala und Lucilius kommen.

Octavius.

Wer ist der Mann?

Messala.

Der Diener meines Herrn.

Strato, wo ist dein Herr?

Strato.

Frei von den Banden, die Ihr tragt, Messala.

Die Sieger können nur zu Asch ihn brennen;

Denn Brutus unterlag allein sich selbst,

Und niemand sonst hat Ruhm von seinem Tode.

Lucilius.

So mußten wir ihn finden. – Dank dir, Brutus,

Daß du Lucilius‘ Rede wahr gemacht.

Octavius.

Des Brutus Leute nehm ich all in Dienst.

Willst du in Zukunft bei mir leben, Bursch?

Strato.

Ja, wenn Messala mich Euch überläßt.

Octavius.

Tut mir’s zulieb, Messala.

Messala.

Strato, wie starb mein Herr?

Strato.

Ich hielt das Schwert, so stürzt‘ er sich hinein.

Messala.

Octavius, nimm ihn denn, daß er dir folge,

Der meinem Herrn den letzten Dienst erwies.

Antonius.

Dies war der beste Römer unter allen:

Denn jeder der Verschwornen, bis auf ihn,

Tat, was er tat, aus Mißgunst gegen Cäsar.

Nur er verband aus reinem Biedersinn

Und zum gemeinen Wohl sich mit den andern.

Sanft war sein Leben, und so mischten sich

Die Element‘ in ihm, daß die Natur

Aufstehen durfte und der Welt verkünden:

Dies war ein Mann!

Octavius.

Nach seiner Tugend laßt uns ihm begegnen

Mit aller Achtung und Bestattungsfeier.

Er lieg in meinem Zelte diese Nacht,

Mit Ehren wie ein Krieger angetan.

Nun ruft das Heer zur Ruh; laßt fort uns eilen

Und dieses frohen Tags Trophäen teilen. (Ab.)

William Shakespeare – Ein Sommernachtstraum

William Shakespeare: Ein Sommernachtstraum

Erster Aufzug

Erste Szene

Ein Saal im Palaste des Theseus

Theseus, Hippolyta, Philostrat und Gefolge treten auf

Theseus.

Nun rückt, Hippolyta, die Hochzeitsstunde

Mit Eil heran; vier frohe Tage bringen

Den neuen Mond; doch, o wie langsam nimmt

Der alte ab! Er hält mein Sehnen hin,

Gleich einer Witwe, deren dürres Alter

Von ihres Stiefsohns Renten lange zehrt.

Hippolyta.

Vier Tage tauchen sich ja schnell in Nächte,

Vier Nächte träumen schnell die Zeit hinweg:

Dann soll der Mond, gleich einem Silberbogen,

Am Himmel neu gespannt, die Nacht beschaun

Von unserm Fest.

Theseus.

Geh, Philostrat, berufe

Die junge Welt Athens zu Lustbarkeiten!

Erweck den raschen, leichten Geist der Lust,

Den Gram verweise hin zu Leichenzügen:

Der bleiche Gast geziemt nicht unserm Pomp.

(Philostrat ab.)

Hippolyta! ich habe mit dem Schwert

Um dich gebuhlt, durch angetanes Leid

Dein Herz gewonnen; doch ich stimme nun

Aus einem andern Ton, mit Pomp, Triumph,

Bankett und Spielen die Vermählung an. Egeus, Hermia, Lysander und Demetrius treten auf.

Egeus.

Dem großen Theseus, unserm Herzog, Heil!

Theseus.

Mein guter Egeus, Dank! Was bringst du Neues?

Egeus.

Verdrusses voll erschein ich und verklage

Mein Kind hier, meine Tochter Hermia. –

Tritt her, Demetrius. – Erlauchter Herr,

Dem da verhieß mein Wort zum Weibe sie.

Tritt her, Lysander. – Und, mein gnädger Fürst,

Der da betörte meines Kindes Herz.

Ja! Du, Lysander, du hast Liebespfänder

Mit ihr getauscht: du stecktest Reim ihr zu;

Du sangst im Mondlicht unter ihrem Fenster

Mit falscher Stimme Lieder falscher Liebe;

Du stahlst den Abdruck ihrer Phantasie

Mit Flechten deines Haares, buntem Tand,

Mit Ringen, Sträußen, Näschereien (Boten

Von viel Gewicht bei unbefangner Jugend);

Entwandest meiner Tochter Herz mit List

Verkehrtest ihren kindlichen Gehorsam

In eigensinngen Trotz. – Und nun, mein Fürst,

Verspricht sie hier vor Eurer Hoheit nicht

Sich dem Demetrius zur Eh, so fordr ich

Das alte Bürgervorrecht von Athen,

Mit ihr, wie sie mein eigen ist, zu schalten.

Dann übergeb ich diesem Manne sie,

Wo nicht, dem Tode, welchen unverzüglich

In diesem Falle das Gesetz verhängt.

Theseus.

Was sagt Ihr, Hermia? Laßt Euch raten, Kind.

Der Vater sollte wie ein Gott Euch sein,

Der Euren Reiz gebildet; ja, wie einer,

Dem Ihr nur seid wie ein Gepräg, in Wachs

Von seiner Hand gedrückt, wie’s ihm gefällt,

Es stehnzulassen oder auszulöschen.

Demetrius ist ja ein wackrer Mann.

Hermia.

Lysander auch.

Theseus.

An sich betrachtet wohl;

So aber, da des Vaters Stimm ihm fehlt,

Müßt Ihr für wackrer doch den andern achten.

Hermia.

O säh mein Vater nur mit meinen Augen!

Theseus.

Eur Auge muß nach seinem Urteil sehn.

Hermia.

Ich bitt Euch, gnädger Fürst, mir zu verzeihn.

Ich weiß nicht, welche Macht mir Kühnheit gibt,

Noch wie es meiner Sittsamkeit geziemt,

In solcher Gegenwart das Wort zu führen;

Doch dürft ich mich zu fragen unterstehn:

Was ist das Härtste, das mich treffen kann,

Verweigr ich dem Demetrius die Hand?

Theseus.

Den Tod zu sterben oder immerdar

Den Umgang aller Männer abzuschwören.

Drum fraget Eure Wünsche, schönes Kind,

Bedenkt die Jugend, prüfet Euer Blut,

Ob Ihr die Nonnentracht ertragen könnt,

Wenn Ihr der Wahl des Vaters widerstrebt,

Im dumpfen Kloster ewig eingesperrt

Als unfruchtbare Schwester zu verharren,

Den keuschen Mond mit matten Hymnen feiernd.

O dreimal selig, die, des Bluts Beherrscher,

So jungfräuliche Pilgerschaft bestehn!

Doch die gepflückte Ros ist irdischer beglückt,

Als die am unberührten Dorne welkend

Wächst, lebt und stirbt in heilger Einsamkeit.

Hermia.

So will ich leben, gnädger Herr, so sterben,

Eh ich den Freiheitsbrief des Mädchentums

Der Herrschaft dessen überliefern will,

Des unwillkommnem Joche mein Gemüt

Die Huldigung versagt.

Theseus.

Nehmt Euch Bedenkzeit; auf den nächsten Neumond,

Den Tag, der zwischen mir und meiner Lieben

Den ewgen Bund der Treu besiegeln wird;

Auf diesen Tag bereitet Euch, zu sterben

Für Euren Ungehorsam, oder nehmt

Demetrius zum Gatten, oder schwört

Auf ewig an Dianens Weihaltar

Ehlosen Stand und Abgeschiedenheit.

Demetrius.

Gebt, Holde, nach; gib gegen meine Rechte,

Lysander, deinen kahlen Anspruch auf.

Lysander.

Demetrius, Ihr habt des Vaters Liebe:

Nehmt ihn zum Weibe; laßt mir Hermia.

Egeus.

Ganz recht, du Spötter! Meine Liebe hat er;

Was mein ist, wird ihm meine Liebe geben;

Und sie ist mein; und alle meine Rechte

An sie verschreib ich dem Demetrius.

Lysander.

Ich bin, mein Fürst, so edlen Stamms wie er;

So reich an Gut; ich bin an Liebe reicher;

Mein Glücksstand hält die Waag auf alle Weise

Dem seinigen, wo er nicht überwiegt;

Und (dies gilt mehr als jeder andre Ruhm)

Ich bin es, den die schöne Hermia liebt.

Wie sollt ich nicht bestehn auf meinem Recht?

Demetrius (ich will’s auf seinen Kopf

Beteuern) buhlte sonst um Helena,

Die Tochter Nedars, und gewann ihr Herz:

Und sie, das holde Kind, schwärmt nun für ihn,

Schwärmt andachtsvoll, ja mit Abgötterei

Für diesen schuldgen, flatterhaften Mann.

Theseus.

Ich muß gestehn, daß ich dies auch gehört

Und mit Demetrius davon zu sprechen

Mir vorgesetzt; nur, da ich überhäuft

Mit eignen Sorgen bin, entfiel es mir.

Doch ihr, Demetrius und Egeus, kommt!

Ihr müßt jetzt mit mir gehn, weil ich mit euch

Verschiednes insgeheim verhandeln will.

Ihr, schöne Hermia, rüstet Euch, dem Sinn

Des Vaters Eure Grillen anzupassen;

Denn sonst bescheidet Euch Athens Gesetz,

Das wir auf keine Weise schmälern können,

Tod oder ein Gelübd des ledgen Standes.

Wie geht’s, Hippolyta? Kommt, meine Traute!

Ihr, Egeus und Demetrius, geht mit!

Ich hab euch noch Geschäfte aufzutragen

Für unser Fest; auch muß ich noch mit euch

Von etwas reden, was euch nah betrifft.

Egeus.

Dienstwillig und mit Freuden folgen wir. (Theseus, Hippolyta, Egeus, Demetrius und Gefolge ab.)

Lysander.

Nun, liebes Herz? Warum so blaß die Wange?

Wie sind die Rosen dort so schnell verwelkt?

Hermia.

Vielleicht, weil Regen fehlt, womit gar wohl

Sie mein umwölktes Auge netzen könnte.

Lysander.

Weh mir! Nach allem, was ich jemals las

Und jemals hört in Sagen und Geschichten,

Rann nie der Strom der treuen Liebe sanft;

Denn bald war sie verschieden an Geburt –

Hermia.

O Qual! zu hoch, vor Niedrigem zu knien!

Lysander.

Bald war sie in den Jahren mißgepaart –

Hermia.

O Schmerz! zu alt, mit jung vereint zu sein!

Lysander.

Bald hing sie ab von der Verwandten Wahl –

Hermia.

O Tod! mit fremdem Aug den Liebsten wählen!

Lysander.

Und war auch Sympathie in ihrer Wahl,

So stürmte Krieg, Tod, Krankheit auf sie ein

Und macht‘ ihr Glück gleich einem Schalle flüchtig,

Wie Schatten wandelbar, wie Träume kurz,

Schnell wie der Blitz, der in geschwärzter Nacht

Himmel und Erd in einem Wink entfaltet;

Doch eh ein Mensch vermag zu sagen: schaut!

Schlingt gierig ihn die Finsternis hinab:

So schnell verdunkelt sich des Glückes Schein.

Hermia.

Wenn Leid denn immer treue Liebe traf,

So steht es fest im Rate des Geschicks.

Drum laß Geduld uns durch die Prüfung lernen,

Weil Leid der Liebe so geeignet ist

Wie Träume, Seufzer, stille Wünsche, Tränen,

Der armen kranken Leidenschaft Gefolge.

Lysander.

Ein guter Glaube! Hör denn, Hermia!

Es liegt nur sieben Meilen von Athen

Das Haus ’ner alten Witwe, meiner Muhme;

Sie lebt von großen Renten, hat kein Kind

Und achtet mich wie ihren einzgen Sohn.

Dort, Holde, darf ich mich mit dir vermählen,

Dorthin verfolgt das grausame Gesetz

Athens uns nicht: liebst du mich denn, so schleiche

Aus deines Vaters Hause morgen nacht

Und in den Wald ’ne Meile von der Stadt,

Wo ich einmal mit Helena dich traf,

Um einen Maienmorgen zu begehn;

Da will ich deiner warten.

Hermia.

Mein Lysander!

Ich schwör es dir bei Amors stärkstem Bogen,

Bei seinem besten, goldgespitzten Pfeil

Und bei der Unschuld von Cytherens Tauben;

Bei dem, was Seelen knüpft in Lieb und Glauben;

Bei jenem Feur, wo Dido einst verbrannt,

Als der Trojaner falsch sich ihr entwand;

Bei jedem Schwur, den Männer je gebrochen,

Mehr an der Zahl, als Frauen je gesprochen;

Du findest sicher morgen mitternacht

Mich an dem Platz, wo wir es ausgemacht.

Lysander.

Halt, Liebe, Wort! Sieh, da kommt Helena. Helena tritt auf.

Hermia.

Gott grüß Euch, schönes Kind! Wohin soll’s gehn?

Helena.

Schön nennt Ihr mich? – Nein, widerruft dies Schön!

Euch liebt Demetrius, beglückte Schöne! –

Ein Angelstern ist Euer Aug; die Töne

Der Lippe süßer, als der Lerche Lied

Dem Hirten scheint, wenn alles grünt und blüht.

Krankheit steckt an; o tät’s Gestalt und Wesen!

Nie wollt ich, angesteckt von Euch, genesen.

Mein Aug lieh‘ Euren Blick, die Zunge lieh‘

Von Eurer Zunge Wort und Melodie.

Wär mein die Welt, ich ließ damit Euch schalten,

Nur diesen Mann wollt ich mir vorbehalten.

O lehrt mich, wie Ihr blickt! Durch welche Kunst

Hängt so Demetrius an Eurer Gunst?

Hermia.

Er liebt mich stets, trotz meinen finstern Mienen.

Helena.

O lernte das mein Lächeln doch von ihnen!

Hermia.

Ich fluch ihm, doch das nährt sein Feuer nur.

Helena.

Ach, hegte solche Kraft mein Liebesschwur!

Hermia.

Je mehr gehaßt, je mehr verfolgt er mich.

Helena.

Je mehr geliebt, je ärger haßt er mich.

Hermia.

Soll ich denn schuld an seiner Torheit sein?

Helena.

Nur Eure Schönheit: wär die Schuld doch mein!

Hermia.

Getrost! ich werd ihm mein Gesicht entziehen.

Lysander wird mit mir von hinnen fliehen.

Vor jener Zeit, als ich Lysandern sah,

Wie schien Athen ein Paradies mir da!

Nun denn, wofür sind Reize wohl zu achten,

Die einen Himmel mir zur Hölle machten?

Lysander.

Laß, Helena, dir unsern Schluß vertrauen:

Wenn morgen Phöbe die begrünten Auen

Mit ihrer Perlen feuchtem Schmuck betaut

Und ihre Stirn im Wellenspiegel schaut,

Wann Still‘ und Nacht verliebten Raub verhehlen,

Dann wollen wir zum Tor hinaus uns stehlen.

Hermia.

Und in dem Wald, wo oftmals ich und du

Auf Veilchenbetten pflogen sanfter Ruh,

Wo unsre Herzen schwesterlich einander

Sich öffneten, da trifft mich mein Lysander.

Wir suchen, von Athen hinweggewandt,

Uns neue Freunde dann in fremdem Land.

Leb wohl, Gespielin, bete für uns beide!

Demetrius sei deines Herzens Freude!

Lysander, halte Wort! – Was Lieb erquickt,

Wird unserm Blick bis morgen nacht entrückt. (Ab.)

Lysander.

Das will ich! – Lebet wohl nun, Helena!

Der Liebe Lohn sei Eurer Liebe nah. (Ab.)

Helena.

Wie kann das Glück so wunderlich doch schalten!

Ich werde für so schön als sie gehalten.

Was hilft es mir, solang Demetrius

Nicht wissen will, was jeder wissen muß?

Wie Wahn ihn zwingt, an Hermias Blick zu hangen,

Vergöttr ich ihn, von gleichem Wahn befangen.

Dem schlechteren Ding an Art und an Gehalt

Leiht Liebe dennoch Ansehn und Gestalt.

Sie sieht mit dem Gemüt, nicht mit den Augen,

Und ihr Gemüt kann nie zum Urteil taugen.

Drum nennt man ja den Gott der Liebe blind.

Auch malt man ihn geflügelt und als Kind,

Weil er, von Spiel zu Spielen fortgezogen,

In seiner Wahl so häufig wird betrogen.

Wie Buben oft im Scherze lügen, so

Ist auch Cupido falscher Schwüre froh.

Eh Hermia meinen Liebsten mußt entführen,

Ergoß er mir sein Herz in tausend Schwüren;

Doch kaum erwärmt von jener neuen Glut,

Verrann, versiegte diese wilde Flut.

Jetzt geh ich, Hermias Flucht ihm mitzuteilen;

Er wird ihr nach zum Walde morgen eilen.

Zwar, wenn er Dank für den Bericht mir weiß,

So kauf ich ihn um einen teuren Preis.

Doch will ich, mich für meine Müh zu laben,

Hin und zurück des Holden Anblick haben. (Ab.)

Zweite Szene

Eine Stube in einer Hütte

Squenz, Schnock, Zettel, Flaut, Schnauz und Schlucker kommen

Squenz.

Ist unsre ganze Kompanie beisammen?

Zettel.

Es wäre am besten, Ihr riefet sie auf einmal Mann für Mann auf, wie es die Liste gibt.

Squenz.

Hier ist der Zettel von jedermanns Namen, der in ganz Athen für tüchtig gehalten wird, in unserm Zwischenspiel vor dem Herzog und der Herzogin zu agieren, an seinem Hochzeitstag zu Nacht.

Zettel.

Erst, guter Peter Squenz, sag uns, wovon das Stück handelt; dann lies die Namen der Akteure ab und komm so zur Sache.

Squenz.

Wetter, unser Stück ist – die höchst klägliche Komödie und der höchst grausame Tod des Pyramus und der Thisbe.

Zettel.

Ein sehr gutes Stück Arbeit, ich sag’s euch! und lustig! – Nun, guter Peter Squenz, ruf die Akteure nach dem Zettel auf. – Meister, stellt euch auseinander!

Squenz.

Antwortet, wie ich euch rufe! – Klaus Zettel, der Weber.

Zettel.

Hier! Sagt, was ich für einen Part habe, und dann weiter.

Squenz.

Ihr, Klaus Zettel, seid als Pyramus angeschrieben.

Zettel.

Was ist Pyramus ? Ein Liebhaber oder ein Tyrann?

Squenz.

Ein Liebhaber, der sich auf die honetteste Manier vor Liebe umbringt.

Zettel.

Das wird einige Tränen kosten bei einer wahrhaftigen Vorstellung. Wenn ich’s mache, laßt die Zuhörer nach ihren Augen sehn! Ich will Sturm erregen, ich will einigermaßen lamentieren. Nun zu den übrigen; – eigentlich habe ich noch das beste Genie zu einem Tyrannen; ich könnte einen Herkles kostbarlich spielen, oder eine Rolle, wo man alles kurz und klein schlagen muß.

Der Felsen Schoß

Und toller Stoß

Zerbricht das Schloß

Der Kerkertür, Und Phöbus‘ Karrn

Kommt angefahrn

Und macht erstarrn

Des stolzen Schicksals Zier. Das ging prächtig. – Nun nennt die übrigen Akteure. – Dies ist Herklessens Natur, eines Tyrannen Natur; ein Liebhaber ist schon mehr lamentabel.

Squenz.

Franz Flaut, der Bälgenflicker!

Flaut.

Hier, Peter Squenz.

Squenz.

Flaut, Ihr müßt Thisbe über Euch nehmen.

Flaut.

Was ist Thisbe? ein irrender Ritter?

Squenz.

Es ist das Fräulein, das Pyramus lieben muß.

Flaut.

Ne, meiner Seel, laßt mich keine Weiberrolle machen; ich kriege schon einen Bart.

Squenz.

Das ist alles eins! Ihr sollt’s in einer Maske spielen und könnt so fein sprechen, als Ihr wollt.

Zettel.

Wenn ich das Gesicht verstecken darf, so gebt mir Thisbe auch. Ich will mit ’ner terribel feinen Stimme reden: «Thisne, Thisne! – Ach Pyramus, mein Liebster schön! Deine Thisbe schön und Fräulein schön!»

Squenz.

Nein, nein! Ihr müßt den Pyramus spielen und, Flaut, Ihr, die Thisbe.

Zettel.

Gut, nur weiter!

Squenz.

Matz Schlucker, der Schneider!

Schlucker.

Hier, Peter Squenz.

Squenz.

Matz Schlucker, Ihr müßt Thisbes Mutter spielen. Thoms Schnauz, der Kesselflicker!

Schnauz.

Hier, Peter Squenz.

Squenz.

Ihr, des Pyramus Vater, ich selbst Thisbes Vater; Schnock, der Schreiner, Ihr des Löwen Rolle. Und so wäre dann halt ’ne Komödie in den Schick gebracht.

Schnock.

Habt Ihr des Löwen Rolle aufgeschrieben? Bitt Euch, wenn Ihr sie habt, so gebt sie mir; denn ich habe einen schwachen Kopf zum Lernen.

Squenz.

Ihr könnt sie ex tempore machen; es ist nichts wie brüllen.

Zettel.

Laßt mich den Löwen auch spielen. Ich will brüllen, daß es einem Menschen im Leibe wohl tun soll, mich zu hören. Ich will brüllen, daß der Herzog sagen soll: «Noch mal brüllen! Noch mal brüllen!»

Squenz.

Wenn Ihr es gar zu fürchterlich machtet, so würdet Ihr die Herzogin und die Damen erschrecken, daß sie schrien, und das brächte uns alle an den Galgen.

Alle.

Ja, das brächte uns an den Galgen, wie wir da sind.

Zettel.

Zugegeben, Freunde! wenn ihr die Damen erst so erschreckt, daß sie um ihre fünf Sinne kommen, so werden sie unvernünftig genug sein, uns aufzuhängen. Aber ich will meine Stimme forcieren, ich will euch so sanft brüllen wie ein saugendes Täubchen: – ich will euch brüllen, als wär es ’ne Nachtigall.

Squenz.

Ihr könnt keine Rolle spielen als den Pyramus. Denn Pyramus ist ein Mann mit einem süßen Gesicht, ein hübscher Mann, wie man ihn nur an Festtagen verlangen kann, ein scharmanter, artiger Kavalier. Derhalben müßt Ihr platterdings den Pyramus spielen.

Zettel.

Gut, ich nehm’s auf mich. In was für einem Bart könnt ich ihn wohl am besten spielen?

Squenz.

Nu, in was für einem Ihr wollt.

Zettel.

Ich will ihn machen entweder in dem strohfarbenen Bart, oder in dem orangegelben Bart, oder in dem karmesinroten Bart, in dem ganz gelben.

Squenz.

Hier, Meister, sind eure Rollen, und ich muß euch bitten, ermahnen und ersuchen, sie bis morgen nacht auswendig zu wissen. Trefft mich in dem Schloßwalde, eine Meile von der Stadt, bei Mondschein: da wollen wir probieren. Denn wenn wir in der Stadt zusammenkommen, werden wir ausgespürt, kriegen Zuhörer, und die Sache kommt aus. Zugleich will ich ein Verzeichnis von Artikeln machen, die zu unserm Spiele nötig sind. Ich bitt euch, bleibt mir nicht aus.

Zettel.

Wir wollen kommen, und da können wir recht unverschämt und herzhaft probieren. Gebt euch Mühe! Könnt eure Rollen perfekt! Adieu!

Squenz.

Bei des Herzogs Eiche treffen wir uns.

Zettel.

Dabei bleibt’s, es mag biegen oder brechen! (Alle ab.)

Zweiter Aufzug

Erste Szene

Ein Wald bei Athen

Eine Elfe kommt von der einen Seite, Droll von der andern

Droll.

He, Geist! Wo geht die Reise hin?

Elfe. Über Täler und Höhn,

Durch Dornen und Steine,

Über Gräben und Zäune,

Durch Flammen und Seen

Wandl‘ ich, schlüpf ich überall,

Schneller als des Mondes Ball. Ich dien der Elfenkönigin

Und tau ihr Ring‘ aufs Grüne hin.

Die Primeln sind ihr Hofgeleit;

Ihr seht die Fleck‘ am goldnen Kleid,

Das sind Rubinen, Feengaben,

Wodurch sie süß mit Düften laben.

Nun such ich Tropfen Taus hervor

Und häng ’ne Perl in jeder Primel Ohr.

Leb wohl! ich geh, du täppischer Geselle!

Der Zug der Königin kommt auf der Stelle.

Droll.

Der König will sein Wesen nachts hier treiben.

Warnt nur die Königin, entfernt zu bleiben,

Weil Oberon vor wildem Grimme schnaubt,

Daß sie ein indisch Fürstenkind geraubt,

Als Edelknabe künftig ihr zu dienen;

Kein schönres Bübchen hat der Tag beschienen,

Und eifersüchtig fordert Ob’ron ihn,

Den rauhen Forst als Knappe zu durchziehn;

Doch sie versagt durchaus den holden Knaben,

Bekränzt ihn, will an ihm sich einzig laben.

Nun treffen sie sich nie in Wies und Hain,

Am klaren Quell, bei lustgem Sternenschein;

So zanken sie zu aller Elfen Schrecken,

Die sich geduckt in Eichelnäpfe stecken.

Elfe.

Wenn du nicht ganz dich zu verstellen weißt,

So bist du jener schlaue Poltergeist,

Der auf dem Dorf die Dirnen zu erhaschen,

Zu necken pflegt; den Milchtopf zu benaschen;

Durch den der Brau mißrät, und mit Verdruß

Die Hausfrau atemlos sich buttern muß;

Der oft bei Nacht den Wandrer irreleitet,

Dann schadenfroh mit Lachen ihn begleitet.

Doch wer dich freundlich grüßt, dir Liebes tut,

Dem hilfst du gern, und ihm gelingt es gut.

Bist du der Kobold nicht?

Droll.

Du hast’s geraten,

Ich schwärme nachts umher auf solche Taten;

Oft lacht bei meinen Scherzen Oberon.

Ich locke wiehernd mit der Stute Ton

Den Hengst, den Haber kitzelt in der Nase;

Auch lausch ich wohl in der Gevatt’rin Glase

Wie ein gebratner Apfel, klein und rund;

Und wenn sie trinkt, fahr ich ihr an den Mund,

Daß ihr das Bier die platte Brust betriefet.

Zuweilen hält, in Trauermär vertiefet,

Die weise Muhme für den Schemel mich;

Ich gleit ihr weg, sie setzt zur Erde sich

Auf ihren Steiß und schreit: «Perdauz! » und hustet;

Der ganze Kreis hält sich die Seiten, prustet,

Lacht lauter dann, bis sich die Stimm erhebt:

Nein, solch ein Spaß sei nimmermehr erlebt!

Mach Platz nun, Elfchen, hier kommt Oberon.

Elfe.

Hier meine Königin. – O macht‘ er sich davon! Oberon mit seinem Zuge von der einen Seite, Titania mit dem ihrigen von der andern.

Oberon.

Schlimm treffen wir bei Mondenlicht, du stolze

Titania!

Titania.

Wie? Oberon ist hier,

Der Eifersüchtge? Elfen, schlüpft von hinnen,

Denn ich verschwor sein Bett und sein Gespräch.

Oberon.

Vermeßne, halt! Bin ich nicht dein Gemahl?

Titania.

So muß ich wohl dein Weib sein; doch ich weiß

Die Zeit, daß du dich aus dem Feenland

Geschlichen, tagelang als Corydon

Gesessen, spielend auf dem Haberrohr,

Und Minne der verliebten Phyllida

Gesungen hast. – Und warum kommst du jetzt

Von Indiens entferntestem Gebirg,

Als weil – ei denk doch! – weil die Amazone,

Die strotzende, hochaufgeschürzte Dame,

Dein Heldenliebchen, sich vermählen will?

Da kommst du denn, um ihrem Bette Heil

Und Segen zu verleihn.

Oberon.

Titania,

Wie kannst du dich vermessen, anzuspielen

Auf mein Verständnis mit Hippolyta?

Da du doch weißt, ich kenne deine Liebe

Zum Theseus? Locktest du im Dämmerlichte

Der Nacht ihn nicht von Perigunen weg,

Die er vorher geraubt? Warst du nicht schuld,

Daß er der schönen Ägle Treue brach,

Der Ariadne und Antiopa?

Titania.

Das sind die Grillen deiner Eifersucht!

Und nie seit Sommers Anfang trafen wir

Auf Hügeln noch im Tal, im Wald noch Wiese,

Am Kieselbrunnen, am beschilften Bach,

Noch an des Meeres Klippenstrand uns an

Und tanzten Ringel nach des Windes Pfeifen,

Daß dein Gezänk uns nicht die Lust verdarb.

Drum sog der Wind, der uns vergeblich pfiff,

Als wie zur Rache, böse Nebel auf

Vom Grund des Meers; die fielen auf das Land

Und machten jeden winzgen Bach so stolz,

Daß er des Bettes Dämme niederriß.

Drum schleppt der Stier sein Joch umsonst, der Pflüger

Vergeudet seinen Schweiß, das grüne Korn

Verfault, eh seine Jugend Bart gewinnt.

Leer steht die Hürd auf der ersäuften Flur,

Und Krähen prassen in der siechen Herde.

Verschlämmt vom Lehme liegt die Kegelbahn;

Unkennbar sind die artgen Labyrinthe

Im muntern Grün, weil niemand sie betritt.

Den Menschenkindern fehlt die Winterlust;

Kein Sang noch Jubel macht die Nächte froh.

Drum hat der Mond, der Fluten Oberherr,

Vor Zorne bleich, die ganze Luft gewaschen

Und fieberhafter Flüsse viel erzeugt.

Durch eben die Zerrüttung wandeln sich

Die Jahreszeiten; silberhaarger Frost

Fällt in den zarten Schoß der Purpurrose;

Indes ein würzger Kranz von Sommerknospen

Auf Hiems‘ Kinn und der beeisten Scheitel

Als wie zum Spotte prangt. Der Lenz, der Sommer,

Der zeitigende Herbst, der zornge Winter,

Sie alle tauschen die gewohnte Tracht,

Und die erstaunte Welt erkennt nicht mehr

An ihrer Frucht und Art, wer jeder ist.

Und diese ganze Brut von Plagen kommt

Von unserm Streit, von unserm Zwiespalt her;

Wir sind davon die Stifter und Erzeuger.

Oberon.

So hilf dem ab! Es liegt an dir. Warum

Kränkt ihren Oberon Titania?

Ich bitte nur ein kleines Wechselkind

Zum Edelknaben.

Titania.

Gib dein Herz zur Ruh!

Das Feenland kauft mir dies Kind nicht ab;

Denn seine Mutter war aus meinem Orden

Und hat in Indiens gewürzter Luft

Gar oft mit mir die Nächte weggeschwatzt.

Wir saßen auf Neptunus‘ gelbem Sand,

Sahn nach den Handelsschiffen auf der Flut

Und lachten, wenn vom üppgen Spiel des Windes

Der Segel schwangrer Leib zu schwellen schien.

Dies ahmte sie, mit kleinen Schritten wankend

(Ihr Leib trug damals meinen kleinen Junker),

Aus Torheit nach und segelt‘ auf dem Lande

Nach Spielereien aus und kehrte, reich

An Ware, wie von einer Reise, heim.

Doch sie, ein sterblich Weib, starb an dem Kinde,

Und ihr zulieb erzieh ich nun das Kind,

Und ihr zuliebe geb ich es nicht weg.

Oberon.

Wie lange denkt Ihr hier im Hain zu weilen?

Titania.

Vielleicht bis nach des Theseus Hochzeitsfest.

Wollt Ihr in unsern Ringen ruhig tanzen

Und unsre lustgen Mondscheinspiele sehn,

So kommt mit uns! Wo nicht: vermeidet mich,

Und ich will nie mich nahen, wo Ihr haust.

Oberon.

Gib mir das Kind, so will ich mit dir gehn.

Titania.

Nicht um dein Königreich. – Ihr Elfen, fort mit mir;

Denn Zank erhebt sich, weil‘ ich länger hier. (Mit ihrem Gefolge ab.)

Oberon.

Gut, zieh nur hin! du sollst aus diesem Walde

Nicht eher, bis du mir den Trotz gebüßt.

Mein guter Droll, komm her! Weißt du noch wohl,

Wie ich einst saß auf einem Vorgebirge

Und ’ne Sirene, die ein Delphin trug,

So süße Harmonien hauchen hörte,

Daß die empörte See gehorsam ward,

Daß Sterne wild aus ihren Kreisen fuhren,

Der Nymphe Lied zu hören?

Droll.

Ja, ich weiß.

Oberon.

Zur selben Zeit sah ich (du konntest nicht)

Cupido zwischen Mond und Erde fliegen

In voller Wehr; er zielt‘ auf eine holde

Vestal‘, im Westen thronend, scharfen Blicks,

Und schnellte rasch den Liebespfeil vom Bogen,

Als sollt er hunderttausend Herzen spalten.

Allein ich sah das feurige Geschoß

Im keuschen Strahl des feuchten Monds verlöschen;

Die königliche Priesterin ging weiter

In sittsamer Betrachtung, liebefrei;

Doch merkt ich auf den Pfeil, wohin er fiele;

Er fiel gen Westen auf ein zartes Blümchen,

Sonst milchweiß, purpurn nun durch Amors Wunde,

Und Mädchen nennen’s «Lieb‘ im Müßiggang».

Hol mir die Blum! Ich wies dir einst das Kraut;

Ihr Saft, geträufelt auf entschlafne Wimpern,

Macht Mann und Weib in jede Kreatur,

Die sie zunächst erblicken, toll vergafft.

Hol mir das Kraut; doch komm zurück, bevor

Der Leviathan eine Meile schwimmt.

Droll.

Rund um die Erde zieh ich einen Gürtel

In viermal zehn Minuten. (Ab.)

Oberon.

Hab ich nur

Den Saft erst, so belausch ich, wenn sie schläft,

Titanien und träufl ihn ihr ins Auge.

Was sie zunächst erblickt, wenn sie erwacht,

Sei’s Löwe, sei es Bär, Wolf oder Stier,

Ein naseweiser Aff, ein Paviänchen:

Sie soll’s verfolgen mit der Liebe Sinn;

Und eh ich sie von diesem Zauber löse,

Wie ich’s vermag mit einem andern Kraut,

Muß sie mir ihren Edelknaben lassen.

Doch still, wer kommt hier? Ich bin unsichtbar

Und will auf ihre Unterredung horchen. Demetrius und Helena treten auf.

Demetrius.

Ich lieb dich nicht; verfolge mich nicht mehr!

Wo ist Lysander und die schöne Hermia?

Ihn töten möcht ich gern; sie tötet mich.

Du sagtest mir von ihrer Flucht hieher;

Nun bin ich hier, bin in der Wildnis wild,

Weil ich umsonst hier meine Hermia suche.

Fort! heb dich weg und folge mir nicht mehr!

Helena.

Du ziehst mich an, hartherziger Magnet!

Doch ziehest du nicht Eisen, denn mein Herz

Ist echt wie Stahl. Laß ab, mich anzuziehn,

So hab ich dir zu folgen keine Macht.

Demetrius.

Lock ich Euch an und tu ich schön mit Euch?

Sag ich Euch nicht die Wahrheit rund heraus,

Daß ich Euch nimmer lieb und lieben kann?

Helena.

Und eben darum lieb ich Euch nur mehr!

Ich bin Eur Hündchen, und, Demetrius,

Wenn Ihr mich schlagt, ich muß Euch dennoch schmeicheln.

Begegnet mir wie Eurem Hündchen nur,

Stoßt, schlagt mich, achtet mich gering, verliert mich:

Vergönnt mir nur, unwürdig, wie ich bin,

Euch zu begleiten. Welchen schlechtern Platz

Kann ich mir wohl in Eurer Lieb erbitten

(Und doch ein Platz von hohem Wert für mich),

Als daß Ihr so wie Euren Hund mich haltet?

Demetrius.

Erreg nicht so den Abscheu meiner Seele!

Mir ist schon übel, blick ich nur auf dich.

Helena.

Und mir ist übel, blick ich nicht auf Euch.

Demetrius.

Ihr tretet Eurer Sittsamkeit zu nah,

Da Ihr die Stadt verlaßt und einem Mann

Euch in die Hände gebt, der Euch nicht liebt;

Da Ihr den Lockungen der stillen Nacht

Und einer öden Stätte bösem Rat

Das Kleinod Eures Mädchentums vertraut.

Helena.

Zum Schutzbrief dienet Eure Tugend mir;

Es ist nicht Nacht, wenn ich Eur Antlitz sehe;

Drum glaub ich jetzt, es sei nicht Nacht um mich.

Auch fehlt’s hier nicht an Welten von Gesellschaft,

Denn Ihr seid ja für mich die ganze Welt.

Wie kann man sagen nun, ich sei allein,

Da doch die ganze Welt hier auf mich schaut?

Demetrius.

Ich laufe fort, verberge mich im Busch

Und lasse dich der Gnade wilder Tiere.

Helena.

Das wildeste hat nicht ein Herz wie du.

Lauft, wenn Ihr wollt! Die Fabel kehrt sich um:

Apollo flieht, und Daphne setzt ihm nach;

Die Taube jagt den Greif; die sanfte Hindin

Stürzt auf den Tiger sich. Vergebne Eil,

Wenn vor der Zagheit Tapferkeit entflieht!

Demetrius.

Ich steh nicht länger Rede: laß mich gehn!

Wo du mir folgst, so glaube sicherlich,

Ich tue dir im Walde Leides noch.

Helena.

Ach, in der Stadt, im Tempel, auf dem Felde

Tust du mir Leides. Pfui, Demetrius!

Dein Unglimpf würdigt mein Geschlecht herab.

Um Liebe kämpft ein Mann wohl mit den Waffen;

Wir sind, um euch zu werben, nicht geschaffen.

Ich folge dir und finde Wonn in Not,

Gibt die geliebte Hand mir nur den Tod. (Beide ab.)

Oberon.

Geh, Nymphe, nur! Er soll uns nicht von hinnen,

Bis du ihn fliehst und er dich will gewinnen –

Droll kommt zurück.

Hast du die Blume da? Willkommen, Wildfang!

Droll.

Da ist sie, seht!

Oberon.

Ich bitt dich, gib sie mir.

Ich weiß ’nen Hügel, wo man Quendel pflückt,

Wo aus dem Gras Viol‘ und Maßlieb nickt,

Wo dicht gewölbt des Geißblatts üppge Schatten

Mit Hagedorn und mit Jasmin sich gatten.

Dort ruht Titania, halbe Nächte kühl

Auf Blumen eingewiegt durch Tanz und Spiel.

Die Schlange legt die bunte Haut dort nieder,

Ein weit Gewand für eines Elfen Glieder.

Ich netz ihr Aug mit dieser Blume Saft,

Der ihr den Kopf voll schnöder Grillen schafft.

Nimm auch davon, und such in diesem Holze:

Ein holdes Mädchen wird mit sprödem Stolze

Von einem Jüngling, den sie liebt, verschmäht.

Salb ihn, doch so, daß er die Schön‘ erspäht,

Sobald er aufwacht. Am athenischen Gewand

Wird ohne Müh der Mann von dir erkannt.

Verfahre sorgsam, daß mit heißerm Triebe,

Als sie den Liebling, er sie wieder liebe,

Und triff mich vor dem ersten Hahnenschrei.

Droll.

Verlaßt Euch, Herr, auf Eures Knechtes Treu. (Sie gehen ab.)

Zweite Szene

Ein anderer Teil des Waldes

Titania kommt mit ihrem Gefolge

Titania.

Kommt! einen Ringel-, einen Feensang!

Dann auf das Drittel ’ner Minute fort!

Ihr, tötet Raupen in den Rosenknospen!

Ihr andern führt mit Fledermäusen Krieg,

Bringt ihrer Flügel Balg als Beute heim,

Den kleinen Elfen Röcke draus zu machen!

Ihr endlich sollt den Kauz, der nächtlich kreischt

Und über unsre schmucken Geister staunt,

Von uns verscheuchen! Singt mich nun in Schlaf;

An eure Dienste dann und laßt mich ruhn! Lied. Erste Elfe. Bunte Schlangen, zweigezüngt,

Igel, Molche, fort von hier!

Daß ihr euren Gift nicht bringt

In der Königin Revier! Chor. Nachtigall, mit Melodei

Sing in unser Eiapopei!

Eiapopeia! Eiapopei!

Daß kein Spruch,

Kein Zauberfluch

Der holden Herrin schädlich sei.

Nun gute Nacht mit Eiapopei! Zweite Elfe. Schwarze Käfer, uns umgebt

Nicht mit Summen! Macht euch fort!

Spinnen, die ihr künstlich webt,

Webt an einem andern Ort! Chor. Nachtigall, mit Melodei

Sing in unser Eiapopei!

Eiapopeia! Eiapopei!

Daß kein Spruch,

Kein Zauberfluch

Der holden Herrin schädlich sei.

Nun gute Nacht mit Eiapopei! Erste Elfe. Alles gut, nun auf und fort!

Einer halte Wache dort! (Elfen ab. Titania schläft.) Oberon tritt auf.

Oberon (zu Titania, indem er die Blume über ihren Augenlidern ausdrückt).

Was du wirst erwachend sehn,

Wähl es dir zum Liebsten schön;

Seinetwegen schmacht und stöhn,

Sei es Brummbär, Kater, Luchs,

Borstger Eber oder Fuchs;

Was sich zeigt an diesem Platz,

Wenn du aufwachst, wird dein Schatz,

Sähst du gleich die ärgste Fratz! (Ab.) Lysander und Hermia treten auf.

Lysander.

Kaum tragen durch den Wald Euch noch die Füße,

Und ich gesteh es, ich verlor den Pfad.

Wollt Ihr, so laßt uns ruhen, meine Süße,

Bis tröstend sich das Licht des Tages naht.

Hermia.

Ach ja, Lysander! sucht für Euch ein Bette;

Der Hügel hier sei meine Schlummerstätte.

Lysander.

Ein Rasen dien als Kissen für uns zwei:

Ein Herz, ein Bett, zwei Busen, eine Treu.

Hermia.

Ich bitt Euch sehr! Um meinetwillen, Lieber!

Liegt nicht so nah! Liegt weiter dort hinüber!

Lysander.

O ärgert Euch an meiner Unschuld nicht!

Die Liebe deute, was die Liebe spricht.

Ich meinte nur, mein Herz sei Eurem so verbunden,

Daß nur ein Herz in beiden wird gefunden.

Verkettet hat zwei Busen unser Schwur:

So wohnt in zweien eine Treue nur.

Erlaubet denn, daß ich mich zu Euch füge,

Denn, Herz, ich lüge nicht, wenn ich so liege.

Hermia.

Wie zierlich spielt mit Worten doch mein Freund! –

Ich würde selbst ja meiner Unart feind,

Hätt ich «Lysander lüge», je gemeint.

Doch aus Gefälligkeit und Lieb, ich bitte,

Rückt weiter weg! so weit, wie nach der Sitte

Der Menschen sich, getrennt von einem Mann,

Ein tugendsames Mädchen betten kann.

Der Raum sei zwischen uns. – Schlaf süß! Der Himmel gebe,

Daß, bis dein Leben schließt, die Liebe lebe!

Lysander.

Amen! so holder Bitte stimm ich bei:

Mein Herz soll brechen, bricht es meine Treu.

Mög alle Ruh des Schlafes bei dir wohnen!

Hermia.

Des Wunsches Hälfte soll den Wünscher lohnen! (Sie schlafen.)

Droll (tritt auf).

Wie ich auch den Wald durchstrich,

Kein Athener zeigte sich,

Zum Versuch auf seinem Auge,

Was dies Liebesblümchen tauge.

Aber wer – o Still und Nacht –

Liegt da in Athenertracht?

Er ist’s, den mein Herr gesehn

Die Athenerin verschmähn;

Hier schläft auch ruhig und gesund

Das Mädchen auf dem feuchten Grund.

Die Arme darf nicht liegen nah

Dem Schlagetot der Liebe da.

Allen Zauber dieses Taus,

Flegel, gieß ich auf dich aus.

(Indem er den Saft über seine Augen auspreßt.)

Wachst du auf, so scheuch den Schlummer

Dir vom Aug der Liebe Kummer!

Nun erwach! Ich geh davon,

Denn ich muß zum Oberon. Demetrius und Helena, beide laufend.

Helena.

Demetrius, sollt’s auch mein Tod sein, steh!

Demetrius.

O quäle mich nicht so! Fort, sag ich, geh!

Helena.

Ach, du verlässest mich im Dunkel hier?

Demetrius.

Ich geh allein; du bleib, das rar ich dir. (Demetrius ab.)

Helena.

Die tolle Jagd, sie macht mir weh und bange;

Je mehr ich fleh, je minder ich erlange.

Wo Hermia ruhen mag? Sie ist beglückt;

Denn sie hat Augen, deren Strahl entzückt.

Wie wurden sie so hell? Durch Tränen? nein,

Sonst müßten meine ja noch heller sein.

Nein, ich bin ungestalt wie wilde Bären,

Daß Tiere sich voll Schrecken von mir kehren.

Was Wunder also, daß Demetrius

Gleich einem Ungeheur mich fliehen muß?

Vor welchem Spiegel konnt ich mich vergessen,

Mit Hermias Sternenaugen mich zu messen?

Doch, was ist dies? Lysander, der hier ruht?

Tot oder schlafend? Seh ich doch kein Blut.

Lysander, wenn Ihr lebt, so hört! erwachet!

Lysander (im Erwachen).

Durchs Feuer lauf ich, wenn’s dir Freude machet!

Verklärte Helena, so zart gewebt,

Daß sichtbar sich dein Herz im Busen hebt!

Wo ist Demetrius? O der Verbrecher!

Sein Name sei vertilgt! Dies Schwert dein Rächer!

Helena.

Sprecht doch nicht so, Lysander, sprecht nicht so!

Liebt er schon Eure Braut: ei nun, seid froh!

Sie liebt Euch dennoch stets.

Lysander.

O nein! wie reut

Mich die bei ihr verlebte träge Zeit!

Nicht Hermia, Helena ist jetzt mein Leben;

Wer will die Kräh nicht für die Taube geben?

Der Wille wird von der Vernunft regiert:

Mir sagt Vernunft, daß Euch der Preis gebührt.

Ein jedes Ding muß Zeit zum Reifen haben;

So reiften spät in mir des Geistes Gaben.

Erst jetzt, da ich am Ziel des Mannes bin,

Wird die Vernunft des Willens Führerin

Und läßt mich nun der Liebe Tun und Wesen

In goldner Schrift in Euren Augen lesen.

Helena.

Weswegen ward ich so zum Hohn erwählt?

Verdient ich es um Euch, daß Ihr mich quält?

War’s nicht genug, genug nicht, junger Mann,

Daß ich nicht einen Blick gewinnen kann,

Nicht einen holden Blick von meinem Lieben,

Müßt Ihr mit Spötterein mich noch betrüben?

Ihr tut, fürwahr, Ihr tut an mir nicht recht,

Daß Ihr um mich zu buhlen Euch erfrecht.

Gehabt Euch wohl! Allein, ich muß gestehen,

Ich glaubt‘ in Euch mehr Edelmut zu sehen.

O daß, verschmäht von einem Mann, ein Weib

Dem andern dienen muß zum Zeitvertreib! (Ab.)

Lysander.

Sie siehet Hermia nicht. – So schlaf nur immer,

Und nahtest du Lysandern doch dich nimmer!

Wie nach dem Übermaß von Näschereien

Der Ekel pflegt am heftigsten zu sein;

Wie die am meisten Ketzereien hassen,

Die, einst betört, sie wiederum verlassen:

Mein Übermaß! mein Wahn! so flieh ich dich;

Dich hasse jeder, doch am ärgsten ich. –

Nun strebt nach Helena, Mut, Kraft und Sinne,

Daß ich ihr Ritter werd und sie gewinne! (Ab.)

Hermia (fährt auf).

O hilf, Lysander, hilf mir! Siehst du nicht

Die Schlange, die den Busen mir umflicht?

Weh mir! Erbarmen! – Welch ein Traum, mein Lieber?

Noch schüttelt mich das Schrecken wie ein Fieber.

Mir schien es, eine Schlange fräß mein Herz,

Und lächelnd sähst du meinen Todesschmerz. –

Lysander! wie, Lysander, du bist fort?

Du hörst mich nicht? O Gott! kein Laut? kein Wort?

Wo bist du? Um der Liebe willen, sprich,

Wenn du mich hörst! Es bringt zur Ohnmacht mich. –

Noch nicht? Nun seh ich wohl, ich darf nicht weilen:

Dich muß ich oder meinen Tod ereilen. (Ab.)

Dritter Aufzug

Erste Szene

Der Wald. Die Elfenkönigin liegt noch schlafend Squenz, Zettel, Schnock, Flaut, Schnauz, Schlucker treten auf

Zettel.

Sind wir alle beisammen?

Squenz.

Aufs Haar; und hier ist ein prächtig bequemer Platz zu unserer Probe. Dieser grüne Fleck soll unser Theater sein, diese Weißdornhecke unsre Kammer zum Anziehen, und wir wollen’s in Aktion vorstellen, wie wirs vor dem Herzoge vorstellen wollen.

Zettel.

Peter Squenz –

Squenz.

Was sagst du, lieber Sappermentszettel?

Zettel.

Es kommen Dinge vor in dieser Komödie von Pyramus und Thisbe, die nimmermehr gefallen werden. Erstens: Pyramus muß ein Schwert ziehen, um sich selbst umzubringen, und das können die Damen nicht vertragen. He! Was wollt Ihr darauf antworten?

Schnauz.

Potz Kuckuck, ja! ein gefährlicher Punkt.

Schlucker.

Ich denke, wir müssen am Ende das Totmachen auslassen.

Zettel.

Nicht ein Tüttelchen; ich habe einen Einfall, der alles gutmacht. Schreibt mir einen Prolog, und laßt den Prolog verblümt zu verstehen geben, daß wir mit unsern Schwertern keinen Schaden tun wollen; und daß Pyramus nicht wirklich tot gemacht wird; und zu mehr besserer Sicherheit sagt ihnen, daß ich, Pyramus, nicht Pyramus bin, sondern Zettel, der Weber. Das wird ihnen schon die Furcht benehmen.

Squenz.

Gut, wir wollen einen solchen Prologus haben, und er soll in Acht- und Sechssilbern geschrieben sein.

Zettel.

Nein, nehmt zwei mehr, laßt’s Achtsilber sein.

Schnauz.

Werden die Damen nicht auch vor dem Löwen erschrecken?

Schlucker.

Ich fürcht es, davor steh ich euch.

Zettel.

Meister, ihr solltet dies bei euch selbst überlegen. Einen Löwen – Gott behüt uns! – unter Damen zu bringen, ist eine greuliche Geschichte; es gibt kein grausameres Wildbret als so’n Löwe, wenn er lebendig ist; und wir sollten uns vorsehn.

Schnauz.

Derhalben muß ein andrer Prologus sagen, daß er kein Löwe ist.

Zettel.

Ja, ihr müßt seinen Namen nennen, und sein Gesicht muß halb durch des Löwen Hals gesehen werden; und er selbst muß durchsprechen und sich so oder ungefähr so applizieren: Gnädige Frauen, oder schöne gnädige Frauen, ich wollte wünschen, oder ich wollte ersuchen, oder ich wollte gebeten haben, fürchten Sie nichts, zittern Sie nicht so; mein Leben für das Ihrige! Wenn Sie dächten, ich käme hieher als ein Löwe, so dauerte mich nur meine Haut. Nein, ich bin nichts dergleichen; ich bin ein Mensch wie andre auch; – und dann laßt ihn nur seinen Namen nennen und ihnen rund heraus sagen, daß er Schnock der Schreiner ist.

Squenz.

Gut, so soll’s auch sein. Aber da sind noch zwei harte Punkte: nämlich, den Mondschein in die Kammer zu bringen; denn ihr wißt, Pyramus und Thisbe kommen bei Mondschein zusammen.

Schnock.

Scheint der Mond in der Nacht, wo wir unser Spiel spielen?

Zettel.

Einen Kalender! Einen Kalender! Seht in den Almanach! Suchet Mondschein! Suchet Mondschein!

Squenz.

Ja, er scheint die Nacht.

Zettel.

Gut, so könnt ihr ja einen Flügel von dem großen Stubenfenster, wo wir spielen, offenlassen, und der Mond kann durch den Flügel herein scheinen.

Squenz.

Ja, oder es könnte auch einer mit einem Dornbusch und einer Laterne herauskommen und sagen, er komme, die Person des Mondscheins zu defigurieren oder zu präsentieren. Aber da ist noch ein Punkt: wir müssen in der großen Stube eine Wand haben; denn Pyramus und Thisbe, sagt die Historie, redeten durch die Spalte einer Wand miteinander.

Schnock.

Ihr bringt mein Leben keine Wand hinein. Was sagst du, Zettel?

Zettel.

Einer oder der andre muß Wand vorstellen; und laßt ihn ein bißchen Kalk, oder ein bißchen Lehm, oder ein bißchen Mörtel an sich haben, um Wand zu bedeuten; und laßt ihn seine Finger so halten, und durch die Klinze sollen Pyramus und Thisbe wispern.

Squenz.

Wenn das sein kann, so ist alles gut. Kommt, setzt euch, jeder Mutter Sohn, und probiert eure Parte. Pyramus, Ihr fangt an; wann Ihr Eure Rede ausgeredet habt, so tretet hinter den Zaun; und so jeder nach seinem Stichwort. Droll tritt auf.

Droll.

Welch hausgebacknes Volk macht hier sich breit,

So nah der Wiege unsrer Königin?

Wie? gibt’s ein Schauspiel? Ich will Hörer sein,

Mitspieler auch vielleicht, nachdem sich’s fügt.

Squenz.

Sprecht, Pyramus; Thisbe, tretet vor.

Pyramus.

«Thisbe, wie eine Blum‘ von Giften duftet süß -»

Squenz.

Düften! Düften!

Pyramus.

«- – von Düften duftet süß,

So tut dein Atem auch, o Thisbe, meine Zier.

Doch horch, ich hör ein‘ Stimm; es ist mein Vater gwiß;

Bleib eine Weile stehn, ich bin gleich wieder hier.» (Ab.)

Droll (beiseite).

Ein seltnes Stück von einem Pyramus. (Ab.)

Thisbe.

Muß ich jetzt reden?

Squenz.

Ja, zum Henker, freilich müßt Ihr; Ihr müßt wissen, er geht nur weg, um ein Geräusch zu sehen, das er gehört hat, und wird gleich wiederkommen.

Thisbe.

«Umstrahlter Pyramus, an Farbe lilienweiß

Und rot wie eine Ros auf triumphierndem Strauch;

Du muntrer Juvenil, der Männer Zier und Preis,

Treu wie das treuste Roß, das nie ermüdet auch.

Ich will dich treffen an, glaub mir, bei Nickels Grab.»

Squenz.

Ninus‘ Grab, Kerl. Aber das müßt Ihr jetzt noch nicht sagen, das antwortet Ihr dem Pyramus. Ihr sagt Euren ganzen Part auf einmal her, Stichwörter und den ganzen Plunder. – Pyramus, tretet auf, Euer Stichwort ist schon dagewesen; es ist: «ermüdet auch.» Zettel mit einem Eselskopfe und Droll kommen zurück.

Thisbe.

Uf – «So treu, wie’s treuste Pferd, das nie ermüdet auch.»

Pyramus.

«Wenn, Thisbe, ich wär schön, so wär ich einzig dein.»

Squenz.

O greulich! erschrecklich! Es spukt hier. Ich bitt euch, Meister! lauft, Meister! Hilfe! (Sie laufen davon.)

Droll.

Nun jag ich euch und führ euch kreuz und quer

Durch Dorn, durch Busch, durch Sumpf, durch Wald.

Bald bin ich Pferd, bald Eber, Hund und Bär,

Erschein als Werwolf und als Feuer bald,

Will grunzen, wiehern, bellen, brummen, flammen

Wie Eber, Pferd, Hund, Bär und Feur zusammen. (Ab.)

Zettel.

Warum laufen sie weg? Dies ist eine Schelmerei von ihnen, um mich fürchten zu machen. Schnauz kommt zurück.

Schnauz.

O Zettel! du bist verwandelt! Was seh ich an dir?

Zettel.

Was du siehst? Du siehst deinen eigenen Eselskopf. Nicht? (Schnauz ab.)

Squenz kommt zurück.

Squenz.

Gott behüte dich, Zettel! Gott behüte dich! du bist transferiert. (Ab.)

Zettel.

Ich merke ihre Schelmerei: sie wollen einen Esel aus mir machen, mich fürchten machen, wenn sie können. Aber ich will hier nicht von der Stelle; lass‘ sie machen, was sie wollen; ich will hier auf und ab spazieren und singen, damit sie sehen, daß ich mich nicht fürchte.

(Er singt.) Die Schwalbe, die den Sommer bringt,

Der Spatz, der Zeisig fein,

Die Lerche, die sich lustig schwingt

Bis in den Himmel ’nein -:

Titania (erwachend).

Weckt mich von meinem Blumenbett ein Engel?

Zettel (singt).

Der Kuckuck, der der Grasmück

So gern ins Nestchen heckt

Und lacht darob mit arger Tück

Und manchen Ehmann neckt -: Denn sein Rufen soll eine gar gefährliche Vorbedeutung sein, und wem jückt es nicht ein bißchen an der Stirne, wenn er sich Kuckuck grüßen hört?

Titania.

Ich bitte dich, du holder Sterblicher,

Sing noch einmal! Mein Ohr ist ganz verliebt

In deine Melodie; auch ist mein Auge

Betört von deiner lieblichen Gestalt;

Gewaltig treibt mich deine schöne Tugend,

Beim ersten Blick dir zu gestehn, zu schwören:

Daß ich dich liebe.

Zettel.

Mich dünkt, Madame, Sie könnten dazu nicht viel Ursache haben. Und doch, die Wahrheit zu sagen, halten Vernunft und Liebe heutzutage nicht viel Gemeinschaft. Schade, daß ehrliche Nachbarn sie nicht zu Freunden machen wollen! Gelt, ich kann auch spaßen, wenn’s darauf ankommt.

Titania.

Du bist so weise, wie du reizend bist.

Zettel.

Das nun just auch nicht. Doch, wenn ich Witz genug hätte, um aus diesem Walde zu kommen, so hätte ich just so viel, als mir nötig täte.

Titania.

Begehre nicht, aus diesem Hain zu fliehn;

Du mußt hier, willig oder nicht, verziehn.

Ich bin ein Geist von nicht gemeinem Stande;

Ein ewger Sommer zieret meine Lande;

Und sieh, ich liebe dich! drum folge mir.

Ich gebe Elfen zur Bedienung dir;

Sie sollen Perlen aus dem Meer dir bringen

Und, wenn du leicht auf Blumen schlummerst, singen.

Ich will vom Erdenstoffe dich befrein,

Daß du so luftig sollst wie Geister sein.

Senfsamen! Bohnenblüte! Motte! Spinnweb! Vier Elfen treten auf.

Erster Elf.

Hier!

Zweiter Elf.

Und ich!

Dritter Elf.

Und ich!

Vierter Elf.

Und ich!

Alle.

Was sollen wir?

Titania.

Gefällig seid und dienstbar diesem Herrn.

Hüpft, wo er geht, und gaukelt um ihn her;

Sucht Aprikos‘ ihm auf und Stachelbeer‘;

Maulbeeren gebt ihm, Feigen, Purpurtrauben;

Ihr müßt der Biene Honigsack ihm rauben;

Zur Kerze nehmt von ihr ein wächsern Bein

Und steckt es an bei eines Glühwurms Schein,

Zu leuchten meinem Freund Bett aus und ein;

Mit bunter Schmetterlinge Flügelein

Wehrt fächelnd ihm vom Aug den Mondenschein.

Nun, Elfen, huldigt ihm und neigt euch fein.

Erster Elf.

Heil dir, Sterblicher!

Zweiter Elf.

Heil!

Dritter Elf.

Heil!

Vierter Elf.

Heil!

Zettel.

Ich flehe Euer Gnaden von ganzem Herzen um Verzeihung, Ich bitte um Euer Gnaden Namen.

Spinnweb.

Spinnweb.

Zettel.

Ich wünsche näher mit Ihnen bekannt zu werden, guter Musje Spinnweb. Wenn ich mich in den Finger schneide, werde ich so frei sein, Sie zu gebrauchen. – Ihr Name, ehrsamer Herr?

Bohnenblüte.

Bohnenblüte.

Zettel.

Ich bitte Sie, empfehlen Sie mich Madame Hülse, Ihrer Frau Mutter, und Herrn Bohnenschote, Ihrem Herrn Vater. Guter Herr Bohnenblüte, auch mit Ihnen hoffe ich näher bekannt zu werden. – Ihren Namen, mein Herr, wenn ich bitten darf.

Senfsamen.

Senfsamen.

Zettel.

Lieber Musje Senfsamen, ich kenne Ihre Geduld gar wohl. Jener niederträchtige und ungeschlachte Kerl, Rinderbraten, hat schon manchen wackern Herrn von Ihrem Hause verschlungen. Sei’n Sie versichert, Ihre Freundschaft hat mir schon oft die Augen übergehen machen. Ich wünsche nähere Bekanntschaft, lieber Musje Senfsamen.

Titania.

Kommt, führt ihn hin zu meinem Heiligtume!

Mich dünkt, von Tränen blinke Lunas Glanz;

Und wenn sie weint, weint jede kleine Blume

Um einen wild zerrißnen Mädchenkranz.

Ein Zauber soll des Liebsten Zunge binden:

Wir wollen still den Weg zur Laube finden. (Alle ab.)

Zweite Szene

Ein anderer Teil des Waldes

Oberon (tritt auf).

Mich wundert’s, ob Titania erwachte

Und welch Geschöpf ihr gleich ins Auge fiel,

Worin sie sterblich sich verlieben muß.

Droll kommt.

Da kommt mein Bote ja. – Nun, toller Geist,

Was spuken hier im Wald für Abenteuer?

Droll.

Herr, meine Fürstin liebt ein Ungeheuer.

Sie lag in Schlaf versunken auf dem Moos

In ihrer heilgen Laube dunklem Schoß,

Als eine Schar von lumpgen Handwerksleuten,

Die mühsam kaum ihr täglich Brot erbeuten,

Zusammenkommt und hier ein Stück probiert,

So sie auf Theseus‘ Hochzeitstag studiert.

Der ungesalzenste von den Gesellen,

Den Pyramus berufen vorzustellen,

Tritt von der Bühn und wartet im Gesträuch;

Ich nutze diesen Augenblick sogleich,

Mit einem Eselskopf ihn zu begaben.

Nicht lange drauf muß Thisbe Antwort haben;

Mein Mime tritt heraus; kaum sehen ihn

Die Freund, als sie wie wilde Gänse fliehn,

Wenn sie des Jägers leisen Tritt erlauschen;

Wie graue Krähen, deren Schwarm mit Rauschen

Und Krächzen auffliegt, wenn ein Schuß geschieht,

Und wild am Himmel da- und dorthin zieht.

Vor meinem Spuk rollt der sich auf der Erde,

Der schreiet Mord! mit kläglicher Gebärde;

Das Schrecken, das sie sinnlos machte, lieh

Sinnlosen Dingen Waffen gegen sie.

An Dorn und Busch bleibt Hut und Ärmel stecken;

Sie fliehn hindurch, berupft an allen Ecken.

In solcher Angst trieb ich sie weiter fort,

Nur Schätzchen Pyramus verharrte dort.

Gleich mußte nun Titania erwachen

Und aus dem Langohr ihren Liebling machen.

Oberon.

Das geht ja über mein Erwarten schön.

Doch hast du auch den Jüngling von Athen,

Wie ich dir auftrug, mit dem Saft bestrichen?

Droll.

O ja, ich habe schlafend ihn beschlichen.

Das Mädchen ruhte neben ihm ganz dicht:

Erwacht er, so entgeht sein Aug ihr nicht. Demetrius und Hermia treten auf.

Oberon.

Tritt her; da kommt ja der Athener an.

Droll.

Das Mädchen ist es, aber nicht der Mann.

Demetrius.

O könnt Ihr so, weil ich Euch liebe, schmälen?

Den Todfeind solltet Ihr so tödlich quälen!

Hermia.

Noch mehr verdient, was ich von dir erfuhr;

Denn fluchen sollt ich dir und schalt dich nur.

Erschlugst du mir Lysandern, weil er ruhte,

So bad, einmal befleckt, dich ganz im Blute

Und töt auch mich!

Die Sonne liebt den Tag nicht treuer, steter,

Als wie er mich: nun wär er als Verräter

Entflohn, indes ich schlief? Nein, nimmermehr!

Eh wollt ich glauben, daß es möglich wär,

Ganz zu durchbohren dieser Erde Boden

Und durch die Öffnung zu den Antipoden

Zu senden des verwegnen Mondes Gruß,

Der hellen Mittagssonne zum Verdruß.

Es kann nicht anders sein: du mordetest ihn mir.

So sieht ein Mörder aus, so graß, so stier!

Demetrius.

So siehet ein Erschlagner aus, so ich:

Denn Eure Grausamkeit durchbohrte mich.

Doch Ihr, die Mördrin, glänzet wie Cythere

Am Himmel dort in ihrer lichten Sphäre.

Hermia.

Was soll mir dies? Wo ist Lysander? spricht –

Gib ihn mir wieder, Freund, ich bitte dich.

Demetrius.

Den Hunden gäb ich lieber seine Leiche.

Hermia.

Hinweg, du Hund! du treibst durch deine Streiche

Mich armes Weib zur Wut. Hast du ihn umgebracht:

Nie werde mehr für einen Mann geacht’t.

Sprich einmal wahr, sprich mir zuliebe wahr!

Hättst du, wenn er gewacht, ihm wohl ein Haar

Gekrümmt? und hast ihn, weil er schlief, erschlagen?

O Kühnheit! eine Natter konnt es wagen.

Ja, eine Natter tat’s; die ärgste sticht

Zweizüngiger als du, o Schlange, nicht.

Demetrius.

An einen Wahn verschwendst du deine Wut.

Ich bin nicht schuldig an Lysanders Blut;

Auch mag er wohl, soviel ich weiß, noch leben.

Hermia.

Und geht’s ihm wohl? Kannst du mir Nachricht geben?

Demetrius.

Und könnt ich nun, was würde mir dafür?

Hermia.

Mich nie zu sehn, dies Vorrecht schenk ich dir.

Und so verlaß ich deine schnöde Nähe;

Tot sei er oder nicht, wenn ich nur dich nicht sehe. (Ab.)

Demetrius.

Ihr folgen ist vergebliches Bemühn

In diesem Sturm; so will ich hier verziehn.

Noch höher wird des Grames Not gesteigert,

Seit sich sein Schuldner Schlaf zu zahlen weigert.

Vielleicht empfang ich einen Teil der Schuld,

Erwart ich hier den Abtrag in Geduld. (Er legt sich nieder.)

Oberon.

Was tatest du? du hast dich ganz betrogen.

Ein treues Auge hat den Liebessaft gesogen;

Dein Fehlgriff hat den treuen Bund gestört

Und nicht den Unbestand zur Treu bekehrt.

Droll.

So siegt das Schicksal denn, daß gegen einen Treuen

Millionen falsch auf Schwüre Schwür‘ entweihen.

Oberon.

Streif durch den Wald behender als der Wind

Und suche Helena, das schöne Kind.

Sie ist ganz liebekrank und blaß von Wangen,

Von Seufzern, die ihr sehr ans Leben drangen.

Geh, locke sie durch Täuschung her zu mir;

Derweil sie kommt, bezaubr‘ ich diesen hier.

Droll.

Ich eil, ich eil, sieh, wie ich eil;

So fliegt vom Bogen des Tataren Pfeil. (Ab.)

Oberon. Blume mit dem Purpurschein

Die Cupidos Pfeile weihn,

Senk dich in sein Aug hinein;

Wenn er sieht sein Liebchen fein,

Daß sie glorreich ihm erschein

Wie Cyther‘ im Sternenreihn.

Wachst du auf, wenn sie dabei:

Bitte, daß sie hilfreich sei. Droll kommt zurück. Droll. Hauptmann unsrer Elfenschar,

Hier stellt Helena sich dar.

Der von mir gesalbte Mann

Fleht um Liebeslohn sie an.

Wollen wir ihr Wesen sehn?

O die tollen Sterblichen! Oberon. Tritt beiseit! Erwachen muß

Von dem Lärm Demetrius. Droll. Wenn dann zwei um eine frein:

Das wird erst ein Hauptspaß sein.

Gehn die Sachen kraus und bunt,

Freu ich mich von Herzensgrund. Lysander und Helena treten auf.

Lysander.

Pflegt Spott und Hohn in Tränen sich zu kleiden?

Wie glaubst du denn, ich huldge dir zum Hohn?

Sieh, wenn ich schwöre, wein ich: solchen Eiden

Dient zur Beglaubigung ihr Ursprung schon.

Kannst du des Spottes Reden wohl verklagen,

Die an der Stirn des Ernstes Siegel tragen?

Helena.

Stets mehr und mehr wird deine Schalkheit kund.

Wie teuflisch fromm, mit Schwur den Schwur erlegen!

Beschwurst du nicht mit Hermia so den Bund?

Wäg Eid an Eid, so wirst du gar nichts wägen.

Die Eid an sie und mich, wie Märchen leicht,

Leg in zwei Schalen sie, und keine steigt.

Lysander.

Verblendung war’s, mein Herz ihr zu versprechen.

Helena.

Verblendung nenn ich’s, jetzt den Schwur zu brechen.

Lysander.

Demetrius liebt sie; dich liebt er nicht.

Demetrius (erwachend).

O Huldin! schönste Göttin meiner Wahl!

Womit vergleich ich deiner Augen Strahl?

Kristall ist trübe. O wie reifend schwellen

Die Lippen dir, zwei küssende Morellen!

Und jenes dichte Weiß, des Taurus Schnee,

Vom Ostwind rein gelächelt, wird zur Kräh,

Wenn du die Hand erhebst. Laß mich dies Siegel

Der Wonne küssen, aller Reinheit Spiegel!

Helena.

O Schmach! o Höll! ich seh, ihr alle seid

Zu eurer Lust zu plagen mich bereit.

Wär Sitt und Edelmut in euch Verwegnen,

Ihr würdet mir so schmählich nicht begegnen.

Könnt ihr mich denn nicht hassen, wie ihr tut,

Wenn ihr mich nicht verhöhnt in frechem Mut?

Wärt ihr in Wahrheit Männer, wie im Schein,

So flößt‘ ein armes Weib euch Mitleid ein.

Ihr würdet nicht mit Lob und Schwüren scherzen,

Da ich doch weiß, ihr hasset mich von Herzen;

Als Nebenbuhler liebt ihr Hermia,

Wetteifernd nun verhöhnt ihr Helena.

Ein tapfres Stück, ein männlich Unternehmen,

Durch Spott ein armes Mädchen zu beschämen,

Ihr Tränen abzulocken! Quält ein Weib

Ein edler Mann wohl bloß zum Zeitvertreib?

Lysander.

Demetrius, du bist nicht bieder: sei’s!

Du liebst ja Hermia; weißt, daß ich es weiß.

Hier sei von Herzensgrund, in Güt und Frieden,

An Hermias Huld mein Anteil dir beschieden.

Tritt deinen nun an Helena mir ab;

Ich lieb und will sie lieben bis ins Grab.

Helena.

Ihr losen Schwätzer, wie es keine gab!

Demetrius.

Nein, Hermia mag ich nicht: behalt sie, Lieber!

Liebt ich sie je, die Lieb ist längst vorüber.

Mein Herz war dort nur wie in fremdem Land;

Nun hat’s zu Helena sich heimgewandt,

Um dazubleiben.

Lysander.

Glaubs nicht, Helena.

Demetrius.

Tritt nicht der Treu, die du nicht kennst, zu nah;

Du möchtest sonst vielleicht es teuer büßen.

Da kommt dein Liebchen; geh, sie zu begrüßen. Hermia tritt auf

Hermia.

Die Nacht, die uns der Augen Dienst entzieht,

Macht, daß dem Ohr kein leiser Laut entflieht.

Was dem Gesicht an Schärfe wird benommen,

Muß doppelt dem Gehör zugute kommen.

Mein Aug war’s nicht, das dich, Lysander, fand;

Mein Ohr, ich dank ihm, hat die Stimm erkannt.

Doch warum mußtest du so von mir eilen?

Lysander.

Den Liebe fortriß, warum sollt er weilen?

Hermia.

Und welche Liebe war’s, die fort von mir dich trieb?

Lysander.

Lysanders Liebe litt nicht, daß er blieb;

Die schöne Helena, die so die Nacht durchfunkelt,

Daß sie die lichten O’s, die Augen dort, verdunkelt.

Was suchst du mich? Tat dies dir noch nicht kund,

Mein Haß zu dir sei meines Fliehens Grund?

Hermia.

Ihr sprecht nicht, wie Ihr denkt. Es kann nicht sein.

Helena.

Ha! sie stimmt auch in die Verschwörung ein.

Nun merk ich’s: alle drei verbanden sich

Zu dieser falschen Posse gegen mich.

Feindselge Hermia! undankbares Mädchen!

Verstandest du, verschworst mit diesen dich,

Um mich zu necken mit so schnödem Spott?

Sind alle Heimlichkeiten, die wir teilten,

Der Schwestertreu Gelübde, jene Stunden,

Wo wir den raschen Tritt der Zeit verwünscht,

Wie sie uns schied: o alles nun vergessen?

Die Schulgenossenschaft, die Kinderunschuld?

Wie kunstbegabte Götter schufen wir

Mit unsern Nadeln eine Blume beide,

Nach einem Muster und auf einem Sitz;

Ein Liedchen wirbelnd, beid in einem Ton,

Als wären unsre Hände, Stimmen, Herzen

Einander einverleibt. So wuchsen wir

Zusammen, einer Doppelkirsche gleich,

Zum Schein getrennt, doch in der Trennung eins;

Zwei holde Beeren, einem Stiel entwachsen,

Dem Scheine nach zwei Körper, doch ein Herz.

Zwei Schildern eines Wappens glichen wir,

Die friedlich stehn, gekrönt von einem Helm.

Und nun zerreißt Ihr so die alte Liebe?

Gesellt im Hohne Eurer armen Freundin

Zu Männern Euch? Das ist nicht freundschaftlich,

Das ist nicht jungfräulich; und mein Geschlecht

Sowohl wie ich darf Euch darüber schelten,

Obschon die Kränkung mich allein betrifft.

Hermia.

Ich hör erstaunt die ungestümen Reden;

Ich höhn Euch nicht; es scheint, Ihr höhnet mich.

Helena.

Habt Ihr Lysandern nicht bestellt, zum Hohn

Mir nachzugehn, zu preisen mein Gesicht?

Und Euren andern Buhlen, den Demetrius,

Der eben jetzt noch mich mit Füßen stieß,

Mich Göttin, Nymphe, wunderschön zu nennen,

Und köstlich, himmlisch? Warum sagt er das

Der, die er haßt? Und warum schwört Lysander

Die Liebe ab, die ganz die Seel ihm füllt,

Und bietet mir (man denke nur!) sein Herz,

Als weil Ihr ihn gereizt, weil Ihr’s gewollt?

Bin ich schon nicht so in der Gunst wie Ihr,

Mit Liebe so umkettet, so beglückt,

Ja, elend gnug, um ungeliebt zu lieben:

Ihr solltet mich bedauern, nicht verachten.

Hermia.

Ich kann mir nicht erklären, was Ihr meint.

Helena.

Schon recht! Beharrt nur! Heuchelt ernste Blicke

Und zieht Gesichter hinterm Rücken mir!

Blinzt euch nur zu! Verfolgt den feinen Scherz!

Wohl ausgeführt, wird er euch nachgerühmt.

Wär Mitleid, Huld und Sitte noch in euch,

Ihr machtet so mich nicht zu eurem Ziel.

Doch lebet wohl! Zum Teil ist’s meine Schuld:

Bald wird Entfernung oder Tod sie büßen.

Lysander.

Bleib, holde Helena, und hör mich an!

Mein Herz! mein Leben! meine Helena!

Helena.

O herrlich!

Hermia.

Lieber, höhne sie nicht so!

Demetrius.

Und gilt ihr Bitten nichts, so kann ich zwingen.

Lysander.

Nichts mehr erzwingen, als was sie erbittet;

Dein Drohn ist kraftlos wie ihr schwaches Flehn.

Dich lieb ich, Helena! Bei meinem Leben,

Ich liebe dich und will dies Leben wagen,

Der Lüge den zu zeihn, der widerspricht.

Demetrius.

Ich sag, ich liebe dich weit mehr als er.

Lysander.

Ha! sagst du das, so komm, beweis es auch.

Demetrius.

Auf, komm!

Hermia.

Lysander, wohin zielt dies alles?

Lysander.

Fort, Mohrenmädchen!

Demetrius.

Nein, o nein! er tut,

Als bräch er los; er tobt, als wollt er folgen,

Kommt aber nicht. O geht mir, zahmer Mensch!

Lysander.

Fort, Katze, Klette! Mißgeschöpf, laß los!

Sonst schleudr ich dich wie eine Natter weg.

Hermia.

Wie wurdet Ihr so wild? wie so verwandelt,

Mein süßes Herz?

Lysander.

Dein Herz? Fort, fort, hinweg!

Zigeunerin! fort, widerwärtger Trank!

Hermia.

Ihr scherzet nicht?

Helena.

Ja wahrlich, und Ihr auch!

Lysander.

Demetrius, ich halte dir mein Wort.

Demetrius.

Ich hätt es schriftlich gern von deiner Hand;

Dich hält ’ne schwache Hand, ich trau dir nicht.

Lysander.

Wie? sollt ich sie verwunden, schlagen, töten?

Hass‘ ich sie schon, ich will kein Leid ihr tun.

Hermia.

Wie? könnt Ihr mehr mir Leid tun, als mich hassen?

Warum mich hassen? Was geschah, Geliebter?

Bin ich nicht Hermia? Seid Ihr nicht Lysander?

Ich bin so schön noch, wie ich eben war.

Ihr liebtet über Nacht mich; doch verließt Ihr

Mich über Nacht. Und muß ich also sagen

(Verhüten es die Götter!), Ihr verließt

Im Ernste mich?

Lysander.

Im Ernst, so wahr ich lebe!

Und nie begehrt ich wieder dich zu sehn.

Drum gib nur Hoffnung, Frage, Zweifel auf!

Sei sicher, nichts ist wahrer, ’s ist kein Scherz:

Ich hasse dich und liebe Helena.

Hermia.

Weh mir! – Du Gauklerin! du Blütenwurm!

Du Liebesdiebin! Was? du kamst bei Nacht,

Stahlst meines Liebsten Herz!

Helena.

Schön, meiner Treu!

Hast du denn keine Scheu, noch Mädchensitte,

Nicht eine Spur von Scham? Und zwingst du so

Zu harten Reden meine sanften Lippen?

Du Marionette, pfui! du Puppe, du!

Hermia.

Wie? Puppe? Ha, nun wird ihr Spiel mir klar:

Sie hat ihn unsern Wuchs vergleichen lassen –

Ich merke schon – auf ihre Höh getrotzt.

Mit ihrer Figur, mit ihrer langen Figur

Hat sie sich seiner, seht mir doch! bemeistert.

Und stehst du nun so groß bei ihm in Gunst,

Weil ich so klein, weil ich so zwerghaft bin?

Wie klein bin ich, du bunte Bohnenstange?

Wie klein bin ich? Nicht gar so klein, daß nicht

Dir meine Nägel an die Augen reichten.

Helena.

Ihr Herrn, ich bitt euch, wenn ihr schon mich höhnt,

Beschirmt mich doch vor ihr. Nie war ich böse,

Bin keineswegs geschickt zur Zänkerin;

Ich bin so feig wie irgend nur ein Mädchen.

Verwehrt ihr, mich zu schlagen; denket nicht,

Weil sie ein wenig kleiner ist als ich,

Ich nähm es mit ihr auf.

Hermia.

Schon wieder kleiner?

Helena.

Seid, gute Hermia, nicht so bös auf mich,

Ich liebt Euch immer, hab Euch nie gekränkt,

Und stets bewahrt, was Ihr mir anvertraut;

Nur daß ich, dem Demetrius zuliebe,

Ihm Eure Flucht in diesen Wald verriet.

Er folgte Euch, aus Liebe folgt ich ihm;

Er aber schalt mich weg und drohte, mich

Zu schlagen, stoßen, ja zu töten gar;

Und nun, wo Ihr mich ruhig gehen laßt,

So trag ich meine Torheit heim zur Stadt

Und folg Euch ferner nicht. O laßt mich gehn!

Ihr seht, wie kindisch und wie blöd ich bin.

Hermia.

Gut, zieht nur hin! Wer hindert Euch daran?

Helena.

Ein töricht Herz, das ich zurück hier lasse.

Hermia.

Wie? Bei Lysander?

Helena.

Bei Demetrius.

Lysander.

Sei ruhig, Helena! sie soll kein Leid dir tun.

Demetrius.

Sie soll nicht, Herr, wenn Ihr sie schon beschützt.

Helena.

Oh, sie hat arge Tück in ihrem Zorn.

Sie war ’ne böse Sieben in der Schule

Und ist entsetzlich wild, obschon so klein.

Hermia.

Schon wieder klein, und anders nicht wie klein?

Wie duldet Ihr’s, daß sie mich so verspottet?

Weg! laß mich zu ihr!

Lysander.

Packe dich, du Zwergin!

Du Knirps aus Knötrich, der das Wachstum hemmt!

Du Ecker du, du Paternosterkralle!

Demetrius.

Ihr seid zu dienstgeschäftig, guter Freund,

Zugunsten der, die Euren Dienst verschmäht.

Laß mir sie gehn! Sprich nicht von Helena!

Nimm nicht Partei für sie! Vermissest du

Dich im geringsten, Lieb ihr zu bezeugen,

So sollst du’s büßen.

Lysander.

Jetzo bin ich frei;

Nun komm, wofern du’s wagst; laß sehn, wes Recht

An Helena, ob deins, ob meines gilt.

Demetrius.

Dir folgen? Nein, ich halte Schritt mit dir. (Lysander und Demetrius ab.)

Hermia.

Nun, Fräulein! Ihr seid schuld an all dem Lärm.

Ei, bleibt doch stehn!

Helena.

Nein, nein! ich will nicht traun,

Noch länger Eur verhaßtes Antlitz schaun.

Sind Eure Hände hurtiger zum Raufen,

So hab ich längre Beine doch zum Laufen. (Ab.)

Hermia.

Ich staun und weiß nicht, was ich sagen soll. (Sie läuft der Helena nach.)

Oberon.

Das ist dein Unbedacht! Stets irrst du dich,

Wenn’s nicht geflißne Schelmenstreiche sind.

Droll.

Ich irrte diesmal, glaubt mir, Fürst der Schatten,

Gabt Ihr denn nicht von dem bestimmten Mann

Mir die Athenertracht als Merkmal an?

Und so weit bin ich ohne Schuld, daß jener,

Den ich gesalbt, doch wirklich ein Athener;

Und so weit bin ich froh, daß so sich’s fügt,

Weil diese Balgerei mich sehr vergnügt.

Oberon.

Du siehst zum Kampf bereit die hitzgen Freier:

Drum eile, Droll: wirf einen nächtgen Schleier,

Bedecke die gestirnte Feste schnell

Mit Nebeln, düster wie Kozytus‘ Quell;

Und locke sie auf falsche Weg und Stege,

Damit sie nicht sich kommen ins Gehege.

Bald borg die Stimme vom Demetrius

Und reize keck Lysandern zum Verdruß;

Bald schimpf und höhne wieder wie Lysander

Und bringe so sie weiter auseinander,

Bis ihre Stirnen Schlaf, der sich dem Tod vergleicht,

Mit dichter Schwing und bleirnem Tritt beschleicht.

Zerdrück dies Kraut dann auf Lysanders Augen,

Die Zauberkräfte seines Saftes taugen,

Von allem Wahn sie wieder zu befrein

Und den gewohnten Blick ihm zu verleihn.

Wenn sie erwachen, ist, was sie betrogen,

Wie Träum und eitle Nachtgebild entflogen;

Dann kehren wieder nach Athen zurück

Die Liebenden, vereint zu stetem Glück.

Derweil dies alles deine Sorgen sind,

Bitt ich Titanien um ihr indisch Kind;

Ich bann ihr vom betörten Augenlide

Des Unholds Bild, und alles werde Friede.

Droll.

Mein Elfenfürst, wir müssen eilig machen.

Die Nacht teilt das Gewölk mit schnellen Drachen.

Auch schimmert schon Auroras Herold dort,

Und seine Näh scheucht irre Geister fort

Zum Totenacker; banger Seelen Heere,

Am Scheideweg begraben und im Meere:

Man sieht ins wurmbenagte Bett sie gehn.

Aus Angst, der Tag möcht ihre Schande sehn,

Verbannt vom Lichte sie ihr eigner Wille,

Und ihnen dient die Nacht zur ewgen Hülle.

Oberon.

Doch wir sind Geister andrer Region.

Oft jagt ich mit Aurorens Liebling schon,

Darf, wie ein Weidmann, noch den Wald betreten,

Wenn flammend sich des Ostens Pforten röten

Und, aufgetan, der Meeresfluten Grün

Mit schönem Strahle golden überglühn.

Doch zaudre nicht! Sei schnell vor allen Dingen!

Wir können dies vor Tage noch vollbringen. (Oberon ab.)

Droll.

Hin und her, hin und her,

Alle führ ich hin und her.

Land und Städte scheun mich sehr.

Kobold, führ sie hin und her! Hier kommt der eine. Lysander tritt auf.

Lysander.

Demetrius! Wo bist du, Stolzer, du?

Droll.

Hier, Schurk, mit bloßem Degen; mach nur zu!

Lysander.

Ich komme schon.

Droll.

So laß uns miteinander

Auf ebnem Boden gehn. (Lysander ab, als ging‘ er der Stimme nach.)

Demetrius tritt auf.

Demetrius.

Antworte doch, Lysander!

Ausreißer! Memme! liefst du so mir fort?

In welchem Busche steckst du? sprich ein Wort!

Droll.

Du Memme, forderst hier heraus die Sterne,

Erzählst dem Busch, du fochtest gar zu gerne,

Und kommst doch nicht? Komm, Bübchen, komm doch her,

Ich geb die Rute dir. Beschimpft ist der,

Der gegen dich nur zieht.

Demetrius.

He, bist du dort?

Droll.

Folg meinem Ruf, zum Kampf ist dies kein Ort. (Droll und Demetrius ab.)

Lysander kommt zurück.

Lysander.

Stets zieht er vor mir her mit lautem Drohen;

Komm ich, wohin er ruft, ist er entflohen.

Behender ist der Schurk im Lauf als ich:

Ich folgt ihm schnell, doch schneller mied er mich,

So daß ich fiel auf dunkler, rauher Bahn,

Und hier nun ruhn will. – (Legt sich nieder.) Holder Tag, brich an!

Sobald mir nur dein graues Licht erscheint,

Räch ich den Hohn und strafe meinen Feind. (Entschläft.) Droll und Demetrius kommen zurück.

Droll.

Ho, ho! du Memme, warum kommst du nicht?

Demetrius.

Steh, wenn du darfst, und sieh mir ins Gesicht.

Ich merke wohl, von einem Platz zum andern

Entgehst du mir und läßt umher mich wandern.

Wo bist du nun?

Droll.

Hieher komm! ich bin hier.

Demetrius.

Du neckst mich nur, doch zahlst du’s teuer mir,

Wenn je der Tag dich mir vors Auge bringt.

Jetzt zieh nur hin, weil Müdigkeit mich zwingt,

Mich hinzustrecken auf dies kalte Kissen;

Frühmorgens werd ich dich zu finden wissen. (Legt sich nieder und entschläft.)

Helena tritt auf

Helena.

O träge, lange Nacht, verkürze dich!

Und Tageslicht, laß mich nicht länger schmachten

Zur Heimat führe weg von diesen mich,

Die meine arme Gegenwart verachten.

Du, Schlaf, der oft dem Grame Lindrung leiht,

Entziehe mich mir selbst auf kurze Zeit. (Schläft ein.)

Droll.

Dreie nur! – Fehlt eins noch hier:

Zwei von jeder Art macht vier.

Seht, sie kommt ja, wie sie soll,

Auf der Stirn Verdruß und Groll.

Amor steckt von Schalkheit voll,

Macht die armen Weiblein toll. Hermia tritt auf.

Hermia.

Wie matt! wie krank! Zerzaust von Dornensträuchen,

Vom Tau beschmutzt und tausendfach in Not:

Ich kann nicht weitergehn, nicht weiterschleichen;

Mein Fuß vernimmt nicht der Begier Gebot.

Hier will ich ruhn; und soll’s ein Treffen geben,

O Himmel, schütze mir Lysanders Leben! (Schläft ein.)

Droll.

Auf dem Grund

Schlaf gesund!

Gießen will

Ich dir still

Auf die Augen Arzenei.

(Träufelt den Saft auf Lysanders Augen.)

Wirst du wach,

O so lach

Freundlich der,

Die vorher

Du geliebt, und bleib ihr treu.

Dann geht es, wie das Sprüchlein rühmt:

Gebt jedem das, was ihm geziemt.

Hans nimmt sein Gretchen,

Jeder sein Mädchen;

Find’t seinen Deckel jeder Topf,

Und allen gehts nach ihrem Kopf. (Ab.)

Vierter Aufzug

Erste Szene

Der Wald Titania und Zettel mit einem Gefolge von Elfen

Oberon im Hintergrunde, ungesehen

Titania.

Komm, laß uns hier auf Blumenbetten kosen!

Beut, Holder, mir die zarte Wange dar:

Den glatten Kopf besteck ich dir mit Rosen

Und küsse dir dein schönes Ohrenpaar.

Zettel.

Wo ist Bohnenblüte?

Bohnenblüte.

Hier.

Zettel.

Kratz mir den Kopf, Bohnenblüte. – Wo ist Musje Spinnweb?

Spinnweb.

Hier.

Zettel.

Musje Spinnweb, lieber Musje, kriegen Sie Ihre Waffen zurhand und schlagen Sie mir eine rotbeinige Biene auf einem Distelkopfe tot, und, lieber Musje, bringen Sie mir den Honigbeutel. Tummeln Sie sich nicht allzusehr bei dieser Verrichtung, Musje; und, lieber Musje, haben Sie acht, daß der Honigbeutel nicht entzwei geht; es würde mir leid tun, Signor, wenn Sie sich mit einem Honigbeutel beschütteten. Wo ist Musje Senfsamen?

Senfsamen.

Hier.

Zettel.

Geben Sie die Pfote, Musje Senfsamen; ich bitte Sie, lassen Sie die Reverenzen, lieber Musje.

Senfsamen.

Was befehlen Sie?

Zettel.

Nichts, lieber Musje, als daß Sie dem Kavalier Bohnenblüte kratzen helfen. Ich muß zum Balbier, Musje; denn mir ist, als wär ich gewaltig haarig ums Gesicht herum, und ich bin ein so zärtlicher Esel: wenn mein Haar mich nur ein bißchen kitzelt, gleich muß ich kratzen.

Titania.

Willst du Musik vernehmen, süßer Freund?

Zettel.

Ich hab ein räsonabel gutes Ohr für Musik; spielt mir ein Stück auf der Maultrommel.

Titania.

Sag, süßer Freund, was hast du Lust zu essen?

Zettel.

Ja, meiner Seel! Eine Krippe voll Futter. Ich könnte auch guten, trocknen Hafer käuen. Mir ist, als hätte ich großen Appetit nach einem Bunde Heu; gutes Heu, süßes Heu hat seinesgleichen auf der Welt nicht.

Titania.

Ich hab ’nen dreisten Elfen, der nach Nüssen

Im Magazin des Eichhorns suchen soll.

Zettel.

Ich hätte lieber ein oder zwei Hand voll trockner Erbsen. Aber ich bitt Euch, laßt keinen von Euren Leuten mich stören. Es kommt mir eine Exposition zum Schlaf an.

Titania.

Schlaf du! Dich soll indes mein Arm umwinden.

Ihr Elfen, weg! Nach allen Seiten fort! –

So lind umflicht mit süßen Blütenranken

Das Geißblatt; so umzingelt, weiblich zart,

Das Efeu seines Ulmbaums rauhe Finger:

Wie ich dich liebe! wie ich dich vergöttre! (Sie schlafen ein.)

Oberon tritt vor. Droll kommt.

Oberon.

Willkommen, Droll! Siehst du dies süße Schauspiel?

Jetzt fängt mich doch ihr Wahnsinn an zu dauern.

Denn da ich eben im Gebüsch sie traf,

Wie sie für diesen Tropf nach Düften suchte,

Da schalt ich sie und ließ sie zornig an.

Sie hatt ihm die behaarten Schläf‘ umwunden

Mit einem frischen, würzgen Blumenkranz.

Derselbe Tau, der sonst wie runde Perlen

Des Morgenlandes an den Knospen schwoll,

Stand in der zarten Blümchen Augen jetzt,

Wie Tränen, trauernd über eigne Schmach.

Als ich sie nach Gefallen ausgeschmält

Und sie voll Demut und Geduld mich bat,

Da fordert ich von ihr das Wechselkind;

Sie gab’s mir gleich und sandte ihren Elfen

Zu meiner Laub‘ im Feenland mit ihm.

Nun, da der Knabe mein ist, sei ihr Auge

Von dieser häßlichen Verblendung frei.

Du, lieber Droll, nimm diese fremde Larve

Vom Kopfe des Gesellen aus Athen;

Auf daß er mit den andern hier, erwachend,

Sich wieder heimbegebe nach Athen,

Und alle der Geschichten dieser Nacht

Nur wie der Launen eines Traums gedenken.

Doch lös ich erst die Elfenkönigin:

(Er berührt ihre Augen mit einem Kraut.)

Sei, als wäre nichts geschehn!

Sieh, wie du zuvor gesehn!

So besiegt zu hohem Ruhme

Cynthias Knospe Amors Blume.

Nun, holde Königin! wach auf, Titania!

Titania.

Mein Oberon, was für Gesicht‘ ich sah!

Mir schien, ein Esel hielt mein Herz gefangen.

Oberon.

Da liegt dein Freund.

Titania.

Wie ist dies zugegangen?

O wie mir nun vor dieser Larve graut!

Oberon.

Ein Weilchen still! – Droll, nimm den Kopf da weg.

Titania, du laß Musik beginnen

Und binde stärker aller fünfe Sinnen

Als durch gemeinen Schlaf.

Titania.

Musik her! Schlafbeschwörende Musik!

Droll.

Wenn du erwachst, so sollst du umgeschaffen

Aus deinen eignen dummen Augen gaffen.

Oberon.

Ertön Musik! (Sanfte Musik.)

Nun komm, Gemahlin! Hand in Hand gefügt,

Und dieser Schläfer Ruheplatz gewiegt!

Die Freundschaft zwischen uns ist nun erneut:

Wir tanzen morgen Mitternacht erfreut

In Theseus‘ Hause bei der Festlichkeit

Und segnen es mit aller Herrlichkeit.

Auch werden da vermählt zu gleicher Zeit

Die Paare hier in Wonn und Fröhlichkeit.

Droll. Elfenkönig, horch! da klang

Schon der Lerche Morgensang. Oberon. Hüpfen wir denn, Königin,

Schweigend nach den Schatten hin!

Schneller als die Monde kreisen

Können wir die Erd umreisen. Titania. Komm, Gemahl, und sage du

Mir im Fliehn: wie ging es zu,

Daß man diese Nacht im Schlaf

Bei den Sterblichen mich traf? (Alle ab. Waldhörner hinter der Szene.)

Theseus, Hippolyta, Egeus und Gefolge treten auf.

Theseus.

Geh einer hin und finde mir den Förster,

Denn unsre Maienandacht ist vollbracht;

Und da sich schon des Tages Vortrab zeigt,

So soll Hippolyta die Jagdmusik

Der Hunde hören. – Koppelt sie im Tal

Gen Westen los; eilt, sucht den Förster auf.

Komm, schöne Fürstin, auf des Berges Höh;

Dort laßt uns in melodischer Verwirrung

Das Bellen hören samt dem Widerhall.

Hippolyta.

Ich bin beim Herkules und Kadmus einst,

Die mit spartanschen Hunden einen Bär

In Kretas Wäldern hetzten; nie vernahm ich

So tapfres Toben. Nicht die Haine nur,

Das Firmament, die Quellen, die Reviere,

Sie schienen all‘ ein Ruf und Gegenruf.

Nie hört ich so harmonschen Zwist der Töne,

So hellen Donner.

Theseus.

Auch meine Hunde sind aus Spartas Zucht,

Weitmäulig, scheckig und ihr Kopf behangen

Mit Ohren, die den Tau vom Grase streifen;

Krummbeinig, wammig wie Thessaliens Stiere;

Nicht schnell zur Jagd, doch ihrer Kehlen Ton

Folgt aufeinander wie ein Glockenspiel.

Harmonischer scholl niemals ein Gebell

Zum Hussa und zum frohen Hörnerschall

In Kreta, Sparta, noch Thessalien.

Entscheidet selbst. – Doch still! wer sind hier diese?

Egeus.

Hier schlummert meine Tochter, gnädger Herr;

Dies ist Lysander, dies Demetrius,

Dies Helena, des alten Nedars Kind.

Ich bin erstaunt, beisammen sie zu treffen.

Theseus.

Sie machten ohne Zweifel früh sich auf,

Den Mai zu feiern, hörten unsre Absicht

Und kamen her zu unsrer Festlichkeit.

Doch sag mir, Egeus, ist dies nicht der Tag,

Wo Hermia ihre Wahl erklären sollte?

Egeus.

Er ist’s, mein Fürst.

Theseus.

Geh, heiß die Jäger, sie

Mit ihren Hörnern wecken. Waldhörner und Jagdgeschrei hinter der Szene, Demetrius, Lysander, Hermia und Helena erwachen und fahren auf.

Theseus.

Ei, guten Tag! Sankt Velten ist vorbei,

Und paaren jetzt sich diese Vögel erst?

Lysander.

Verzeihung, Herr! (Er und die übrigen knien.)

Theseus.

Steht auf, ich bitt euch alle.

Ich weiß, ihr seid zwei Feind und Nebenbuhler:

Wo kommt nun diese milde Eintracht her,

Daß, fern vom Argwohn, Haß beim Hasse schläft

Und keiner Furcht vor Feindlichkeiten hegt?

Lysander.

Mein Fürst, ich werd verworren Antwort geben,

Halb wachend, halb im Schlaf; noch, schwör ich Euch,

Weiß ich nicht recht, wie ich hieher mich fand.

Doch denk ich (denn ich möchte wahrhaft reden –

Und jetzt besinn ich mich, so ist es auch),

Ich kam mit Hermia her; wir hatten vor,

Weg von Athen an einen Ort zu fliehn,

Wo des Gesetzes Bann uns nicht erreichte. –

Egeus.

Genug, genug! Mein Fürst, Ihr habt genug;

Ich will den Bann, den Bann auf seinen Kopf.

Fliehn wollten sie, ja fliehn, Demetrius!

Und wollten so berauben dich und mich,

Dich deines Weibs und meines Wortes mich;

Des Wortes, das zum Weibe dir sie gab!

Demetrius.

Mein Fürst, die schöne Helena verriet

Mir ihren Plan, in diesen Wald zu flüchten;

Und ich verfolgte sie hieher aus Wut,

Die schöne Helena aus Liebe mich.

Doch weiß ich nicht, mein Fürst, durch welche Macht

(Doch eine höhre Macht ist’s) meine Liebe

Zu Hermia, wie Schnee zerronnen, jetzt

Mir eines eitlen Tands Erinnrung scheint,

Worein ich in der Kindheit mich vergafft.

Der Gegenstand, die Wonne meiner Augen

Und alle Treu und Tugend meiner Brust

Ist Helena allein. Mit ihr, mein Fürst,

War ich verlobt, bevor ich Hermia sah.

Doch wie ein Kranker haßt ich diese Nahrung.

Nun, zum natürlichen Geschmack genesen,

Begehr ich, lieb ich sie, schmacht ich nach ihr

Und will ihr treu sein nun und immerdar.

Theseus.

Ihr Liebenden, ein Glück, daß ich euch traf!

Wir setzen dies Gespräch bald weiter fort. –

Ihr, Egeus, müßt Euch meinem Willen fügen:

Denn schließen sollen diese Paar im Tempel

Zugleich mit uns den ewigen Verein.

Und weil der Morgen schon zum Teil verstrich,

So bleib auch unsre Jagd nun ausgesetzt. –

Kommt mit zur Stadt! Wir wollen drei selb drei

Ein Fest begehn, das ohnegleichen sei. –

Komm denn, Hippolyta. (Theseus, Hippolyta, Egeus und Gefolge ab.)

Demetrius.

Dies alles scheint so klein und unerkennbar

Wie ferne Berge, schwindend im Gewölk.

Hermia.

Mir ist, ich säh dies mit geteiltem Auge,

Dem alles doppelt scheint.

Helena.

So ist’s auch mir.

Ich fand Demetrius, so wie ein Kleinod,

Mein und auch nicht mein eigen.

Demetrius.

Seid Ihr denn

Des Wachens auch gewiß? Mir scheint’s, wir schlafen,

Wir träumen noch. Denkt Ihr nicht, daß der Herzog

Hier war und ihm zu folgen uns gebot?

Hermia.

Ja, auch mein Vater.

Helena.

Und Hippolyta.

Lysander.

Und er beschied uns zu sich in den Tempel.

Demetrius.

Wohl denn, wir wachen also. Auf, ihm nach!

Und plaudern wir im Gehn von unsern Träumen. (Ab.) (Wie sie abgehn, wacht Zettel auf.)

Zettel.

Wenn mein Stichwort kommt, ruft mich, und ich will antworten. Mein nächstes ist: «O schönster Pyramus!» – He! holla! – Peter Squenz! Flaut, der Bälgenflicker! Schnauz, der Kesselflicker! Schlucker! – Sapperment! Alle davongelaufen und lassen mich hier schlafen! – Ich habe ein äußerst rares Gesicht gehabt. Ich hatte ’nen Traum – ’s geht über Menschenwitz, zu sagen, was es für ein Traum war. Der Mensch ist nur ein Esel, wenn er sich einfallen läßt, diesen Traum auszulegen. Mir war, als wär ich – kein Menschenkind kann sagen, was. Mir war, als wär ich, und mir war, als hätt ich – aber der Mensch ist nur ein lumpiger Hanswurst, wenn er sich unterfängt zu sagen, was mir war, als hätt ichs; des Menschen Auge hat’s nicht gehört, des Menschen Ohr hats nicht gesehen, des Menschen Hand kann’s nicht schmecken, seine Zunge kanns nicht begreifen und sein Herz nicht wieder sagen, was mein Traum war. – Ich will den Peter Squenz dazukriegen, mir von diesem Traum eine Ballade zu schreiben; sie soll Zettels Traum heißen, weil sie so seltsam angezettelt ist, und ich will sie gegen das Ende des Stücks vor dem Herzoge singen. Vielleicht, um sie noch anmutiger zu machen, werde ich sie nach dem Tode singen. (Ab.)

Zweite Szene

Athen

Eine Stube in Squenzens Hause

Squenz, Flaut, Schnauz und Schlucker kommen

Squenz.

Habt ihr nach Zettels Hause geschickt? Ist er noch nicht nach Haus gekommen?

Schlucker.

Man hört nichts von ihm. Ohne Zweifel ist er transportiert.

Flaut.

Wenn er nicht kommt, so ist das Stück zum Henker. Es geht nicht vor sich, nicht wahr?

Squenz.

Es ist nicht möglich. Ihr habt keinen Mann in ganz Athen außer ihm, der kapabel ist, den Pyramus herauszubringen.

Flaut.

Nein; er hat schlechterdings den besten Witz von allen Handwerksleuten in Athen.

Squenz.

Ja, der Tausend! und die beste Person dazu. Und was eine süße Stimme betrifft, da ist er ein rechtes Phänomen.

Flaut.

Ein Phönix müßt Ihr sagen. Ein Phänomen (Gott behüte uns) ist ein garstiges Ding. Schnock kommt.

Schnock.

Meister, der Herzog kommt eben vom Tempel, und noch drei oder vier andere Herren und Damen mehr sind verheiratet. Wenn unser Spiel vor sich gegangen wäre, so wären wir alle gemachte Leute gewesen.

Flaut.

O lieber Sappermentsjunge, Zettel! So hat er nun sechs Batzen des Tags für Lebenszeit verloren. Er konnte sechs Batzen des Tags nicht entgehn – und wenn ihm der Herzog nicht sechs Batzen des Tags für den Pyramus gegeben hätte, will ich mich hängen lassen! Er hätt es verdient. – Sechs Batzen des Tags für den Pyramus, oder gar nichts! Zettel kommt.

Zettel.

Wo sind die Buben? Wo sind die Herzensjungen?

Squenz.

Zettel! – O allertrefflichster Tag! gebenedeite Stunde!

Zettel.

Meister, ich muß Wunderdinge reden, aber fragt mich nicht was; denn wenn ich’s euch sage, bin ich kein ehrlicher Athener. Ich will euch alles sagen, just wie es sich zutrug.

Squenz.

Laß uns hören, lieber Zettel.

Zettel.

Nicht eine Silbe. Nur soviel will ich euch sagen: der Herzog haben zu Mittage gespeist. Kriegt eure Gerätschaften herbei! Gute Schnüre an eure Bärte! Neue Bänder an eure Schuh! Kommt gleich beim Palaste zusammen; laßt jeden seine Rolle überlesen; denn das Kurze und das Lange von der Sache ist: unser Spiel geht vor sich. Auf allen Fall laßt Thisbe reine Wäsche anziehn, und laßt dem, der den Löwen macht, seine Nägel nicht verschneiden; denn sie sollen heraushängen als des Löwen Klauen. Und, allerliebste Akteure! eßt keine Zwiebeln, keinen Knoblauch; denn wir sollen süßen Odem von uns geben, und ich zweifle nicht, sie werden sagen: Es ist eine sehr süße Komödie. Keine Worte weiter! Fort! marsch! fort! (Alle ab.)

Fünfter Aufzug

Erste Szene

Ein Zimmer im Palast des Theseus Theseus, Hippolyta, Philostrat, Herren vom Hofe und Gefolge treten auf

Hippolyta.

Was diese Liebenden erzählen, mein Gemahl,

Ist wundervoll.

Theseus.

Mehr wundervoll wie wahr.

Ich glaubte nie an diese Feenpossen

Und Fabelein. Verliebte und Verrückte

Sind beide von so brausendem Gehirn,

So bildungsreicher Phantasie, die wahrnimmt,

Was nie die kühlere Vernunft begreift.

Wahnwitzige, Poeten und Verliebte

Bestehn aus Einbildung. Der eine sieht

Mehr Teufel, als die weite Hölle faßt:

Der Tolle nämlich; der Verliebte sieht,

Nicht minder irr, die Schönheit Helenas

Auf einer äthiopisch braunen Stirn.

Des Dichters Aug, in schönem Wahnsinn rollend,

Blitzt auf zum Himmel, blitzt zur Erd hinab,

Und wie die schwangre Phantasie Gebilde

Von unbekannten Dingen ausgebiert,

Gestaltet sie des Dichters Kiel, benennt

Das luftge Nichts und gibt ihm festen Wohnsitz.

So gaukelt die gewaltge Einbildung;

Empfindet sie nur irgend eine Freude,

Sie ahnet einen Bringer dieser Freude;

Und in der Nacht, wenn uns ein Graun befällt,

Wie leicht, daß man den Busch für einen Bären hält!

Hippolyta.

Doch diese ganze Nachtbegebenheit

Und ihrer aller Sinn, zugleich verwandelt,

Bezeugen mehr als Spiel der Einbildung:

Es wird daraus ein Ganzes voll Bestand,

Doch seltsam immer noch und wundervoll. Lysander, Demetrius, Hermia und Helena treten auf.

Theseus.

Hier kommen die Verliebten, froh entzückt.

Glück, Freunde, Glück! Und heitre Liebestage

Nach Herzenswunsch!

Lysander.

Beglückter noch, mein Fürst,

Sei Euer Aus- und Eingang, Tisch und Bett!

Theseus.

Nun kommt! Was haben wir für Spiel‘ und Tänze?

Wie bringen wir nach Tisch bis Schlafengehn

Den langen Zeitraum von drei Stunden hin?

Wo ist der Meister unsrer Lustbarkeiten?

Was gibt’s für Kurzweil? Ist kein Schauspiel da,

Um einer langen Stunde Qual zu lindern? –

Ruft mir den Philostrat.

Philostrat.

Hier, großer Theseus!

Theseus.

Was gibt’s für Zeitvertreib auf diesen Abend?

Was für Musik und Tanz? Wie täuschen wir

Die träge Zeit als durch Belustigung?

Philostrat.

Der Zettel hier besagt die fertgen Spiele:

Wähl Eure Hoheit, was sie sehen will. (Überreicht ein Papier.)

Theseus (liest).

«Das Treffen der Kentauren – wird zur Harfe

Von einem Hämling aus Athen gesungen.»

Nein, nichts hievon! Das hab ich meiner Braut

Zum Ruhm des Vetter Herkules erzählt. –

«Der wohlbezechten Bacchanalen Wut,

Wie sie den Sänger Thraziens zerreißen.»

Das ist ein altes Stück; es ward gespielt,

Als ich von Theben siegreich wiederkam. –

«Der Musen Neunzahl, traurend um den Tod

Der jüngst im Bettelstand verstorbenen Gelahrtheit.»

Das ist ’ne strenge, beißende Satire,

Die nicht zu einer Hochzeitsfeier paßt. –

«Ein kurz langweilger Akt vom jungen Pyramus

Und Thisbe, seinem Lieb. Spaßhafte Tragödie.»

Kurz und langweilig? Spaßhaft und doch tragisch?

Das ist ja glühend Eis und schwarzer Schnee.

Wer findet mir die Eintracht dieser Zwietracht?

Philostrat.

Es ist ein Stück, ein Dutzend Worte lang,

Und also kurz, wie ich nur eines weiß;

Langweilig wird es, weils ein Dutzend Worte

Zu lang ist, gnädger Fürst; kein Wort ist recht

Im ganzen Stück, kein Spieler weiß Bescheid.

Und tragisch ist es auch, mein Gnädigster,

Denn Pyramus bringt selbst darin sich um.

Als ichs probieren sah, ich muß gestehn,

Es zwang mir Tränen ab; doch lustger weinte

Des lauten Lachens Ungestüm sie nie.

Theseus.

Wer sind die Spieler?

Philostrat.

Männer, hart von Faust,

Die in Athen hier ein Gewerbe treiben,

Die nie den Geist zur Arbeit noch geübt

Und nun ihr widerspenstiges Gedächtnis

Mit diesem Stück auf Euer Fest geplagt.

Theseus.

Wir wollen’s hören.

Philostrat.

Nein, mein gnädger Fürst,

Es ist kein Stück für Euch. Ich hört es an,

Und es ist nichts daran, nichts auf der Welt,

Wenn Ihr nicht Spaß an ihren Künsten findet,

Die sie mit schwerer Müh sich eingeprägt,

Euch damit aufzuwarten.

Theseus.

Ich will’s hören,

Denn nie kann etwas unwillkommen sein,

Was Einfalt darbringt und Ergebenheit.

Geht, führt sie her! Ihr Frauen, nehmet Platz! (Philostrat ab.)

Hippolyta.

Ich mag nicht gern Armseligkeit bedrückt,

Ergebenheit im Dienst erliegen sehn.

Theseus.

Du sollst ja, Teure, nichts dergleichen sehn.

Hippolyta.

Er sagt ja, sie verstehen nichts hievon.

Theseus.

Um desto gütger ist’s, für nichts zu danken.

Was sie versehen, ihnen nachzusehen,

Sei unsre Lust. Was armer, willger Eifer

Zu leisten nicht vermag, schätz edle Rücksicht

Nach dem Vermögen nur, nicht nach dem Wert.

Wohin ich kam, da hatten sich Gelahrte

Auf wohlgesetzte Reden vorbereitet;

Da haben sie gezittert, sich entfärbt,

Gestockt in einer halb gesagten Phrase;

Die Angst erstickte die erlernte Rede,

Noch eh sie ihren Willkomm vorgebracht,

Und endlich brachen sie verstummend ab.

Sogar aus diesem Schweigen, liebes Kind,

Glaub mir, fand ich den Willkomm doch heraus;

Ja, in der Schüchternheit bescheidnen Eifers

Las ich soviel als von der Plapperzunge

Vorwitzig prahlender Beredsamkeit.

Wenn Lieb und Einfalt sich zu reden nicht erdreisten,

Dann, dünkt mich, sagen sie im Wenigsten am meisten. Philostrat kommt zurück.

Philostrat.

Beliebt es Eurer Hoheit? Der Prolog

Ist fertig.

Theseus.

Laßt ihn kommen. Trompeten. – Der Prolog tritt auf.

Prolog.

Wenn wir mißfallen tun, so ist’s mit gutem Willen;

Der Vorsatz bleibt doch gut, wenn wir ihn nicht erfüllen.

Zu zeigen unsre Pflicht durch dieses kurze Spiel,

Das ist der wahre Zweck von unserm End und Ziel.

Erwäget also denn: warum wir kommen sein:

Wir kommen nicht, als sollt ihr euch daran ergetzen;

Die wahre Absicht ist – zu eurer Lust allein

Sind wir nicht hier – daß wir in Reu und Leid euch setzen.

Die Spieler sind bereit; wenn ihr sie werdet sehen,

Versteht ihr alles schon, was ihr nur wollt verstehen.

Theseus.

Dieser Bursche nimmt’s nicht sehr genau.

Lysander.

Er hat seinen Prolog geritten wie ein wildes Füllen; er weiß noch nicht, wo er halt machen soll. Eine gute Lehre, gnädiger Herr: es ist nicht genug, daß man rede; man muß auch richtig reden.

Hippolyta.

In der Tat, er hat auf seinem Prolog gespielt wie ein Kind auf der Flöte. Er brachte wohl einen Ton heraus, aber keine Note.

Theseus.

Seine Rede war wie eine verwickelte Kette: nichts zerrissen, aber alles in Unordnung. Wer kommt zunächst? Pyramus, Thisbe, Wand, Mondschein und Löwe treten als stumme Personen auf.

Prolog.

Was dies bedeuten soll, das wird euch wundern müssen,

Bis Wahrheit alle Ding‘ stellt an das Licht herfür.

Der Mann ist Pyramus, wofern ihr es wollt wissen;

Und dieses Fräulein schön ist Thisbe, glaubt es mir.

Der Mann mit Mörtel hier und Leimen soll bedeuten

Die Wand, die garstge Wand, die ihre Lieb tät scheiden.

Doch freut es sie, drob auch sich niemand wundern soll,

Wenn durch die Spalte klein sie konnten flüstern wohl.

Der Mann da mit Latern und Hund und Busch von Dorn

Den Mondschein präsentiert, denn, wann ihr’s wollt erwägen:

Bei Mondschein hatten die Verliebten sich verschworn,

Zu gehen nach Nini Grab, um dort der Lieb zu pflegen.

Dies gräßlich wilde Tier, mit Namen Löwe groß,

Die treue Thisbe, die des Nachts zuerst gekommen,

Tät scheuchen, ja vielmehr erschrecken, daß sie bloß

Den Mantel fallen ließ und drauf die Flucht genommen.

Drauf dieser schnöde Löw in seinen Rachen nahm

Und ließ mit Blut befleckt den Mantel lobesam.

Sofort kommt Pyramus, ein Jüngling weiß und rot,

Und find’t den Mantel da von seiner Thisbe tot;

Worauf er mit dem Deg’n, mit blutig bösem Degen

Die blutge heiße Brust sich tapferlich durchstach;

Und Thisbe, die indes im Maulbeerschatten glegen,

Zog seinen Dolch heraus und sich das Herz zerbrach.

Was noch zu sagen ist, das wird – glaubt mir fürwahr! –

Euch Mondschein, Wand und Löw und das verliebte Paar

Der Läng und Breite nach, solang sie hier verweilen,

Erzählen, wenn ihr wollt, in wohlgereimten Zeilen. (Prolog, Thisbe, Löwe und Mondschein ab.)

Theseus.

Mich nimmt wunder, ob der Löwe sprechen wird.

Demetrius.

Kein Wunder, gnädiger Herr: ein Löwe kann’s wohl, da so viele Esel es tun.

Wand.

In dem besagten Stück es sich zutragen tut,

Daß ich, Thoms Schnauz genannt, die Wand vorstelle gut.

Und eine solche Wand, wovon ihr solltet halten,

Sie sei durch einen Schlitz recht durch und durch gespalten,

Wodurch der Pyramus und seine Thisbe fein

Oft flüsterten fürwahr ganz leis und insgeheim.

Der Mörtel und der Lehm und dieser Stein tut zeigen,

Daß ich bin diese Wand, ich wills euch nicht verschweigen;

Und dies die Spalte ist, zur Linken und zur Rechten,

Wodurch die Buhler zwei sich täten wohl besprechen.

Theseus.

Kann man verlangen, daß Lehm und Haar besser reden sollten?

Demetrius.

Es ist die witzigste Abteilung, die ich jemals vortragen hörte.

Theseus.

Pyramus geht auf die Wand los! Stille!

Pyramus.

O Nacht, so schwarz von Farb, o grimmerfüllte Nacht!

O Nacht, die immer ist, sobald der Tag vorbei.

O Nacht! O Nacht! O Nacht! ach! ach! ach! Himmel! ach!

Ich fürcht, daß Thisbes Wort vergessen worden sei. –

Und du, o Wand, o süß‘ und liebenswerte Wand,

Die zwischen unsrer beiden Eltern Haus tut stehen;

Du Wand, o Wand, o süß‘ und liebenswerte Wand!

Zeig deine Spalte mir, daß ich dadurch mag sehen.

(Wand hält die Finger in die Höhe.)

Hab Dank, du gute Wand! der Himmel lohn es dir!

Jedoch, was seh ich dort? Thisbe, die seh ich nicht.

O böse Wand, durch die ich nicht seh meine Zier,

Verflucht sei’n deine Stein‘, daß du so äffest mich.

Theseus.

Mich dünkt, die Wand müßte wieder fluchen, da sie Empfindung hat.

Pyramus.

Nein, fürwahr, Herr, das muß er nicht. «Äffest mich» ist Thisbes Stichwort; sie muß hereinkommen, und ich muß sie dann durch die Wand ausspionieren. Ihr sollt sehen, es wird just zutreffen, wie ich’s Euch sage. Da kommt sie schon. Thisbe kommt.

Thisbe.

O Wand, du hast schon oft gehört das Seufzen mein,

Mein’n schönsten Pyramus weil du so trennst von mir;

Mein roter Mund hat oft geküsset deine Stein‘,

Dein‘ Stein‘, mit Lehm und Haar geküttet auf in dir.

Pyramus.

Ein‘ Stimm ich sehen tu; ich will zur Spalt und schauen,

Ob ich nicht hören kann meiner Thisbe Antlitz klar.

Thisbe!

Thisbe.

Dies ist mein Schatz, mein Liebchen ist’s, fürwahr!

Pyramus.

Denk was du willst, ich bin’s; du kannst mir sicher trauen,

Und gleich Limander bin ich treu in meiner Pflicht.

Thisbe.

Und ich gleich Helena, bis mich der Tod ersticht.

Pyramus.

So treu war Schefelus einst seiner Procrus nicht.

Thisbe.

Wie Procrus Schef’lus liebt‘, lieb ich dein Angesicht.

Pyramus.

O küß mich durch das Loch von dieser garstgen Wand!

Thisbe.

Mein Kuß trifft nur das Loch, nicht deiner Lippen Rand.

Pyramus.

Willst du bei Nickels Grab heut nacht mich treffen an?

Thisbe.

Sei’s lebend oder tot, ich komme, wenn ich kann.

Wand.

So hab ich Wand nunmehr mein Part gemachet gut,

Und nun sich also Wand hinwegbegeben tut. (Wand, Pyramus und Thisbe ab.)

Theseus.

Nun ist also die Wand zwischen den beiden Nachbarn nieder.

Demetrius.

Das ist nicht mehr als billig, gnädiger Herr, wenn Wände Ohren haben.

Hippolyta.

Dies ist das einfältigste Zeug, das ich jemals hörte.

Theseus.

Das Beste in dieser Art ist nur Schattenspiel, und das Schlechteste ist nichts Schlechteres, wenn die Einbildungskraft nachhilft.

Hippolyta.

Das muß denn Eure Einbildungskraft tun und nicht die ihrige.

Theseus.

Wenn wir uns nichts Schlechteres von ihnen einbilden als sie selbst, so mögen sie für vortreffliche Leute gelten. Hier kommen zwei edle Tiere herein, ein Mond und ein Löwe. Löwe und Mondschein treten auf.

Löwe.

Ihr, Fräulein, deren Herz fürchtet die kleinste Maus,

Die in monströser Gestalt tut auf dem Boden schweben,

Mögt itzo zweifelsohn erzittern und erbeben,

Wenn Löwe, rauh von Wut, läßt sein Gebrüll heraus.

So wisset denn, daß ich Hans Schnock der Schreiner bin,

Kein böser Löw fürwahr, noch eines Löwen Weib;

Denn käm ich als ein Löw und hätte Harm im Sinn,

So daurte, meiner Treu, mich mein gesunder Leib.

Theseus.

Eine sehr höfliche Bestie und sehr gewissenhaft.

Demetrius.

Das Beste von Bestien, gnädiger Herr, was ich je gesehn habe.

Lysander.

Dieser Löwe ist ein rechter Fuchs an Herzhaftigkeit.

Theseus.

Wahrhaftig, und eine Gans an Klugheit.

Demetrius.

Nicht so, gnädiger Herr, denn seine Herzhaftigkeit kann sich seiner Klugheit nicht bemeistern wie der Fuchs einer Gans.

Theseus.

Ich bin gewiß, seine Klugheit kann sich seiner Herzhaftigkeit nicht bemeistern; denn eine Gans bemeistert sich keines Fuchses. Wohl! überlaßt es seiner Klugheit und laßt uns auf den Mond horchen.

Mond.

Den wohlgehörnten Mond d’Latern z’erkennen gibt.

Demetrius.

Er sollte die Hörner auf dem Kopfe tragen.

Theseus.

Er ist ein Vollmond, seine Hörner stecken unsichtbar in der Scheibe.

Mond.

Den wohlgehörnten Mond d’Latern z’erkennen gibt;

Ich selbst den Mann im Mond, wofern es euch beliebt.

Theseus.

Das ist noch der größte Verstoß unter allen: der Mann sollte in die Laterne gesteckt werden; wie ist er sonst der Mann im Monde?

Demetrius.

Er darf es nicht wegen des Lichtes. Er würde es in Feuer und Flammen setzen.

Hippolyta.

Ich bin diesen Mond satt; ich wollte, er wechselte.

Theseus.

Das kleine Licht seiner Vernunft zeigt, daß er im Abnehmen ist. Aber doch aus Höflichkeit und der Ordnung wegen müssen wir die Zeit ausdauern.

Lysander.

Sprich weiter, Mond!

Mond.

Alles, was ich zu sagen habe, ist, euch zu melden, daß diese Laterne der Mond ist; ich der Mann im Monde; dieser Dornbusch mein Dornbusch; und dieser Hund mein Hund.

Demetrius.

Alle diese Dinge sollten also in der Laterne sein, denn sie sind im Monde. Doch still! hier kommt Thisbe. Thisbe tritt auf.

Thisbe.

Dies ist ja Nickels Grab; wo ist mein Liebchen denn?

Löwe.

Oh! (Der Löwe brüllt, Thisbe läuft davon.)

Demetrius.

Gut gebrüllt, Löwe!

Theseus.

Gut gelaufen, Thisbe!

Hippolyta.

Gut geschienen, Mond! – In der Tat, der Mond scheint mit vielem Anstande. (Der Löwe zerreißt den Mantel der Thisbe.)

Theseus.

Gut gezaust, Löwe!

Demetrius.

Und da kam Pyramus. Pyramus kommt.

Lysander.

Und da verschwand der Löwe. (Löwe ab.)

Pyramus.

Ich dank dir, süßer Mond, für deine Sonnenstrahlen,

Die also hell und schön den Erdenball bemalen;

Dieweil bei deinem Gold und funkelnd süßem Licht

Zu kosten ich verhoff mein’r Thisben Angesicht.

Doch halt, o Pein!

Was soll dies sein?

Was für ein Graus ist dies?

Aug, siehst du noch?

O schweres Joch!

Mein Herz, mein Liebchen süß,

Dein Mantel gut

Befleckt mit Blut!

Ihr Furien, kommt im Trab

Herbei und rächt

Und löscht und brecht

Den Lebensfaden ab.

Theseus.

Dieser Jammer und der Tod eines werten Freundes sollten einen Menschen schon zum Trauern bringen.

Hippolyta.

Bei meiner Seele, ich bedaure den Mann.

Pyramus.

Warum denn, o Natur, tatst du den Löwen bauen?

Weil solch ein schnöder Löw mein Lieb hat defloriert;

Sie, welche ist – nein, war – die schönste alter Frauen,

Die je des Tages Glanz mit ihrem Schein geziert.

Komm, Tränenschar!

Aus, Schwert! durchfahr

Die Brust dem Pyramo!

Die Linke hier,

Wo ’s Herz hüpft mir;

So sterb ich denn, so, so!

Nun tot ich bin,

Der Leib ist hin,

Die Seel speist Himmelsbrot.

O Zung, Tisch aus!

Mond, lauf nach Haus!

Nun tot, tot, tot, tot, tot! (Er stirbt. Mondschein ab.)

Hippolyta.

Wie kommt’s, daß der Mondschein weggegangen ist, ehe Thisbe zurückkommt und ihren Liebhaber findet?

Theseus.

Sie wird ihn beim Sternenlicht finden. – Hier kommt sie;

Thisbe kommt.

und ihr Jammer endigt das Spiel.

Hippolyta.

Mir deucht, sie sollte keinen langen Jammer für solch einen Pyramus nötig haben; ich hoffe, sie wird sich kurz fassen.

Demetrius.

Eine Motte wird in der Waage den Ausschlag geben, ob Pyramus oder Thisbe mehr taugt.

Lysander.

Sie hat ihn schon mit ihren süßen Augen ausgespäht.

Demetrius.

Und so jammert sie folgendergestalt. Thisbe. Schläfst du, mein Kind?

Steh auf geschwind!

Wie, Täubchen, bist du tot?

O sprich! o sprich!

O rege dich!

Ach! tot ist er! o Not!

Dein Lilienmund,

Dein Auge rund,

Wie Schnittlauch frisch und grün;

Dein‘ Kirschennas,

Dein‘ Wangen blaß,

Die wie ein Goldlack blühn,

Soll nun ein Stein

Bedecken fein?

O klopf mein Herz und brich!

Ihr Schwestern drei!

Kommt, kommt herbei

Und leget Hand an mich!

Zung, nicht ein Wort!

Nun, Dolch, mach fort,

Zerreiß des Busens Schnee.

Lebt wohl, ihr Herrn!

Ich scheide gern.

Ade, ade, ade! (Sie stirbt.)

Theseus.

Mondschein und Löwe sind übriggeblieben, um die Toten zu begraben.

Demetrius.

Ja, und Wand auch.

Zettel.

Nein, wahrhaftig nicht; die Wand ist niedergerissen, die ihre Väter trennte. Beliebt es euch, den Epilog zu sehen oder einen Bergomasker Tanz zwischen zweien von unsrer Gesellschaft zu hören?

Theseus.

Keinen Epilog, ich bitte euch; euer Stück bedarf keiner Entschuldigung. Entschuldigt nur nicht: wenn alle Schauspieler tot sind, braucht man keinen zu tadeln. Meiner Treu, hätte der, der es geschrieben hat, den Pyramus gespielt und sich in Thisbes Strumpfband aufgehängt, so wär es eine schöne Tragödie gewesen; und das ist es auch, wahrhaftig, und recht wacker agiert. Aber kommt, euren Bergomasker Tanz! Den Epilog laßt laufen. (Ein Tanz von Rüpeln.)

Theseus.

Die Mitternacht rief zwölf mit ehrner Zunge.

Zu Bett, Verliebte! Bald ist’s Geisterzeit.

Wir werden, fürcht ich, in den Morgen schlafen,

Soweit wir in die Nacht hinein gewacht.

Dies greiflich dumme Spiel hat doch den trägen Gang

Der Nacht getäuscht. Zu Bett, geliebten Freunde!

Noch vierzehn Tage lang soll diese Festlichkeit

Sich jede Nacht erneun mit Spiel und Lustbarkeit. (Alle ab.)

Droll (tritt auf.)

Jetzt beheult der Wolf den Mond,

Durstig brüllt im Forst der Tiger;

Jetzt, mit schwerem Dienst verschont,

Schnarcht der arbeitsmüde Pflüger;

Jetzo schmaucht der Brand am Herd,

Und das Käuzlein kreischt und jammert,

Daß der Krank‘ es ahnend hört

Und sich fest ans Kissen klammert;

Jetzo gähnt Gewölb und Grab,

Und, entschlüpft den kalten Mauern,

Sieht man Geister auf und ab,

Sieht am Kirchhofszaun sie lauern.

Und wir Elfen, die mit Tanz

Hekates Gespann umhüpfen

Und, gescheucht vom Sonnenglanz,

Träumen gleich ins Dunkel schlüpfen,

Schwärmen jetzo; keine Maus

Störe dies geweihte Haus!

Voran komm ich mit Besenreis,

Den Flur zu fegen blank und weiß. Oberon und Titania mit ihrem Gefolge treten auf.

Oberon.

Bei des Feuers mattem Flimmern,

Geister, Elfen, stellt euch ein!

Tanzet in den bunten Zimmern

Manchen leichten Ringelreihn!

Singt nach meiner Lieder Weise!

Singet! hüpfet! leise! leise!

Titania.

Wirbelt mir mit zarter Kunst

Eine Not‘ auf jedes Wort;

Hand in Hand, mit Feengunst,

Singt und segnet diesen Ort. (Gesang und Tanz.)

Oberon.

Nun, bis Tages Wiederkehr,

Elfen, schwärmt im Haus umher!

Kommt zum besten Brautbett hin,

Daß es Heil durch uns gewinn!

Das Geschlecht, entsprossen dort,

Sei gesegnet immerfort;

Jedes dieser Paare sei

Ewiglich im Lieben treu;

Ihr Geschlecht soll nimmer schänden

Die Natur mit Feindeshänden;

Und mit Zeichen schlimmer Art,

Muttermal und Hasenschart,

Werde durch des Himmels Zorn

Ihnen nie ein Kind geborn. –

Elfen, sprengt durchs ganze Haus

Tropfen heilgen Wiesentaus!

Jedes Zimmer, jeden Saal

Weiht und segnet allzumal!

Friede sei in diesem Schloß

Und sein Herr ein Glücksgenoß!

Nun genung!

Fort im Sprung!

Trefft mich in der Dämmerung! (Oberon, Titania und Gefolge ab.)

Droll.

Wenn wir Schatten euch beleidigt,

O so glaubt – und wohl verteidigt

Sind wir dann -: ihr alle schier

Habet nur geschlummert hier

Und geschaut in Nachtgesichten

Eures eignen Hirnes Dichten.

Wollt ihr diesen Kindertand,

Der wie leere Träume schwand,

Liebe Herrn, nicht gar verschmähn,

Sollt ihr bald was Beßres sehn.

Wenn wir bösem Schlangenzischen

Unverdienterweis entwischen,

So verheißt auf Ehre Droll

Bald euch unsres Dankes Zoll;

Ist ein Schelm zu heißen willig,

Wenn dies nicht geschieht, wie billig.

Nun gute Nacht! Das Spiel zu enden,

Begrüßt uns mit gewognen Händen! (Ab.)

Shakespeare – Der Kaufmann von Venedig

Shakespeare: Der Kaufmann von Venedig

Erster Aufzug

Erste Szene

Venedig. Eine Straße

Antonio, Salarino und Solanio treten auf

Antonio.

Fürwahr, ich weiß nicht, was mich traurig macht;

Ich bin es satt; ihr sagt, das seid ihr auch.

Doch wie ich dran kam, wie mir’s angeweht,

Von was für Stoff es ist, woraus erzeugt,

Das soll ich erst erfahren.

Und solchen Dummkopf macht aus mir die Schwermut,

Ich kenne mit genauer Not mich selbst.

Salarino.

Eur Sinn treibt auf dem Ozean umher,

Wo Eure Galeonen, stolz besegelt,

Wie Herrn und reiche Bürger auf der Flut,

Als wären sie das Schaugepräng der See,

Hinwegsehn über kleines Handelsvolk,

Das sie begrüßet, sich vor ihnen neigt,

Wie sie vorbeiziehn mit gewebten Schwingen.

Solanio.

Herr, glaubt mir, hätt ich soviel auf dem Spiel,

Das beste Teil von meinem Herzen wäre

Bei meiner Hoffnung auswärts. Immer würd ich

Gras pflücken, um den Zug des Winds zu sehn;

Nach Häfen, Reed‘ und Damm in Karten gucken,

Und alles, was mich Unglück fürchten ließ

Für meine Ladungen, würd ohne Zweifel

Mich traurig machen.

Salarino.

Mein Hauch, der meine Suppe kühlte, würde

Mir Fieberschauer anwehn, dächt ich dran,

Wieviel zur See ein starker Wind kann schaden.

Ich könnte nicht die Sanduhr rinnen sehn,

So dächt ich gleich an Seichten und an Bänke,

Säh meinen «reichen Hans» im Sande fest,

Das Haupt bis unter seine Rippen neigend,

Sein Grab zu küssen. Ging ich in die Kirche

Und säh das heilige Gebäu‘ von Stein,

Sollt ich nicht gleich an schlimme Felsen denken,

Die an das zarte Schiff nur rühren dürfen,

So streut es auf den Strom all sein Gewürz

Und hüllt die wilde Flut in meine Seiden.

Und kurz, jetzt eben dies Vermögen noch,

Nun gar keins mehr? Soll ich, daran zu denken,

Gedanken haben und mir doch nicht denken,

Daß solch ein Fall mich traurig machen würde?

Doch sagt mir nichts; ich weiß, Antonio

Ist traurig, weil er seines Handels denkt.

Antonio.

Glaubt mir, das nicht; ich dank es meinem Glück:

Mein Vorschuß ist nicht einem Schiff vertraut,

Noch einem Ort; noch hängt mein ganz Vermögen

Am Glücke dieses gegenwärtgen Jahrs;

Deswegen macht mein Handel mich nicht traurig.

Solanio.

So seid Ihr denn verliebt?

Antonio.

Pfui, pfui!

Solanio.

Auch nicht verliebt? Gut denn, so seid Ihr traurig,

Weil Ihr nicht lustig seid; Ihr könntet eben

Auch lachen, springen, sagen: Ihr seid lustig,

Weil Ihr nicht traurig seid. Nun, beim zweiköpfgen Janus!

Natur bringt wunderliche Käuz ans Licht:

Der drückt die Augen immer ein und lacht

Wie ’n Starmatz über einen Dudelsack;

Ein andrer von so saurem Angesicht,

Daß er die Zähne nicht zum Lachen wiese,

Schwür Nestor auch, der Spaß sei lachenswert.

Bassanio, Lorenzo und Graziano kommen.

Hier kommt Bassanio, Euer edler Vetter,

Graziano und Lorenzo; lebt nun wohl,

Wir lassen Euch in besserer Gesellschaft.

Salarino.

Ich wär geblieben, bis ich Euch erheitert;

Nun kommen wertre Freunde mir zuvor.

Antonio.

Sehr hoch steht Euer Wert in meiner Achtung;

Ich nehm es so, daß Euch Geschäfte rufen

Und Ihr den Anlaß wahrnehmt, wegzugehn.

Salarino.

Guten Morgen, liebe Herren!

Bassanio.

Ihr lieben Herrn, wann lachen wir einmal?

Ihr macht euch gar zu selten: muß das sein?

Salarino.

Wir stehen Euch zu Diensten, wann’s beliebt. (Salarino und Solanio ab.)

Lorenzo.

Da Ihr Antonio gefunden habt,

Bassanio, wollen wir Euch nun verlassen.

Doch bitt ich, denkt zur Mittagszeit daran,

Wo wir uns treffen sollen.

Bassanio.

Rechnet drauf.

Graziano.

Ihr seht nicht wohl, Signor Antonio;

Ihr macht Euch mit der Welt zuviel zu schaffen:

Der kommt darum, der mühsam sie erkauft.

Glaubt mir, Ihr habt Euch wunderbar verändert.

Antonio.

Mir gilt die Welt nur wie die Welt, Graziano;

Ein Schauplatz, wo man eine Rolle spielt,

Und mein‘ ist traurig.

Graziano.

Laßt den Narrn mich spielen,

Mit Lust und Lachen laßt die Runzeln kommen

Und laßt die Brust von Wein mir lieber glühn,

Als härmendes Gestöhn das Herz mir kühlen.

Weswegen sollt ein Mann mit warmem Blut

Dasitzen wie sein Großpapa, gehaun

In Alabaster? Schlafen, wenn er wacht?

Und eine Gelbsucht an den Leib sich ärgern?

Antonio, ich will dir etwas sagen;

Ich liebe dich, und Liebe spricht aus mir:

Es gibt so Leute, deren Angesicht

Sich überzieht gleich einem stehnden Sumpf,

Und die ein eigensinnig Schweigen halten,

Aus Absicht, sich in einen Schein zu kleiden

Von Weisheit, Würdigkeit und tiefem Sinn;

Als wenn man spräche: Ich bin Herr Orakel;

Tu ich den Mund auf, rühr sich keine Maus.

O mein Antonio, ich kenne deren,

Die man deswegen bloß für Weise hält,

Weil sie nichts sagen; sprächen sie, sie brächten

Die Ohren, die sie hörten, in Verdammnis,

Weil sie die Brüder Narren schelten würden.

Ein andermal sag ich dir mehr hievon;

Doch fische nicht mit so trübselgem Köder

Nach diesem Narren-Gründling, diesem Schein.

Komm, Freund Lorenzo! – Lebt so lange wohl,

Ich schließe meine Predigt nach der Mahlzeit.

Lorenzo.

Gut, wir verlassen Euch bis Mittagszeit.

Ich muß von diesen stummen Weisen sein,

Denn Graziano läßt mich nie zum Wort.

Graziano.

Gut, leiste mir zwei Jahre noch Gesellschaft,

So kennst du deiner Zunge Laut nicht mehr.

Antonio.

Lebt wohl! Ich werd ein Schwätzer Euch zulieb.

Graziano.

Dank, fürwahr! denn Schweigen ist bloß zu empfehlen

An geräucherten Zungen und jungfräulichen Seelen. (Graziano und Lorenzo ab.)

Antonio.

Ist das nun irgend was?

Bassanio.

Graziano spricht unendlich viel nichts, mehr als irgendein Mensch in ganz Venedig. Seine vernünftigen Gedanken sind wie zwei Weizenkörner in zwei Scheffel Spreu versteckt; Ihr sucht den ganzen Tag, bis Ihr sie findet, und wenn Ihr sie habt, so verlohnen sie das Suchen nicht.

Antonio.

Gut, sagt mir jetzt, was für ein Fräulein ist’s,

Zu der geheime Wallfahrt Ihr gelobt,

Wovon Ihr heut zu sagen mir verspracht?

Bassanio.

Euch ist nicht unbekannt, Antonio,

Wie sehr ich meinen Glücksstand hab erschöpft,

Indem ich glänzender mich eingerichtet,

Als meine schwachen Mittel tragen konnten.

Auch jammr‘ ich jetzt nicht, daß die große Art

Mir untersagt ist; meine Sorg ist bloß,

Mit Ehren von den Schulden loszukommen,

Worin mein Leben, etwas zu verschwendrisch,

Mich hat verstrickt. Bei Euch, Antonio,

Steht meine größte Schuld, an Geld und Liebe,

Und Eure Liebe leistet mir Gewähr,

Daß ich Euch meine Plän eröffnen darf,

Wie ich mich löse von der ganzen Schuld.

Antonio.

Ich bitt Euch, mein Bassanio, laßt mich’s wissen;

Und steht es, wie Ihr selber immer tut,

Im Angesicht der Ehre, seid gewiß:

Ich selbst, mein Beutel, was ich nur vermag,

Liegt alles offen da zu Euerm Dienst.

Bassanio.

In meiner Schulzeit, wenn ich einen Bolzen

Verloren hatte, schoß ich seinen Bruder

Von gleichem Schlag den gleichen Weg; ich gab

Nur besser acht, um jenen auszufinden,

Und, beide wagend, fand ich beide oft.

Ich führ Euch dieses Kinderbeispiel an,

Weil das, was folgt, die lautre Unschuld ist.

Ihr lieht mir viel, und wie ein wilder Junge

Verlor ich, was Ihr lieht; allein, beliebt’s Euch,

Noch einen Pfeil desselben Wegs zu schießen,

Wohin der erste flog, so zweifl ich nicht,

Ich will so lauschen, daß ich beide finde.

Wo nicht, bring ich den letzten Satz zurück

Und bleib Eur Schuldner, dankbar für den ersten.

Antonio.

Ihr kennt mich und verschwendet nur die Zeit,

Da Ihr Umschweife macht mit meiner Liebe.

Unstreitig tut Ihr jetzt mir mehr zu nah,

Da Ihr mein Äußerstes in Zweifel zieht,

Als hättet Ihr mir alles durchgebracht.

So sagt mir also nur, was ich soll tun,

Wovon Ihr wißt, es kann durch mich geschehn,

Und ich bin gleich bereit: deswegen sprecht!

Bassanio.

In Belmont ist ein Fräulein, reich an Erbe,

Und sie ist schön und, schöner als dies Wort,

Von hohen Tugenden; von ihren Augen

Empfing ich holde, stumme Botschaft einst.

Ihr Nam‘ ist Porzia; minder nicht an Wert

Als Catos Tochter, Brutus‘ Porzia.

Auch ist die weite Welt des nicht unkundig,

Denn die vier Winde wehn von allen Küsten

Berühmte Freier her; ihr sonnig Haar

Wallt um die Schläf ihr wie ein goldnes Vlies;

Zu Kolchos‘ Strande macht es Belmonts Sitz,

Und mancher Iason kommt, bemüht um sie.

O mein Antonio! hätt ich nur die Mittel,

Den Rang mit ihrer einem zu behaupten,

So weissagt mein Gemüt so günstig mir,

Ich werde sonder Zweifel glücklich sein.

Antonio.

Du weißt, mein sämtlich Gut ist auf der See;

Mir fehlt’s an Geld und Anstalt, eine Summe

Gleich bar zu heben; also geh, sieh zu,

Was in Venedig mein Kredit vermag:

Den spann ich an bis auf das äußerste,

Nach Belmont dich für Porzia auszustatten.

Geh, frage gleich herum, ich will es auch,

Wo Geld zu haben; ich bin nicht besorgt,

Daß man uns nicht auf meine Bürgschaft borgt. (Beide ab.)

Zweite Szene

Belmont. Ein Zimmer in Porzias Hause

Porzia und Nerissa kommen

Porzia.

Auf mein Wort, Nerissa, meine kleine Person ist dieser großen Welt überdrüssig.

Nerissa.

Ihr würdet es sein, bestes Fräulein, wenn Euer Ungemach in ebenso reichem Maße wäre, als Euer gutes Glück ist. Und doch, nach allem, was ich sehe, sind die ebenso krank, die sich mit allzuviel überladen, als die bei nichts darben. Es ist also kein mittelmäßiges Los, im Mittelstande zu sein. Überfluß kommt eher zu grauen Haaren, aber Auskommen lebt länger.

Porzia.

Gute Sprüche, und gut vorgetragen.

Nerissa.

Gut befolgt wären sie besser.

Porzia.

Wäre tun so leicht als wissen, was gut zu tun ist, so wären Kapellen Kirchen geworden und armer Leute Hütten Fürstenpaläste. Der ist ein guter Prediger, der seine eignen Ermahnungen befolgt; – ich kann leichter zwanzig lehren, was gut zu tun ist, als einer von den zwanzigen sein und meine eignen Lehren befolgen. Das Gehirn kann Gesetze für das Blut aussinnen; aber eine hitzige Natur springt über eine kalte Vorschrift hinaus. Solch ein Hase ist Tollheit, der junge Mensch, daß er weghüpft über das Netz des Krüppels guter Rat. Aber dies Vernünfteln hilft mir nicht dazu, einen Gemahl zu wählen. – O über das Wort wählen! Ich kann weder wählen, wen ich will, noch ausschlagen, wen ich nicht mag: so wird der Wille einer lebenden Tochter durch den letzten Willen eines toten Vaters gefesselt. Ist es nicht hart, Nerissa, daß ich nicht einen wählen und auch keinen ausschlagen darf?

Nerissa.

Euer Vater war allzeit tugendhaft, und fromme Männer haben im Tode gute Eingebungen: also wird die Lotterie, die er mit diesen drei Kästchen von Gold, Silber und Blei ausgesonnen hat, daß der, welcher seine Mitgift trifft, Euch erhält, ohne Zweifel von niemand recht getroffen werden als von einem, der Euch recht liebt. Aber welchen Grad von Zuneigung fühlt Ihr gegen irgendeinen der fürstlichen Freier, die schon gekommen sind?

Porzia.

Ich bitte dich, nenne sie her; wie du sie nennst, will ich sie beschreiben, und von meiner Beschreibung schließe auf meine Zuneigung.

Nerissa.

Zuerst ist da der neapolitanische Prinz.

Porzia.

Das ist ein wildes Füllen, in der Tat. Er spricht von nichts als seinem Pferde und bildet sich nicht wenig auf seine Talente ein, daß er es selbst beschlagen kann. Ich fürchte sehr, seine gnädige Frau Mutter hat es mit einem Schmied gehalten.

Nerissa.

Ferner ist da der Pfalzgraf.

Porzia.

Er tut nichts wie stirnrunzeln, als wollt er sagen: «Wenn Ihr mich nicht haben wollt, so laßts!» Er hört lustige Geschichten an und lächelt nicht. Ich fürchte, es wird der weinende Philosoph aus ihm, wenn er alt wird, da er in seiner Jugend so unhöflich finster sieht. Ich möchte lieber an einen Totenkopf mit dem Knochen im Munde verheiratet sein als an einen von diesen. Gott beschütze mich vor beiden!

Nerissa.

Was sagt Ihr denn zu dem französischen Herrn, Monsieur le Bon?

Porzia.

Gott schuf ihn, also laßt ihn für einen Menschen gelten. Im Ernst, ich weiß, daß es sündlich ist, ein Spötter zu sein; aber er! Ja doch, er hat ein besseres Pferd als der Neapolitaner; eine bessere schlechte Gewohnheit, die Stirn zu runzeln, als der Pfalzgraf; er ist jedermann und niemand. Wenn eine Drossel singt, so macht er gleich Luftsprünge; er ficht mit seinem eigenen Schatten. Wenn ich ihn nähme, so nähme ich zwanzig Männer; wenn er mich verachtete, so vergäbe ich es ihm: denn er möchte mich bis zur Tollheit lieben, ich werde es niemals erwidern.

Nerissa.

Was sagt Ihr denn zu Faulconbridge, dem jungen Baron aus England?

Porzia.

Ihr wißt, ich sage nichts zu ihm, denn er versteht mich nicht, noch ich ihn. Er kann weder Lateinisch, Französisch, noch Italienisch; und Ihr dürft wohl einen körperlichen Eid ablegen, daß ich nicht für einen Heller Englisch verstehe. Er ist eines feinen Mannes Bild – aber ach! wer kann sich mit einer stummen Figur unterhalten? Wie seltsam er gekleidet ist! Ich glaube, er kaufte sein Wams in Italien, seine weiten Beinkleider in Frankreich, seine Mütze in Deutschland und sein Betragen allenthalben.

Nerissa.

Was haltet Ihr von dem schottischen Herrn, seinem Nachbar?

Porzia.

Daß er eine christliche Nachbarnliebe an sich hat, denn er borgte eine Ohrfeige von dem Engländer und schwor, sie wiederzubezahlen, wenn er imstande wäre; ich glaube, der Franzose ward sein Bürge und unterzeichnete für den andern.

Nerissa.

Wie gefällt Euch der junge Deutsche, des Herzogs von Sachsen Neffe?

Porzia.

Sehr abscheulich des Morgens, wenn er nüchtern ist, und höchst abscheulich des Nachmittags, wenn er betrunken ist. Wenn er am besten ist, so ist er wenig schlechter als ein Mensch, und wenn er am schlechtesten ist, wenig besser als ein Vieh. Komme das Schlimmste, was da will, ich hoffe, es soll mir doch glücken, ihn loszuwerden.

Nerissa.

Wenn er sich erböte zu wählen und wählte das rechte Kästchen, so schlügt Ihr ab, Eures Vaters Willen zu tun, wenn Ihr abschlügt, ihn zu nehmen.

Porzia.

Aus Furcht vor dem Schlimmsten bitte ich dich also, setze einen Römer voll Rheinwein auf das falsche Kästchen; denn wenn der Teufel darin steckt, und diese Versuchung ist von außen daran, so weiß ich, er wird es wählen. Alles lieber, Nerissa, als einen Schwamm heiraten.

Nerissa.

Ihr braucht nicht zu fürchten, Fräulein, daß Ihr einen von diesen Herren bekommt; sie haben mir ihren Entschluß eröffnet, welcher in nichts anderm besteht, als sich nach Hause zu begeben und Euch nicht mehr mit Bewerbungen lästig zu fallen, Ihr müßtet denn auf eine andre Weise zu gewinnen sein als nach Eures Vaters Vorschrift in Ansehung der Kästchen.

Porzia.

Sollte ich so alt werden wie Sibylla, will ich doch so keusch sterben wie Diana, wenn ich nicht dem letzten Willen meines Vaters gemäß erworben werde. Ich bin froh, daß diese Partei Freier so vernünftig ist; denn es ist nicht einer darunter, nach dessen Abwesenheit mich nicht sehnlichst verlangt, und ich bitte Gott, ihnen eine glückliche Reise zu verleihn.

Nerissa.

Erinnert Ihr Euch nicht, Fräulein, von Eures Vaters Lebzeiten eines Venezianers, eines Studierten und Kavaliers, der in Gesellschaft des Marquis von Montferrat hierher kam?

Porzia.

Ja ja, es war Bassanio: so, denke ich, nannte er sich.

Nerissa.

Ganz recht, Fräulein. Von allen Männern, die meine törichten Augen jemals erblickt haben, war er einer schönen Frau am meisten wert.

Porzia.

Ich erinnre mich seiner wohl und erinnre mich, daß er dein Lob verdient. (Ein Diener kommt.) Nun, was gibt es Neues?

Bedienter.

Die vier Fremden suchen Euch, Fräulein, um Abschied zu nehmen; und es ist ein Vorläufer von einem fünften da, vom Prinzen von Marokko, der Nachricht bringt, daß sein Herr, der Prinz, zu Nacht hier sein wird.

Porzia.

Könnte ich den fünften mit so gutem Herzen willkommen heißen, als ich den vier andern Lebewohl sage, so wollte ich mich seiner Ankunft freuen. Hat er das Gemüt eines Heiligen und das Geblüt eines Teufels, so wollte ich lieber, er weihte mich, als er freite mich. Komm, Nerissa. – Geht voran, Bursch. – Derweil wir die Pforte hinter einem Freier verschließen, klopft ein andrer an die Tür. (Alle ab.)

Dritte Szene

Venedig. Ein öffentlicher Platz

Bassanio und Shylock treten auf

Shylock.

Dreitausend Dukaten – gut.

Bassanio.

Ja, Herr, auf drei Monate.

Shylock.

Auf drei Monate – gut.

Bassanio.

Wofür, wie ich Euch sagte, Antonio Bürge sein soll.

Shylock.

Antonio Bürge sein soll – gut.

Bassanio.

Könnt Ihr mir helfen? Wollt Ihr mir gefällig sein? Soll ich Eure Antwort wissen?

Shylock.

Dreitausend Dukaten, auf drei Monate, und Antonio Bürge.

Bassanio.

Eure Antwort darauf?

Shylock.

Antonio ist ein guter Mann.

Bassanio.

Habt Ihr irgendeine Beschuldigung des Gegenteils wider ihn gehört?

Shylock.

Ei nein, nein, nein! – Wenn ich sage, er ist ein guter Mann, so meine ich damit, versteht mich, daß er vermögend ist. Aber seine Mittel stehen auf Hoffnung; er hat eine Galeone, die auf Tripolis geht, eine andre nach Indien. Ich höre ferner auf dem Rialto, daß er eine dritte zu Mexiko hat, eine vierte nach England – und so hat er noch andre Auslagen in der Fremde verstreut. Aber Schiffe sind nur Bretter, Matrosen sind nur Menschen; es gibt Landratten und Wasserratten, Wasserdiebe und Landdiebe – ich will sagen, Korsaren, und dann haben wir die Gefahr von Wind, Wellen und Klippen. – Der Mann ist bei alledem vermögend – dreitausend Dukaten – ich denke, ich kann seine Bürgschaft annehmen.

Bassanio.

Seid versichert, Ihr könnt es.

Shylock.

Ich will versichert sein, daß ich es kann; und damit ich versichert sein kann, will ich mich bedenken. Kann ich Antonio sprechen?

Bassanio.

Wenn es Euch beliebt, mit uns zu speisen.

Shylock.

Ja, um Schinken zu riechen, von der Behausung zu essen, wo euer Prophet, der Nazarener, den Teufel hineinbeschwor. Ich will mit euch handeln und wandeln, mit euch stehen und gehen, und was dergleichen mehr ist; aber ich will nicht mit euch essen, mit euch trinken, noch mit euch beten. Was gibt es Neues auf dem Rialto? – Wer kommt da? Antonio kommt.

Bassanio.

Das ist Signor Antonio.

Shylock (für sich).

Wie sieht er einem falschen Zöllner gleich!

Ich hass‘ ihn, weil er von den Christen ist,

Doch mehr noch, weil er aus gemeiner Einfalt

Umsonst Geld ausleiht und hier in Venedig

Den Preis der Zinsen uns herunterbringt.

Wenn ich ihm mal die Hüfte rühren kann,

So tu ich meinem alten Grolle gütlich.

Er haßt mein heilig Volk und schilt selbst da,

Wo alle Kaufmannschaft zusammenkommt

Mich, mein Geschäft und rechtlichen Gewinn,

Den er nur Wucher nennt. Verflucht mein Stamm,

Wenn ich ihm je vergebe!

Bassanio.

Shylock, hört Ihr?

Shylock.

Ich überlege meinen baren Vorrat;

Doch, wie ich’s ungefähr im Kopfe habe,

Kann ich die volle Summe von dreitausend

Dukaten nicht gleich schaffen. – Nun, was tut’s?

Tubal, ein wohlbegüterter Hebräer,

Hilft mir schon aus. – Doch still! auf wieviel Monat

Begehrt Ihr? – (Zu Antonio.) Geh’s Euch wohl, mein werter Herr!

Von Euer Edlen war die Rede eben.

Antonio.

Shylock, wiewohl ich weder leih noch borge,

Um Überschuß zu geben oder nehmen,

Doch will ich, weil mein Freund es dringend braucht,

Die Sitte brechen. – Ist er unterrichtet,

Wieviel Ihr wünscht?

Shylock.

Ja, ja, dreitausend Dukaten.

Antonio.

Und auf drei Monat.

Shylock.

Ja, das vergaß ich – auf drei Monat also.

Nun gut denn, Eure Bürgschaft! laßt mich sehn –

Doch hört mich an; Ihr sagtet, wie mich dünkt,

Daß Ihr auf Vorteil weder leiht noch borgt.

Antonio.

Ich pfleg es nie.

Shylock.

Als Jakob Labans Schafe hütete –

Er war nach unserm heilgen Abraham,

Weil seine Mutter weislich für ihn schaffte,

Der dritte Erbe – ja, ganz recht, der dritte –

Antonio.

Was tut das hier zur Sache? Nahm er Zinsen?

Shylock.

Nein, keine Zinsen; was man Zinsen nennt,

Das grade nicht; gebt acht, was Jakob tat:

Als er mit Laban sich verglichen hatte,

Was von den Lämmern bunt und sprenklicht fiele,

Das sollte Jakobs Lohn sein, kehrten sich

Im Herbst die brünstgen Mütter zu den Widdern;

Und wenn nun zwischen dieser wollgen Zucht

Das Werk der Zeugung vor sich ging, so schälte

Der kluge Schäfer Euch gewisse Stäbe,

Und weil sie das Geschäft der Paarung trieben,

Steckt‘ er sie vor den geilen Müttern auf,

Die so empfingen; und zur Lämmerzeit

Fiel alles buntgesprengt und wurde Jakobs.

So kam er zum Gewinn und ward gesegnet:

Gewinn ist Segen, wenn man ihn nicht stiehlt.

Antonio.

Dies war ein Glücksfall, worauf Jakob diente;

In seiner Macht stand’s nicht, es zu bewirken;

Des Himmels Hand regiert‘ und lenkt‘ es so.

Steht dies, um Zinsen gutzuheißen, da?

Und ist Eur Gold und Silber Schaf und Widder?

Shylock.

Weiß nicht; ich laß es eben schnell sich mehren.

Doch hört mich an, Signor.

Antonio.

Siehst du, Bassanio,

Der Teufel kann sich auf die Schrift berufen.

Ein arg Gemüt, das heilges Zeugnis vorbringt,

Ist wie ein Schalk mit Lächeln auf der Wange,

Ein schöner Apfel, in dem Herzen faul.

O wie der Falschheit Außenseite glänzt!

Shylock.

Dreitausend Dukaten – ’s ist ’ne runde Summe.

Drei Mond auf zwölf – laßt sehen, was das bringt. –

Antonio.

Nun, Shylock, soll man Euch verpflichtet sein?

Shylock.

Signor Antonio, viel und oftermals

Habt Ihr auf dem Rialto mich geschmäht

Um meine Gelder und um meine Zinsen;

Stets trug ich’s mit geduldgem Achselzucken,

Denn Dulden ist das Erbteil unsers Stamms.

Ihr scheltet mich abtrünnig, einen Bluthund,

Und speit auf meinen jüdischen Rockelor,

Bloß weil ich nutze, was mein eigen ist.

Gut denn, nun zeigt es sich, daß Ihr mich braucht.

Da habt Ihr’s; Ihr kommt zu mir, und Ihr sprecht:

«Shylock, wir wünschten Gelder.» So sprecht Ihr,

Der mir den Auswurf auf den Bart geleert

Und mich getreten, wie Ihr von der Schwelle

Den fremden Hund stoßt; Geld ist Eur Begehren,

Wie sollt ich sprechen nun? Sollt ich nicht sprechen:

«Hat ein Hund Geld? Ist’s möglich, daß ein Spitz

Dreitausend Dukaten leihn kann?» oder soll ich

Mich bücken und in eines Schuldners Ton,

Demütig wispernd, mit verhaltnem Odem,

So sprechen: «Schöner Herr, am letzten Mittwoch

Spiet Ihr mich an; Ihr tratet mich den Tag;

Ein andermal hießt Ihr mich einen Hund;

Für diese Höflichkeiten will ich Euch

Die und die Gelder leihn.»

Antonio.

Ich könnte leichtlich wieder so dich nennen,

Dich wieder anspein, ja mit Füßen treten.

Willst du dies Geld uns leihen, leih es nicht

Als deinen Freunden (denn wann nahm die Freundschaft

Vom Freund Ertrag für unfruchtbar Metall?);

Nein, leih es lieber deinem Feind; du kannst,

Wenn er versäumt, mit beßrer Stirn eintreiben,

Was dir verfallen ist.

Shylock.

Nun seht mir, wie Ihr stürmt!

Ich wollt Euch Liebes tun, Freund mit Euch sein,

Die Schmach vergessen, die Ihr mir getan,

Das Nötge schaffen und keinen Heller Zins

Für meine Gelder nehmen; und Ihr hört nicht:

Mein Antrag ist doch liebreich.

Antonio.

Ja, das wär er.

Shylock.

Und diese Liebe will ich Euch erweisen.

Geht mit mir zum Notarius, da zeichnet

Mir Eure Schuldverschreibung; und zum Spaß,

Wenn Ihr mir nicht auf den bestimmten Tag

An dem bestimmten Ort die und die Summe,

Wie der Vertrag nun lautet, wiederzahlt:

Laßt uns ein volles Pfund von Eurem Fleisch

Zur Buße setzen, das ich schneiden dürfe

Aus welchem Teil von Eurem Leib ich will.

Antonio.

Es sei, aufs Wort! Ich will den Schein so zeichnen

Und sagen, daß ein Jude liebreich ist.

Bassanio.

Ihr sollt für mich dergleichen Schein nicht zeichnen:

Ich bleibe dafür lieber in der Not.

Antonio.

Ei, fürchte nichts! Ich werde nicht verfallen;

Schon in zwei Monden, einen Monat früher

Als die Verschreibung fällig, kommt gewiß

Zehnfältig der Betrag davon mir ein.

Shylock.

O Vater Abraham! über diese Christen,

Die eigne Härte anderer Gedanken

Argwöhnen lehrt! Ich bitt Euch, sagt mir doch

Versäumt er seinen Tag, was hätt ich dran,

Die mir verfallne Buße einzutreiben?

Ein Pfund von Menschenfleisch, von einem Menschen

Genommen, ist so schätzbar, auch so nutzbar nicht

Als Fleisch von Schöpsen, Ochsen, Ziegen. Seht,

Ihm zu Gefallen biet ich diesen Dienst:

Wenn er ihn annimmt, gut; wo nicht, lebt wohl!

Und, bitt Euch, kränkt mich nicht für meine Liebe.

Antonio.

Ja, Shylock, ich will diesen Schein dir zeichnen.

Shylock.

So trefft mich gleich im Hause des Notars,

Gebt zu dem lustgen Schein ihm Anweisung;

Ich gehe, die Dukaten einzusacken,

Nach meinem Haus zu sehn, das in der Hut

Von einem lockern Buben hinterblieb,

Und will im Augenblicke bei Euch sein.

Antonio.

So eil dich, wackrer Jude. – (Shylock ab.) Der Hebräer

Wird noch ein Christ; er wendet sich zur Güte.

Bassanio.

Ich mag nicht Freundlichkeit bei tückischem Gemüte.

Antonio.

Kommt nur! Hiebei kann kein Bedenken sein,

Längst vor der Zeit sind meine Schiff herein. (Ab.)

Zweiter Aufzug

Erste Szene

Belmont. Ein Zimmer in Porzias Hause Trompetenstoß. Der Prinz von Marokko und sein Zug; Porzia, Nerissa und andre von ihrem Gefolge treten auf

Marokko.

Verschmähet mich ob meiner Farbe nicht,

Die schattige Livrei der lichten Sonne,

Die mich als nahen Nachbar hat gepflegt.

Bringt mir den schönsten Mann, erzeugt im Norden,

Wo Phöbus‘ Glut kaum schmelzt des Eises Zacken,

Und ritzen wir uns Euch zulieb die Haut,

Wes Blut am rötsten ist, meins oder seins.

Ich sag Euch, Fräulein, dieses mein Gesicht

Hat Tapfre schon geschreckt; bei meiner Liebe schwör ich,

Die edlen Jungfraun meines Landes haben

Es auch geliebt; ich wollte diese Farbe

Nicht anders tauschen, als um Euren Sinn

Zu stehlen, meine holde Königin.

Porzia.

Bei meiner Wahl lenkt mich ja nicht allein

Die zarte Fordrung eines Mädchenauges;

Auch schließt das Los, woran mein Schicksal hängt,

Mich von dem Recht des freien Wählens aus.

Doch, hätte mich mein Vater nicht beengt,

Mir auferlegt durch seinen Willen, dem

Zur Gattin mich zu geben, welcher mich

Auf solche Art gewinnt, wie ich Euch sagte:

Ihr hättet gleichen Anspruch, großer Prinz,

Mit jedem Freier, den ich sah bis jetzt,

Auf meine Neigung.

Marokko.

Habt auch dafür Dank.

Drum führt mich zu den Kästchen, daß ich gleich

Mein Glück versuche. Bei diesem Säbel, der

Den Sophi schlug und einen Perserprinz,

Der dreimal Sultan Soliman besiegt:

Die wildsten Augen wollt ich überblitzen,

Das kühnste Herz auf Erden übertrotzen,

Die Jungen reißen von der Bärin weg,

Ja, wenn er brüllt nach Raub, den Löwen höhnen,

Dich zu gewinnen, Fräulein! Aber ach!

Wenn Herkules und Lichas Würfel spielen,

Wer tapfrer ist, so kann der beßre Wurf

Durch Zufall kommen aus der schwächern Hand;

So unterliegt Alcides seinem Knaben,

Und so kann ich, wenn blindes Glück mich führt,

Verfehlen, was dem minder Würdgen wird,

Und Grames sterben.

Porzia.

Ihr müßt Eur Schicksal nehmen,

Es überhaupt nicht wagen, oder schwören,

Bevor Ihr wählet, wenn Ihr irrig wählt,

In Zukunft nie mit irgendeiner Frau

Von Eh zu sprechen: also seht Euch vor!

Marokko.

Ich will’s auch nicht, kommt, bringt mich zur Entscheidung.

Porzia.

Vorher zum Tempel; nach der Mahlzeit mögt Ihr

Das Los versuchen.

Marokko.

Gutes Glück also!

Bald über alles elend oder froh. (Alle ab.)

Zweite Szene

Venedig. Eine Straße

Lanzelot Gobbo kommt

Lanzelot.

Sicherlich, mein Gewissen läßt mir’s zu, von diesem Juden, meinem Herrn, wegzulaufen. Der böse Feind ist mir auf der Ferse und versucht mich und sagt zu mir: «Gobbo, Lanzelot Gobbo, guter Lanzelot», oder «Guter Gobbo», oder «Guter Lanzelot Gobbo, brauch deine Beine, reiß aus, lauf davon.» Mein Gewissen sagt: «Nein, hüte dich, ehrlicher Lanzelot; hüte dich, ehrlicher Gobbo»; oder, wie obgemeldet, «ehrlicher Lanzelot Gobbo; lauf nicht, laß das Ausreißen bleiben.» Gut, der überaus herzhafte Feind heißt mich aufpacken; «Marsch!» sagt der Feind; «fort!» sagt der Feind; «um des Himmels willen! faß dir ein wackres Herz», sagt der Feind, «und lauf». Gut, mein Gewissen hängt sich meinem Herzen um den Hals und sagt sehr weislich zu mir: «Mein ehrlicher Freund Lanzelot, da du eines ehrlichen Mannes Sohn bist», oder vielmehr eines ehrlichen Weibes Sohn; denn die Wahrheit zu sagen, mein Vater hatte einen kleinen Beigeschmack, er war etwas ansäuerlich. – Gut, mein Gewissen sagt: «Lanzelot, weich und wanke nicht!» – «Weiche», sagt der Feind; «wanke nicht», sagt mein Gewissen. «Gewissen», sage ich, «dein Rat ist gut»; «Feind», sage ich, «dein Rat ist gut». Lasse ich mich durch mein Gewissen regieren, so bleibe ich bei dem Juden, meinem Herrn, der, Gott sei mir gnädig! eine Art von Teufel ist. Laufe ich von dem Juden weg, so lasse ich mich durch den bösen Feind regieren, der, mit Respekt zu sagen, der Teufel selber ist. Gewiß, der Jude ist der wahre eingefleischte Teufel, und, auf mein Gewissen, mein Gewissen ist gewissermaßen ein hartherziges Gewissen, daß es mir raten will, bei dem Juden zu bleiben. Der Feind gibt mir einen freundschaftlichen Rat; ich will laufen, Feind! meine Fersen stehen dir zu Gebote, ich will laufen. Der alte Gobbo kommt mit einem Korbe.

Gobbo.

Musje, junger Herr, Er da, sei Er doch so gut: wo gehe ich wohl zu des Herrn Juden seinem Hause hin?

Lanzelot (beiseite).

O Himmel! mein eheleiblicher Vater, der zwar nicht pfahlblind, aber doch so ziemlich stockblind ist und mich nicht kennt. Ich will mir einen Spaß mit ihm machen.

Gobbo.

Musje, junger Herr, sei Er so gut: wo gehe ich zu des Herrn Juden seinem Hause hin?

Lanzelot.

Schlagt Euch rechter Hand an der nächsten Ecke, aber bei der allernächsten Ecke linker Hand; versteht, bei der ersten nächsten Ecke schlagt Euch weder rechts noch links, sondern dreht Euch schnurgerade aus nach des Juden seinem Hause herum.

Gobbo.

Potz Wetterchen, das wird ein schlimmer Weg zu finden sein. Könnt Ihr mir nicht sagen, ob ein gewisser Lanzelot, der sich bei ihm aufhält, sich bei ihm aufhält oder nicht?

Lanzelot.

Sprecht Ihr vom jungen Monsieur Lanzelot? (Beiseite.) Nun gebt Achtung, nun will ich loslegen. – Sprecht Ihr vom jungen Monsieur Lanzelot?

Gobbo.

Kein Monsieur, Herr, sondern eines armen Mannes Sohn. Sein Vater, ob ich es schon sage, ist ein herzlich armer Mann und, Gott sei Dank, recht wohlauf.

Lanzelot.

Gut, sein Vater mag sein, was er will; hier ist die Rede vom jungen Monsieur Lanzelot.

Gobbo.

Eurem gehorsamen Diener und Lanzelot, Herr.

Lanzelot.

Ich bitte Euch demnach, alter Mann, demnach ersuche ich Euch: sprecht Ihr vom jungen Monsieur Lanzelot?

Gobbo.

Von Lanzelot, wenn’s Eur Gnaden beliebt.

Lanzelot.

Demnach Monsieur Lanzelot. Sprecht nicht von Monsieur Lanzelot, Vater; denn der junge Herr ist (vermöge der Schickungen und Verhängnisse und solcher wunderlichen Redensarten, der drei Schwestern und dergleichen Fächern der Gelahrtheit) in Wahrheit Todes verblichen oder, um es rund herauszusagen, in die Ewigkeit gegangen.

Gobbo.

Je, da sei Gott vor! Der Junge war so recht der Stab meines Alters, meine beste Stütze. –

Lanzelot.

Seh ich wohl aus wie ein Knittel oder wie ein Zaunpfahl, wie ein Stab oder eine Stütze? – Kennt Ihr mich, Vater?

Gobbo.

Ach du liebe Zeit, ich kenne Euch nicht, junger Herr; aber ich bitte Euch, sagt mir, ist mein Junge – Gott hab ihn selig! – lebendig oder tot?

Lanzelot.

Kennt Ihr mich nicht, Vater?

Gobbo.

Lieber Himmel! ich bin ein alter blinder Mann, ich kenne Euch nicht.

Lanzelot.

Nun wahrhaftig, wenn Ihr auch Eure Augen hättet, so könntet Ihr mich doch wohl nicht kennen; das ist ein weiser Vater, der sein eignes Kind kennt. Gut, alter Mann, ich will Euch Nachricht von Eurem Sohne geben. Gebt mir Euren Segen! Wahrheit muß ans Licht kommen. Ein Mord kann nicht lange verborgen bleiben, eines Menschen Sohn kann’s; aber zuletzt muß die Wahrheit heraus.

Gobbo.

Ich bitte Euch, Herr, steht auf, ich bin gewiß, Ihr seid mein junge Lanzelot nicht.

Lanzelot.

Ich bitte Euch, laßt uns weiter keine Possen damit treiben, sondern gebt mir Euern Segen. Ich bin Lanzelot, Euer Junge, der da war, Euer Sohn, der da ist, Euer Kind, das da sein wird.

Gobbo.

Ich kann mir nicht denken, daß Ihr mein Sohn seid.

Lanzelot.

Ich weiß nicht, was ich davon denken soll; aber ich bin Lanzelot, des Juden Diener, und ich bin gewiß, Margrete, Eure Frau, ist meine Mutter.

Gobbo.

Ganz recht, ihr Name ist Margrete; ich will einen Eid tun, wenn du Lanzelot bist, so bist du mein eigen Fleisch und Blut. Gott im Himmelsthrone! was hast du für einen Bart gekriegt? – Du hast mehr Haar am Kinne, als mein Karrengaul Fritz am Schwanze hat.

Lanzelot.

Je, so läßt’s ja, als ob Fritz sein Schwanz rückwärts wüchse; ich weiß doch, er hatte mehr Haar im Schwanze als im Gesicht, da ich ihn das letztemal sah.

Gobbo.

Herrje, wie du dich verändert hast! Wie verträgst du dich mit deinem Herrn? Ich bringe ihm ein Präsent; nun, wie vertragt ihr euch?

Lanzelot.

Gut, gut! aber für meine Person, da ich mich darauf gesetzt habe, davonzulaufen, so will ich mich nicht eher niedersetzen, als bis ich ein Stück Weges gelaufen bin. Mein Herr ist ein rechter Jude; ihm ein Präsent geben! Einen Strick gebt ihm. Ich bin ausgehungert in seinem Dienst; Ihr könnt jeden Finger, den ich habe, mit meinen Rippen zählen. Vater, ich bin froh, daß Ihr gekommen seid. Gebt mir Euer Präsent für einen gewissen Herrn Bassanio, der wahrhaftig prächtige neue Livreien gibt. Komme ich nicht bei ihm in Dienst, so will ich laufen, soweit Gottes Erdboden reicht. Welch ein Glück! da kommt er selbst. Macht Euch an ihn, Vater, denn ich will ein Jude sein, wenn ich bei dem Juden länger diene. Bassanio kommt mit Leonardo und andern Begleitern.

Bassanio.

Das könnt Ihr tun – aber seid so bei der Hand, daß das Abendessen spätestens um fünf Uhr fertig ist. Besorgt diese Briefe, gebt diese Livreien in Arbeit und bittet Graziano, sogleich in meine Wohnung zu kommen. (Ein Bedienter ab.)

Lanzelot.

Macht Euch an ihn, Vater?

Gobbo.

Gott segne Euer Gnaden!

Bassanio.

Großen Dank! Willst du was von mir?

Gobbo.

Da ist mein Sohn, Herr, ein armer Junge –

Lanzelot.

Kein armer Junge, Herr, sondern des reichen Juden Diener, der gerne möchte, wie mein Vater spezifizieren wird –

Gobbo.

Er hat, wie man zu sagen pflegt, eine große Deklination zu dienen –

Lanzelot.

Wirklich, das Kurze und das Lange von der Sache ist: ich diene dem Juden und trage Verlangen, wie mein Vater spezifizieren wird –

Gobbo.

Sein Herr und er (mit Respekt vor Euer Gnaden zu sagen) vertragen sich wie Katzen und Hunde –

Lanzelot.

Mit einem Worte, die reine Wahrheit ist, daß der Jude, da er mir Unrecht getan, mich nötigt, wie mein Vater, welcher, so Gott will, ein alter Mann ist, notifizieren wird –

Gobbo.

Ich habe hier ein Gericht Tauben, die ich bei Euer Gnaden anbringen möchte, und mein Gesuch ist –

Lanzelot.

In aller Kürze, das Gesuch interzediert mich selbst, wie Euer Gnaden von diesem ehrlichen alten Mann hören werden, der, obschon ich es sage, obschon ein alter Mann, doch ein armer Mann und mein Vater ist.

Bassanio.

Einer spreche für beide. Was wollt Ihr?

Lanzelot.

Euch dienen, Herr.

Gobbo.

Ja, das wollten wir Euch gehorsamst opponieren.

Bassanio.

Ich kenne dich, die Bitt ist dir gewährt;

Shylock, dein Herr, hat heut mit mir gesprochen

Und dich empfohlen; wenn’s empfehlenswert,

Aus eines reichen Juden Dienst zu gehn,

Um einem armen Edelmann zu folgen.

Lanzelot.

Das alte Sprichwort ist recht schön verteilt zwischen meinem Herrn Shylock und Euch, Herr: Ihr habt die Gnade Gottes, und er hat genug.

Bassanio.

Du triffst es; Vater, geh mit deinem Sohn.

Nimm Abschied erst von deinem alten Herrn

Und frage dich nach meiner Wohnung hin.

(Zu seinen Begleitern.) Ihr, gebt ihm eine nettere Livrei

Als seinen Kameraden; sorgt dafür!

Lanzelot.

Kommt her, Vater. – Ich kann keinen Dienst kriegen; nein! ich habe gar kein Mundwerk am Kopfe. – Gut! – (Er besieht seine flache Hand.) Wenn einer in ganz Italien eine schönere Tafel hat, damit auf die Schrift zu schwören – Ich werde gut Glück haben; ohne Umstände, hier ist eine ganz schlechte Lebenslinie; hier ist ’ne Kleinigkeit an Frauen. Ach, fünfzehn Weiber sind nichts! elf Witwen und neun Mädchen ist ein knappes Auskommen für einen Mann. Und dann, dreimal ums Haar zu ersaufen und mich an der Ecke eines Federbettes beinah tot zu stoßen – das heiße ich gut davonkommen! Gut, wenn Glück ein Weib ist, so ist sie doch eine gute Dirne mit ihrem Kram. – Kommt, Vater, ich nehme in einem Umsehn von dem Juden Abschied. (Lanzelot und der alte Gobbo ab.)

Bassanio.

Tu das, ich bitt dich, guter Leonardo;

Ist dies gekauft und ordentlich besorgt,

Komm schleunig wieder; denn zur Nacht bewirt ich

Die besten meiner Freunde; eil dich, geh!

Leonardo.

Verlaßt Euch auf mein eifrigstes Bemühn. Graziano kommt.

Graziano.

Wo ist dein Herr?

Leonardo.

Er geht da drüben, Herr. (Leonardo ab.)

Graziano.

Signor Bassanio!

Bassanio.

Graziano!

Graziano.

Ich habe ein Gesuch an Euch.

Bassanio.

Ihr habt es schon erlangt.

Graziano.

Ihr müßt mir’s nicht weigern; ich muß mit Euch nach Belmont gehen.

Bassanio.

Nun ja, so müßt Ihr – aber hör, Graziano,

Du bist zu wild, zu rauh, zu keck im Ton:

Ein Wesen, welches gut genug dir steht

Und Augen wie den unsern nicht mißfällt.

Doch wo man dich nicht kennt, ja, da erscheint

Es allzufrei; drum nimm dir Müh und dämpfe

Mit ein paar kühlen Tropfen Sittsamkeit

Den flüchtgen Geist, daß ich durch deine Wildheit

Dort nicht mißdeutet werd und meine Hoffnung

Zugrunde geht.

Graziano.

Signor Bassanio, hört mich:

Wenn ich mich nicht zu feinem Wandel füge,

Mit Ehrfurcht red und dann und wann nur fluche,

Gebetbuch in der Tasche, Kopf geneigt;

Ja, selbst beim Tischgebet so vors Gesicht

Den Hut mir halt und seufz und Amen sage;

Nicht allen Brauch der Höflichkeit erfülle,

Wie einer, der, der Großmama zulieb,

Scheinheilig tut: so traut mir niemals mehr.

Bassanio.

Nun gut, wir werden sehn, wie Ihr Euch nehmt.

Graziano.

Nur heute nehm ich aus; das gilt nicht mir,

Was ich heut abend tu.

Bassanio.

Nein, das wär schade;

Ich bitt Euch, lieber in den kecksten Farben

Der Lust zu kommen; denn wir haben Freunde,

Die lustig wollen sein. Lebt wohl indes,

Ich habe ein Geschäft.

Graziano.

Und ich muß zu Lorenzo und den andern,

Doch auf den Abend kommen wir zu Euch. (Alle ab.)

Dritte Szene

Ein Zimmer in Shylocks Hause

Jessica und Lanzelot kommen

Jessica.

Es tut mir leid, daß du uns so verläßt;

Dies Haus ist Hölle, und du, ein lustger Teufel,

Nahmst ihm ein Teil von seiner Widrigkeit.

Doch lebe wohl; da hast du ’nen Dukaten!

Und, Lanzelot, du wirst beim Abendessen

Lorenzo sehn als Gast von deinem Herrn.

Dann gib ihm diesen Brief, tu es geheim;

Und so leb wohl, daß nicht etwa mein Vater

Mich mit dir reden sieht.

Lanzelot.

Adieu! – Tränen müssen meine Zunge vertreten, allerschönste Heidin! allerliebste Jüdin! Wenn ein Christ nicht zum Schelm an dir wird, und dich bekommt, so trügt mich alles. Aber adieu! Diese törichten Tropfen erweichen meinen männlichen Mut allzusehr. (Ab.)

Jessica.

Leb wohl, du Guter!

Ach wie gehässig ist es nicht von mir,

Daß ich des Vaters Kind zu sein mich schäme;

Doch, bin ich seines Blutes Tochter schon,

Bin ich’s nicht seines Herzens. O Lorenzo,

Hilf mir dies lösen! treu dem Worte bleib!

So werd ich Christin und dein liebend Weib. (Ab.)

Vierte Szene

Eine Straße

Graziano, Lorenzo, Salarino und Solanio treten auf

Lorenzo.

Nun gut, wir schleichen weg vom Abendessen,

Verkleiden uns in meinem Haus und sind

In einer Stunde alle wieder da.

Graziano.

Wir haben uns nicht recht darauf gerüstet.

Salarino.

Auch keine Fackelträger noch bestellt.

Solanio.

Wenn es nicht zierlich anzuordnen steht,

So ist es nichts und unterbliebe besser.

Lorenzo.

’s ist eben vier; wir haben noch zwei Stunden

Zur Vorbereitung.

Lanzelot kommt mit einem Briefe.

Freund Lanzelot, was bringst du?

Lanzelot.

Wenn’s Euch beliebt, dies aufzubrechen, so wird es gleichsam andeuten.

Lorenzo.

Ich kenne wohl die Hand; ja, sie ist schön;

Und weißer als das Blatt, worauf sie schrieb,

Ist diese schöne Hand.

Graziano.

Auf meine Ehre, eine Liebesbotschaft.

Lanzelot.

Mit Eurer Erlaubnis, Herr.

Lorenzo.

Wo willst du hin?

Lanzelot.

Nun, Herr, ich soll meinen alten Herrn, den Juden, zu meinem neuen Herrn, dem Christen, auf heute zum Abendessen laden.

Lorenzo.

Da nimm dies; sag der schönen Jessica,

Daß ich sie treffen will. – Sag’s heimlich! geh;

(Lanzelot ab.)

Ihr Herrn,

Wollt ihr euch zu dem Maskenzug bereiten?

Ich bin versehn mit einem Fackelträger.

Salarino.

Ja, auf mein Wort, ich gehe gleich danach.

Solanio.

Das will ich auch.

Lorenzo.

Trefft mich und Graziano.

In einer Stund in Grazianos Haus.

Salarino.

Gut das, es soll geschehn. (Salarino und Solanio ab.)

Graziano.

Der Brief kam von der schönen Jessica?

Lorenzo.

Ich muß dir’s nur vertraun: sie gibt mir an,

Wie ich sie aus des Vaters Haus entführe;

Sie sei versehn mit Gold und mit Juwelen,

Ein Pagenanzug liege schon bereit.

Kommt je der Jud, ihr Vater, in den Himmel,

So ist’s um seiner holden Tochter willen;

Und nie darf Unglück in den Weg ihr treten,

Es müßte denn mit diesem Vorwand sein,

Daß sie von einem falschen Juden stammt.

Komm, geh mit mir und lies im Gehn dies durch;

Mir trägt die schöne Jessica die Fackel. (Beide ab.)

Fünfte Szene

Vor Shylocks Hause

Shylock und Lanzelot kommen

Shylock.

Gut, du wirst sehn mit deinen eignen Augen

Des alten Shylocks Abstand von Bassanio.

He, Jessica! – Du wirst nicht voll dich stopfen,

Wie du bei mir getan – He, Jessica! –

Und liegen, schnarchen, Kleider nur zerreißen –

He, sag ich, Jessica!

Lanzelot.

He, Jessica!

Shylock.

Wer heißt dich schrein? Ich hab’s dir nicht geheißen.

Lanzelot.

Euer Edlen pflegten immer zu sagen, ich könnte nichts ungeheißen tun. Jessica kommt.

Jessica.

Ruft Ihr? Was ist Euch zu Befehl?

Shylock.

Ich bin zum Abendessen ausgebeten.

Da hast du meine Schlüssel, Jessica.

Zwar weiß ich nicht, warum ich geh; sie bitten

Mich nicht aus Liebe, nein, sie schmeicheln mir;

Doch will ich gehn aus Haß, auf den Verschwender

Von Christen zehren. – Jessica, mein Kind,

Acht auf mein Haus! – Ich geh recht wider Willen.

Es braut ein Unglück gegen meine Ruh,

Denn diese Nacht träumt ich von Säcken Geldes.

Lanzelot.

Ich bitte Euch, Herr, geht; mein junger Herr erwartet Eure Zukunft.

Shylock.

Ich seine auch.

Lanzelot.

Und sie haben sich verschworen. – Ich sage nicht, daß Ihr eine Maskerade sehen sollt; aber wenn Ihr eine seht, so war es nicht umsonst, daß meine Nase an zu bluten fing, auf den letzten Ostermontag des Morgens um sechs Uhr, der das Jahr auf den Tag fiel, wo vier Jahre vorher nachmittags Aschermittwoch war.

Shylock.

Was? gibt es Masken? Jessica, hör an:

Verschließ die Tür, und wenn du Trommeln hörst

Und das Gequäk der quergehalsten Pfeife,

So klettre mir nicht an den Fenstern auf;

Steck nicht den Kopf hinaus in offne Straße,

Nach Christennarren mit bemaltem Antlitz

Zu gaffen; stopfe meines Hauses Ohren –

Die Fenster, mein ich – zu und laß den Schall

Der albern‘ Geckerei nicht dringen in

Mein ehrbar Haus. Bei Jakobs Stabe schwör ich:

Ich habe keine Lust, zu Nacht zu schmausen;

Doch will ich gehn. – Du Bursch, geh mir voran;

Sag, daß ich komme.

Lanzelot.

Herr, ich will vorangehn.

Guckt nur am Fenster, Fräulein, trotz dem allem;

Denn vorbeigehn wird ein Christ,

Wert, daß ihn ’ne Jüdin küßt. (Ab.)

Shylock.

Was sagt der Narr von Hagars Stamme? he?

Jessica.

Sein Wort war: «Fräulein, lebet wohl» – sonst nichts.

Shylock.

Der Laff ist gut genug, jedoch ein Fresser,

’ne Schnecke zum Gewinn und schläft bei Tag

Mehr als das Murmeltier; in meinem Stock

Baun keine Drohnen; drum laß ich ihn gehn

Und laß ihn gehn zu einem, dem er möge

Den aufgeborgten Beutel leeren helfen.

Gut, Jessica, geh nun ins Haus hinein,

Vielleicht komm ich im Augenblicke wieder.

Tu, was ich dir gesagt, schließ hinter dir

Die Türen; fest gebunden, fest gefunden,

Das denkt ein guter Wirt zu allen Stunden. (Ab.)

Jessica.

Lebt wohl, und denkt das Glück nach meinem Sinn,

Ist mir ein Vater, Euch ein Kind dahin. (Ab.)

Sechste Szene

Ebendaselbst

Graziano und Salarino kommen maskiert

Graziano.

Dies ist das Vordach, unter dem Lorenzo

Uns haltzumachen bat.

Salarino.

Die Stund ist fast vorbei.

Graziano.

Und Wunder ist es, daß er sie versäumt;

Verliebte laufen stets der Uhr voraus.

Salarino.

O zehnmal schneller fliegen Venus‘ Tauben,

Den neuen Bund der Liebe zu versiegeln,

Als sie gewohnt sind, unverbrüchlich auch

Gegebne Treu zu halten.

Graziano.

So geht’s in allem; wer steht auf vom Mahl

Mit gleicher Eßlust, als er niedersaß?

Wo ist das Pferd, das seine lange Bahn

Zurückmißt mit dem ungedämpften Feuer,

Womit es sie betreten? Jedes Ding

Wird mit mehr Trieb erjaget als genossen.

Wie ähnlich einem Wildfang und Verschwender

Eilt das beflaggte Schiff aus heimscher Bucht,

Geliebkost und gehetzt vom Buhler Wind!

Wie ähnlich dem Verschwender kehrt es heim,

Zerlumpt die Segel, Rippen abgewittert,

Kahl, nackt, geplündert von dem Buhler Wind! Lorenzo tritt auf.

Salarino.

Da kommt Lorenzo, mehr hievon nachher.

Lorenzo.

Entschuldigt, Herzensfreunde, den Verzug:

Nicht ich, nur mein Geschäft hat warten lassen.

Wenn ihr den Dieb um Weiber spielen wollt,

Dann wart ich auch so lang auf euch. – Kommt näher!

Hier wohnt mein Vater Jude – He! wer da? Jessica oben am Fenster in Knabentracht.

Jessica.

Wer seid Ihr? sagt’s zu mehrer Sicherheit,

Wiewohl ich schwör, ich kenne Eure Stimme.

Lorenzo.

Lorenzo und dein Liebster.

Jessica.

Lorenzo sicher, und mein Liebster, ja!

Denn wen lieb ich so sehr? Und nun, wer weiß

Als Ihr, Lorenzo, ob ich Eure bin?

Lorenzo.

Der Himmel und dein Sinn bezeugen dir’s.

Jessica.

Hier, fang dies Kästchen auf, es lohnt die Müh.

Gut, daß es Nacht ist, daß Ihr mich nicht seht,

Denn ich bin sehr beschämt von meinem Tausch;

Doch Lieb ist blind, Verliebte sehen nicht

Die artgen Kinderein, die sie begehen;

Denn könnten sie’s, Cupido würd erröten,

Als Knaben so verwandelt mich zu sehn.

Lorenzo.

Kommt, denn Ihr müßt mein Fackelträger sein.

Jessica.

Was? muß ich selbst noch leuchten meiner Schmach?

Sie liegt fürwahr schon allzusehr am Tage.

Ei, Lieber, ’s ist ein Amt zum kundbar machen;

Ich muß verheimlicht sein.

Lorenzo.

Das bist du, Liebe,

Im hübschen Anzug eines Knaben schon.

Doch komm sogleich,

Die finstre Nacht stiehlt heimlich sich davon;

Wir werden bei Bassanios Fest erwartet.

Jessica.

Ich mach die Türen fest, vergülde mich

Mit mehr Dukaten noch und bin gleich bei Euch. (Tritt zurück.)

Graziano.

Nun! auf mein Wort! ’ne Göttin, keine Jüdin.

Lorenzo.

Verwünscht mich, wenn ich sie nicht herzlich liebe;

Denn sie ist klug, wenn ich mich drauf verstehe,

Und schön ist sie, wenn nicht mein Auge trügt,

Und treu ist sie, so hat sie sich bewährt.

Drum sei sie, wie sie ist, klug, schön und treu,

Mir in beständigem Gemüt verwahrt.

Jessica kommt heraus.

Nun bist du da? – Ihr Herren, auf und fort!

Der Maskenzug erwartet schon uns dort. (Ab mit Jessica und Salarino.)

Antonio tritt auf.

Antonio.

Wer da?

Graziano.

Signor Antonio.

Antonio.

Ei, ei, Graziano, wo sind all die andern?

Es ist neun Uhr, die Freund erwarten Euch.

Kein Tanz zur Nacht, der Wind hat sich gedreht,

Bassanio will im Augenblick an Bord;

Wohl zwanzig Boten schickt ich aus nach Euch.

Graziano.

Mir ist es lieb, nichts kann mich mehr erfreun,

Als unter Segel gleich die Nacht zu sein. (Beide ab.)

Siebente Szene

Belmont. Ein Zimmer in Porzias Hause

Trompetenstoß. Porzia und der Prinz von Marokko treten auf, beide mit Gefolge

Porzia.

Geht, zieht beiseit den Vorhang und entdeckt

Die Kästchen sämtlich diesem edlen Prinzen. –

Trefft Eure Wahl nunmehr.

Marokko.

Von Gold das erste, das die Inschrift hat:

«Wer mich erwählt, gewinnt, was mancher Mann begehrt.»

Das zweite, silbern, führet dies Versprechen:

«Wer mich erwählt, bekommt soviel, als er verdient.»

Das dritte, schweres Blei, mit plumper Warnung:

«Wer mich erwählt, der gibt und wagt sein Alles dran.»

Woran erkenn ich, ob ich recht gewählt?

Porzia.

Das eine faßt mein Bildnis in sich, Prinz:

Wenn Ihr das wählt, bin ich zugleich die Eure.

Marokko.

So leit ein Gott mein Urteil! Laßt mich sehn!

Ich muß die Sprüche nochmals überlesen.

Was sagt dies bleir’ne Kästchen?

«Wer mich erwählt, der gibt und wagt sein Alles dran.»

Der gibt – wofür? für Blei? und wagt für Blei?

Dies Kästchen droht; wenn Menschen alles wagen,

Tun sie’s in Hoffnung köstlichen Gewinns.

Ein goldner Mut fragt nichts nach niedern Schlacken,

Ich geb also und wage nichts für Blei.

Was sagt das Silber mit der Mädchenfarbe?

«Wer mich erwählt, bekommt soviel, als er verdient.»

Soviel, als er verdient? – Halt ein, Marokko,

Und wäge deinen Wert mit steter Hand.

Wenn du geachtet wirst nach deiner Schätzung,

Verdienest du genug, doch kann genug

Wohl nicht soweit bis zu dem Fräulein reichen.

Und doch, mich ängsten über mein Verdienst,

Das wäre schwaches Mißtraun in mich selbst.

Soviel, als ich verdiene? – Ja, das ist

Das Fräulein; durch Geburt verdien ich sie,

Durch Glück, durch Zier und Gaben der Erziehung;

Doch mehr verdien ich sie durch Liebe. Wie,

Wenn ich nicht weiter schweift und wählte hier?

Laßt nochmals sehn den Spruch, in Gold gegraben:

«Wer mich erwählt, gewinnt, was mancher Mann begehrt.

Das ist das Fräulein; alle Welt begehrt sie,

Aus jedem Weltteil kommen sie herbei,

Dies sterblich atmend Heilgenbild zu küssen;

Hyrkaniens Wüsten und die wilden Öden

Arabiens sind gebahnte Straßen nun

Für Prinzen, die zur schönen Porzia reisen;

Das Reich der Wasser, dessen stolzes Haupt

Speit in des Himmels Antlitz, ist kein Damm

Für diese fremden Geister; nein, sie kommen

Wie über einen Bach zu Porzias Anblick.

Eins von den drein enthält ihr himmlisch Bild;

Soll Blei es in sich fassen? Lästrung wär’s,

Zu denken solche Schmach; es wär zu schlecht,

Im düstern Grab ihr Leichentuch zu panzern.

Und soll ich glauben, daß sie Silber einschließt,

Von zehnmal minderm Wert als reines Gold?

O sündlicher Gedanke! Solch ein Kleinod

Ward nie geringer als in Gold gefaßt.

In England gibt’s ’ne Münze, die das Bild

Von einem Engel führt, in Gold geprägt.

Doch der ist drauf gedruckt; hier liegt ein Engel

Ganz drin im goldnen Bett. – Gebt mir den Schlüssel,

Hier wähl ich, und geling es, wie es kann.

Porzia.

Da nehmt ihn, Prinz, und liegt mein Bildnis da,

So bin ich Euer. (Er schließt das goldne Kästchen auf.)

Marokko.

O Hölle, was ist hier?

Ein Beingeripp, dem ein beschriebner Zettel

Im hohlen Auge liegt? Ich will ihn lesen: «Alles ist nicht Gold, was gleißt,

Wie man oft Euch unterweist.

Manchen in Gefahr es reißt,

Was mein äußrer Schein verheißt;

Goldnes Grab hegt Würmer meist;

Wäret Ihr so weis als dreist,

Jung an Gliedern, alt an Geist,

So würdet Ihr nicht abgespeist

Mit der Antwort: Geht und reist.» Ja fürwahr, mit bittrer Kost;

Leb wohl denn, Glut! Willkommen, Frost!

Lebt, Porzia, wohl! Zu langem Abschied fühlt

Mein Herz zu tief; so scheidet, wer verspielt. (Ab.)

Porzia.

Erwünschtes Ende! Geht, den Vorhang zieht!

So wähle jeder, der ihm ähnlich sieht. (Alle ab.)

Achte Szene

Venedig. Eine Straße

Salarino und Solanio treten auf

Salarino.

Ja, Freund, ich sah Bassanio unter Segel;

Mit ihm ist Graziano abgereist,

Und auf dem Schiff ist sicher nicht Lorenzo.

Solanio.

Der Schelm von Juden schrie den Dogen auf,

Der mit ihm ging, das Schiff zu untersuchen.

Salarino.

Er kam zu spät, das Schiff war unter Segel;

Doch da empfing der Doge den Bericht,

In einer Gondel habe man Lorenzo

Mit seiner Liebsten Jessica gesehn;

Auch gab Antonio ihm die Versichrung,

Sie sei’n nicht mit Bassanio auf dem Schiff.

Solanio.

Nie hört ich so verwirrte Leidenschaft,

So seltsam wild und durcheinander, als

Der Hund von Juden in den Straßen ausließ:

«Mein‘ Tochter – mein‘ Dukaten – o mein‘ Tochter!

Fort mit ’nem Christen – o mein‘ christlichen Dukaten!

Recht und Gericht! mein‘ Tochter! mein‘ Dukaten!

Ein Sack, zwei Säcke, beide zugesiegelt,

Voll von Dukaten, doppelten Dukaten!

Gestohl’n von meiner Tochter; und Juwelen,

Zwei Stein‘- zwei reich‘ und köstliche Gestein‘,

Gestohl’n von meiner Tochter! O Gerichte,

Find’t mir das Mädchen! – Sie hat die Steine bei sich

Und die Dukaten.»

Salarino.

Ja, alle Gassenbuben folgen ihm

Und schrein: «Die Stein‘, die Tochter, die Dukaten!»

Solanio.

Daß nur Antonio nicht den Tag versäumt,

Sonst wird er hiefür zahlen.

Salarino.

Gut bedacht!

Mir sagte gestern ein Franzose noch,

Mit dem ich schwatzte, in der engen See,

Die Frankreich trennt von England, sei ein Schiff

Von unserm Land verunglückt, reich geladen;

Ich dachte des Antonio, da er’s sagte,

Und wünscht im stillen, daß es seins nicht wär.

Solanio.

Ihr solltet ihm doch melden, was Ihr hört;

Doch tut’s nicht plötzlich, denn es könnt ihn kränken.

Salarino.

Ein beßres Herz lebt auf der Erde nicht.

Ich sah Bassanio und Antonio scheiden;

Bassanio sagt‘ ihm, daß er eilen wolle

Mit seiner Rückkehr. «Nein», erwidert‘ er,

«Schlag dein Geschäft nicht von der Hand, Bassanio,

Um meinetwillen, laß die Zeit es reifen.

Und die Verschreibung, die der Jude hat,

Laß sie beschweren nicht dein liebend Herz.

Sei fröhlich, wende die Gedanken ganz

Auf Gunstbewerbung und Bezeugungen

Der Liebe, wie sie dort dir ziemen mögen.»

Und hier, die Augen voller Tränen, wandt er

Sich abwärts, reichte seine Hand zurück,

Und, als ergriff ihn wunderbare Rührung,

Drückt‘ er Bassanios Hand. So schieden sie.

Solanio.

Ich glaub, er liebt die Welt nur seinetwegen;

Ich bitt Euch, laßt uns gehn, ihn aufzufinden,

Um seine Schwermut etwas zu zerstreun

Auf ein und andre Art.

Salarino.

Ja, tun wir das. (Beide ab.)

Neunte Szene

Belmont. Ein Zimmer in Porzias Hause

Nerissa kommt mit einem Bedienten

Nerissa.

Komm, hurtig, hurtig, zieh den Vorhang auf!

Der Prinz von Arragon hat seinen Eid

Getan und kommt sogleich zu seiner Wahl. Trompentenstoß. Der Prinz von Arragon, Porzia und beider Gefolge.

Porzia.

Schaut hin, da stehn die Kästchen, edler Prinz!

Wenn Ihr das wählet, das mich in sich faßt,

Soll die Vermählung gleich gefeiert werden.

Doch fehlt Ihr, Prinz, so müßt Ihr ohne weiters

Im Augenblick von hier Euch wegbegeben.

Arragon.

Drei Dinge gibt der Eid mir auf zu halten:

Zum ersten, niemals jemand kundzutun,

Welch Kästchen ich gewählt; sodann: verfehl ich

Das rechte Kästchen, nie in meinem Leben

Um eines Mädchens Hand zu werben; endlich:

Wenn sich das Glück zu meiner Wahl nicht neigt,

Sogleich Euch zu verlassen und zu gehn.

Porzia.

Auf diese Pflichten schwört ein jeder, der

Zu wagen kommt um mein geringes Selbst.

Arragon.

Und so bin ich gerüstet. Glück wohlauf

Nach Herzens Wunsch! – Gold, Silber, schlechtes Blei:

«Wer mich erwählt, der gibt und wagt sein Alles dran.»

Du mußtest schöner aussehn, eh ich’s täte.

Was sagt das goldne Kästchen? Ha, laßt sehn!

«Wer mich erwählt, gewinnt, was mancher Mann begehrt.»

Was mancher Mann begehrt? – Dies mancher meint vielleicht

Die Torenmenge, die nach Scheine wählt,

Nur lernend, was ein blödes Auge lehrt;

Die nicht ins Innre dringt und wie die Schwalbe

Im Wetter bauet an der Außenwand,

Recht in der Kraft und Bahn des Ungefährs.

Ich wähle nicht, was mancher Mann begehrt,

Weil ich nicht bei gemeinen Geistern hausen,

Noch mich zu rohen Haufen stellen will.

Nun dann zu dir, du silbern Schatzgemach!

Sag mir noch mal die Inschrift, die du führst:

«Wer mich erwählt, bekommt soviel, als er verdient.»

Ja, gut gesagt: denn wer darf darauf ausgehn,

Das Glück zu täuschen und geehrt zu sein,

Den das Verdienst nicht stempelt? Maße keiner

Sich einer unverdienten Würde an.

O würden Güter, Rang und Ämter nicht

Verderbterweis erlangt und würde Ehre

Durch das Verdienst des Eigners rein erkauft,

Wie mancher deckte dann sein bloßes Haupt!

Wie mancher, der befiehlt, gehorchte dann!

Wie viel des Pöbels würde ausgesondert

Aus reiner Ehre Saat! und wieviel Ehre

Gelesen aus der Spreu, dem Raub der Zeit,

Um neu zu glänzen! – Wohl, zu meiner Wahl!

«Wer mich erwählt, bekommt soviel, als er verdient.»

Ich halt es mit Verdienst: gebt mir dazu den Schlüssel,

Und unverzüglich schließt mein Glück hier auf.

Porzia.

Zu lang geweilt für das, was Ihr da findet.

Arragon.

Was gibt’s hier? Eines Gecken Bild, der blinzt

Und mir ’nen Zettel reicht! Ich will ihn lesen.

O wie so gar nicht gleichst du Porzien!

Wie gar nicht meinem Hoffen und Verdienst!

«Wer mich erwählt, bekommt soviel, als er verdient.»

Verdient ich nichts als einen Narrenkopf?

Ist das mein Preis? Ist mein Verdienst nicht höher?

Porzia.

Fehlen und richten sind getrennte Ämter,

Und die sich widersprechen.

Arragon.

Was ist hier? «Siebenmal im Feur geklärt

Ward dies Silber: so bewährt

Ist ein Sinn, den nichts betört.

Mancher achtet Schatten wert,

Dem ist Schattenheil beschert;

Mancher Narr in Silber fährt,

So auch dieser, der Euch lehrt:

Nehmet, wen Ihr wollt, zum Weib

Immer trägt mich Euer Leib.

Geht und sucht Euch Zeitvertreib!» Mehr und mehr zum Narrn mich macht

Jede Stunde hier verbracht.

Mit einem Narrenkopf zum Frein

Kam ich her und geh mit zwein.

Herz, leb wohl! was ich versprach,

Halt ich, trage still die Schmach. (Arragon mit Gefolge ab.)

Porzia.

So ging dem Licht die Motte nach!

O diese weisen Narren! wenn sie wählen,

Sind sie so klug, durch Witz es zu verfehlen.

Nerissa.

Die alte Sag ist keine Ketzerei.

Daß Frein und Hängen eine Schickung sei.

Porzia.

Komm, zieh den Vorhang zu, Nerissa. Ein Bedienter kommt.

Bedienter.

Wo ist mein Fräulein?

Porzia.

Hier; was will mein Herr?

Bedienter.

An Eurem Tor ist eben abgestiegen

Ein junger Venezianer, welcher kommt,

Die nahe Ankunft seines Herrn zu melden,

Von dem er stattliche Begrüßung bringt;

Das heißt, nebst vielen artgen Worten, Gaben

Von reichem Wert; ich sahe niemals noch

Solch einen holden Liebesabgesandten.

Nie kam noch im April ein Tag so süß,

Zu zeigen, wie der Sommer köstlich nahe,

Als dieser Bote seinem Herrn voran.

Porzia.

Nichts mehr, ich bitt dich; ich besorge fast,

Daß du gleich sagen wirst, er sei dein Vetter;

Du wendest solchen Festtagswitz an ihn.

Komm, komm, Nerissa; denn er soll mich freun,

Cupidos Herold, so geschickt und fein.

Nerissa.

Bassanio, Herr des Herzens! laß es sein. (Alle ab.)

Dritter Aufzug

Erste Szene

Venedig. Eine Straße

Solanio und Salarino treten auf

Solanio.

Nun, was gibt’s Neues auf dem Rialto?

Salarino.

Ja, noch wird es nicht widersprochen, daß dem Antonio sein Schiff von reicher Ladung in der Meerenge gestrandet ist. Die Goodwins, denke ich, nennen sie die Stelle: eine sehr gefährliche Sandbank, wo die Gerippe von manchem stattlichen Schiff begraben liegen, wenn Gevatterin Fama eine Frau von Wort ist.

Solanio.

Ich wollte, sie wäre darin eine so lügenhafte Gevatterin, als jemals eine Ingwer kaute oder ihren Nachbarn weismachte, sie weine um den Tod ihres dritten Mannes. Aber es ist wahr – ohne alle Umschweife, und ohne die gerade, ebne Bahn des Gespräches zu kreuzen – daß der gute Antonio, der redliche Antonio – o daß ich eine Benennung wüßte, die gut genug wäre, seinem Namen Gesellschaft zu leisten! –

Salarino.

Wohlan, zum Schluß!

Solanio.

He, was sagst du? – Ja, das Ende ist, er hat ein Schiff eingebüßt.

Salarino.

Ich wünsche, es mag das Ende seiner Einbußen sein.

Solanio.

Laßt mich beizeiten Amen sagen, ehe mir der Teufel einen Querstrich durch mein Gebet macht; denn hier kommt er in Gestalt eines Juden.

Shylock kommt.

Wie steht’s, Shylock? Was gibt es Neues unter den Kaufleuten?

Shylock.

Ihr wußtet, niemand besser, niemand besser als Ihr um meiner Tochter Flucht.

Salarino.

Das ist richtig; ich meinerseits kannte den Schneider, der ihr die Flügel zum Wegfliegen gemacht hat.

Solanio.

Und Shylock seinerseits wußte, daß der Vogel flügge war; und dann haben sie es alle in der Art, das Nest zu verlassen.

Shylock.

Sie ist verdammt dafür.

Salarino.

Das ist sicher, wenn der Teufel ihr Richter sein soll.

Shylock.

Daß mein eigen Fleisch und Blut sich so empörte!

Solanio.

Pfui dich an, altes Fell! bei dem Alter empört es sich?

Shylock.

Ich sage, meine Tochter ist mein Fleisch und Blut.

Salarino.

Zwischen deinem Fleisch und ihrem ist mehr Unterschied als zwischen Ebenholz und Elfenbein, mehr zwischen eurem Blute als zwischen rotem Wein und Rheinwein. – Aber sagt uns, was hört Ihr: hat Antonio einen Verlust zur See gehabt oder nicht?

Shylock.

Da hab ich einen andern schlimmen Handel: ein Bankerottierer, ein Verschwender, der sich kaum auf dem Rialto darf blicken lassen; ein Bettler, der so schmuck auf den Markt zu kommen pflegte! Er sehe sich vor mit seinem Schein! Er hat mich immer Wucherer genannt – er sehe sich vor mit seinem Schein! – er verlieh immer Geld aus christlicher Liebe, – er sehe sich vor mit seinem Schein!

Salarino.

Nun, ich bin sicher, wenn er verfällt, so wirst du sein Fleisch nicht nehmen: wozu wär es gut?

Shylock.

Fische mit zu ködern. Sättigt es sonst niemanden, so sättigt es doch meine Rache. Er hat mich beschimpft, mir ’ne halbe Million gehindert; meinen Verlust belacht, meinen Gewinn bespottet, mein Volk geschmäht, meinen Handel gekreuzt, meine Freunde verleitet, meine Feinde gehetzt. Und was hat er für Grund! Ich bin ein Jude. Hat nicht ein Jude Augen? Hat nicht ein Jude Hände, Gliedmaßen, Werkzeuge, Sinne, Neigungen, Leidenschaften? Mit derselben Speise genährt, mit denselben Waffen verletzt, denselben Krankheiten unterworfen, mit denselben Mitteln geheilt, gewärmt und gekältet von eben dem Winter und Sommer als ein Christ? Wenn ihr uns stecht, bluten wir nicht? Wenn ihr uns kitzelt, lachen wir nicht? Wenn ihr uns vergiftet, sterben wir nicht? Und wenn ihr uns beleidigt, sollen wir uns nicht rächen? Sind wir euch in allen Dingen ähnlich, so wollen wir’s euch auch darin gleich tun. Wenn ein Jude einen Christen beleidigt, was ist seine Demut? Rache. Wenn ein Christ einen Juden beleidigt, was muß seine Geduld sein nach christlichem Vorbild? Nu, Rache. Die Bosheit, die ihr mich lehrt, die will ich ausüben, und es muß schlimm hergehen, oder ich will es meinen Meistern zuvortun. Ein Bedienter kommt.

Bedienter.

Edle Herren, Antonio, mein Herr, ist zu Hause und wünscht euch zu sprechen.

Salarino.

Wir haben ihn allenthalben gesucht. Tubal kommt.

Solanio.

Hier kommt ein anderer von seinem Stamm; der dritte Mann ist nicht aufzutreiben, der Teufel selbst müßte denn Jude werden. (Solanio, Salarino und Bedienter ab.)

Shylock.

Nun, Tubal, was bringst du Neues von Genua? Hast du meine Tochter gefunden?

Tubal.

Ich bin oft an Örter gekommen, wo ich von ihr hörte, aber ich kann sie nicht finden.

Shylock.

Ei so, so, so, so! Ein Diamant fort, kostet mich zweitausend Dukaten zu Frankfurt. Der Fluch ist erst jetzt auf unser Volk gefallen, ich hab ihn niemals gefühlt bis jetzt. Zweitausend Dukaten dafür! und noch mehr kostbare, kostbare Juwelen! Ich wollte, meine Tochter läge tot zu meinen Füßen und hätte die Juwelen in den Ohren! Wollte, sie läge eingesargt zu meinen Füßen, und die Dukaten im Sarge! Keine Nachricht von ihnen! Ei, daß dich! – und ich weiß noch nicht, was beim Nachsetzen draufgeht. Ei, du Verlust über Verlust! Der Dieb mit soviel davongegangen, und soviel, um den Dieb zu finden; und keine Genugtuung, keine Rache! Kein Unglück tut sich auf, als was mir auf den Hals fällt; keine Seufzer, als die ich ausstoße, keine Tränen, als die ich vergieße.

Tubal.

Ja, andre Menschen haben auch Unglück. Antonio, so hört ich in Genua –

Shylock.

Was, was, was? Ein Unglück? ein Unglück?

Tubal.

Hat eine Galeone verloren, die von Tripolis kam.

Shylock.

Gott sei gedankt! Gott sei gedankt! Ist es wahr? ist es wahr?

Tubal.

Ich sprach mit ein paar von den Matrosen, die sich aus dem Schiffbruch gerettet.

Shylock.

Ich danke dir, guter Tubal! Gute Zeitung, gute Zeitung! – Wo? in Genua?

Tubal.

Eure Tochter vertat in Genua, wie ich hörte, in einem Abend achtzig Dukaten!

Shylock.

Du gibst mir einen Dolchstich – ich kriege mein Gold nicht wieder zu sehn – Achtzig Dukaten in einem Strich! achtzig Dukaten!

Tubal.

Verschiedene von Antonios Gläubigern reisten mit mir zugleich nach Venedig; die beteuerten, er müsse notwendig fallieren.

Shylock.

Das freut mich sehr! ich will ihn peinigen, ich will ihn martern; das freut mich!

Tubal.

Einer zeigte mir einen Ring, den ihm Eure Tochter für einen Affen gab.

Shylock.

Daß sie die Pest! Du marterst mich, Tubal. Es war mein Türkis, ich bekam ihn von Lea, als ich noch Junggeselle war; ich hätte ihn nicht für einen Wald von Affen weggegeben.

Tubal.

Aber Antonio ist gewiß ruiniert.

Shylock.

Ja, das ist wahr! das ist wahr! Geh, Tubal, miete mir einen Amtsdiener, bestell ihn vierzehn Tage vorher. Ich will sein Herz haben, wenn er verfällt; denn wenn er aus Venedig weg ist, so kann ich Handel treiben, wie ich will. Geh, geh, Tubal, und triff mich bei unsrer Synagoge! geh, guter Tubal! bei unsrer Synagoge, Tubal! (Ab.)

Zweite Szene

Belmont. Ein Zimmer in Porzias Hause

Bassanio, Porzia, Graziano, Nerissa und Gefolge treten auf

Die Kästchen sind aufgestellt

Porzia.

Ich bitt Euch, wartet ein, zwei Tage noch,

Bevor Ihr wagt; denn wählt Ihr falsch, so büße

Ich Euren Umgang ein; darum verzieht.

Ein Etwas sagt mir (doch es ist nicht Liebe),

Ich möcht Euch nicht verlieren; und Ihr wißt,

Es rät der Haß in diesem Sinne nicht.

Allein damit Ihr recht mich deuten möchtet

(Und doch, ein Mädchen spricht nur mit Gedanken),

Behielt‘ ich gern Euch ein paar Tage hier,

Eh Ihr für mich Euch wagt. Ich könnt Euch leiten

Zur rechten Wahl, dann bräch ich meinen Eid;

Das will ich nie; so könnt Ihr mich verfehlen.

Doch wenn Ihr’s tut, macht Ihr mich sündlich wünschen,

Ich hätt ihn nur gebrochen. O der Augen,

Die so bezaubert mich und mich geteilt!

Halb bin ich Eur, die andre Hälfte Euer –

Mein, wollt ich sagen; doch wenn mein, dann Euer,

Und so ganz Euer. O die böse Zeit,

Die Eignern ihre Rechte vorenthält!

Und so, ob Euer schon, nicht Euer. – Trifft es,

So sei das Glück dafür verdammt, nicht ich.

Zu lange red ich, doch nur um die Zeit

Zu dehnen, in die Länge sie zu ziehn,

Die Wahl noch zu verzögern.

Bassanio.

Laßt mich wählen,

Denn wie ich jetzt bin, leb ich auf der Folter.

Porzia.

Bassanio, auf der Folter? So bekennt,

Was für Verrat in Eurer Liebe steckt.

Bassanio.

Allein der häßliche Verrat des Mißtrauns,

Der mich am Glück der Liebe zweifeln läßt.

So gut verbände Schnee und Feuer sich

Zum Leben, als Verrat und meine Liebe.

Porzia.

Ja, doch ich sorg, Ihr redet auf der Folter,

Wo sie, gezwungen, sagen, was man will.

Bassanio.

Verheißt mir Leben, so bekenn ich Wahrheit.

Porzia.

Nun wohl, bekennt und lebt!

Bassanio.

Bekennt und liebt!

Mein ganz Bekenntnis wäre dies gewesen.

O selge Folter, wenn der Folterer

Mich Antwort lehrt zu meiner Lossprechung?

Doch laßt mein Heil mich bei den Kästchen suchen.

Porzia.

Hinzu denn! Eins darunter schließt mich ein;

Wenn Ihr mich liebt, so findet Ihr es aus.

Nerissa und ihr andern steht beiseit. –

Laßt nun Musik ertönen, weil er wählt!

So, wenn er fehltrifft, end‘ er Schwanen gleich

Hinsterbend in Musik; daß die Vergleichung

Noch näher passe, sei mein Aug der Strom,

Sein wäßrig Totenbett. Er kann gewinnen,

Und was ist dann Musik? Dann ist Musik

Wie Paukenklang, wenn sich ein treues Volk

Dem neugekrönten Fürsten neigt; ganz so

Wie jene süßen Tön in erster Frühe,

Die in des Bräutigams schlummernd Ohr sich schleichen

Und ihn zur Hochzeit laden. Jetzo geht er

Mit minder Anstand nicht, mit weit mehr Liebe,

Als einst Alcides, da er den Tribut

Der Jungfrau löste, welchen Troja heulend

Dem Seeuntier gezahlt. Ich steh als Opfer,

Die dort von fern sind die Dardanschen Fraun

Mit rotgeweinten Augen, ausgegangen,

Der Tat Erfolg zu sehn. – Geh, Herkules!

Leb du, so leb ich! mit viel stärkerm Bangen

Seh ich den Kampf, als du ihn eingegangen. (Musik, während Bassanio über die Kästchen mit sich zu Rate geht.) Lied

Erste Stimme. Sagt, woher stammt Liebeslust?

Aus den Sinnen, aus der Brust?

Ist euch ihr Lebenslauf bewußt? Zweite Stimme. In den Augen erst gehegt,

Wird Liebeslust durch Schaun gepflegt;

Stirbt das Kindchen, beigelegt

In der Wiege, die es trägt,

Läutet Totenglöckchen ihm;

Ich beginne: Bim! bim! bim! Chor. Bim! bim! bim!

Bassanio.

– So ist oft äußrer Schein sich selber fremd,

Die Welt wird immerdar durch Zier berückt.

Im Recht, wo ist ein Handel so verderbt,

Der nicht, geschmückt von einer holden Stimme,

Des Bösen Schein verdeckt? Im Gottesdienst,

Wo ist ein Irrwahn, den ein ehrbar Haupt

Nicht heiligte, mit Sprüchen nicht belegte,

Und bürge die Verdammlichkeit durch Schmuck?

Kein Laster ist so blöde, das von Tugend

Im äußern Tun nicht Zeichen an sich nähme.

Wie manche Feige, die Gefahren stehn

Wie Spreu dem Winde, tragen doch am Kinn

Den Bart des Herkules und finstern Mars,

Fließt gleich in ihren Herzen Blut wie Milch!

Und diese leihn des Mutes Auswuchs nur,

Um furchtbar sich zu machen. Blickt auf Schönheit,

Ihr werdet sehn, man kauft sie nach Gewicht,

Das hier ein Wunder der Natur bewirkt,

Und die es tragen, um so lockrer macht.

So diese schlänglicht krausen goldnen Locken,

Die mit den Lüften so mutwillig hüpfen

Auf angemaßtem Reiz: man kennt sie oft

Als eines zweiten Kopfes Ausstattung,

Der Schädel der sie trug, liegt in der Gruft.

So ist denn Zier die trügerische Küste

Von einer schlimmen See, der schöne Schleier,

Der Indiens Schöne birgt; mit einem Wort:

Die Scheinwahrheit, womit die schlaue Zeit

Auch Weise fängt. Darum, du gleißend Gold,

Des Midas harte Kost, dich will ich nicht,

Noch dich, gemeiner, bleicher Botenläufer

Von Mann zu Mann; doch du, du magres Blei,

Das eher droht als irgend was verheißt,

Dein schlichtes Ansehn spricht beredt mich an:

Ich wähle hier, und sei es wohlgetan!

Porzia.

Wie jede Regung fort die Lüfte tragen!

Als irre Zweifel, ungestüm Verzagen

Und bange Schaur und blasse Schüchternheit.

O Liebe, mäßge dich in deiner Seligkeit!

Halt ein, laß deine Freuden sanfter regnen;

Zu stark fühl ich, du mußt mich minder segnen,

Damit ich nicht vergeh.

Bassanio (öffnet das bleierne Kästchen).

Was find ich hier?

Der schönen Porzia Bildnis? Welcher Halbgott

Kam so der Schöpfung nah? Regt sich dies Auge?

Wie, oder schwebend auf des meinen Wölbung,

Scheint es bewegt? Hier sind erschloßne Lippen,

Die Nektarodem trennt: so süße Scheidung

Muß zwischen solchen süßen Freunden sein.

Der Maler spielte hier in ihrem Haar,

Die Spinne wob ein Netz, der Männer Herzen

Zu fangen wie die Mück im Spinngeweb.

Doch ihre Augen – o wie konnt er sehn,

Um sie zu malen? Da er eins gemalt,

Dünkt mich, es mußt ihm seine beiden stehlen

Und ungepaart sich lassen. Doch seht, soweit

Die Wahrheit meines Lobes diesem Schatten

Zu nahe tut, da es ihn unterschätzt,

Soweit läßt diesen Schatten hinter sich

Die Wahrheit selbst zurück. – Hier ist der Zettel,

Der Inbegriff und Auszug meines Glücks. «Ihr, der nicht auf Schein gesehn:

Wählt so recht und trefft so schön!

Weil Euch dieses Glück geschehn,

Wollet nicht nach anderm gehn.

Ist Euch dies nach Wunsch getan

Und findt Ihr Heil auf dieser Bahn,

Müßt Ihr Eurer Liebsten nahn,

Und sprecht mit holdem Kuß sie an.» Ein freundlich Blatt – erlaubt, mein holdes Leben,

(er küßt sie)

Ich komm, auf Schein zu nehmen und zu geben,

Wie, wer um einen Preis mit andern ringt

Und glaubt, daß vor dem Volk sein Tun gelingt;

Er hört den Beifall, Jubel schallt zum Himmel:

Im Geist benebelt, staunt er – «Dies Getümmel

Des Preises», fragt er sich, «gilt es denn mir?»

So, dreimal holdes Fräulein, steh ich hier,

Noch zweifelnd, ob kein Trug mein Auge blend’t,

Bis Ihr bestätigt, zeichnet, anerkennt.

Porzia.

Ihr seht mich, Don Bassanio, wo ich stehe,

So wie ich bin. Obschon für mich allein

Ich nicht ehrgeizig wär in meinem Wunsch,

Viel besser mich zu wünschen; doch für Euch

Wollt ich verdreifacht zwanzigmal ich selbst sein,

Noch tausendmal so schön, zehntausendmal

So reich. –

Nur um in Eurer Schätzung hoch zu stehn

Möcht ich an Gaben, Reizen, Gütern, Freunden

Unschätzbar sein; doch meine volle Summa

Macht etwas nur: das ist, in Bausch und Bogen,

Ein unerzognes, ungelehrtes Mädchen,

Darin beglückt, daß sie noch nicht zu alt

Zum Lernen ist; noch glücklicher, daß sie

Zum Lernen nicht zu blöde ward geboren;

Am glücklichsten, weil sie ihr weich Gemüt

Dem Euren überläßt, daß Ihr sie lenkt

Als ihr Gemahl, ihr Führer und ihr König.

Ich selbst, und was nur mein, ist Euch und Eurem

Nun zugewandt; noch eben war ich Eigner

Des schönen Guts hier, Herrin meiner Leute,

Monarchin meiner selbst; und eben jetzt

Sind Haus und Leut und ebendies «ich selbst»

Eur eigen, Herr. Nehmt sie mit diesem Ring;

Doch trennt Ihr Euch von ihm, verliert, verschenkt ihn,

So prophezei es Eurer Liebe Fall,

Und sei mein Anspruch gegen Euch zu klagen.

Bassanio.

Fräulein, Ihr habt der Worte mich beraubt,

Mein Blut nur in den Adern spricht zu Euch;

Verwirrung ist in meinen Lebensgeistern,

Wie sie nach einer wohlgesprochnen Rede

Von einem teuren Prinzen wohl im Kreis

Der murmelnden zufriednen Meng erscheint,

Wo jedes Etwas, ineinander fließend,

Zu einem Chaos wird von nichts als Freude,

Laut und doch sprachlos. – Doch weicht dieser Ring

Von diesem Finger, dann weicht hier das Leben;

O dann sagt kühn, Bassanio sei tot!

Nerissa.

Mein Herr und Fräulein, jetzt ist unsre Zeit,

Die wir dabei gestanden und die Wünsche

Gelingen sehn, zu rufen: Freud und Heil!

Habt Freud und Heil, mein Fräulein und mein Herr!

Graziano.

Mein Freund Bassanio und mein wertes Fräulein,

Ich wünsch euch, was für Freud ihr wünschen könnt;

Denn sicher wünscht ihr keine von mir weg.

Und wenn ihr beiderseits zu feiern denkt

Den Austausch eurer Treue, bitt ich euch,

Daß ich zugleich mich auch verbinden dürfe.

Bassanio.

Von Herzen gern, kannst du ein Weib dir schaffen.

Graziano.

Ich dank Euch, Herr, Ihr schafftet mir ein Weib.

Mein Auge kann so hurtig schaun als Eures;

Ihr saht das Fräulein, ich die Dienerin;

Ihr liebtet und ich liebte; denn Verzug

Steht mir nicht besser an als Euch, Bassanio.

Eur eignes Glück hing an den Kästchen dort,

Und so auch meines, wie es sich gefügt.

Denn werbend hier, bis ich in Schweiß geriet,

Und schwörend, bis mein Gaum‘ von Liebesschwüren

Ganz trocken war, ward ich zuletzt – geletzt

Durch ein Versprechen dieser Schönen hier,

Mir Liebe zu erwidern, wenn Eur Glück

Ihr Fräulein erst gewönne.

Porzia.

Ist’s wahr, Nerissa?

Nerissa.

Ja, Fräulein, wenn Ihr Euren Beifall gebt.

Bassanio.

Und meint Ihr’s, Graziano, recht im Ernst?

Graziano.

Ja, auf mein Wort.

Bassanio.

Ihr ehrt durch Eure Heirat unser Fest.

Graziano.

Wir wollen mit ihnen auf den ersten Jungen wetten um tausend Dukaten.

Doch wer kommt hier; Lorenzo und sein Heidenkind?

Wie? und mein alter Landsmann, Freund Salerio? Lorenzo, Jessica und Salerio treten auf.

Bassanio.

Lorenzo und Salerio, willkommen,

Wofern die Jugend meines Ansehns hier

Willkommen heißen darf. Erlaubet mir,

Ich heiße meine Freund und Landesleute

Willkommen, holde Porzia.

Porzia.

Ich mit Euch;

Sie sind mir sehr willkommen.

Lorenzo.

Dank Euer Gnaden! – Was mich angeht, Herr,

Mein Vorsatz war es nicht, Euch hier zu sehn;

Doch da ich unterwegs Salerio traf,

So bat er mich, daß ich’s nicht weigern konnte,

Hieher ihn zu begleiten.

Salerio.

Ja, ich tat’s

Und habe Grund dazu. Signor Antonio

Empfiehlt sich Euch. (Gibt dem Bassanio einen Brief.)

Bassanio.

Eh ich den Brief erbreche,

Sagt, wie befindet sich mein wackrer Freund?

Salerio.

Nicht krank, Herr, wenn er’s im Gemüt nicht ist,

Noch wohl, als im Gemüt; der Brief da wird

Euch seinen Zustand melden.

Graziano.

Nerissa, muntert dort die Fremde auf,

Heißt sie willkommen. Eure Hand, Salerio!

Was bringt Ihr von Venedig mit? Wie geht’s

Dem königlichen Kaufmann, dem Antonio?

Ich weiß, er wird sich unsers Glückes freun;

Wir sind die Iasons, die das Vlies gewonnen.

Salerio.

O hättet Ihr das Vlies, das er verlor.

Porzia.

In dem Papier ist ein feindselger Inhalt,

Es stiehlt die Farbe von Bassanios Wangen.

Ein teurer Freund tot; nichts auf Erden sonst,

Was eines festgesinnten Mannes Fassung

So ganz verwandeln kann. Wie? schlimm und schlimmer?

Erlaubt, Bassanio, ich bin halb Ihr selbst,

Und mir gebührt die Hälfte auch von allem,

Was dies Papier Euch bringt.

Bassanio.

O werte Porzia,

Hier sind ein paar so widerwärtge Worte,

Als je Papier bedeckten. Holdes Fräulein,

Als ich zuerst Euch meine Liebe bot,

Sagt ich Euch frei, mein ganzer Reichtum rinne

In meinen Adern: ich sei Edelmann;

Und dann sagt ich Euch wahr. Doch, teures Fräulein,

Da ich auf nichts mich schätzte, sollt Ihr sehn,

Wie sehr ich Prahler war. Da ich Euch sagte,

Mein Gut sei nichts, hätt ich Euch sagen sollen,

Es sei noch unter nichts; denn in der Tat,

Mich selbst verband ich einem teuren Freunde,

Den Freund verband ich seinem ärgsten Feind,

Um mir zu helfen. Hier, Fräulein, ist ein Brief,

Das Blatt Papier, wie meines Freundes Leib

Und jedes Wort drauf eine offne Wunde,

Der Lebensblut entströmt. – Doch ist es wahr,

Salerio? Sind denn alle Unternehmen

Ihm fehlgeschlagen? Wie, nicht eins gelang?

Von Tripolis, von Mexiko, von England,

Von Indien, Lissabon, der Berberei?

Und nicht ein Schiff entging dem furchbarn Anstoß

Von Armut drohnden Klippen?

Salerio.

Nein, nicht eins.

Und außerdem, so scheint es, hätt er selbst

Das bare Geld, den Juden zu bezahlen,

Der nähm es nicht. Nie kannt ich ein Geschöpf,

Das die Gestalt von einem Menschen trug,

So gierig, einen Menschen zu vernichten.

Er liegt dem Dogen früh und spät im Ohr

Und klagt des Staats verletzte Freiheit an,

Wenn man sein Recht ihm weigert. Zwanzig Handelsleute,

Der Doge selber und die Senatoren

Vom größten Ansehn reden all ihm zu;

Doch niemand kann aus der Schikan ihn treiben

Von Recht, verfallner Buß und seinem Schein.

Jessica.

Als ich noch bei ihm war, hört ich ihn schwören

Vor seinen Landesleuten Chus und Tubal,

Er wolle lieber des Antonio Fleisch

Als den Betrag der Summe zwanzigmal,

Die er ihm schuldig sei. Und, Herr, ich weiß,

Wenn ihm nicht Recht, Gewalt und Ansehn wehrt,

Wird es dem armen Manne schlimm ergehn.

Porzia.

Ist’s Euch ein teurer Freund, der so in Not ist?

Bassanio.

Der teurste Freund, der liebevollste Mann,

Das unermüdet willigste Gemüt

Zu Dienstleistungen und ein Mann, an dem

Die alte Römerehre mehr erscheint

Als sonst an wem, der in Italien lebt.

Porzia.

Welch eine Summ‘ ist er dem Juden schuldig?

Bassanio.

Für mich, dreitausend Dukaten.

Porzia.

Wie? nicht mehr?

Zahlt ihm sechstausend aus und tilgt den Schein,

Doppelt sechstausend, dann verdreifacht das,

Eh einem Freunde dieser Art ein Haar

Gekränkt soll werden durch Bassanios Schuld.

Erst geht mit mir zur Kirch und nennt mich Weib,

Dann nach Venedig fort zu Eurem Freund,

Denn nie sollt Ihr an Porzias Seite liegen

Mit Unruh in der Brust. Gold geb ich Euch,

Um zwanzigmal die kleine Schuld zu zahlen;

Zahlt sie und bringt den echten Freund mit Euch.

Nerissa und ich selbst indessen leben

Wie Mädchen und wie Witwen. Kommt mit mir,

Ihr sollt auf Euren Hochzeitstag von hier.

Begrüßt die Freunde, laßt den Mut nichts trüben;

So teur gekauft, will ich Euch teuer lieben. –

Doch laßt mich hören Eures Freundes Brief.

Bassanio (liest).

«Liebster Bassanio! Meine Schiffe sind alle verunglückt, meine Gläubiger werden grausam, mein Glücksstand ist ganz zerrüttet, meine Verschreibung an den Juden ist verfallen, und da es unmöglich ist, daß ich lebe, wenn ich sie zahle, so sind alle Schulden zwischen mir und Euch berichtigt. Wenn ich Euch nur bei meinem Tode sehen könnte! Jedoch handelt nach Belieben; wenn Eure Liebe Euch nicht überredet, zu kommen, so muß es mein Brief nicht.

Porzia.

O Liebster, geht, laßt alles andre liegen!

Bassanio.

Ja, eilen will ich, da mir Eure Huld

Zu gehn erlaubt; doch bis ich hier zurück,

Sei nie ein Bett an meinem Zögern schuld,

Noch trete Ruhe zwischen unser Glück! (Alle ab.)

Dritte Szene

Venedig. Eine Straße

Shylock, Solanio, Antonio und Gefangenwärter treten auf

Shylock.

Acht auf ihn, Schließer! – Sagt mir nicht von Gnade, Dies ist der Narr, der Geld umsonst auslieh. – Acht auf ihn, Schließer!

Antonio.

Hört mich, guter Shylock.

Shylock.

Ich will den Schein, nichts gegen meinen Schein!

Ich tat ’nen Eid, auf meinen Schein zu dringen.

Du nanntest Hund mich, eh du Grund gehabt;

Bin ich ein Hund, so meide meine Zähne.

Der Doge soll mein Recht mir tun. – Mich wundert’s,

Daß du so töricht bist, du loser Schließer,

Auf sein Verlangen mit ihm auszugehn.

Antonio.

Ich bitte, hör mich reden.

Shylock.

Ich will den Schein, ich will nicht reden hören,

Ich will den Schein, und also sprich nicht mehr.

Ich macht mich nicht zum schwachen, blinden Narrn,

Der seinen Kopf wiegt, seufzt, bedauert, nachgibt

Den christlichen Vermittlern. Folg mir nicht,

Ich will kein Reden, meinen Schein will ich. (Shylock ab.)

Solanio.

Das ist ein unbarmherzger Hund, wie’s keinen

Je unter Menschen gab.

Antonio.

Laßt ihn nur gehn,

Ich geh ihm nicht mehr nach mit eitlen Bitten.

Er sucht mein Leben, und ich weiß warum;

Oft hab ich Schuldner, die mir vorgeklagt,

Davon erlöst, in Buß ihm zu verfallen;

Deswegen haßt er mich.

Solanio.

Gewiß, der Doge

Gibt nimmer zu, daß diese Buße gilt.

Antonio.

Der Doge kann des Rechtes Lauf nicht hemmen;

Denn die Bequemlichkeit, die Fremde finden

Hier in Venedig, wenn man sie versagt,

Setzt die Gerechtigkeit des Staats herab,

Weil der Gewinn und Handel dieser Stadt

Beruht auf allen Völkern. Gehn wir denn!

Der Gram und der Verlust zehrt so an mir

Kaum werd ich ein Pfund Fleisch noch übrig haben

Auf morgen für den blutgen Gläubiger.

Komm, Schließer! Gebe Gott, daß nur Bassanio

Mich für ihn zahlen sieht, so gilt mir’s gleich. (Ab.)

Vierte Szene

Belmont. Ein Zimmer in Porzias Hause

Porzia, Nerissa, Lorenzo, Jessica und Balthasar kommen

Lorenzo.

Mein Fräulein, sag ich’s schon in Eurem Beisein,

Ihr habt ein edles und ein echt Gefühl

Von göttergleicher Freundschaft; das beweist Ihr,

Da Ihr die Trennung vom Gemahl so tragt.

Doch wüßtet Ihr, wem Ihr die Ehr erzeigt,

Welch einem biedern Mann Ihr Hilfe sendet,

Welch einem lieben Freunde Eures Gatten,

Ich weiß, Ihr wäret stolzer auf das Werk,

Als Euch gewohnte Güte drängen kann.

Porzia.

Noch nie bereut ich, daß ich Gutes tat,

Und werd es jetzt auch nicht; denn bei Genossen,

Die miteinander ihre Zeit verleben

Und deren Herz ein Joch der Liebe trägt,

Da muß unfehlbar auch ein Ebenmaß

Von Zügen sein, von Sitten und Gemüt.

Dies macht mich glauben, der Antonio,

Als Busenfreund von meinem Gatten, müsse

Durchaus ihm ähnlich sein. Wenn es so ist,

Wie wenig ist es, was ich aufgewandt,

Um meiner Seele Ebenbild zu lösen

Aus einem Zustand höllscher Grausamkeit!

Doch dies kommt einem Selbstlob allzu nah;

Darum nichts mehr davon. Hört andre Dinge:

Lorenzo, ich vertrau in Eure Hand

Die Wirtschaft und die Führung meines Hauses,

Bis zu Bassanios Rückkehr; für mein Teil

Ich sandt ein heimliches Gelübd zum Himmel,

Zu leben in Beschauung und Gebet,

Allein begleitet von Nerissa hier,

Bis zu der Rückkunft unser beider Gatten.

Ein Kloster liegt zwei Meilen weit von hier,

Da wollen wir verweilen. Ich ersuch Euch:

Lehnt nicht den Auftrag ab, den meine Liebe

Und eine Nötigung des Zufalls jetzt

Euch auferlegt.

Lorenzo.

Von ganzem Herzen, Fräulein;

In allem ist mir Euer Wink Befehl.

Porzia.

Schon wissen meine Leute meinen Willen

Und werden Euch und Jessica erkennen

An meiner eignen und Bassanios Statt.

So lebt denn wohl, bis wir uns wiedersehn!

Lorenzo.

Sei froher Mut mit Euch und heitre Stunden!

Jessica.

Ich wünsch Eur Gnaden alle Herzensfreude.

Porzia.

Ich dank Euch für den Wunsch und bin geneigt,

Ihn Euch zurückzuwünschen. – Jessica, lebt wohl!

(Jessica und Lorenzo ab.) Nun, Balthasar,

Wie ich dich immer treu und redlich fand,

Laß mich auch jetzt dich finden. Nimm den Brief

Und eile, was in Menschenkräften steht,

Nach Padua; gib ihn zu eignen Händen

An meinen Vetter ab, Doktor Bellario.

Sieh zu, was er dir für Papiere gibt

Und Kleider; bringe die in höchster Eil

Zur Überfahrt an die gemeine Fähre,

Die nach Venedig schifft. Verlier die Zeit

Mit Worten nicht; geh, ich bin vor dir da.

Balthasar.

Fräulein, ich geh mit aller schuldigen Eil. (Balthasar ab.)

Porzia.

Nerissa, komm. Ich hab ein Werk zur Hand,

Wovon du noch nicht weißt; wir wollen unsre Männer,

Eh sie es denken, sehn.

Nerissa.

Und sie auch uns?

Porzia.

Jawohl, Nerissa, doch in solcher Tracht,

Daß sie mit dem versehn uns denken sollen,

Was uns gebricht. Ich wette, was du willst:

Sind wir wie junge Männer aufgestutzt,

Will ich der feinste Bursch von beiden sein

Und meinen Degen mit mehr Anstand tragen

Und sprechen wie im Übergang vom Knaben

Zum Mann und einem heiseren Diskant.

Ich will zwei jüngferliche Tritte dehnen

Zu einem Männerschritt; vom Raufen sprechen

Wie kecke junge Herrn; und artig lügen,

Wie edle Frauen meine Liebe suchten

Und, da ich sie versagt, sich tot gehärmt. –

Ich konnte nicht mit allen fertig werden;

Und dann bereu ich es und wünsch, ich hätte

Bei alledem sie doch nicht umgebracht.

Und zwanzig solcher kleinen Lügen sag ich,

So daß man schwören soll, daß ich die Schule

Schon seit dem Jahr verließ. – Ich hab im Sinn

Wohl tausend Streiche solcher dreisten Gecken,

Die ich verüben will.

Nerissa.

So sollen wir in Männer uns verwandeln?

Porzia.

Ja, komm, ich sag dir meinen ganzen Anschlag,

Wenn wir im Wagen sind, der uns am Tor

Des Parks erwartet; darum laß uns eilen,

Denn wir durchmessen heut noch zwanzig Meilen. (Ab.)

Fünfte Szene

Belmont. Ein Garten

Lanzelot und Jessica kommen

Lanzelot.

Ja, wahrhaftig! Denn seht Ihr, die Sünden der Väter sollen an den Kindern heimgesucht werden: darum glaubt mir, ich bin besorgt für Euch. Ich ging immer gerade gegen Euch heraus, und so sage ich Euch meine Deliberation über die Sache. Also seid gutes Mutes, denn wahrhaftig, ich denke, Ihr seid verdammt. Es ist nur eine Hoffnung dabei, die Euch zustatten kommen kann, und das ist auch nur so eine Art von Bastardhoffnung.

Jessica.

Und welche Hoffnung ist das?

Lanzelot.

Ei, Ihr könnt gewissermaßen hoffen, daß Euer Vater Euch nicht erzeugt hat, daß Ihr nicht des Juden Tochter seid.

Jessica.

Das wäre in der Tat eine Art von Bastardhoffnung, dann würden die Sünden meiner Mutter an mir heimgesucht werden.

Lanzelot.

Wahrhaftig, dann fürchte ich, Ihr seid von Vater und Mutter wegen verdammt. Wenn ich die Scylla, Euren Vater, vermeide, so falle ich in die Charybdis, Eure Mutter; gut, Ihr seid auf eine und die andre Art verloren.

Jessica.

Ich werde durch meinen Mann selig werden; er hat mich zu einer Christin gemacht.

Lanzelot.

Wahrhaftig, da ist er sehr zu tadeln. Es gab unser vorher schon Christen genug, grade soviel, als nebeneinander gut bestehen konnten. Dies Christenmachen wird den Preis der Schweine steigern; wenn wir alle Schweinefleischesser werden, so ist in kurzem kein Schnittchen Speck in der Pfanne für Geld mehr zu haben. Lorenzo kommt.

Jessica.

Ich will meinem Mann erzählen, was Ihr sagt, Lanzelot; hier kommt er.

Lorenzo.

Bald werde ich eifersüchtig auf Euch, Lanzelot, wenn Ihr meine Frau so in die Ecken zieht.

Jessica.

Ihr habt nichts zu befürchten, Lorenzo; Lanzelot und ich, wir sind ganz entzweit. Er sagt mir grade heraus, im Himmel sei keine Gnade für mich, weil ich eines Juden Tochter bin; und er behauptet, daß Ihr kein gutes Mitglied des gemeinen Wesens seid, weil Ihr Juden zum Christentum bekehrt und dadurch den Preis des Schweinefleisches steigert.

Lorenzo.

Das kann ich besser beim gemeinen Wesen verantworten als Ihr Eure Streiche mit der Mohrin. Da Ihr ein Weißer seid, Lanzelot, hättet Ihr die Schwarze nicht so aufgeblasen machen sollen.

Lanzelot.

Es tut mir leid, wenn ich ihr etwas weisgemacht habe; aber da das Kind einen weisen Vater hat, wird es doch keine Waise sein.

Lorenzo.

Wie jeder Narr mit den Worten spielen kann! Bald, denke ich, wird sich der Witz am besten durch Stillschweigen bewähren und Gesprächigkeit bloß noch an Papageien gelobt werden. – Geht ins Haus, Bursch, sagt, daß sie zur Mahlzeit zurichten.

Lanzelot.

Das ist geschehn, Herr, sie haben alle Mägen.

Lorenzo.

Lieber Himmel, welch ein Witzschnapper Ihr seid! Sagt also, daß sie die Mahlzeit anrichten.

Lanzelot.

Das ist auch geschehn, es fehlt nur am Decken.

Lorenzo.

Wollt Ihr also decken?

Lanzelot.

Mich, Herr? Ich weiß besser, was sich schickt.

Lorenzo.

Wieder Silben gestochen! Willst du deinen ganzen Reichtum an Witz auf einmal zum besten geben? Ich bitte dich, verstehe einen schlichten Mann nach seiner schlichten Meinung. Geh zu deinen Kameraden, heiß sie den Tisch decken, das Essen auftragen, und wir wollen zur Mahlzeit hereinkommen.

Lanzelot.

Der Tisch, Herr, soll aufgetragen werden, das Essen soll gedeckt werden; und was Euer Hereinkommen zur Mahlzeit betrifft, dabei laßt Lust und Laune walten. (Ab.)

Lorenzo.

O heilige Vernunft, was eitle Worte!

Der Narr hat ins Gedächtnis sich ein Heer

Wortspiele eingeprägt. Und kenn ich doch

Gar manchen Narrn an einer bessern Stelle,

So aufgestutzt, der um ein spitzes Wort

Die Sache preisgibt. Wie geht’s dir, Jessica?

Und nun sag deine Meinung, liebes Herz,

Wie Don Bassanios Gattin dir gefällt?

Jessica.

Mehr als ich sagen kann. Es schickt sich wohl,

Daß Don Bassanio fromm sein Leben führe;

Denn da sein Weib ihm solch ein Segen ist,

Find’t er des Himmels Lust auf Erden schon.

Und will er das auf Erden nicht, so wär’s

Ihm recht, er käme niemals in den Himmel.

Ja, wenn zwei Götter irgendeine Wette

Des Himmels um zwei irdsche Weiber spielten,

Und Porzia wär die eine, tät es not,

Noch sonst was mit der andern auf das Spiel

Zu setzen; denn die arme rohe Welt

Hat ihresgleichen nicht.

Lorenzo.

Und solchen Mann

Hast du an mir, als er an ihr ein Weib.

Jessica.

Ei, fragt doch darum meine Meinung auch.

Lorenzo.

Sogleich; doch laß uns erst zur Mahlzeit gehn.

Jessica.

Nein, laßt mich vor der Sättigung Euch loben.

Lorenzo.

Nein, bitte, spare das zum Tischgespräch;

Wie du dann sprechen magst, so mit dem andern

Werd ich’s verdaun.

Jessica.

Nun gut, ich werd Euch anzupreisen wissen. (Ab.)

Vierter Aufzug

Erste Szene

Venedig. Ein Gerichtssaal

Der Doge, die Senatoren, Antonio, Bassanio, Graziano, Salarino, Solanio und andre

Doge.

Nun, ist Antonio da?

Antonio.

Eur Hoheit zu Befehl.

Doge.

Es tut mir leid um dich; du hast zu tun

Mit einem felsenharten Widersacher;

Es ist ein Unmensch, keines Mitleids fähig.

Kein Funk Erbarmen wohnt in ihm.

Antonio.

Ich hörte,

Daß sich Eur Hoheit sehr verwandt, zu mildern

Sein streng Verfahren; doch weil er sich verstockt

Und kein gesetzlich Mittel seinem Haß

Mich kann entziehn, so stell ich denn Geduld

Entgegen seiner Wut und bin gewaffnet

Mit Ruhe des Gemütes, auszustehn

Des seinen ärgsten Grimm und Tyrannei.

Doge.

Geh wer und ruf den Juden in den Saal.

Solanio.

Er wartet an der Tür; er kommt schon, Herr. Shylock kommt.

Doge.

Macht Platz, laßt ihn uns gegenüberstehn. –

Shylock, die Welt denkt, und ich denk es auch,

Du treibest diesen Anschein deiner Bosheit

Nur bis zum Augenblick der Tat; und dann,

So glaubt man, wirst du dein Erbarmen zeigen

Und deine Milde, wunderbarer noch

Als deine angenommne Grausamkeit.

Statt daß du jetzt das dir Verfallne eintreibst,

Ein Pfund von dieses armen Kaufmanns Fleisch,

Wirst du nicht nur die Buße fahren lassen,

Nein, auch gerührt von Lieb und Menschlichkeit,

Die Hälfte schenken von der Summe selbst,

Ein Aug des Mitleids auf die Schäden werfend,

Die kürzlich seine Schultern so bestürmt:

Genug, um einen königlichen Kaufmann

Ganz zu erdrücken und an seinem Fall

Teilnahme zu erzwingen, selbst von Herzen,

So hart wie Kieselstein, von ehrnen Busen

Von Türken und Tataren, nie gewöhnt

An Dienste zärtlicher Gefälligkeit.

Wir all erwarten milde Antwort, Jude.

Shylock.

Ich legt Eur Hoheit meine Absicht vor:

Bei unserm heilgen Sabbat schwor ich es,

Zu fordern, was nach meinem Schein mir zusteht.

Wenn Ihr es weigert, tut’s auf die Gefahr

Der Freiheit und Gerechtsam‘ Eurer Stadt.

Ihr fragt, warum ich lieber ein Gewicht

Von schnödem Fleisch will haben, als dreitausend

Dukaten zu empfangen? Darauf will ich

Nicht Antwort geben; aber setzet nun,

Daß mir’s so ansteht: ist das Antwort gnug?

Wie? wenn mich eine Ratt im Hause plagt?

Und ich, sie zu vergiften, nun dreitausend

Dukaten geben will? – Ist’s noch nicht Antwort gnug?

Es gibt der Leute, die kein schmatzend Ferkel

Ausstehen können; manche werden toll,

Wenn sie ’ne Katze sehn; noch andre können,

Wenn die Sackpfeife durch die Nase singt,

Den Harn nicht bei sich halten; denn die Triebe,

Der Leidenschaften Meister, lenken sie

Nach Lust und Abneigung. Nun, Euch zur Antwort:

Wie sich kein rechter Grund angeben läßt,

Daß der kein schmatzend Ferkel leiden kann,

Der keine Katz, ein harmlos nützlich Tier,

Der keinen Dudelsack; und muß durchaus

Sich solcher unfreiwillgen Schmach ergeben,

Daß er, belästigt, selbst belästgen muß;

So weiß ich keinen Grund, will keinen sagen,

Als eingewohnten Haß und Widerwillen,

Den mir Antonio einflößt, daß ich so

Ein mir nachteilig Recht an ihm verfolge.

Habt Ihr nun eine Antwort?

Bassanio.

Nein, es ist keine, du fühlloser Mann,

Die deine Grausamkeit entschuldgen könnte.

Shylock.

Muß ich nach deinem Sinn dir Antwort geben?

Bassanio.

Bringt jedermann das um, was er nicht liebt?

Shylock.

Wer haßt ein Ding und brächt es nicht gern um?

Bassanio.

Beleidigung ist nicht sofort auch Haß.

Shylock.

Was? läßt du dich die Schlange zweimal stechen?

Antonio.

Ich bitt Euch, denkt, Ihr rechtet mit dem Juden.

Ihr mögt so gut hintreten auf den Strand,

Die Flut von ihrer Höh sich senken heißen;

Ihr mögt so gut den Wolf zur Rede stellen,

Warum er nach dem Lamm das Schaf läßt blöken?

Ihr mögt so gut den Bergestannen wehren,

Ihr hohes Haupt zu schütteln und zu sausen,

Wenn sie des Himmels Sturm in Aufruhr setzt;

Ihr mögt so gut das Härteste bestehn,

Als zu erweichen suchen – was wär härter? –

Sein jüdisch Herz. – Ich bitt Euch also, bietet

Ihm weiter nichts, bemüht Euch ferner nicht

Und gebt in aller Kürz und gradezu

Mir meinen Spruch, dem Juden seinen Willen.

Bassanio.

Statt der dreitausend Dukaten sind hier sechs.

Shylock.

Wär jedes Stück von den sechstausend Dukaten

Sechsfach geteilt und jeder Teil ’n Dukat,

Ich nähm sie nicht, ich wollte meinen Schein.

Doge.

Wie hoffst du Gnade, da du keine übst?

Shylock.

Welch Urteil soll ich scheun, tu ich kein Unrecht?

Ihr habt viel feiler Sklaven unter Euch,

Die Ihr wie Eure Esel, Hund‘ und Maultier‘

In sklavischem, verworfnem Dienst gebraucht,

Weil Ihr sie kauftet. Sag ich nun zu Euch –

Laßt sie doch frei, vermählt sie Euren Erben;

Was plagt Ihr sie mit Lasten? laßt ihr Bett

So weich als Eures sein, labt ihren Gaum‘

Mit eben solchen Speisen. – Ihr antwortet:

Die Sklaven sind ja unser; und so geb ich

Zur Antwort: das Pfund Fleisch, das ich verlange,

Ist teur gekauft, ist mein, und ich will’s haben.

Wenn Ihr versagt, pfui über Eur Gesetz!

So hat das Recht Venedigs keine Kraft.

Ich wart auf Spruch; antwortet: soll ich’s haben?

Doge.

Ich bin befugt, die Sitzung zu entlassen,

Wo nicht Bellario, ein gelehrter Doktor,

Zu dem ich um Entscheidung ausgeschickt,

Hier heut erscheint.

Salarino.

Eur Hoheit, draußen steht

Ein Bote hier, mit Briefen von dem Doktor,

Er kommt soeben an von Padua.

Doge.

Bringt uns die Briefe, ruft den Boten vor.

Bassanio.

Wohlauf, Antonio! Freund, sei gutes Muts!

Der Jude soll mein Fleisch, Blut, alles haben,

Eh dir ein Tropfen Bluts für mich entgeht.

Antonio.

Ich bin ein angestecktes Schaf der Herde,

Zum Tod am tauglichsten; die schwächste Frucht

Fällt vor der andern, und so laßt auch mich.

Ihr könnt nicht bessern Dienst mir tun, Bassanio,

Als wenn Ihr lebt und mir die Grabschrift setzt. Nerissa tritt auf, als Schreiber eines Advokaten gekleidet.

Doge.

Kommt Ihr von Padua, von Bellario?

Nerissa.

Von beiden, Herr; Bellario grüßt Eur Hoheit. (Sie überreicht einen Brief.)

Bassanio.

Was wetzest du so eifrig da dein Messer?

Shylock.

Die Buß dem Bankrottierer auszuschneiden.

Graziano.

An deiner Seel, an deiner Sohle nicht,

Machst du dein Messer scharf, du harter Jude!

Doch kein Metall, selbst nicht des Henkers Beil,

Hat halb die Schärfe deines scharfen Grolls.

So können keine Bitten dich durchdringen?

Shylock.

Nein, keine, die du Witz zu machen hast.

Graziano.

O sei verdammt, du unbarmherzger Hund!

Und um dein Leben sei Gerechtigkeit verklagt.

Du machst mich irre fast in meinem Glauben,

Daß ich es halte mit Pythagoras,

Wie Tieresseelen in die Leiber sich

Von Menschen stecken; einen Wolf regierte

Dein hündscher Geist, der, aufgehenkt für Mord,

Die grimme Seele weg vom Galgen riß

Und, weil du lagst in deiner schnöden Mutter,

In dich hineinfuhr; denn dein ganz Begehren

Ist wölfisch, blutig, räuberisch und hungrig.

Shylock.

Bis du von meinem Schein das Siegel wegschiltst,

Tust du mit Schrein nur deiner Lunge weh.

Stell deinen Witz her, guter junger Mensch,

Sonst fällt er rettungslos in Trümmern dir.

Ich stehe hier um Recht.

Doge.

Der Brief da von Bellarios Hand empfiehlt

Uns einen jungen und gelehrten Doktor. –

Wo ist er denn?

Nerissa.

Er wartet dicht bei an

Auf Antwort, ob Ihr Zutritt ihm vergönnt.

Doge.

Von ganzem Herzen! Geht ein paar von euch

Und gebt ihm höfliches Geleit hieher.

Hör das Gericht indes Bellarios Brief.

Ein Schreiber (liest).

«Eur Hoheit dient zur Nachricht, daß ich beim Empfange Eures Briefes sehr krank war. Aber in dem Augenblick, da Euer Bote ankam, war bei mir auf einen freundschaftlichen Besuch ein junger Doktor von Rom, namens Balthasar. Ich machte ihn mit dem streitigen Handel zwischen dem Juden und dem Kaufmann Antonio bekannt; wir schlugen viele Bücher nach. Er ist von meiner Meinung unterrichtet, die er, berichtigt durch seine eigne Gelehrsamkeit (deren Umfang ich nicht genug empfehlen kann), mitgenommen hat, um auf mein Andringen Euer Hoheit an meiner Statt Genüge zu leisten. Ich ersuche Euch, laßt seinen Mangel an Jahren keinen Grund sein, ihm eine anständige Achtung zu versagen; denn ich kannte noch niemals einen so jungen Körper mit einem so alten Kopf. Ich überlasse ihn Eurer gnädigen Aufnahme; seine Prüfung wird ihn am besten empfehlen.»

Doge.

Ihr hört, was der gelehrte Mann uns schreibt,

Und hier, so glaub ich, kommt der Doktor schon.

Porzia tritt auf, wie ein Rechtsgelehrter gekleidet.

Gebt mir die Hand; Ihr kommt von unserm alten

Bellario?

Porzia.

Zu dienen, gnädger Herr!

Doge.

Ihr seid willkommen! nehmet Euren Platz.

Seid Ihr schon mit der Zwistigkeit bekannt,

Die hier vor dem Gericht verhandelt wird?

Porzia.

Ich bin ganz unterrichtet von der Sache.

Wer ist der Kaufmann hier und wer der Jude?

Doge.

Antonio, alter Shylock, tretet vor!

Porzia.

Eur Nam ist Shylock?

Shylock.

Shylock ist mein Name.

Porzia.

Von wunderlicher Art ist Euer Handel,

Doch in der Form, daß das Gesetz Venedigs

Euch nicht anfechten kann, wie Ihr verfahrt. –

Ihr seid von ihm gefährdet; seid Ihr nicht?

Antonio.

Ja, wie er sagt.

Porzia.

Den Schein erkennt Ihr an?

Antonio.

Ja.

Porzia.

So muß der Jude Gnad ergehen lassen.

Shylock.

Wodurch genötigt, muß ich? Sagt mir das.

Porzia.

Die Art der Gnade weiß von keinem Zwang.

Sie träufelt wie des Himmels milder Regen

Zur Erde unter ihr; zwiefach gesegnet:

Sie segnet den, der gibt, und den, der nimmt;

Am mächtigsten in Mächtgen, zieret sie

Den Fürsten auf dem Thron mehr als die Krone.

Das Zepter zeigt die weltliche Gewalt,

Das Attribut der Würd und Majestät,

Worin die Furcht und Scheu der Könge sitzt.

Doch Gnad ist über diese Zeptermacht,

Sie thronet in dem Herzen der Monarchen,

Sie ist ein Attribut der Gottheit selbst,

Und irdsche Macht kommt göttlicher am nächsten,

Wenn Gnade bei dem Recht steht. Darum, Jude,

Suchst du um Recht schon an, erwäge dies:

Daß nach dem Lauf des Rechtes unser keiner

Zum Heile käm; wir beten all um Gnade,

Und dies Gebet muß uns der Gnade Taten

Auch üben lehren. Dies hab ich gesagt,

Um deine Forderung des Rechts zu mildern;

Wenn du darauf bestehst, so muß Venedigs

Gestrenger Hof durchaus dem Kaufmann dort

Zum Nachteil einen Spruch tun.

Shylock.

Meine Taten

Auf meinen Kopf! Ich fordre das Gesetz,

Die Buße und Verpfändung meines Scheins.

Porzia.

Ist er das Geld zu zahlen nicht imstand?

Bassanio.

O ja, hier biet ich’s ihm vor dem Gericht,

Ja, doppelt selbst; wenn das noch nicht genügt,

Verpflicht ich mich, es zehnfach zu bezahlen,

Und setze Hände, Kopf und Herz zum Pfand.

Wenn dies noch nicht genügt, so zeigt sich’s klar,

Die Bosheit drückt die Redlichkeit. Ich bitt Euch,

Beugt einmal das Gesetz nach Eurem Ansehn:

Tut kleines Unrecht um ein großes Recht

Und wehrt dem argen Teufel seinen Willen.

Porzia.

Es darf nicht sein. Kein Ansehn in Venedig

Vermag ein gültiges Gesetz zu ändern.

Es würde als ein Vorgang angeführt,

Und mancher Fehltritt nach demselben Beispiel

Griff‘ um sich in dem Staat; es kann nicht sein.

Shylock.

Ein Daniel kommt zu richten, ja, ein Daniel!

Wie ich dich ehr, o weiser junger Richter!

Porzia.

Ich bitte, gebt zum Ansehn mir den Schein.

Shylock.

Hier ist er, mein ehrwürdger Doktor, hier!

Porzia.

Shylock, man bietet dreifach dir dein Geld.

Shylock.

Ein Eid! Ein Eid! ich hab ’nen Eid im Himmel.

Soll ich auf meine Seele Meineid laden?

Nicht um Venedig.

Porzia.

Gut, er ist verfallen,

Und nach den Rechten kann der Jud hierauf

Verlangen ein Pfund Fleisch, zunächst am Herzen

Des Kaufmanns auszuschneiden. – Sei barmherzig!

Nimm dreifach Geld, laß mich den Schein zerreißen.

Shylock.

Wenn er bezahlt ist, wie sein Inhalt lautet. –

Es zeigt sich klar, Ihr seid ein würdger Richter;

Ihr kennt die Rechte, Euer Vortrag war

Der bündigste; ich fordr Euch auf beim Recht,

Wovon Ihr ein verdienter Pfeiler seid,

Kommt nun zum Spruch; bei meiner Seele schwör ich,

Daß keines Menschen Zunge über mich

Gewalt hat; ich steh hier auf meinen Schein.

Antonio.

Von ganzem Herzen bitt ich das Gericht,

Den Spruch zu tun.

Porzia.

Nun wohl, so steht es denn!

Bereitet Euren Busen für sein Messer.

Shylock.

O weiser Richter! wackrer junger Mann.

Porzia.

Denn des Gesetzes Inhalt und Bescheid

Hat volle Übereinkunft mit der Buße,

Die hier im Schein als schuldig wird erkannt.

Shylock.

Sehr wahr; o weiser und gerechter Richter!

Um wieviel älter bist du, als du aussiehst!

Porzia.

Deshalb entblößt den Busen.

Shylock.

Ja, die Brust,

So sagt der Schein – nicht wahr, mein edler Richter?

«Zunächst dem Herzen», sind die eignen Worte.

Porzia.

So ist’s. Ist eine Waage da, das Fleisch

Zu wägen?

Shylock.

Ja, ich hab sie bei der Hand.

Porzia.

Nehmt einen Feldscher, Shylock, für Eur Geld,

Ihn zu verbinden, daß er nicht verblutet.

Shylock.

Ist das so angegeben in dem Schein?

Porzia.

Es steht nicht da; allein was tut’s? Es wär

Doch gut, Ihr tätet das aus Menschenliebe.

Shylock.

Ich kann’s nicht finden, ’s ist nicht in dem Schein.

Porzia.

Kommt, Kaufmann! habt Ihr irgend was zu sagen?

Antonio.

Nur wenig; ich bin fertig und gerüstet.

Gebt mir die Hand, Bassanio, lebet wohl!

Es kränk Euch nicht, daß dies für Euch mich trifft,

Denn hierin zeigt das Glück sich gütiger

Als seine Weis ist; immer läßt es sonst

Elende ihren Reichtum überleben,

Mit hohlem Aug und faltger Stirn ein Alter

Der Armut anzusehn; von solcher Schmach

Langwier’ger Buße nimmt es mich hinweg.

Empfehlt mich Eurem edlen Weib, erzählt Ihr

Den Hergang von Antonios Ende; sagt,

Wie ich Euch liebte; rühmt im Tode mich;

Und wenn Ihr’s auserzählt, heißt sie entscheiden,

Ob nicht Bassanio einst geliebt ist worden.

Bereut nicht daß Ihr einen Freund verliert

Und er bereut nicht, daß er für Euch zahlt:

Denn schneidet nur der Jude tief genug,

So zahl ich gleich die Schuld von ganzem Herzen.

Bassanio.

Antonio, ich hab ein Weib zur Ehe,

Die mir so lieb ist als mein Leben selbst;

Doch Leben selbst, mein Weib und alle Welt

Gilt höher als dein Leben nicht bei mir.

Ich gäbe alles hin, ja opfert‘ alles

Dem Teufel da, um dich nur zu befrein.

Porzia.

Da wüßt Eur Weib gewiß Euch wenig Dank,

Wär sie dabei und hört Eur Anerbieten.

Graziano.

Ich hab ein Weib, die ich auf Ehre liebe;

Doch wünscht ich sie im Himmel, könnte sie

Dort eine Macht erflehn, des hündschen Juden

Gemüt zu ändern.

Nerissa.

Gut, daß Ihr’s hinter ihrem Rücken tut,

Sonst störte wohl der Wunsch des Hauses Frieden.

Shylock (beiseite).

So sind die Christenmänner; ich hab ’ne Tochter:

Wär irgendwer vom Stamm des Barrabas

Ihr Mann geworden, lieber als ein Christ! –

Die Zeit geht hin; ich bitt Euch, kommt zum Spruch.

Porzia.

Ein Pfund von dieses Kaufmanns Fleisch ist dein.

Der Hof erkennt es, und das Recht erteilt es.

Shylock.

O höchst gerechter Richter! –

Porzia.

Ihr müßt das Fleisch ihm schneiden aus der Brust:

Das Recht bewilligt’s, und der Hof erkennt es.

Shylock.

O höchst gelehrter Richter! – Na, ein Spruch!

Kommt, macht Euch fertig.

Porzia.

Wart noch ein wenig: Eins ist noch zu merken!

Der Schein hier gibt dir nicht ein Tröpfchen Blut;

Die Worte sind ausdrücklich: ein Pfund Fleisch!

Nimm denn den Schein, und nimm du dein Pfund Fleisch;

Allein vergießest du, indem du’s abschneidst,

Nur einen Tropfen Christenblut, so fällt

Dein Hab und Gut nach dem Gesetz Venedigs

Dem Staat Venedigs heim.

Graziano.

Gerechter Richter! – merk, Jud! – o weiser Richter!

Shylock.

Ist das Gesetz?

Porzia.

Du sollst die Akte sehn.

Denn, weil du dringst auf Recht, so sei gewiß:

Recht soll dir werden, mehr als du begehrst.

Graziano.

O weiser Richter! – merk, Jud! ein weiser Richter!

Shylock.

Ich nehme das Erbieten denn: zahlt dreifach

Mir meinen Schein und laßt den Christen gehn.

Bassanio.

Hier ist das Geld.

Porzia.

Halt!

Dem Juden alles Recht – still! keine Eil!

Er soll die Buße haben, weiter nichts.

Graziano.

O Jud! ein weiser, ein gerechter Richter!

Porzia.

Darum bereite dich, das Fleisch zu schneiden.

Vergieß kein Blut, schneid auch nicht mehr noch minder

Als grad ein Pfund; ist’s minder oder mehr

Als ein genaues Pfund, sei’s nur soviel,

Es leichter oder schwerer an Gewicht

Zu machen, um ein armes Zwanzigstteil

Von einem Skrupel, ja wenn sich die Waagschal

Nur um die Breite eines Haares neigt,

So stirbst du, und dein Gut verfällt dem Staat.

Graziano.

Ein zweiter Daniel, ein Daniel, Jude!

Ungläubiger, ich hab dich bei der Hüfte.

Porzia.

Was hält den Juden auf? Nimm deine Buße.

Shylock.

Gebt mir mein Kapital und laßt mich gehn.

Bassanio.

Ich hab es schon für dich bereit: hier ist’s.

Porzia.

Er hat’s vor offenem Gericht geweigert:

Sein Recht nur soll er haben und den Schein.

Graziano.

Ich sag, ein Daniel, ein zweiter Daniel!

Dank, Jude, daß du mich das Wort gelehrt.

Shylock.

Soll ich nicht haben bloß mein Kapital?

Porzia.

Du sollst nichts haben als die Buße, Jude,

Die du auf eigene Gefahr magst nehmen.

Shylock.

So lass‘ es ihm der Teufel wohl bekommen!

Ich will nicht länger Rede stehn.

Porzia.

Wart, Jude!

Das Recht hat andern Anspruch noch an dich.

Es wird verfügt in dem Gesetz Venedigs,

Wenn man es einem Fremdling dargetan,

Daß er durch Umweg‘ oder gradezu

Dem Leben eines Bürgers nachgestellt,

Soll die Partei, auf die sein Anschlag geht,

Die Hälfte seiner Güter an sich ziehn;

Die andre Hälfte fällt dem Schatz anheim,

Und an des Dogen Gnade hängt das Leben

Des Schuldgen einzig, gegen alle Stimmen.

In der Benennung, sag ich, stehst du nun,

Denn es erhellt aus offenbarem Hergang,

Daß du durch Umweg‘ und auch gradezu

Recht eigentlich gestanden dem Beklagten

Nach Leib und Leben: und so trifft dich denn

Die Androhung, die ich zuvor erwähnt.

Drum nieder, bitt um Gnade bei dem Dogen!

Graziano.

Bitt um Erlaubnis, selber dich zu hängen;

Und doch, da all dein Gut dem Staat verfällt,

Behältst du nicht den Wert von einem Strick;

Man muß dich hängen auf des Staates Kosten.

Doge.

Damit du siehst, welch andrer Geist uns lenkt,

So schenk ich dir das Leben, eh du bittest.

Dein halbes Gut gehört Antonio,

Die andre Hälfte fällt dem Staat anheim,

Was Demut lindern kann zu einer Buße.

Porzia.

Ja, für den Staat, nicht für Antonio.

Shylock.

Nein, nehmt mein Leben auch, schenkt mir das nicht!

Ihr nehmt mein Haus, wenn ihr die Stütze nehmt,

Worauf mein Haus beruht; ihr nehmt mein Leben,

Wenn ihr die Mittel nehmt, wodurch ich lebe.

Porzia.

Was könnt Ihr für ihn tun, Antonio?

Graziano.

Ein Strick umsonst! nichts mehr, um Gottes willen!

Antonio.

Beliebt mein gnädger Herr und das Gericht

Die Buße seines halben Guts zu schenken,

So bin ich es zufrieden, wenn er mir

Die andre Hälfte zum Gebrauche läßt,

Nach seinem Tod dem Mann sie zu erstatten,

Der kürzlich seine Tochter stahl.

Noch zweierlei beding ich: daß er gleich

Für diese Gunst das Christentum bekenne;

Zum andern, stell er eine Schenkung aus

Hier vor Gericht von allem, was er nachläßt,

An seinen Schwiegersohn und seine Tochter.

Doge.

Das soll er tun, ich widerrufe sonst

Die Gnade, die ich eben hier erteilt.

Porzia.

Bist du’s zufrieden, Jude? Nun, was sagst du?

Shylock.

Ich bin’s zufrieden.

Porzia.

Ihr, Schreiber, setzt die Schenkungsakte auf.

Shylock.

Ich bitt, erlaubt mir, weg von hier zu gehn:

Ich bin nicht wohl, schickt mir die Akte nach,

Und ich will zeichnen.

Doge.

Geh denn, aber tu’s.

Graziano.

Du wirst zwei Paten bei der Taufe haben;

Wär ich dein Richter, kriegtest du zehn mehr –

Zum Galgen, nicht zum Taufstein, dich zu bringen. (Shylock ab.)

Doge.

Ich lad Euch, Herr, zur Mahlzeit bei mir ein.

Porzia.

Ich bitt Eur Hoheit uni Entschuldigung.

Ich muß vor Abend fort nach Padua

Und bin genötigt, gleich mich aufzumachen.

Doge.

Es tut mir leid, daß Ihr Verhindrung habt.

Antonio, zeigt Euch dankbar diesem Mann:

Ihr seid ihm sehr verpflichtet, wie mich dünkt. (Doge, Senatoren und Gefolge ab.)

Bassanio.

Mein würdger Herr, ich und mein Freund, wir sind

Durch Eure Weisheit heute losgesprochen

Von schweren Bußen; für den Dienst erwidern

Wir mit der Schuld des Juden, den dreitausend

Dukaten, willig die gewogne Müh.

Antonio.

Und bleiben Euer Schuldner überdies

An Liebe und an Diensten immerfort.

Porzia.

Wer wohl zufrieden ist, ist wohl bezahlt;

Ich bin zufrieden, da ich euch befreit,

Und halte dadurch mich für wohl bezahlt;

Lohnsüchtiger war niemals mein Gemüt.

Ich bitt euch, kennt mich, wenn wir mal uns treffen;

Ich wünsch euch Gutes, und so nehm ich Abschied.

Bassanio.

Ich muß noch in Euch dringen, bester Herr:

Nehmt doch ein Angedenken, nicht als Lohn,

Nur als Tribut; gewährt mir zweierlei,

Mir’s nicht zu weigern und mir zu verzeihn.

Porzia.

Ihr dringt sehr in mich! gut, ich gebe nach:

Gebt Eure Handschuh mir, ich will sie tragen,

Und, Euch zur Lieb, nehm ich den Ring von Euch.

Zieht nicht die Hand zurück, ich will nichts weiter,

Und weigern dürft Ihr’s nicht, wenn Ihr mich liebt.

Bassanio.

Der Ring – ach, Herr! ist eine Kleinigkeit,

Ihn Euch zu geben, müßt ich mich ja schämen.

Porzia.

Ich will nichts weiter haben als den Ring,

Und, wie mich dünkt, hab ich nun Lust dazu.

Bassanio.

Es hängt an diesem Ring mehr als sein Wert;

Den teursten in Venedig geb ich Euch

Und find ihn aus durch öffentlichen Ausruf.

Für diesen bitt ich nur, entschuldigt mich.

Porzia.

Ich seh, Ihr seid freigebig im Erbieten;

Ihr lehrtet erst mich bitten, und nun scheint es,

Ihr lehrt mich, wie man Bettlern Antwort gibt.

Bassanio.

Den Ring gab meine Frau mir, bester Herr;

Sie steckte mir ihn an und hieß mich schwören,

Ich woll ihn nie verlieren noch vergeben.

Porzia.

Mit solchen Worten spart man seine Gaben.

Ist Eure Frau nicht gar ein töricht Weib

Und weiß, wie gut ich diesen Ring verdient,

So wird sie nicht auf immer Feindschaft halten,

Weil Ihr ihn weggabt. Gut, gehabt Euch wohl! (Porzia und Nerissa ab.)

Antonio.

Laßt ihn den Ring doch haben, Don Bassanio;

Laßt sein Verdienst zugleich mit meiner Liebe

Euch gelten gegen Eurer Frau Gebot.

Bassanio.

Geh, Graziano, lauf und hol ihn ein,

Gib ihm den Ring und bring ihn, wenn du kannst,

Zu des Antonio Haus. Fort! eile dich!

(Graziano ab.)

Kommt, Ihr und ich, wir wollen gleich dahin,

Und früh am Morgen wollen wir dann beide

Nach Belmont fliegen. Kommt, Antonio! (Ab.)

Zweite Szene

Eine Straße

Porzia und Nerissa kommen

Porzia.

Erfrag des Juden Haus, gib ihm die Akte

Und laß ihn zeichnen. Wir wollen fort zu Nacht

Und einen Tag vor unsern Männern noch

Zu Hause sein. Die Akte wird Lorenzen

Gar sehr willkommen sein. Graziano kommt.

Graziano.

Schön, daß ich Euch noch treffe, werter Herr.

Hier schickt Euch Don Bassanio, da er besser

Es überlegt, den Ring und bittet Euch,

Mittags bei ihm zu speisen.

Porzia.

Das kann nicht sein;

Den Ring nehm ich mit allem Danke an

Und bitt Euch, sagt ihm das; seid auch so gut,

Den jungen Mann nach Shylocks Haus zu weisen.

Graziano.

Das will ich tun.

Nerissa (zu Porzia).

Herr, noch ein Wort mit Euch. –

(Heimlich.) Ich will doch sehn, von meinem Mann den Ring

Zu kriegen, den ich immer zu bewahren

Ihn schwören ließ.

Porzia.

Ich steh dafür, du kannst es.

Da wird’s an hoch und teuer Schwören gehn,

Daß sie die Ring an Männer weggegeben;

Wir leugnen’s keck und überschwören sie.

Fort! eile dich! Du weißt ja, wo ich warte.

Nerissa.

Kommt, lieber Herr! wollt Ihr sein Haus mir zeigen? (Ab.)

Fünfter Aufzug

Erste Szene

Belmont. Freier Platz vor Porzias Hause

Lorenzo und Jessica treten auf

Lorenzo.

Der Mond scheint hell. In solcher Nacht wie diese,

Da linde Luft die Bäume schmeichelnd küßte

Und sie nicht rauschen ließ, in solcher Nacht

Erstieg wohl Troilus die Mauern Trojas

Und seufzte seine Seele zu den Zelten

Der Griechen hin, wo seine Cressida

Die Nacht in Schlummer lag.

Jessica.

In solcher Nacht

Schlüpft‘ überm Taue Thisbe furchtsam hin

Und sah des Löwen Schatten eh als ihn

Und lief erschrocken weg.

Lorenzo.

In solcher Nacht

Stand Dido, eine Weid in ihrer Hand,

Am wilden Strand und winkte ihrem Liebsten

Zur Rückkehr nach Karthago.

Jessica.

In solcher Nacht

Las einst Medea jene Zauberkräuter,

Den Äson zu verjüngen.

Lorenzo.

In solcher Nacht

Stahl Jessica sich von dem reichen Juden

Und lief mit einem ausgelaßnen Liebsten

Bis Belmont von Venedig.

Jessica.

In solcher Nacht

Schwor ihr Lorenzo, jung und zärtlich, Liebe

Und stahl ihr Herz mit manchem Treugelübd,

Wovon nicht eines echt war.

Lorenzo.

In solcher Nacht

Verleumdete die artge Jessica

Wie eine kleine Schelmin ihren Liebsten,

Und er vergab es ihr.

Jessica.

Ich wollt Euch übernachten, käme niemand.

Doch horcht! ich hör den Fußtritt eines Manns. Ein Bedienter kommt.

Lorenzo.

Wer kommt so eilig in der stillen Nacht?

Bedienter.

Ein Freund.

Lorenzo.

Ein Freund? was für ein Freund? Eur Name, Freund?

Bedienter.

Mein Nam ist Stephano, und ich soll melden,

Daß meine gnädge Frau vor Tages Anbruch

Wird hier in Belmont sein; sie streift umher

Bei heilgen Kreuzen, wo sie kniet und betet

Um frohen Ehestand.

Lorenzo.

Wer kommt mit ihr?

Bedienter.

Ein heilger Klausner und ihr Mädchen bloß.

Doch sagt mir, ist mein Herr noch nicht zurück?

Lorenzo.

Nein, und wir haben nichts von ihm gehört.

Doch, liebe Jessica, gehn wir hinein;

Laß uns auf einen feierlichen Willkomm

Für die Gebieterin des Hauses denken. Lanzelot kommt.

Lanzelot.

Holla, holla! he! heda! holla! holla!

Lorenzo.

Wer ruft?

Lanzelot.

Holla! habt Ihr Herrn Lorenzo und Frau Lorenzo gesehn? Holla! holla!

Lorenzo.

Laß dein Hollarufen, Kerl! Hier!

Lanzelot.

Holla! wo? wo?

Lorenzo.

Hier!

Lanzelot.

Sagt ihm, daß ein Postillon von meinem Herrn gekommen ist, der sein Horn voll guter Neuigkeiten hat: mein Herr wird vor morgens hier sein. (Lanzelot ab.)

Lorenzo.

Komm, süßes Herz, erwarten wir sie drinnen.

Und doch, es macht nichts aus: wozu hineingehn?

Freund Stephano, ich bitt Euch, meldet gleich

Im Haus die Ankunft Eurer gnädgen Frau

Und bringt die Musikanten her ins Freie.

(Stephano ab.)

Wie süß das Mondlicht auf dem Hügel schläft!

Hier sitzen wir und lassen die Musik

Zum Ohre schlüpfen; sanfte Still und Nacht,

Stimmt zu den Klängen süßer Harmonie.

Komm, Jessica! Sieh, wie die Himmelsflur

Ist eingelegt mit Scheiben lichten Goldes!

Auch nicht der kleinste Kreis, den du da siehst,

Der nicht im Schwunge wie ein Engel singt,

Zum Chor der hellgeaugten Cherubim.

So voller Harmonie sind ewge Geister:

Nur wir, weil dies hinfällge Kleid von Staub

Und grob umhüllt, wir können sie nicht hören.

Musikanten kommen.

He! kommt und weckt Dianen auf mit Hymnen,

Rührt euer Herrin Ohr mit zartem Spiel, (Musik)

Zieht mit Musik sie heim.

Jessica.

Nie macht die liebliche Musik mich lustig.

Lorenzo.

Der Grund ist, Eure Geister sind gespannt.

Bemerkt nur eine wilde flüchtge Herde,

Der ungezähmten jungen Füllen Schar:

Sie machen Sprünge, brüllen, wiehern laut,

Wie ihres Blutes heiße Art sie treibt;

Doch schaut nur die Trompete oder trifft

Sonst eine Weise der Musik ihr Ohr,

So seht Ihr, wie sie miteinander stehn;

Ihr wildes Auge schaut mit Sittsamkeit,

Durch süße Macht der Töne. Drum lehrt der Dichter,

Gelenkt hab Orpheus Bäume, Felsen, Fluten,

Weil nichts so stöckisch, hart und voll von Wut,

Das nicht Musik auf eine Zeit verwandelt.

Der Mann, der nicht Musik hat in ihm selbst,

Den nicht die Eintracht süßer Töne rührt,

Taugt zu Verrat, zu Räuberei und Tücken;

Die Regung seines Sinns ist dumpf wie Nacht,

Sein Trachten düster wie der Erebus.

Trau keinem solchen! – Horch auf die Musik! Porzia und Nerissa in der Entfernung

Porzia.

Das Licht, das wir da sehen, brennt im Saal;

Wie weit die kleine Kerze Schimmer wirft!

So scheint die gute Tat in arger Welt.

Nerissa.

Da der Mond schien, sahn wir die Kerze nicht.

Porzia.

So löscht der größre Glanz den kleinern aus.

Ein Stellvertreter strahlet wie ein König,

Bis ihm ein König naht; und dann ergießt

Sein Prunk sich, wie vom innern Land ein Bach

Ins große Bett der Wasser. Horch, Musik!

Nerissa.

Es sind die Musikanten Eures Hauses.

Porzia.

Ich sehe, nichts ist ohne Rücksicht gut;

Mich dünkt, sie klingt viel schöner als bei Tag.

Nerissa.

Die Stille gibt den Reiz ihr, gnädge Frau.

Porzia.

Die Krähe singt so lieblich wie die Lerche,

Wenn man auf keine lauschet; und mir deucht,

Die Nachtigall, wenn sie bei Tage sänge,

Wo alle Gänse schnattern, hielt‘ man sie

Für keinen bessern Spielmann als den Spatz.

Wie manches wird durch seine Zeit gezeitigt

Zu echtem Preis und zur Vollkommenheit! –

Still! Luna schläft ja beim Endymion

Und will nicht aufgeweckt sein. (Die Musik hört auf.)

Lorenzo.

Wenn nicht alles

Mich trügt, ist das die Stimme Porzias.

Porzia.

Er kennt mich, wie der blinde Mann den Kuckuck,

An meiner schlechten Stimme.

Lorenzo.

Gnädge Frau, willkommen!

Porzia.

Wir beteten für unsrer Männer Wohlfahrt

Und hoffen, unsre Worte fördern sie:

Sind sie zurück?

Lorenzo.

Bis jetzt nicht, gnädge Frau.

Allein ein Bote ist vorausgekommen,

Sie anzumelden.

Porzia.

Geh hinein, Nerissa,

Sag meinen Leuten, daß sie gar nicht tun,

Als wären wir vom Haus entfernt gewesen; –

Auch Ihr, Lorenzo! Jessica, auch Ihr! (Trompetenstoß.)

Lorenzo.

Da kommt schon Eur Gemahl, ich höre blasen;

Wir sind nicht Plaudertaschen, fürchtet nichts.

Porzia.

Mich dünkt, die Nacht ist nur ein krankes Tagslicht,

Sie sieht ein wenig bleicher; ’s ist ein Tag

Wie’s Tag ist, wenn die Sonne sich verbirgt. Bassanio, Antonio, Graziano treten auf mit ihrem Gefolge.

Bassanio.

Wir hielten mit den Antipoden Tag,

Erschient Ihr, während sich die Sonn entfernt.

Porzia.

Wenn mein Betragen nur das Licht nicht scheut,

So mag mein Fußtritt wohl im Dunkeln wandeln:

Ihr seid zu Haus willkommen, mein Gemahl!

Bassanio.

Ich dank Euch, heißt willkommen meinen Freund!

Dies ist der Mann, dies ist Antonio,

Dem ich so grenzenlos verpflichtet bin.

Porzia.

Ihr müßt in allem ihm verpflichtet sein;

Ich hör, er hat sich sehr für Euch verpflichtet.

Antonio.

Zu mehr nicht, als ich glücklich bin gelöst.

Porzia.

Herr, Ihr seid unserm Hause sehr willkommen!

Es muß sich anders zeigen als in Reden,

Drum kürz ich diese Wortbegrüßung ab. Graziano und Nerissa haben sich unterdessen besonders unterredet.

Graziano.

Ich schwör’s bei jenem Mond, Ihr tut mir Unrecht!

Fürwahr, ich gab ihn an des Richters Schreiber:

Wär er verschnitten, dem ich ihn geschenkt,

Weil Ihr Euch, Liebste, so darüber kränkt!

Porzia.

Wie? schon ein Zank? worüber kam es her?

Graziano.

Um einen Goldreif, einen dürftgen Ring,

Den sie mir gab; der Denkspruch war daran

Genau der Art, wie Vers‘ auf einer Klinge

Vom Messerschmied: «Liebt mich und laßt mich nicht.»

Nerissa.

Was redet Ihr vom Denkspruch und dem Wert?

Ihr schwurt mir, da ich ihn Euch gab, Ihr wolltet

Ihn tragen bis zu Eurer Todesstunde;

Er sollte selbst im Sarge mit Euch ruhn.

Ihr mußtet ihn um Eurer Eide willen,

Wo nicht um mich, verehren und bewahren.

Des Richters Schreiber! – o ich weiß, der Schreiber,

Der ihn bekam, trägt niemals Haar am Kinn.

Graziano.

Doch, wenn er lebt, bis er zum Mann erwächst.

Nerissa.

Ja, wenn ein Weib zum Manne je erwächst.

Graziano.

Auf Ehr, ich gab ihn einem jungen Menschen,

’ner Art von Buben, einem kleinen Knirps,

Nicht höher als du selbst, des Richters Schreiber.

Der Plauderbub erbat den Ring zum Lohn:

Ich konnt ihm das um alles nicht versagen.

Porzia.

Ihr wart zu tadeln, offen sag ich’s Euch,

Euch von der ersten Gabe Eurer Frau

So unbedacht zu trennen; einer Sache,

Mit Eiden angesteckt an Euren Finger

Und so mit Treu an Euren Leib geschmiedet.

Ich schenkte meinem Liebsten einen Ring

Und hieß ihn schwören, nie ihn wegzugeben;

Hier steht er, und ich darf für ihn beteuern,

Er ließ‘ ihn nicht, er riss‘ ihn nicht vom Finger

Für alle Schätze, so die Welt besitzt.

Ihr gabt fürwahr, Graziano, Eurer Frau

Zu lieblos eine Ursach zum Verdruß;

Geschäh es nur, es machte mich verrückt.

Bassanio (beiseite).

Ich möchte mir die linke Hand nur abhaun

Und schwören, ich verlor den Ring im Kampf.

Graziano.

Bassanio schenkte seinen Ring dem Richter,

Der darum bat und in der Tat ihn auch

Verdiente; dann erbat der Bursch, sein Schreiber,

Der Müh vom Schreiben hatte, meinen sich,

Und weder Herr noch Diener wollten was

Als die zwei Ringe nehmen.

Porzia.

Welch einen Ring gabt Ihr ihm, mein Gemahl?

Nicht den, hoff ich, den Ihr von mir empfingt.

Bassanio.

Könnt ich zum Fehler eine Lüge fügen,

So würd ich’s leugnen; doch Ihr seht, mein Finger

Hat nicht den Ring mehr an sich, er ist fort.

Porzia.

Gleich leer an Treu ist Euer falsches Herz.

Beim Himmel, nie komm ich in Euer Bett,

Bis ich den Ring gesehn.

Nerissa.

Noch ich in Eures,

Bis ich erst meinen sehe.

Bassanio.

Holde Porzia,

Wär Euch bewußt, wem ich ihn gab, den Ring,

Wär Euch bewußt, für wen ich gab den Ring,

Und säht Ihr ein, wofür ich gab den Ring

Und wie unwillig ich mich schied vom Ring,

Da nichts genommen wurde als der Ring,

Ihr würdet Eures Unmuts Härte mildern.

Porzia.

Und hättet Ihr gekannt die Kraft des Rings,

Halb deren Wert nur, die Euch gab den Ring,

Und Eure Ehre, hangend an dem Ring,

Ihr hättet so nicht weggeschenkt den Ring.

Wo wär ein Mann so unvernünftig wohl,

Hätt es Euch nur beliebt, mit einger Wärme

Ihn zu verteidgen, daß er ohne Scheu

Ein Ding begehrte, das man heilig hält?

Nerissa lehrt mich, was ich glauben soll:

Ich sterbe drauf, ein Weib bekam den Ring.

Bassanio.

Bei meiner Ehre, nein! bei meiner Seele!

Kein Weib bekam ihn, sondern einem Doktor

Der Rechte gab ich ihn, der mir dreitausend

Dukaten ausschlug und den Ring erbat;

Ich weigert’s ihm, ließ ihn verdrießlich gehn,

Den Mann, der meines teuern Freundes Leben

Aufrechterhielt. Was soll ich sagen, Holde?

Ich war genötigt, ihn ihm nachzuschicken;

Gefälligkeit und Scham bedrängten mich,

Und meine Ehre litt nicht, daß sie Undank

So sehr befleckte. Drum verzeiht mir, Beste!

Denn, glaubt mir, bei den heilgen Lichtern dort,

Ihr hättet, wärt Ihr dagewesen, selbst

Den Ring erbeten für den würdgen Doktor.

Porzia.

Daß nur der Doktor nie mein Haus betritt.

Denn weil er das Juwel hat, das ich liebte,

Das Ihr meintwillen zu bewahren schwurt,

So will ich auch freigebig sein wie Ihr:

Ich will ihm nichts versagen, was ich habe,

Nicht meinen Leib noch meines Gatten Bett;

Denn kennen will ich ihn, das weiß ich sicher.

Schlaft keine Nacht vom Haus! wacht wie ein Argus!

Wenn Ihr’s nicht tut, wenn Ihr allein mich laßt:

Bei meiner Ehre, die mein eigen noch!

Den Doktor nehm ich mir zum Bettgenossen.

Nerissa.

Und ich den Schreiber; darum seht Euch vor,

Wie Ihr mich laßt in meiner eignen Hut.

Graziano.

Gut! tut das nur, doch laßt ihn nicht ertappen,

Ich möchte sonst des Schreibers Feder kappen.

Antonio.

Ich bin der Unglücksgrund von diesem Zwist.

Porzia.

Es kränk Euch nicht; willkommen seid Ihr dennoch.

Bassanio.

Vergeht mir, Porzia, mein gezwungnes Unrecht,

Und vor den Ohren aller dieser Freunde

Schwör ich dir, ja, bei deinen holden Augen,

Worin ich selbst mich sehe –

Porzia.

Gebt doch acht!

In meinen Augen sieht er selbst sich doppelt,

In jedem Aug einmal – beruft Euch nur

Auf Euer doppelt Selbst, das ist ein Eid,

Der Glauben einflößt.

Bassanio.

Hört mich doch nur an!

Verzeiht dies, und bei meiner Seele schwör ich,

Ich breche nie dir wieder einen Eid.

Antonio.

Ich lieh einst meinen Leib hin für sein Gut;

Ohn ihn, der Eures Gatten Ring bekam,

War er dahin; ich darf mich noch verpflichten –

Zum Pfande meine Seele – Eur Gemahl

Wird nie mit Vorsatz mehr die Treue brechen.

Porzia.

So seid denn Ihr sein Bürge; gebt ihm den

Und heißt ihn besser hüten als den andern.

Antonio.

Hier, Don Bassanio, schwört, den Ring zu hüten.

Bassanio.

Beim Himmel! eben den gab ich dem Doktor.

Porzia.

Ich hab ihn auch von ihm, verzeiht, Bassanio!

Für diesen Ring gewann der Doktor mich.

Nerissa.

Und Ihr, verzeiht, mein artger Graziano,

Denn jener kleine Bursch, des Doktors Schreiber,

War um den Preis hier letzte Nacht bei mir.

Graziano.

Nun, das sieht aus wie Wegebesserung

Im Sommer, wann die Straßen gut genug.

Was? sind wir Hahnrei, eh wir’s noch verdient?

Porzia.

Sprecht nicht so gröblich. – Ihr seid all erstaunt;

Hier ist ein Brief, lest ihn bei Muße durch,

Er kommt von Padua, vom Bellario;

Da könnt Ihr finden: Porzia war der Doktor,

Nerissa dort ihr Schreiber; hier Lorenzo

Kann zeugen, daß ich gleich nach Euch gereist

Und eben erst zurück bin; ich betrat

Mein Haus noch nicht. – Antonio, seid willkommen!

Ich habe beßre Zeitung noch im Vorrat,

Als Ihr erwartet. Diesen Brief erbrecht;

Ihr werdet sehn, drei Eurer Galeonen

Sind reich beladen plötzlich eingelaufen;

Ich sag Euch nicht, was für ein eigner Zufall

Den Brief mir zugespielt hat.

Antonio.

Ich verstumme.

Bassanio.

Wart Ihr der Doktor, und ich kannt Euch nicht?

Graziano.

Wart Ihr der Schreiber, der mich krönen soll?

Nerissa.

Ja, doch der Schreiber, der es niemals tun will,

Wenn er nicht lebt, bis er zum Mann erwächst.

Bassanio.

Ihr müßt mein Bettgenoß sein, schönster Doktor.

Wenn ich nicht da bin, liegt bei meiner Frau.

Antonio.

Ihr gabt mir Leben, Teure, und zu leben:

Hier les ich für gewiß, daß meine Schiffe

Im Hafen sicher sind.

Porzia.

Wie steht’s, Lorenzo!

Mein Schreiber hat auch guten Trost für Euch.

Nerissa.

Ja, und er soll ihn ohne Sporteln haben.

Hier übergeb ich Euch und Jessica

Vom reichen Juden eine Schenkungsakte

Auf seinen Tod, von allem, was er nachläßt.

Lorenzo.

Ihr schönen Fraun streut Manna Hungrigen

In ihren Weg.

Porzia.

Es ist beinahe Morgen,

Und doch, ich weiß gewiß, seht ihr noch nicht

Den Hergang völlig ein. – Laßt uns hineingehn,

Und da vernehmt auf Fragartikel uns,

Wir wollen auch auf alles wahrhaft dienen.

Graziano.

Ja, tun wir das; der erste Fragartikel,

Worauf Nerissa schwören muß, ist der:

Ob sie bis morgen lieber warten mag,

Ob schlafen gehn zwei Stunden nur vor Tag?

Doch käm der Tag, ich wünscht ihn seiner Wege,

Damit ich bei des Doktors Schreiber läge.

Gut! lebenslang hüt ich kein ander Ding

Mit solchen Ängsten als Nerissas Ring. (Alle ab.)

Shakespeare – Das Winter-Mährchen

Shakespeare: Das Winter-Mährchen

Erster Aufzug.

Erste Scene.

Ein Vorzimmer in Leontes Pallast. Die Scene eröfnet sich mit einem höflichen Complimenten-Wechsel zwischen Archidamus, einem böhmischen Edelmann, (der mit seinem Herrn, dem König Polixenes sich an dem Hofe des Königs von Sicilien auf einen Besuch aufgehalten, und im Begriff ist denselben wieder zu verlassen) und Camillo, einem Sicilianischen Cavalier. Man erfährt dadurch, daß zwischen beyden Königen vor ihrer Jugend an die vertrauteste Freundschaft obgewaltet, und bisher aufs sorgfältigste unterhalten worden; und daß der König in Sicilien gesonnen sey, seinem Freunde auf den nächsten Sommer den Gegen-Besuch abzustatten – – In dem Rest dieser Scene ist die Rede von dem Prinzen Mamillius. Ihr seyd sehr glüklich (sagt Archidamus) einen so vortreflichen jungen Prinzen als Mamillius ist, zu haben; niemals hab ich einen jungen Herrn von so grosser Hoffnung gesehen. Ich bin eurer Meynung (versezt Camillo) es ist ein liebenswürdiges Kind: in der That, es ist ein Vergnügen ihn anzuschauen, und alte Leute dünken sich bey seinem Anblik wieder jung: Leute, die auf Krüken giengen, eh er gebohren ward, wünschen izt zu leben, bis er ein Mann seyn werde. Würden sie sonst gerne sterben, wenn das nicht wäre? erwiedert Archidamus. Ja (sagt Camillo) wenn sie keinen andern Vorwand hätten. Hätte der König keinen Sohn, (versezt Archidamus) so würden sie so lange auf ihren Krüken leben wollen, bis er einen hätte.

Zweyte Scene.

Das Königliche Zimmer eröffnet sich. Leontes, Hermione, Mamillius, Polyxenes und Gefolge treten auf.

Polixenes.

Es sind nun neun Monate seitdem wir unsern Thron ledig verlassen haben: Wir würden eben so viele Monate, mein Bruder, mit Danksagungen ausfüllen, und dennoch als euer ewiger Schuldner von hinnen gehen: Lasset also ein einziges Wir danken euch, gleich einer Cypher die an einem vielbedeutenden Plaz steht, die Bedeutung von den vielen Tausenden haben, die wir euch schuldig sind.

Leontes.

Sparet eure Danksagung noch eine Weile und erstattet sie, wenn ihr abreiset.

Polixenes.

Das wird morgen seyn, mein Herr: Ich kan mich nicht entbrechen Zufälle zu besorgen, welche meine Abwesenheit veranlassen könnte – – und wenn auch das nicht wäre, so hab‘ ich mich schon lange genug aufgehalten, um Eurer Majestät beschwerlich zu seyn.

Leontes.

Wir sind von keiner so schwachen Composition, Herr Bruder, daß ihr uns sobald zu schwer seyn solltet.

Polixenes.

Ich kan mich nicht länger aufhalten.

Leontes.

Nur noch eine Woche.

Polixenes.

In vollem Ernst, es muß morgen seyn.

Leontes.

So wollen wir wenigstens noch einen Tag dazu thun: Ihr sehet, daß ich keinen Vortheil bey dieser Theilung habe.

Polixenes.

Sezet nicht weiter in mich, ich bitte euch: Es ist keine so beredte Zunge in der Welt, nein in der ganzen Welt nicht, die mich so bald gewinnen könnte als die eurige: Und sie würde mich auch izt gewinnen, wenn ihr meiner Gegenwart benöthiget wäret, so nöthig es immer auf meiner Seite seyn möchte, wieder abzureisen. Meine Angelegenheiten ziehen mich nach Hause: Eine längere Abwesenheit würde mir, gegen eure freundschaftliche Absicht, nachtheilig seyn; so wie ein längerer Aufenthalt euch nur zur Beschwerde gereicht – – es wird also beydem abgeholfen, mein Bruder, wenn wir uns von euch beurlauben.

Leontes.

Ist euch die Zunge gebunden, meine Königin? Redet ihr – –

Hermione.

Ich dachte, mein Herr, ich wollte nicht eher reden, bis ihr ihn genöthigt haben würdet zu schwören, daß er nicht länger bleiben wolle. Ihr bittet ihn zu kaltsinnig. Sagt ihm, ihr seyd versichert, daß in Böhmen alles wohl stehe; ihr hättet erst gestern Nachrichten erhalten; sagt ihm das, so habt ihr ihn aus seinem besten Posten getrieben.

Leontes.

Wol gesprochen, Hermione.

Hermione.

Wenn er sagte, es verlange ihn seinen Sohn wieder zu sehen, das wäre was gesagt; und so bald er das sagt, so laßt ihn gehen; und schwört er es sey so, so soll er nicht länger bleiben; wir wollten ihn eher selbst mit Steken forttreiben – – (zu Polixenes.) Ich will es doch wagen, nur noch eine Woche von Eurer Königlichen Gegenwart zu entlehnen. Wenn ihr dereinst meinen Herrn in Böhmen aufnehmen werdet, so will ich’s euch dagegen schriftlich geben, daß ihr ihn einen Monat über den bestimmten Tag der Abreise behalten sollet: Und doch, sey versichert, Leontes, daß ich dich nicht weniger lieb habe als irgend eine Frau in der Welt ihren Herrn liebt. Wollt ihr bleiben?

Polixenes.

Nein, Madam.

Hermione.

Ich lasse mich nicht so kurz abweisen.

Polixenes.

Ich kan nicht, wahrhaftig.

Hermione.

Wahrhaftig? Das ist ein zu sanfter Schwur um mich abzuschreken; aber wenn ihr auch die Sterne aus ihren Kreisen herunterschwören wolltet, so würd‘ ich doch sagen: »Nein, mein Herr, ihr sollt wahrhaftig nicht gehen;« einer Dame ihr Wahrhaftig gilt so viel als eines Herrn seines. Wollt ihr nun dennoch gehen? So zwingt ihr mich, daß ich euch als einen Gefangnen, nicht als einen Gast zurükbehalten muß; dann könnt ihr bey eurer Abreise euer Kostgeld bezahlen, und euch eine Danksagung damit ersparen. Was sagt ihr dazu? Was wollt ihr lieber seyn, mein Gefangner oder mein Gast? Bey euerm furchtbaren Wahrhaftig, eines von beyden müßt ihr seyn.

Polixenes.

Also euer Gast, Madam: Euer Gefangner zu seyn, würde eine Beleidigung voraussezen, und diese zu begehen würde mir schwerer fallen als euch, sie zu bestraffen.

Hermione.

So bin ich denn auch nicht eure Kerkermeisterin, sondern eure gute freundliche Wirthin. Kommt, ich muß euch nach meines Herrn Schelmereyen fragen, wie ihr noch Knaben waret: Ich denke, ihr waret ein paar hübsche junge Herrchens damals?

Polixenes.

Schöne Königin, wir waren ein paar Jungens, die sich nicht einfallen liessen weiter hinaus zu denken, als daß morgen wieder so ein Tag kommen werde wie heute, und daß wir ewig kleine Jungens bleiben würden.

Hermione.

War nicht mein Herr der grössere Springinsfeld unter euch beyden?

Polixenes.

Wir waren wie zwey Zwillings-Lämmer, die in der Sonne herumhüpfen und einander anblöken: Was wir tauschten, war Unschuld gegen Unschuld; wir hatten noch keinen Begriff von der Kunst Böses zu thun; und liessen uns auch nichts davon träumen, daß ein andrer einen haben könne: Hätten wir so fortgelebt, und wären unsre schwachen Geister von einem feurigem Blut niemals höher getrieben worden, so würden wir dem Himmel getrost haben antworten können, nicht schuldig; die Erb-Sünde gleichwol ausgenommen.

Hermione.

Hieraus ist zu schliessen, daß ihr seitdem gestrauchelt habt.

Polixenes.

O meine verehrenswürdigste Freundin, diese gute Zeit konnte nicht immer dauern; es kam eine Zeit der Versuchungen: Denn damals war mein Weib noch ein Mädchen, und eure schönen Augen hatten meinem jungen Spiel-Gesellen ihre Macht noch nicht fühlen lassen.

Hermione.

Gut, gut; wenn wir die ersten sind, mit denen ihr gesündigt habt, und wenn ihr seitdem mit keiner andern gefallen seyd, so wollen wir die Verantwortung auf uns nehmen.

Leontes (der sich eine Weile von ihnen entfernt hatte, um sie zu beobachten, und izt wieder auf sie zugeht, zu Hermione.)

Ist er nun gewonnen?

Hermione.

Er will bleiben, mein Herr.

Leontes.

Von mir wollt‘ er sich nicht erbitten lassen. Hermione, meine Theureste, du hast niemals besser gesprochen.

Hermione.

Niemals?

Leontes.

Ein einzigmal ausgenommen – –

Hermione.

Was? Hab ich zweymal was gutes gesagt? Wenn war’s das erste mal? Ich bitte recht schön, sagt mir’s; einer guten That gebührt ihr Lob. Das ist aller Sold, den wir dafür verlangen. Ihr könntet uns mit einem einzigen freundlichen Kuß hundert Meilen lauffen machen, wenn wir durch Spornen nicht hundert Schritte fortzubringen sind. Aber zur Sache. Wenn war’s das erste mal? Es hatte eine ältere Schwester, oder ich versteh euch nicht – – Ich sagte also noch einmal was kluges? Wenn? Nein, ich muß es wissen; ich kan es kaum erwarten.

Leontes.

Wie, das war als nach drey langen schwermüthigen Monaten, in denen ich dich nicht dazu bringen konnte, deine weisse Hand zu öffnen und in die meinige einzuschlagen, du dich endlich erbitten liessest mir zu sagen, daß du auf ewig die Meinige seyn wollest.

Hermione.

Das war wohl gesprochen, in der That. Seht ihr nun? Ich habe zwey mal was gutes gesagt, und habe jedesmal damit gewonnen; das erste mal einen Gemahl, und das andre mal auf einige Zeit einen Freund.

Leontes (für sich.)

Zu warm, zu warm – – zu warme Freundschaft ist mehr als Freundschaft – – mein Herz tanzt, aber nicht vor Freude – – gewiß nicht – – Man kan freylich einem solchen Umgang ein schönes Gesicht geben; man kan es die natürliche Freymüthigkeit eines edeln Gemüths, die Würkung eines guten Herzens, und einer lebhaften Empfindung nennen; es mag an sich selbst schön seyn, und der Person, die so handelt, sehr wohl anstehen – – ich geb‘ es zu – – aber da stehen, und einander die Hände tätscheln, und die Finger zwiken, wie sie’s izt machen, und einander so bedeutungsvoll anlächeln, wie in einen Spiegel in einander hineinschauen – – und dann seufzen – – Nein, wahrlich, das ist ein Umgang der weder nach meinem Geschmak noch für meine Stirne ist – – Mamillius.

Maximillius.

Hier, Gnädigster Papa.

Leontes.

Wie, kleiner Vogel, hast du dir die Nase beschmiert? Sie sagen, es sey die Copey von der meinigen – – Komm, Hauptmann, wir müssen reinlich seyn – – (er beobachtet immer Polixenes und Hermione.) Immer auf seiner Hand Clavier-gespielt – – nun wie? du muthwilliges Kalb! Bist du mein Kalb?

Maximillius.

Ja, wenn ihr wollt, lieber Papa.

Leontes.

Du solltest die Nase stärker eingedrükt haben, und die Schmarren, die ich dran habe, um mir völlig gleich zu sehen – – Und doch sagen sie, wir gleichen einander wie ein Ey dem andern; Weibsleute sagen so, und die sagen was man will, aber wären sie so falsch wie Wind und Wasser, so falsch als sich Einer Würfel wünschen möchte, der keinen Unterscheid zwischen mein und dein macht; so wär‘ es doch wahr, daß mir dieser Junge gleich sieht. Komm, kleiner Junker, sieh mich mit deinen Himmel-blauen Augen an, holdseliger Spizbube – – Allerliebst – – Mein Zukermännchen – – Kan deine Mutter – – ist’s möglich – – Imagination! Du bohrest deinen Dolch bis in den Mittelpunkt des Herzens – – Du machst die blosse Möglichkeit wirklich, Träume zu Wahrheiten, Nichts zu etwas. Wie leicht muß es dir dann seyn, aus etwas mehr zu machen als es ist – – Ich erfahr‘ es nur zu wol, was du kanst; sowol, daß mir der Kopf davon schwindelt und die Stirne jukt – –

Polixenes (zu Hermione.)

Was fehlt dem Könige?

Hermione.

Er sieht aus, als ob ihm was im Kopf herum gehe.

Polixenes (zu Leontes.)

Wie steht’s, mein Herr?

Leontes (der sich schnell recolligiert.)

Wie ists? was macht ihr Gutes, mein liebster Bruder?

Hermione.

Ihr seht aus, als ob ihr eure Gedanken ganz anderswo habet! Fehlt euch was, mein lieber Gemahl?

Leontes.

Nein, in vollem Ernst. Auf was für läppische Einfälle die väterliche Zärtlichkeit manchmal bringen kan! Wie gern die Natur sich selbst hintergeht! Ich betrachtete die Gesichts-Züge meines Jungen hier, und da däuchte mir, ich sehe mich selbst um drey und zwanzig Jahre jünger, ohne Hosen, in meinem grünen Sammet-Kittelchen; mit einem kleinen Hirschfänger an der Seite, der nicht aus der Scheide gieng, damit er seinen Herrn nicht beisse, und so, wie Zierrathen öfters thun, gefährlich werde – – Wie gleich, däuchte mich, war ich damals dieser kleinen Krabbe hier! – – Guter Freund, sag mir einmal, wolltest du dir Eyer-Schaalen für Münze geben lassen?

Maximillius.

Nein, Papa, ich wollte mich schon wehren.

Leontes.

Wolltest du? – – ein braver Junge! – – Mein Bruder seyd ihr auch so verliebt in euern jungen Prinzen, wie wir in den unsrigen zu seyn scheinen?

Polixenes.

Wenn ich zu Hause bin, mein Herr, so macht er alle meine Beschäftigung und meinen Zeitvertreib aus; ist izt mein geschworner Freund, dann wieder mein Feind; mein Hofschranze, mein Soldat, mein Minister, alles; er macht mir einen Sommertag so kurz als den kürzesten December, und vertreibt mir durch seine kindische Lebhaftigkeit Gedanken, welche mein Blut verdikern würden.

Leontes.

Dieser kleine Junker hat das nemliche Amt bey mir: Wir beyde wollen einen Spaziergang mit einander machen, und euch, mein Herr, euerm ernsthaftem Zeitvertreib überlassen. Hermione, du kanst uns deine Liebe nicht besser als durch Freundschaft für unsern Bruder beweisen: Laß was in Sicilien das kostbarste ist, zu seiner Bewirthung verschwendet werden; nach dir und meinem kleinen Schwärmer hier, ist niemand meinem Herzen näher.

Hermione.

Wenn ihr uns suchen wolltet, so werdet ihr uns im Garten antreffen; Sollen wir euch dort erwarten?

Leontes.

Disponiert über euch nach euerm eignen Belieben – – (vor sich.) Wir wollen euch schon finden, ihr werdet doch immer unter dem Himmel bleiben müssen: Ich angle izt, wenn ihr’s schon nicht merket – – Geht nur, geht nur – – Wie sie den Schnabel gegen ihn hinstrekt! – – (Polixenes, Hermione und Gefolge gehen ab; Leontes, Mamillius und Camillo bleiben.) Wie hurtig sie davongehen – – Zolldik, Knie-tief – – über Kopf und Ohren gehörnt – – Geh spiele, Junge, spiele – – Deine Mutter spielt, und ich auch; aber eine so unglükliche Rolle, daß ihre Entwiklung mich ins Grab zischen wird – – Spott und Hohngelächter wird mein Todten-Geläut seyn. Geh, spiele, Junge, spiele – – Es hat doch von jeher, oder ich müßte mich sehr irren, immer Hahnreyen gegeben; und wie mancher Mann hält, in diesem Augenblik da ich diß rede, sein Weib im Arm, der wenig daran denkt, von wem sie in seiner Abwesenheit – – daß sein nächster Nachbar in seinem Teich gefischt hat, Sir Lächler, sein Nachbar – – Nun, es ist eine Art von Trost darinn, daß andre Männer auch Thüren haben, und daß diese Thüren, wie die meinige, wider ihren Willen, aufgehen. Wenn alle verzweifeln wollten, denen ihre Weiber ungetreu sind, so müßte sich der zehnte Theil des männlichen Geschlechts aufhängen. Das ist ein Uebel, wofür kein Mittel in der Natur ist – – Es ist ein gewisser kupplerischer Planet, dessen Wirkung nicht zu vermeiden ist, wo er einmal die Oberhand hat – – Viele tausende sind mit diesem Uebel behaftet, und fühlen’s nicht – – He, wie geht’s, Junge?

Maximillius.

Ich sehe euch so gleich, sagen sie – –

Leontes.

Nun, das ist einiger Trost – – Wie? Ist Camillo hier?

Camillo.

Ja, Gnädigster Herr.

Leontes.

Geh, Mamillius, mach‘ dich lustig – – Du bist ein ehrlicher Kerl. (Mamillius geht ab.)

Dritte Scene.

Leontes.

Camillo, dieser grosse Matador will noch länger bey uns bleiben.

Camillo.

Ihr hattet viel zu thun, seinen Anker halten zu machen; er hatte immer eine Ausrede – –

Leontes.

Merktest du das?

Camillo.

Er wollte sich durch euer Bitten nicht bewegen lassen zu bleiben; seine Geschäfte schlugen immer vor.

Leontes.

Hast du das beobachtet – – (vor sich.) Es war ein Gelispel und Gemurmel um mich herum, wie sie noch hier waren; ich weiß nun was ich bin – – es ist weit gekommen, wenn ich der lezte bin der es merkt – – Wie kam es denn, Camillo, daß er blieb?

Camillo.

Auf das Anhalten der guten Königin.

Leontes.

Der Königin, das mag seyn – – gut, ist eine andre Frage – – Gut sollte immer so seyn – – Aber sind noch mehr Leute als du, die das gemerkt haben? Dein Verstand ist von einer feinern Composition als gewöhnliche Köpfe – – du und einer oder zween, welche weiter sehen als andre, können es ausfündig gemacht haben – – Die übrigen werden doch vielleicht nichts von der Sache gewahr worden seyn? Sprich.

Camillo.

Von der Sache, Gnädiger Herr? Ich denke, das kan jedermann gewahr werden, daß der König von Böhmen länger hier bleibt.

Leontes.

Ha?

Camillo.

Länger hier bleibt.

Leontes.

Ja, aber warum?

Camillo.

Um Euer Majestät, und unsrer gnädigsten Königin zu willen zu seyn.

Leontes.

Um der Königin zu willen zu seyn – – zu willen? Mehr brauch ich nicht – – Höre Camillo; ich habe dir immer das Innerste meines Herzens anvertraut – – Du bist immer in meinen besondern Angelegenheiten wie in meinen öffentlichen, mein Beichtiger gewesen; ich habe dich für einen rechtschaffnen Mann gehalten: Aber nun seh ich, daß ich mich betrogen habe, daß mich der Schein betrogen hat.

Camillo.

Das verhüte der Himmel, Gnädiger Herr – –

Leontes.

Nein, du bist kein ehrlicher Mann, oder wenn du ja ehrlich bist, so bist du eine furchtsam Memme, und das hindert die Ehrlichkeit immer, daß sie den Weg nicht geht den sie gehen sollte: Du bist also entweder ein Verräther, der sich durch sträfliche Nachlässigkeit meines Vertrauens unwürdig gemacht hat; oder ein Thor, welcher ruhig zusieht, wie ich betrogen werde, und alles für blossen Spaß hält.

Camillo.

Mein Gnädigster Oberherr, ich kan nachlässig, thöricht und furchtsam gewesen seyn; das sind Gebrechen, von deren jedem kein Mensch in der Welt zu allen Zeiten frey bleibt – – Ich bitte Eu. Majestät deutlicher mit mir zu reden, und mich meinem Verbrechen ins Gesicht sehen zu lassen; wenn ich es verläugne, so ist es nicht mein.

Leontes.

Hast du nicht gesehen, Camillo, (aber das braucht nur nicht gefragt zu werden, du must es gesehen haben oder dein Augapfel ist diker als ein Hahnrey’s-Horn) oder gehört, (denn bey einer Sache, die so offenbar in die Augen fällt, kan das Gerücht nicht stumm seyn) oder gedacht, (denn wer bey solchen Umständen nichts dächte, müßte gar nichts denken können) daß meine Gemahlin mir ungetreu sey – – Gesteh es wenn du willst – – oder sey unverschämt genug mir abzuläugnen, daß du Augen, Ohren oder Gedanken habest – – Gesteh es, und sage also, mein Weib sey ein Steken-Pferd, verdiene einen garstigern Namen, als irgend ein Flachs-Mensch, die sich beschlaffen läßt, eh sie zu Kirchen und Strassen gegangen ist – – Sag es, und rechtfertige dich.

Camillo.

Wenn ein andrer meine Königliche Gebieterin so lästerte, so würde ich nicht so da stehen, und zuhören, ohne ihn auf der Stelle zur Rechenschaft zu ziehen – – Gütiger Himmel! was für Reden! Sie zu wiederholen wäre eine grössere Sünde als was ihr argwohnet, wenn es sich auch so befände.

Leontes.

Ist Flüstern nichts? Ist die Baken an einander anlehnen, ist Nasen-zusammensteken – – mitten im Lachen mit einem Seufzer innhalten – – ist Fuß auf Fuß sezen – – in Winkel zusammenkriechen – – wünschen, daß die Gloke schneller, daß Stunden Minuten – – daß der Mittag, Mitternacht, und alle Augen, ausser den ihrigen, stokblind wären – – ist das nichts? Nun, wenn das nichts ist, so ist die ganze Welt und alles was drinn ist nichts; so ist dieser umwölbende Himmel nichts; der Böhme nichts; mein Weib nichts; so ist kein Unterscheid zwischen nichts und etwas, wenn das nichts ist.

Camillo.

Mein Gnädiger Herr, laßt euch in Zeiten von dieser kranken Einbildung heilen; denn sie ist sehr gefährlich.

Leontes.

Sag, es sey so, denn es ist so.

Camillo.

Nein, nein, Gnädigster Herr.

Leontes.

Du lügst, es ist so; du lügst; ich sage du lügst, Camillo, und ich hasse dich; gesteh, daß du ein plumper Tölpel, ein gedankenloser Sclave, oder ein wankender Temporisierer bist, der nach Zeit und Umständen, die nemliche Sache für gut und böse ansehen kan. Wäre meines Weibs Leber so angestekt, wie ihre Sitten, sie hätte keine Stunde mehr zu leben.

Camillo.

Wer ist dann ihr Verführer?

Leontes.

Kanst du fragen? Wer anders als der, der sie wie eine Medaille um seinen Hals hangen hat – – der Böhme, der wenn ich Diener hätte, die mir getreu wären, und eben so wohl auf ihren eigenen Vortheil als auf meine Ehre sähen – – Sie würden sich nicht lange mahnen lassen das zu thun, was mich allein gegen das was er thut, sicherstellen kan – – Du, sein Mund-Schenke, (du den ich aus dem niedrigen Stande hervorgezogen, und zu Würde und Ansehen erhoben habe; du, der so gewiß als der Himmel die Erde und die Erde den Himmel sieht, sehen mußt, wie ich beleidiget werde) du könntest meinem Feind einen Becher zubereiten, der ihn auf ewig einschläfern und für mich eine Herzstärkung seyn würde.

Camillo.

Mein Gnädigster Herr, es ist gewiß, daß ich das könnte, und mit einer Art von langsam-würkendem Gift, welches zu keinem Argwohn Anlaß geben würde – – Aber ich kan nicht, nein, ich kan nicht glauben, daß die Königin zu einer so niederträchtigen Verrätherey herabgesunken seyn könne.

Leontes.

Ich liebte dich – – Denke der Sache nach – – Meynst du, daß ich fähig sey aus blosser Laune und leerem Argwohn mir selbst einen so garstigen Handel zuzuziehen? Die Reinigkeit meines Ehebettes zu besudeln – – Die Ehre des Prinzen meines Sohnes, zweifelhaft zu machen, den ich für mein halte, und als mein liebe – – Denkst du daß ich das thun würde, wenn ich nicht die wichtigsten Gründe vor mir hätte? Welcher Mann könnte sich so weit vergehen?

Camillo.

Ich muß mich überwunden geben, mein Königlicher Herr; ich will es thun – – ich will den König von Böhmen aus dem Wege schaffen; aber mit dieser Bedingung, daß wenn er fort ist, ihr eure Gemahlin wieder in eure Liebe aufnehmen, und wenn es auch nur aus Liebe zu euerm Sohne wäre, eben so halten sollet wie vorher, damit alle Zungen versiegelt, und keine nachtheilige Gerüchte in auswärtige und befreundete Höfe ausgestreut werden mögen.

Leontes.

Du rathest mir das nemliche, was ich selbst schon bey mir festgesezt hatte; ihre Ehre soll keinen Fleken bekommen.

Camillo.

So lasset nun mich für alles sorgen, Gnädigster Herr; und nehmet indessen gegen den König und eure Gemahlin ein so offnes Betragen an, wie die Freundschaft bey einem vertraulichen Gastmahl zeigt: Ich bin sein Mund-Schenke; wenn ihm der Trank, den ich ihm mischen will, wohl bekommt, so haltet mich nicht mehr für euern Diener.

Leontes.

Das ist alles was ich will; thu es, so hast du die Hälfte meines Herzens; thu es nicht, so zersplitterst du dein eignes.

Camillo.

Ich will es thun, Gnädiger Herr.

Leontes.

Und ich mich freundlich stellen, wie du mir gerathen hast. (Er geht ab.)

Camillo (allein.)

Unglükliche Dame! Aber in was für einem Falle befind‘ ich mich selbst? Ich soll der Vergifter des rechtschaffnen Polixenes seyn, und was mich dazu bewegen soll, ist der Gehorsam gegen meinen Herrn; der in der Wuth seiner Leidenschaft haben will, daß alle die ihm angehören, von ihr erfüllt seyn sollen. Thu ich’s, so folgt Beförderung. Aber wenn ich tausend Exempel von solchen, die ihre Hand an gesalbete Könige gelegt hätten, und glüklich dadurch worden wären, finden könnte, so wollt‘ ich’s nicht thun – – Nun aber, da weder Erzt, noch Stein, noch Pergament nur eines aufweisen kan, muß die Ruchlosigkeit selbst eine solche That verschwören! Ich muß nur dem Hof gute Nacht sagen – – Gehorsam und Ungehorsam würde mir beydes den Hals brechen – – O, was für ein glüklicher Stern regiert! Hier kommt Polixenes – –

Vierte Scene.

Polixenes bezeugt dem Camillo seine Befremdung über die Veränderung die er an dem König von Sicilien wahrnehme; er sieht nicht anders aus, (spricht er) als ob er eine Provinz verlohren hätte, und eine Provinz, die er wie sich selbst geliebt hätte – – Das trokne, verdrießliche und durch einen sichtbaren Zwang nur wenig bedekte Betragen seines Freundes beunruhigt ihn desto mehr, da er gewahr worden, daß es ihn angehe, ohne daß er begreiffen kan, warum. Camillo läßt sich eine Weile bitten, bis er auf des Polixenes dringendes Anhalten, ihm den erhaltnen Auftrag und die Eifersucht des Königs ohne Umschweiffe entdekt. Der bestürzte Polixenes schwört eine ganze Reihe poetischer Eidsformeln herab, daß er unschuldig sey: Aber Camillo versichert ihn, daß er mit so vielen Schwüren als Sterne am Himmel seyen, die einmal gefaßte Meynung aus dem Gehirn des rasenden Leontes nicht wegschwören könnte. Er schlägt ihm also zu ihrer beyder Rettung vor, daß sie sich, ohne Abschied zu nehmen, in der nemlichen Nacht heimlich davon machen wollten. Polixenes läßt es sich gefallen – – ich habe, (sagt er zu Camillo) die Bestätigung dessen was du mir entdekt hast, in seinen Augen gesehen – – Seine Eifersucht hat eine höchst liebenswürdige Creatur zum Gegenstand; so vortreflich diese ist, so groß muß jene seyn; da er Macht hat, so ist natürlich, daß er auf Rache bedacht ist; und da er sich gerade vor dem Mann, der sich jederzeit für seinen besten Freund ausgegeben hat, beleidigt hält, so muß dieser Umstand seine Rache um so viel bittrer machen – – Polixenes macht aus diesen Prämissen den Schluß, daß er alle Ursache habe, sich in der äussersten Gefahr zu glauben. Er verspricht dem Camillo, daß er ihn als einen Vater ehren wolle, wenn er ihn lebendig von Palermo wegbringen werde. Zu gutem Glüke liegen die Schiffe des Königs zur Abreise bereit, und Camillo hat, seines Hof-Amts wegen, über alle Schlüssel zu disponieren. Weil sie nun keine Zeit zu verliehren haben, so gehen sie ab.

Zweyter Aufzug.

Erste Scene.

Der Pallast. Hermione, Mamillius, und einige Kammer-Frauen treten auf.

Hermione.

Nehmt mir den Knaben ab; er macht mir so viel Unruhe daß es nicht auszustehen ist.

1. Kammerfrau.

Kommt, Gnädiger Herr; wollt ihr mich nicht zu eurer Spiel-Gesellin?

Maximillius.

Nein, ich mag nichts mit euch zu thun haben.

1. Dame.

Warum nicht, mein allerliebstes Prinz?

Maximillius.

Ihr würdet mich immer küssen wollen, und mit mir reden als ob ich noch immer ein Wiegen-Kind wäre – – Euch hab‘ ich lieber.

2. Dame.

Und warum das, Gnädiger Herr?

Maximillius.

Um eurer schwarzen Augbraunen willen nicht; und doch sagen die Leute, schwarze Augbraunen lassen den Weibsbildern am besten; aber es muß nicht zuviel Haar daran seyn, sondern sie müssen einen halben Zirkel machen, oder einen halben Mond, und so fein, wie mit der Feder gezogen.

2. Dame.

Wer lehrte euch das?

Maximillius.

Das hab ich aus Weiber-Gesichtern gelernt: Seyd so gut, ihr, und sagt mir, was für eine Farbe haben eure Augbraunen?

1. Dame.

Blau, Gnädiger Herr.

Maximillius.

Ihr wollt euern Spaß mit mir treiben; ich habe wol eine Frau gesehen, die eine blaue Nase hatte, aber keine mit blauen Augbraunen.

1. Dame.

Hört ihr, die Königin eure Frau Mutter wird bald niederkommen: Dann werden wir unsre Dienste einem hübschen neuen Prinzen anbieten; und dann werdet ihr uns noch recht schön thun, wenn wir euch nur haben wollen.

2. Dame (zur ersten.)

Sie ist seit kurzem überaus dik worden – – Der Himmel gebe, daß es ihr glüklich gehe!

Hermione.

Was führt ihr hier für weise Discurse? Komm, junger Herr, ich bin nun wieder für dich. Komm, sez dich zu uns her, und erzähl uns was.

Maximillius.

Was wollt ihr haben, was lustiges oder was trauriges?

Hermione.

So lustig als du willt.

Maximillius.

Ein trauriges Mährchen schikt sich am besten in den Winter. Ich weiß eines von Feen und Kobolten.

Hermione.

Gut, das erzähl uns, junger Herr. Komm hieher, sez dich. Komm und sieh ob du mich mit deinen Kobolten recht zu fürchten machen kanst: Du kanst meisterlich damit umgehen.

Maximillius.

Es war einmal ein Mann – –

Hermione.

Nein, du must dich erst sezen, hernach fang an – –

Maximillius.

Der wohnte auf einem Kirchhof – – ich will’s euch leise erzählen, damit es die Grillen dort nicht hören können.

Hermione.

So komm dann her, und sag mir’s in’s Ohr.

Zweyte Scene.

Leontes, Antigonus, und einige Herren vom Hofe treten auf.

Leontes.

Ihr traffet ihn dort an, sagt ihr? Seine Leute? den Camillo bey ihm?

Ein Hof-Cavalier.

Hinter dem kleinen Fichten-Wald traf ich sie an; in meinem Leben hab‘ ich keine Leute solche Schritte machen gesehen: Ich folgte ihnen mit den Augen bis in ihre Schiffe.

Leontes.

O! wie vollkommen ist nun mein Verdacht gerechtfertiget! Wie richtig treffen meine Muthmassungen zu! Nur gar zu richtig! Wenn ich weniger wißte, würd‘ ich weniger unglüklich seyn – – Es kan eine Spinne in den Becher gefallen seyn, und einer trinkt; er schlukt sie unbemerkt mit herunter, und es schadet ihm nichts, bloß darum weil er nichts davon weiß; aber wenn einer das ekelhafte Ding im Schluken noch gewahr worden ist, wenn er weiß, daß er’s hinunter geschlukt hat – – Das erschüttert seine Brust und seine Seiten mit Grauen und heftigen Erbrechungen – – Ich habe getrunken, und die Spinne gesehen – – Camillo half ihm dazu; es ist ein Anschlag gegen mein Leben, und gegen meine Crone auf dem Tapet – – Mein Mißtrauen befindet sich nur allzuwahr – – Der treulose Bube den ich gebrauchte, war schon von ihm gedungen: Er hat ihm mein Vorhaben verrathen, und ich bin nun der Narr im Spiele; nun können sie aus mir machen was sie wollen: Wie kam es dann, daß sie die Hinter-Thüren so leicht aufkriegen konnten?

Hof-Cavalier.

Das konnte Camillo leicht erhalten, da sie ihm schon öfters aufgemacht werden mußten, wenn er euern Befehl dazu hatte.

Leontes.

Ich weiß es nur zu wol – – Gebt mir den Jungen; (zu Hermione) ich bin froh, daß ihr ihn nicht gesäugt habt: Und doch, wenn er schon einige Züge von mir hat, so hat er doch zuviel von euerm Blut in sich – –

Hermione.

Was soll das seyn – – Scherz?

Leontes.

Tragt mir den Jungen weg; er soll nicht wieder zu ihr kommen; weg mit ihm, sie mag sich die Zeit mit dem vertreiben, mit dem sie schwanger geht; es ist doch Polixenes, der dir diese Geschwulst gemacht hat.

Hermione (ruhig.)

Und ich wollte wol sagen das hat er nicht; und ich wollte drauf schwören, ihr würdet mir glauben was ich sage, ungeachtet ihr das Gegentheil vorgäbet.

Leontes.

Ihr, meine Herren, schaut sie an, faßt sie wol ins Auge – – Eure Augen werden euch sagen, daß sie eine schöne Frau ist – – Dieses Lob muß ihr eingestanden werden – – Wie Schade, daß die Gerechtigkeit selbst euch zurük hält, wenn ihr hinzusezen wollt, sie sey so tugendhaft als sie schön ist – – Daß sie euch ein Hem! und ein Achsel-Züken abnöthigt, eh ihr die Worte sie ist tugendhaft, herausbringen könnt – – Ich will euch von diesem Zwang befreyen; wisset, und vernehmet es von demjenigen, der am meisten dadurch gekränket wird, sie ist eine Ehebrecherin.

Hermione.

Würde der schändlichste Bube, der in der Welt ist, so sagen, so würde er ein desto schändlicherer Bube seyn: Aber ihr, mein Herr, seyd bloß in einem Irrthum, wenn ihr so redet.

Leontes.

Ihr habt euch geirret, Madam, wie ihr den Polixenes für Leontes angesehen habt. O du, dein rechter Name würde den Mund eines Prinzen zu sehr befleken – – Ich habe es gesagt, sie ist eine Ehbrecherin; und ich habe gesagt mit wem: Ich sage noch mehr; sie ist eine Verrätherin, und Camillo ist ihr Mit-Verschworner – – er weiß um das, was sie erröthen sollte, sich selbst bewußt zu seyn – – er weiß daß sie nichts besser ist als diejenige, denen der Pöbel die unehrbarsten Titel giebt; ja, und daß sie an ihrer Flucht Antheil hat.

Hermione.

Nein, bey meinem Leben, ich weiß von allem diesem nichts: Wie wird euch das schmerzen, wenn euch dereinst die Augen aufgehen werden, daß ihr mich öffentlich so beschimpft habt! Mein liebster Gemahl, ihr werdet mir dann schwerlich eine hinlängliche Genugthüung geben können, wenn ihr sagt, daß ihr euch geirret habet.

Leontes.

Die Umstände, auf welche mein Urtheil sich gründet, lassen keiner Möglichkeit, mich geirret zu haben, Raum – – Hinweg mit ihr ins Gefängniß – – Derjenige, der nur ein Wort zu ihrem Vortheil spricht, muß eine Ursache dazu haben, die ihn mehr als doppelt schuldig macht.

Hermione.

Es regiert irgend ein böser Planet: Ich muß Geduld haben, bis der Himmel günstigere Aspekten giebt. Meine guten Herren, ich bin nicht so fertig zum Weinen, als es unser Geschlecht gröstentheils ist; der Mangel dieses eiteln Thaues wird vielleicht euer Mitleiden auftroknen; aber der ehrenvolle Schmerz den ich schweigend hier verschliesse, brennt heftiger, als daß ihn Thränen löschen könnten – – Ich bitte euch alle, meine Herren, denket das beste von mir was euer gutes Herz euch eingeben mag; und so geschehe dann des Königs Wille!

Leontes.

Werd ich Gehorsam finden?

Hermione.

Wer soll mit mir gehen? – – Ich bitte Eu. Hoheit, meine Kammer-Frauen bey mir zu lassen; denn, wie ihr sehet, so macht meine Figur ihre Gegenwart nothwendig – – Weint nicht, ihr närrischen Dinger, ihr habt keine Ursache dazu; wenn ihr jemals finden werdet, daß eure Frau diese Begegnung verdient hat, dann weint was ihr weinen könnt; die Widerwärtigkeit, die izt über mich kommt, dient zu meinem Besten. Adieu, mein Gemahl – – es ist mir schmerzlich, daß ich erlebt habe, euch bekümmert zu sehen; Kommt, meine Weiber, ihr habt Erlaubniß.

Leontes.

Geht, thut was ihr wollt – – fort. (Die Königin, mit einer Wache, und ihre Frauen, gehen ab.)

Ein Herr von Hofe.

Ich bitte Euer Hoheit, ruffet die Königin zurük.

Antigonus.

Sehet wohl zu, was ihr thut, Gnädigster Herr; wenn ihr Unrecht habt, so leiden drey Personen, und keine geringere als Ihr selbst, eure Königin, und euer Sohn.

Ein andrer Herr von Hofe.

Ich wollte mein Leben für sie sezen können, Gnädigster Herr – – und ich will es hiemit gethan haben, wenn ihr es annehmen wollt – – daß die Königin in den Augen des Himmels selbst unschuldig an dem, wessen ihr sie beschuldiget, ist.

Antigonus.

Findet sich’s, daß sie es nicht ist, so will ich mich mit Ketten an mein Weib schmieden lassen; so will ich ihr nicht weiter trauen als ich sie sehe und fühle – – Wenn die Königin ungetreu ist, so ist jedes Quintchen Weiber-Fleisch, jeder weibliche Bluts-Tropfe in der Welt falsch.

Leontes.

Schweigt – –

Einige Herren.

Gnädigster Herr – –

Antigonus.

Was wir reden ist zu euerm Besten, nicht zum unsrigen – – Ihr seyd betrogen, und von irgend einem Ohrenbläser, der dafür zur Hölle fahren wird – – Wollte Gott ich wißte wer der Bube ist, er sollte sein leztes Brodt gegessen haben: Wenn Sie ihre Ehre verwirkt hat – – ich habe drey Töchter; die älteste ist eilf Jahre alt, die andre neun, und die dritte fünf oder sechs – – Wenn sich’s so befindet, so sollen sie dafür büssen. Bey meiner Ehre, ich will sie alle verschneiden lassen; sie sollen nicht vierzehn Jahre alt werden, um Mütter von andern Spizbübinnen zu werden; sie sind meine einzigen Erben, und ich wollte mich lieber selbst aufhängen, als daß sie keine schöne Nachkommenschaft zur Welt bringen sollten.

Leontes.

Hört auf; nichts mehr; ihr habt zu stumpfe Sinnen für eine solche Sache; ich seh und fühle sie; es ist hier von keinen Muthmassungen die Rede; ich bin gewiß – –

Antigonus.

Wenn das ist, so brauchen wir kein Grab, um die Ehrlichkeit darein zu legen; es ist kein Gran von ihr übrig, nicht ein Gran, um den Gestank der ganzen in Unrath versunknen Erde erträglicher zu machen.

Leontes.

Wie? hab ich keinen Credit mehr, daß ihr noch zweifelt?

Ein Herr vom Hofe.

In dieser Sache wünschte ich daß ihr keinen hättet, Gnädiger Herr; ich wollte lieber, daß sich ihre Unschuld als daß sich euer Argwohn wahr befände, ihr möchtet auch getadelt werden so viel man wollte.

Leontes.

Was haben wir nöthig hierüber mit euch zu conferieren? Es war eine Wirkung unsrer natürlichen Leutseligkeit, daß wir mit euch in einer Sache redeten, wozu ihr keine Stimmen zu geben habt. Wenn ihr also so dumm seyd, oder euch geflissentlich so stellt, und die Wahrheit mit uns nicht sehen könnt, oder nicht sehen wollt; so behaltet eure Meynung für euch; wir bedürfen keiner weiteren Erinnerungen von euch; die Sache, der Gewinn und der Verlust, und die Disposition darüber, alles geht lediglich uns selbst an.

Antigonus.

Ich wünschte auch nur, mein Gebietender Herr, daß ihr sie noch länger bey euch selbst behalten, und nicht so öffentlich kund gemacht hättet.

Leontes.

Wie war das möglich? Entweder hat dich das Alter dummer gemacht, oder du bist zum Narren gebohren worden. Nachdem Camillo’s Entweichung noch zu ihrer vorigen Vertraulichkeit, (welche so in die Augen fallend war, daß zur gänzlichen Evidenz nichts fehlte als sie in der wirklichen That zu ergreiffen) nachdem, sage ich, Camillo’s Entweichung noch dazu gekommen, so war ich gezwungen, auf diese Art zu Werke zu gehen. Indessen und um in einer Sache von solcher Wichtigkeit nichts zu unterlassen, was zu mehrerer Bestätigung der Wahrheit dienen kan, hab‘ ich bereits mit fliegender Eilfertigkeit Dion und Cleomenes nach dem geheiligten Delphi, in Apollo’s Tempel, abgesandt: Ihr wisset, daß es Leute sind, auf die man sich verlassen kan: Und die Antwort, die sie uns von dem Orakel bringen werden, soll mich zurükhalten, oder spornen. Hab ich nicht wol gethan?

Ein Herr vom Hofe.

Sehr wohl, Gnädigster Herr.

Leontes.

Wenn ich gleich für meine eigne Person Proben genug habe, und nicht weiters zu wissen brauche als was ich weiß, so wird das Orakel doch dazu dienen, die Gemüther der übrigen zu beruhigen, deren unwissende Leichtgläubigkeit sie unfähig macht, die Wahrheit durch sich selbst zu entdeken. Inzwischen haben wir für gut angesehen, sie von uns zu entfernen, und in sichre Verwahrung bringen zu lassen; um ihr die Gelegenheit abzuschneiden, das verräthrische Complot der beyden, die sich auf flüchtigen Fuß gesezt haben, auszuführen. Kommt, folgt uns; wir sehen uns bemüssiget öffentlich zu reden; denn dieser Handel wird uns alle aufweken – –

Antigonus.

Ja, zum Lachen, denk‘ ich, wenn die echte Wahrheit bekannt wäre. (Sie gehen ab.)

Dritte Scene.

Verwandelt sich in ein Gefängniß. Paulina, die Gemahlin des Antigonus, läßt den Kerkermeister herausrufen, und bittet vor die gefangne Königin gelassen zu werden: Da ihr aber dieses, vermöge des ausdrüklichen Königlichen Befehls abgeschlagen wird, so verlangt sie, ihr wenigstens eine Unterredung mit einer von ihren Kammer-Frauen zu gestatten. Dieses wird ihr bewilliget, doch so, daß der Kerkermeister dabey zugegen seyn solle. Emilia kommt also heraus und meldet der Paulina, daß Schreken und Kummer die Niederkunft der Königin befördert habe, und daß sie wirklich von einer Tochter entbunden sey; ein holdseliges Mädchen, (sagt Emilia) munter, und voller Leben: Sie gereicht der guten Königin zu vielem Trost: Meine arme Gefangne, sagt sie, ich bin so unschuldig als du – –

Paulina.

Darauf wollt‘ ich schwören: Diese wunderlichen, gefahrvollen Launen des Königs! Der Henker hole sie! Aber man muß es ihm sagen, und das soll auch geschehen; es ist ein Dienst, der sich am besten für ein Frauenzimmer schikt. Ich will ihn auf mich nehmen – – Ich bitte euch, Emilia, versichert die Königin meiner gänzlichen Ergebenheit, und sagt ihr, wenn sie mir ihre kleine Princessin anvertrauen wolle, so woll‘ ich sie dem Könige zeigen und es auf mich nehmen, so laut als nur möglich ihr Fürsprecher zu seyn. Wir wissen nicht, wie ihn vielleicht der Anblik des Kinds erweichen mag; das Stillschweigen der reinen Unschuld überredet oft besser als die beredteste Zunge – – Paulina versichert Aemilien, daß ihr edelmüthiges Anerbieten der Königin desto angenehmer seyn werde, da sie selbst auf diesen Gedanken gekommen, und nur besorgt habe, daß sich niemand finden würde, der es wagen dürfte ihn auszuführen. Inzwischen macht der Kerkermeister auf den Fall daß die Königin einwilligen sollte, Aemilien die neugebohrne Princessin anzuvertrauen einige Schwierigkeit, ob er es, da er keinen Befehl dazu habe, passieren lassen dürfe; läßt sich aber von Aemilien damit beruhigen, daß das Kind eigentlich ein Gefangner im Mutterleib gewesen, und nach Gesez und Ordnung der Natur freygestellt worden, mit nichten aber als Gefangner des Königs anzusehen sey, als gegen welchen es sich auf keinerley Weise habe verfehlen können. Und hierauf begeben sie sich in ein anders Zimmer.

Vierte Scene.

Der Pallast. Leontes, Antigonus, Herren vom Hofe, und Trabanten treten auf.

Leontes (vor sich.)

Keine Ruhe, bey Tag noch Nacht – – es ist eine grosse Schwachheit, sich die Sachen so zu Gemüthe zu ziehen – – es würde so seyn, wenn der Gegenstand meiner Unruhe nicht noch unter den Lebendigen wäre – – wenigstens ein Theil davon, sie, die Ehebrecherin – – Denn was ihren Verführer betrift, den muß ich aus meinem Gehirn auswischen, da ihn mein Arm nicht erreichen kan: Aber sie hab‘ ich in meiner Gewalt – – Könnte mir jemand sagen, daß sie aus der Welt geschafft wäre, die Hälfte meiner Ruhe würde wieder kommen – – Ist niemand hier? – – Ein Bedienter kommt herein.

Bedienter.

Gnädigster Herr – –

Leontes.

Wie steht’s um den Prinzen?

Bedienter.

Er schlief diese Nacht wohl; man hofft er habe das Schlimmste überstanden.

Leontes.

Wie edel sein Gemüth ist! Seitdem er die Schande seiner Mutter gewahr wurde, ist er auf einmal welk worden, geht traurig und niedergeschlagen herum, will nichts essen, und schämt sich, als ob er sich vor sich selbst verbergen möchte – – Lebhaftigkeit, Appetit, Schlaf, alles ist hin; er schwindet zusehends weg – – Laß mich allein, geh, sieh was er macht – – (Der Bediente geht ab.) – – Fie, fie, keinen Gedanken an ihn! – – Hier führt kein Weg zur Rache – – er ist zu mächtig; an sich selbst, und in seinen Freunden und Bundes-Genossen – – Laßt ihn wo er ist, bis die Zeit uns vielleicht einen Dienst thut – – Für izt soll sich unsre Rache an ihr ersättigen – – Camillo und Polixenes lachen izt über mich; machen sich eine Kurzweile aus meinem Kummer; sie sollten nicht lachen wenn ich sie erreichen könnte; noch soll sie lachen, die ich in meiner Gewalt habe – –

Fünfte Scene.

Paulina mit einem Kinde auf dem Arm tritt auf.

Ein Herr vom Hofe, an der Thüre.

Ihr könnt nicht vorkommen.

Paulina.

Ihr solltet euch vielmehr meiner annehmen, meine guten Herren. Ach Gott! ist euch mehr daran gelegen, seine tyrannische Leidenschaft als das Leben der Königin zu schonen? Einer tugendhaften, schuldlosen Seele; welche reiner ist, als er eifersüchtig.

Antigonus.

Laß es genug seyn.

Ein Bedienter vor der Thüre.

Gnädige Frau, er hat diese Nacht nie geschlaffen; wir haben ausdrüklichen Befehl, niemand vor ihn zu lassen.

Paulina.

Nicht so hizig, Herr; ich komme deßwegen, um ihm wieder zu seinem Schlaffe zu helfen. Solche Leute wie ihr, die wie seine Schatten neben ihm her kriechen, und jedem seiner unnöthigen Seufzer mit einem schmeichlerischen Nach-Seufzen antworten – – Solche Leute nähren die Ursache seiner Schlaflosigkeit. Ich komme ihm Wahrheiten zu sagen, die ihn so gewiß curieren können als sie wahr sind – – Laßt mich; ich werde mich nicht abweisen lassen.

Leontes.

Was giebts für ein Getöse hier, he?

Paulina.

Kein Getöse, Gnädigster Herr, sondern eine nothwendige Audienz für ein paar ehrliche Gevatterinnen.

Leontes.

Wie? – – Weg mit dieser zudringlichen Frau – – Antigonus, befahl ich dir nicht, sie sollte nicht vor mich kommen? Ich wußte, daß sie es im Sinn hatte.

Antigonus.

Gnädigster Herr, ich verbott es ihr, auf Gefahr sich euern Unwillen zuzuziehen, und den meinigen – – aber – –

Leontes.

Was? Kanst du sie nicht besser im Zaum halten?

Paulina.

Von allem was unrecht wäre, kan er’s; aber in dieser Sache, verlaßt euch darauf – – er müßte es denn nur machen wie ihr, und mich einsperren lassen, weil ich rechtschaffen gehandelt hätte – – in dieser Sache soll er mich nicht zurükhalten können.

Antigonus.

Seht ihr nun, ihr hört es selbst; wenn sie einmal den Zaum zwischen die Zähne genommen hat, so muß ich sie rennen lassen; aber doch stolpert sie nicht.

Paulina.

Mein Gnädigster Oberherr, ich komme – – und ich bitte euch, hört mich an, eure getreue Magd, euern Arzt, und euere aufrichtige wolmeynende Rathgeberin; ich bin es, ob ich schon weniger Credit habe, als diejenigen, die euch am ergebensten zu seyn scheinen, ohne daß sie den Muth haben, eure Wunde anzurühren – – Ich sage, ich komme von eurer guten Königin.

Leontes.

Guten Königin?

Paulina.

Guten Königin, Gnädigster Herr; ja, von eurer guten Königin, sag‘ ich noch einmal, und wollt‘ es mit Schwerdt und Lanze gegen den Schlimmsten unter euch beweisen, wenn ich ein Mann wäre.

Leontes.

Treibt sie hinaus.

Paulina.

Unterstehe sich einer Hand an mich zu legen, wenn ihm seine Augen nur Kleinigkeiten sind: Ich will von mir selbst wieder gehen, aber zuvor will ich meine Commission ausrichten. Die gute Königin, denn sie ist gut, hat euch eine Tochter gebracht; hier ist sie, und bittet um euern Segen. (Sie legt das Kind vor ihm nieder.)

Leontes.

Hinaus! weg mit der Hexe! zur Thüre hinaus: Die verschmizte Kupplerin!

Paulina.

Das nicht; ich bin so unwissend in dieser Kunst als ihr, wenn ihr mich so betitelt; und nicht weniger ehrlich als ihr unsinnig seyd; und das ist, ich versichre euch, so wie die heutige Welt geht, genug um für ehrlich zu passieren.

Leontes.

Verräther, wollt ihr sie nicht hinausschmeissen? (Zum Antigonus.) Gieb ihr den Bastard; du alter Weiber-Narr, der sich von seiner Henne aus dem Hüner-Stall herauspiken läßt. Nimm den Bastard auf, nimm ihn auf, sag ich; gieb ihn deiner alten Schnarr-Pfeiffe.

Paulina.

Auf ewig ehrlos seyen deine Hände, wenn du die Princessin unter der gewaltthätigen Beschimpfung, womit er sie belegt, aufhebst.

Leontes.

Seht, er muß sein Weib fürchten.

Paulina.

Ich wollte, ihr machtet’s so; so würdet ihr ohne Zweifel eure Kinder nicht verläugnen.

Leontes.

Ein Pak Verräther!

Antigonus.

Ich bin keiner, beym Gott des Tages!

Paulina.

Ich auch nicht, noch sonst jemand hier, als einer; und der ist er selbst – – Er, der die geheiligte Ehre seiner Selbst, seiner Königin, seines hoffnungs-vollen Sohns und seiner neugebohrnen Tochter Preiß gegeben und mit einer Schande gebrandmalet hat, die wenn sie sich einmal in die Meynung der Welt eingefressen hat, durch keinen Widerruf, durch keine ersinnliche Genugthüung wieder auszulöschen ist.

Leontes.

Eine natter-züngichte Beze, die kürzlich ihren Mann geprügelt hat, und nun mich anfällt! – – Diese kleine Roznase geht mich nichts an; Polixenes ist ihr Vater, weg mit ihr und ihrer Alten; werft sie ins Feuer.

Paulina.

Sie ist euer, und wenn wir das alte Sprüchwort auf euch applicieren dürften, sie sieht euch so gleich, daß sie nicht desto schöner ist. Seht hier, meine Herren, so klein der Format ist, das natürliche leibhafte Ebenbild ihres Vaters; Augen, Nase, Lippen, der Zug seiner Augbrauen, seine Stirne, das Grübchen in seinem Kinn, und in den Wangen, sein Lächeln, die völlige Bildung seiner Hand, seine Finger und Nägel. Und du, gute Göttin Natur, die du sie dem, der sie zeugte, so ähnlich machtest, wenn du auch die Gestaltung des Gemüths hast, so brauch alle Farben dazu, nur kein Gelb; sonst könnte die Königin wol, eben sowol wie er, auf den Argwohn gerathen, daß ihre Kinder nicht ihrem Manne gehörten.

Leontes.

Der garstige Schleppsak! Und du, Flegmatischer Geselle, verdienst gehangen zu werden, daß du ihr das Maul nicht stopfest – –

Antigonus.

Wenn ihr alle Männer hängen lassen wollt, die das nicht können, so wird euch schwerlich ein einziger Unterthan übrig bleiben.

Leontes.

Noch einmal, schafft sie fort.

Paulina.

Der unwürdigste, unnatürlichste Herr könnte nicht mehr thun.

Leontes.

Ich will dich zu Asche brennen lassen.

Paulina.

Sey es; so ist der der Kezer, der das Feuer anzünden läßt, nicht ich, die verbrennt wird. Ich will euch eben keinen Tyrannen nennen, aber diese höchst grausame Behandlung eurer Königin, (gegen welche ihr doch nicht im Stande seyd einen andern Zeugen aufzubringen, als eure eigne wakelnde Einbildung) schmekt ein wenig nach Tyranney; und wird euch verächtlich, ja abscheulich in den Augen der Welt machen.

Leontes.

Ich befehl es euch, bey euern Pflichten; werft sie aus dem Zimmer hinaus. Wär‘ ich ein Tyrann, wo wär‘ ihr Leben? Sie würde mich gewiß nicht so nennen, wenn sie wißte daß ich einer wäre. Weg mit ihr.

Paulina.

Ich bitte euch, stoßt mich nicht, ich will gehen. Seht zu euerm Kinde, Gnädigster Herr, es ist euer; die Götter mögen ihr einen bessern Schuzgeist senden! – – Hiemit gehabt euch wol, wir gehen. (Sie geht ab.)

Sechste Scene.

Leontes.

Du hast dein Weib hiezu aufgestiftet, Verräther – – Das soll mein Kind seyn? Weg damit! Eben du, du der ein so zärtliches Herz dagegen gehabt hast, trag es weg, und siehe zu, daß es diesen Augenblik ins Feuer geworfen und verzehret werde; eben du und kein andrer, als du – – Gleich heb‘ es auf. Noch in dieser Stunde bringe mir die Nachricht daß es geschehen sey, und Zeugen, die mir keinen Zweifel übrig lassen, oder dein Leben, und alles was du sonst noch dein nennest, ist verwirkt: Wenn du dich weigern, und mit meinem Grimm zusammenstossen willst, so sag es: Ich will dem Bastard sein Hirn mit meinen eignen Händen ausschlagen – – Geh, wirf es ins Feuer; denn du hast dein Weib aufgestiftet.

Antigonus.

Das that ich nicht, Gnädiger Herr; diese Herren, meine edeln Brüder, können es bezeugen, wenn sie wollen.

Ein Herr vom Hofe.

Wir können es, Gnädiger Herr; er hat keine Schuld daran, daß sie gekommen ist.

Leontes.

Ihr seyd alle Lügner.

Alle.

Wir bitten Eu. Hoheit eine bessere Meynung von uns zu haben. Wir haben euch jederzeit getreulich gedient, und bitten euch, uns hiernach zu beurtheilen; und auf unsern Knien flehen wir, (als um die Belohnung unsrer vergangnen und künftigen Dienste) daß ihr von diesem Vorhaben ablasset, welches so entsezlich, so grausam ist, daß es böse Folgen nach sich ziehen könnte – – Wir alle bitten auf unsern Knien- –

Leontes.

Ich bin wie eine Feder, die jeder Wind herumweht wohin er will – – Soll ich leben, um diesen Bastart vor mir knien und mich Vater nennen zu sehen? Besser ihn izt zu verbrennen als ihm dann meinen Fluch zu geben – – Doch sey es; laßt ihn leben – – Nein, das soll er auch nicht – – Ihr, Herr, kommt ein wenig näher – – (zum Antigonus.) Ihr, der mit Dame Margareth eurer Hebamme hier, so dienstfertig gewesen seyd, um dieses Bastarts Leben zu retten, (denn ein Bastart ist es, so gewiß als dieser Bart grau ist – -) was wollt ihr wagen, um diesem Welchselbalg das Leben zu erhalten?

Antigonus.

Alles, Gnädigster Herr, was ich fähig bin und Großmuth auflegen kan – – zum wenigsten will ich, ein unschuldiges Geschöpf zu retten, das wenige Blut gerne hergeben, das ich noch in meinen Adern habe – – Alles, wenn es nur etwas mögliches ist.

Leontes.

Es soll möglich seyn – – schwöre bey diesem Schwerdt, daß du meinen Befehl vollziehen willt.

Antigonus.

Ich will, mein Gebietender Herr.

Leontes.

Merke wol auf, und halte Wort – – Denn die Unterlassung eines einzigen Punkts soll gegenwärtiger Tod nicht allein für dich, sondern auch für dein scharfzüngiges Weib seyn, welcher wir für diesesmal vergeben. Wir befehlen dir, so wahr du unser Vasall bist, daß du diesen weiblichen Bastart von hier weg, und an einen abgelegnen einöden Ort, ferne von unsern Landen und Gebieten tragen, und daß du es dort, ohne anderweitige Vorsorge, seinem Schiksal und der Gunst des Clima überlassen sollest – – Der Zufall mag dann seine Pfleg-Mutter seyn oder seinem Wesen ein Ende machen – – Thue es, oder erwarte das ärgste von meiner gerechten Rache – – Heb es auf.

Antigonus.

Ich schwöre, daß ich es thun will. Komm dann, armes Kind! Irgend ein mitleidiger Geist lehre Geyer und Raben, deine Ammen zu werden. Man erzählt von Wölfen und Bären daß sie ihre natürliche Wildheit bey Seite gesezt, und dergleichen milde Dienste gethan hätten – – Gnädigster Herr, lebet glüklicher als es diese That verdient – – Armes unschuldiges Geschöpf, sollst du zum Verderben verurtheilt seyn! – – (Er trägt das Kind hinweg.)

Leontes.

Nein, ich will keine fremde Brut in meinem Nest aufziehen. Ein Bote tritt auf.

Bote.

Gnädigster Herr, es ist eine Staffette von euern Abgesandten zum Orakel diese Stunde angekommen. Cleomenes und Dion sind glüklich von Delphi zurük gekommen, und werden in kurzem bey Hofe eintreffen.

Leontes.

Es sind erst drey und zwanzig Tage seitdem sie abgereißt sind: Die schnelle Expedition sagt mir vor, daß Apollo die Wahrheit sobald als nur möglich ans Licht gebracht wissen will. Schiket euch an, meine Herren, laßt den grossen Rath zusammenberuffen, damit unsrer treulosen Gemahlin der Proceß gemacht werde; denn da sie öffentlich angeklagt worden, so soll sie auch gerichtlich verhört und überwiesen werden – – So lange sie lebt, wird mir mein Herz eine Last seyn – – Verlaßt mich, und vollzieht meinen Befehl. (Sie gehen ab.)

Dritter Aufzug.

Erste Scene.

Eine Gegend von Sicilien an der Küste. Cleomenes und Dion treten auf.

Cleomenes.

Das Clima ist ungemein mild, die Luft lieblich, das Erdreich fruchtbar, und der Tempel weit über die gewöhnlichen Beschreibungen, die von ihm gemacht werden.

Dion.

Er beschämt alles was das Gerüchte von ihm rühmt – – Alles darinn kündigt die gegenwärtige Gottheit an – – Die priesterliche Kleidung – – ich möchte sie fast himmlisch nennen – – das ehrwürdige Ansehen der Diener des Gottes – – und o! das Opfer, wie feyerlich, prächtig und mehr als irdisch in seiner ganzen Anordnung!

Cleomenes.

Und was über alles geht, der furchtbare Ausbruch der betäubenden Stimme des Orakels, die, mit Jupiters Donner verwandt, meine Sinne so dahinriß, daß ich vernichtet zu werden glaubte.

Dion.

Wenn der Endzwek unsrer Reise für die Königin so glüklich ausfallen wird, (und o! möcht‘ es so seyn,) als die Reise selbst uns angenehm gewesen, und glüklich von statten gegangen ist, so ist die Zeit wol darauf angewendet worden.

Cleomenes.

Grosser Apollo! wende alles zum Besten! – – Ich kan es gar nicht billigen, daß man mit diesen Bezüchtigungen so öffentlich und auf eine so ungestüme Art gegen Hermione losgebrochen ist.

Dion.

Nach den heftigen Maaßregeln die man genommen hat, wird die Sache bald ins Klare kommen oder geendigt werden – – Das Orakel, welches wir hier unter Apollo’s grossem geheiligten Sigel mit uns bringen, wird den Ausspruch thun; vielleicht werden sehr unerwartete Dinge zum Vorschein kommen – – Geht, frische Pferde: Und erfreulich möge der Ausgang seyn! – – (Sie gehen ab.)

Zweyte Scene.

Verwandelt sich in einen Gerichts-Hof. Leontes, die vornehmsten Herren vom Hofe, und verschiedene Beysizer und Officianten des Hof-Gerichts, im Cirkel sizend.

Leontes.

Dieses niedergesezte Gericht (mit tiefstem Schmerz müssen wir es sagen) führt den tödtlichen Stoß in unser Herz. Der beklagte Theil ist nichts geringeres als die Tochter eines Königs, unsre Gemahlin, und eine, welche wir nur zu sehr geliebt haben – – Dieses feyrliche Gericht wird uns, hoffentlich, gegen allen Vorwurf der Tyranney sicher stellen; dieses Gericht, wobey die Gerechtigkeit allein den Vorsiz haben, wo der Schuldigen ihre Vertheidigung nicht versagt und nur das Verbrechen gestraft werden soll – – Führet die Gefangene vor – –

Ein Officiant.

Es ist Sr. Hoheit Wille, daß die Königin vor Gericht gebracht werde. Stille! Hermione wird mit einer Wache herein geführt; Paulina und ihre Cammer-Frauen folgen.

Leontes.

Leset die Anklage.

Officiant (ließt.)

Hermione, Königliche Gemahlin des Durchlauchtigsten Leontes, Königs von Sicilien, du wirst hier vorgeladen und des Hochverraths angeklagt, darinn von dir begangen, daß du mit Polixenes, König von Böhmen, geehbruchet, und mit Camillo dich in ein Verständniß gegen das Leben unsers Gnädigsten Herrn, des Königs deines Gemahls, eingelassen; und daß, da dieser Anschlag durch zufällige Umstände zum Theil offenbar worden, du, Hermione, gegen die Treue und Pflicht eines getreuen Unterthanen, ihnen gerathen und Vorschub gethan, um sich bey nächtlicher Weile durch die Flucht zu retten.

Hermione.

Da alles was ich zu sagen haben kan, in dem blossen Widerspruch meiner Anklage besteht; und ich keine andre Zeugschaft meiner Unschuld aufstellen kan, als meine eigne; so wird es mir schwerlich etwas helfen, wenn ich sage, ich bin nicht schuldig: Das gegen meine Redlichkeit einmal gefaßte Vorurtheil, wird alles was sie sagen kan, zu falschen und leeren Ausflüchten machen. Aber, wenn Göttliche Mächte auf unsre menschlichen Handlungen herabschauen, (wie sie es gewiß thun) so zweifle ich nicht, daß Unschuld doch zulezt eine falsche Anklage zu Schanden machen, und Tyranney vor Geduld zittern wird – – Ihr, mein Herr und Gemahl, ihr wißt am besten, ob ihr es gleich am wenigsten zu wissen scheinet, daß mein vormaliger Lebens-Wandel so keusch, so ehrlich, und so untadelhaft gewesen ist, als ich izt unglüklich bin; und das ist mehr als irgend eine Geschichte, ja mehr als irgend ein Trauerspiel, obgleich mit allem Fleiß ausgesonnen, um Zuschauer herbey zu loken, aufweisen kan – – Denn hier steh‘ ich, die Genossin des Königlichen Bettes, die Theilhaberin des Throns, die Tochter eines grossen Königs, die Mutter eines hoffnungsvollen Prinzen, stehe und schwaze für Leben und Ehre, vor einem jeden, dem es gefällig ist zu kommen und zu hören. Was mein Leben betrift, das hat in meinen Augen alles verlohren, was es der Erhaltung werth machen könnte: Aber meine Ehre ist mein eigen, und für diese steh‘ ich hier. Ich appelliere an euer eignes Gewissen, mein Herr, wie ich bey euch in Gnaden gestanden, eh Polixenes an euern Hof kam, und ob ich es verdiente – – und, seitdem er gekommen ist, wie sorgfältig ich bemüht gewesen, mich eurer guten Gedanken von mir würdig zu erhalten; bin ich in Werken oder Gedanken nur Ein Jota über die Schranken der Ehre hinaus gegangen, so möge sich das Herz eines jeden der mich hört, verhärten, und meine nächste Blutsverwandten Fy über mein Grab ruffen!

Leontes.

Ich habe noch nie gehört, daß es einer, welche Muth genug hat so grobe Verbrechen zu wagen, an Verwegenheit gefehlt hätte, sie mit eben der Unverschämtheit wieder wegzuläugnen, womit sie selbige begangen hat.

Hermione.

Das ist wahr genug, aber es ist eine Beobachtung, mein Herr, die gar nicht für mich gemacht ist.

Leontes.

Ihr wollt sie euch nur nicht zueignen.

Hermione.

Mehr Fehler, als ich würklich habe, kan und soll ich auch nicht für mein erkennen. Was den Polyxenes mit dem ich hier angeklagt bin, betrift, so gestehe ich, ich liebte ihn, so wie es seine guten Eigenschaften verdienten, mit solch einer Art von Liebe, wie einer Frau, wie ich, anständig seyn kan; mit einer Liebe, gerade so einer und keiner andern, wie ihr selbst mir ihn zu lieben befahlet; wenn ich weniger gethan hätte, würde ich geglaubt haben, ungehorsam gegen euch, und undankbar gegen euern Freund zu seyn; einen Freund, den ihr mir selbst als den Freund eures Herzens angepriesen habt, und der euch von der Kindheit an bewiesen hatte, daß er’s sey. Was eure Zusammen-Verschwörung betrift, so gestehe ich frey, daß ich gar nicht verstehe was ihr damit wollt: Alles was ich weiß ist, daß Camillo ein ehrlicher Mann war; aber warum er euern Hof verlassen hat, das wissen die Götter selbst nicht, wenn sie nicht mehr davon wissen als ich.

Leontes.

Ihr wußtet so gewiß um seine Flucht, als ihr wisset, was ihr in seiner Abwesenheit zu thun vorhattet.

Hermione.

Mein Herr, ihr redet eine Sprache, die ich nicht verstehe; mein Leben hängt nun einmal von euern Träumen ab; ich überlaß es euch.

Leontes.

Eure Thaten sind meine Träume – – wie? Ihr habt einen Bastart vom Polixenes, und ich träumt es nur so? – – Diese Frechheit hat nur an eurer Schaamlosigkeit ihres gleichen – – Doch läugne immerhin; das kan uns in Erstaunen sezen, aber dir kan es nichts helfen; denn so wie dein Wechselbalg, wie es sich für eine solche Brut schikt, von der niemand Vater seyn will, (ein Umstand der freylich bey ihr nur ein Unglük, aber bey dir ein desto schwereres Verbrechen ist) wie sie hinausgeworfen worden ist, so sollt du unsre Gerechtigkeit fühlen: Erwarte von ihrer äussersten Milde nichts geringere als den Tod.

Hermione.

Sparet eure Drohungen, mein Herr; den Popanz, womit ihr mich schreken wollt, den such ich; Leben kan für mich kein Gut mehr seyn. Die Crone und das Vergnügen meines Lebens, eure Gunst, geb ich verlohren, denn ich fühle, daß sie verlohren ist, ob ich gleich nicht weiß, wie. Meine zweyte Freude, mein Sohn, mein erstgebohrner, von dem werd ich, wie eine angestekte Person durch Schlösser und Riegel versperrt. Mein dritter Trost, (ach! unter einem allzu-unglüklichen Stern gebohren!) ist von meiner Brust (die unschuldige Milch noch in seinem ganz unschuldigen Munde) weggerissen und ermordet worden; ich selbst bin mit einem Haß der keine Grenzen hat, als eine Meze durch alle Strassen ausgeruffen – – Sogar die Kindbett-Freyheiten, die dem geringsten Weibsbild zugestanden werden müssen, sind mir verweigert – – Zulezt, um das Maaß voll zu machen, habt ihr mich an diesen Plaz schleppen lassen in die freye Luft, vor der Zeit, da ich die Kräfte wieder erlangt hätte, es auszuhalten. Nun, mein gebietender Herr, sagt mir, wo sind die Glükseligkeiten, die ich mit dem Leben verliehren könnte? Schreitet also immer zur Sentenz: Aber das höret noch – – Verstehet mich nicht unrecht – – Nicht um mein Leben – – das acht‘ ich nicht soviel als einen Stroh-Halm – – Aber um meiner Ehre willen, muß ich euch sagen, wenn ich auf Bezüchtigungen, die keinen andern Beweis als eure Eifersucht haben, verurtheilt werde, so ist es Härte, nicht Justiz – – Meine Herren alle, ich unterwerfe mich dem Ausspruch des Orakels; Apollo soll mein Richter seyn!

Dritte Scene.

Dion und Cleomenes treten auf.

Ein Richter.

Euer Begehren ist billig; bringet also, und in Apollo’s Namen! sein Orakel hervor!

Hermione.

Der Kaiser von Rußland war mein Vater – – o! daß er noch leben, und dieses Verhör seiner Tochter sehen möchte! daß er dieses volle Maaß meines Elends sehen möchte; nur mit Augen des Mitleidens, nicht der Rache!

Ein Gerichts-Official.

Ihr sollet hier schwören auf das Schwerdt der Gerechtigkeit, daß ihr, Cleomenes und Dion, beyde zu Delphi gewesen seyd, und von da dieses versiegelte Orakel mitgebracht, so wie ihr’s aus den Händen der Priesterin des grossen Apollo empfangen habt; und daß ihr euch seitdem nicht erfrechet habt, das heilige Sigel zu erbrechen, und zu lesen, was es verschlossen hält.

Cleomenes. Dion.

Alles dieses beschwören wir.

Leontes.

Brecht die Sigel auf, und leset.

Der Official ließt:

Hermione ist keusch, Polixenes unschuldig, Camillo ein getreuer Unterthan, Leontes ein eifersüchtiger Tyrann, sein unschuldiges Kind, rechtmässig erzeugt; und ohne einen Erben soll der König leben, wofern das, was verlohren ist, nicht wieder gefunden wird.

Die Herren und Richter alle.

Nun, gelobet sey der grosse Apollo!

Hermione.

Gelobet!

Leontes.

Hast du es so gelesen wie es geschrieben ist?

Official.

Ja, Gnädigster Herr, sehet nur selbst – –

Leontes.

Das Orakel ist falsch – – Der Gerichts-Hof soll fortfahren – – es ist lauter Betrug. Ein Bedienter tritt auf.

Bedienter (erschroken und zitternd.)

Gnädigster, Gnädigster Herr – –

Leontes.

Was willt du? – –

Bedienter.

O, daß ich der unglükselige Bote seyn mußte! Der Prinz – – euer Sohn – – die Alteration über das Verhör der Königin – – er ist todt.

Leontes.

Was? er ist todt?

Bedienter.

Todt.

Leontes.

Apollo ist ergrimmt, und der Himmel selbst schleudert seine Keile auf meine Ungerechtigkeit herab – – Wie, was giebt’s hier? (Die Königin sinkt ohnmächtig hin.)

Paulina.

Die Königin wird diese Zeitung nicht überleben – – Seht hieher, seht was der Tod für Arbeit macht.

Leontes.

Tragt sie fort; ihr Herz ist nur überladen; sie wird sich wieder erholen. – – (Paulina und die Frauen gehen mit Hermione, welche weggetragen wird.)

Vierte Scene.

Leontes.

Ich habe meinem Argwohn zuviel geglaubt: ich bitte euch, wendet alles an ihr Leben zu erhalten – – O Apollo! vergieb – – vergieb meine sinnlose Lästerung gegen dein Orakel! Ich will mich mit dem Polyxenes aussöhnen, mich von neuem um die Liebe meiner Königin bewerben, den ehrlichen Camillo zurük beruffen, ihn, dessen gutes Herz mir die Quaal erspart hat, daß ich mir noch die Ermordung meines Freundes vorwerfen müßte – – denn ihn erkießte ich in der Wuth meines eyfersüchtigen Fiebers zum Werkzeug, den Polixenes zu vergiften; aber ungeachtet ich ihm Belohnung in der einen Hand zeigte und Tod in der andern, war er doch zu edel, zu menschlich, mir zu gehorchen; er entfaltete meinen Anschlag meinem Königlichen Gast, und wollte lieber sein Vaterland und seine Güter, (die wie ihr wisset beträchtlich sind) dahinten lassen, und mit seiner unbeflekten Ehre nakend entfliehen, als meine Gunst mit einer Uebelthat erkauffen. Wie glänzt er neben meinem Rost! Wie viel schwärzer macht seine Tugend meine Aufführung!

Fünfte Scene.

Paulina zu den Vorigen.

Paulina.

O Jammer über Jammer! Schneidet mir meine Schnur-Brust auf, oder mein Herz zersprengt sie, und berstet zugleich.

Ein Herr vom Hofe.

Was ficht euch an, Gnädige Frau? Paulina kündigt dem Könige, nach einer langen Tirade von Schmähungen, und nachdem sie ihm alle seine Vergehungen in den unanständigsten Ausdrüken vorgeworfen, den Tod der Königin an.

Leontes.

Das verhüten die höhern Mächte!

Paulina.

Ich sage dir sie ist todt: Ich will es beschwören: Wenn du an Worten und Schwüren nicht genug hast, so geh und sieh selbst: Wenn ihr Farbe in ihre Lippen oder Glanz in ihre Augen, Wärme in ihre Gliedmaassen oder Athem in ihre Brust bringen könnt, so will ich vor euch niederfallen und euch wie einen Gott anbetten – – Aber, o du Tyrann! Zeige keine Reue über deine Thaten; sie sind zu abscheulich um durch alle Qualen die du fühlen kanst abgebüßt zu werden: Für dich ist nichts übrig als Verzweiflung. Tausend Kniee, zehntausend Jahre in einem fort, nakend, fastend auf einem kahlen Gebürge, in immerwährendem Winter und Sturm, könnten die Götter nicht bewegen, dahin zu sehen, wo du bist.

Leontes.

Fahre immer fort, fahre immer fort: Du kanst nicht zu viel sagen – – ich hab‘ es verdient, daß mir alle Zungen das Bitterste sagen, was sie können.

Ein Herr vom Hofe.

Sagt nichts mehr – – Die Umstände mögen seyn wie sie wollen, so habt ihr euch durch die unanständige Heftigkeit eurer Reden sehr vergangen.

Paulina.

Es ist mir leid; ich bereue alle Fehler, die ich begehen kan, sobald ich sie einsehe. Ach! nun seh ich’s, ich habe mich durch die rasche weibliche Hize zuweit fortreissen lassen; er ist bis ins edle Herz verwundet. Was geschehen ist, und keine Hülfe mehr zuläßt, sollte man aus dem Sinne zu schlagen suchen. Betrübet euch nicht so sehr – – nein, lieber laßt mich dafür bestraft werden, daß ich euch an Dinge erinnert habe, die ihr vergessen solltet. Nun, mein gütigster Gebieter, mein Herr, mein Königlicher Herr, verzeihst einem albernen Weibsbilde; die Liebe, die ich zu eurer Gemahlin trug – – (sie weint.) alberne Weichherzigkeit! – – Ich will nichts mehr von ihr sagen, auch nichts von euern Kindern, ich will nicht mehr an meinen eignen Mann denken, der auch verlohren ist. Fasset nur auch ihr Geduld, so will ich gerne nichts sagen.

Leontes.

Du hast recht gesprochen, denn du sagtest nichts als Wahrheit; und diese höre ich lieber von dir als dein Mitleiden. Ich bitte dich, führe mich dahin wo die Leichen meiner Gemahlin und meines Sohnes liegen; sie sollen beyde Ein Grab haben. Auf ihrem Grabmal sollen zu meiner ewigen Schande die Ursachen ihres Todes zu lesen seyn; alle Tage will ich einmal die Capelle besuchen wo sie liegen, und die Thränen, die ich dort vergiesse, sollen meine Erquikung seyn. So lange als die Natur bey dieser Uebung dauren kan, so lange gelob‘ ich an, sie täglich zu halten. Kommt, und führet mich zu diesem traurigen Geschäfte. (Sie gehen ab.)

Sechste Scene.

Verwandelt sich in eine einöde Gegend in Böhmen nahe an der See.* Antigonus tritt mit einem Kind auf dem Arm und einem Schiffer auf.

Antigonus.

Du bist also gewiß, daß unser Schiff an die Wüsten von Böhmen angeländet hat?

Schiffer.

Ja, Gnädiger Herr, und ich besorge nur daß es zur Unzeit geschehen ist. Der Himmel sieht fürchterlich aus und droht mit einem gegenwärtigen Sturm. Auf mein Gewissen, die Götter sind über das was wir in Handen haben erzörnt, und geben’s uns zu erkennen.

Antigonus.

Ihr heiliger Wille geschehe! Geh du an Bord zurük; sorge für deine Barke, ich will dir bald wieder ruffen.

Schiffer.

Eilet was ihr könnet, und waget euch nicht zu weit in das Land hinein; wir werden, allem Ansehen nach, ein heftiges Ungewitter bekommen – – Und zudem ist diese Gegend wegen der wilden Thiere berüchtiget, die sich hier aufhalten.

Antigonus.

Geh du nur; ich will dir auf dem Fusse folgen.

Schiffer (vor sich.)

Ich bin von Herzen froh, daß ich dieser Bürde los werde. (Er geht ab.)

Antigonus.

Komm, armes Geschöpf; ich habe gehört, obgleich nie geglaubt, daß die Geister der Verstorbnen wieder kommen können; wenn sowas ist, so erschien mir deine Mutter in verwichner Nacht; denn nie hat ein Traum dem Wachen so gleich gesehen. Eine Creatur stellte sich mir vor, deren Haupt bald auf die eine bald auf die andere Seite hieng; nie sah ich ein Gefäß von solchen Schmerzen angefüllt – – und doch so viel Anstand in ihrem ganzen Wesen; ganz weiß gekleidet, wie das Bild der Unschuld, näherte sie sich der Cajüte worinn ich lag; sie neigte sich dreymal vor mir, aber wie sie den Mund zum reden öffnete, barsten ihre Augen in Thränen; endlich da sie sich erleichtert hatte, brachen diese Worte von ihr: Redlicher Antigonus, weil doch nun das Schiksal, gegen deine bessere Gesinnung dich zum Werkzeug der Wegwerfung meines armen Säuglings gemacht hat, so leg es in Böhmen nieder – – es sind Wildnisse genug dort, und sie sind weit genug von Sicilien entlegen, daß dein Eid nicht dadurch gebrochen wird; und weil dieses Kind für immer verlohren geschäzt wird, so gieb ihm, ich bitte dich, den Namen Perdita. Für dieses unfreundliche Geschäfte, das dir mein Gemahl aufgelegt hat, wirst du dein Weib Paulina niemals wieder sehen – – und hier that sie einen ängstlichen Schrey, und zerfloß in Luft. So erschroken ich war, so erholt‘ ich mich doch bald wieder, und dachte bey mir selbst, daß es etwas wirkliches und kein Traum gewesen seyn müsse: Träume sind Tand; aber für dieses einzige mal kan ich mir nicht verwehren abergläubisch zu seyn, und Reflexion auf dieses Gesicht zu machen. Ich glaube, daß Hermione den Tod erlidten haben wird; und daß Apollo, weil er weiß, daß dieses Kind wirklich dem König Polixenes angehört, haben will, daß es hieher, es sey nun zum Leben oder Tod, auf seines wahren Vaters Grund und Boden gelegt werde. (Er legt das Kind nieder.) So gerathe dann wol, du kleiner Sprößling! Hier liege, und hier dein Name; und hier Dinge, welche, wenn das Glük günstig ist, deine Erhaltung befördern, und doch dein bleiben können – – Es fängt an zu stürmen – – Armes unglükliches Geschöpf! das für seiner Mutter Fehler so grausam büssen muß – – Wie wird es dir gehen? – – Weinen kan ich nicht, aber mein Herz blutet – – O des unseligen Eids, durch den ich mich so gebunden habe! – – Lebe wohl! – – Der Tag wird immer dunkler; es sieht aus, als ob du ein rauhes Wiegen-Lied bekommen werdest; nie hab ich bey Tage einen so düstern Himmel gesehen – – Was für ein wildes Geschrey ist das – – ich habe hohe Zeit an Bord zu eilen – – Das ist eine Jagd – – Himmel! Ich bin verlohren. (Er flieht, von einem Bären verfolgt.) * Wie die See nach Böhmen kommen könne, war ein Umstand, den sich unser Autor vielleicht von darum nichts anfechten ließ, weil man in Mährchen auf die Geographie nicht zu achten pflegt.

Siebende Scene.

Ein alter Schäfer tritt auf.

Schäfer.

Ich wollte es wäre kein Alter zwischen zehn und drey und zwanzig, oder die jungen Leute müßten diese ganze Zeit über schlafen: Denn es ist doch in diesem Zwischen nichts als, Menschern Kinder machen, alte Leute foppen, stehlen, rauffen – – Hört ihr nun! Würde sich ein Mensch in der Welt einfallen lassen, bey einem solchen Wetter zu jagen, wenn es nicht diese Tollköpfe von neunzehn und zwey und zwanzig thäten? – – Sie haben mir zwey von meinen besten Schafen verscheucht, die nun, fürcht‘ ich, der Wolf eher finden wird als ihr Herr – – wenn ich sie noch irgendwo kriegen kan, so muß es an der Küste seyn, wo sie Epheu zu fressen finden – – Gut Glük! was haben wir hier? – – (Er hebt das Kind auf.) Gott sey bey uns! Ein Wikel-Kind! Ein recht hübsches Kind! Ein Junge, oder ein Mädchen, das wundert mich! – – Ein artiges Ding, ein recht artiges Ding; richtig, das wird ein Jungfern-Kindchen seyn: Wenn ich schon nicht gestudiert bin, so seh ich ihm doch an der Nase an, daß eine Kammer-Jungfer oder so was dahinter stekt. Das mag eine Stiegen-Arbeit gewesen seyn, eine Rausch-Arbeit, so was hinter der Thür hurtig weggemachtes – – Armes kleines Ding! denen ist wärmer gewesen, die dich gezeugt haben, als dir ist – – Ich will es aus Mitleiden aufheben und mit mir nehmen; aber ich will doch noch warten, bis mein Sohn kommt; ich hört‘ ihn eben holla ruffen – – Wie! he! holla, ho! (Hans Wurst tritt auf.)

Hans Wurst.

Holla, ho! – –

Schäfer.

Was, bist du so nah? Wenn du was sehen willst, von dem noch die Rede seyn wird, wenn du todt und verfault bist, so komm her. Nun, was fehlt dir, Mann?

Hans Wurst.

Ich habe zwey solche Spectakel gesehen, zu Wasser und zu Land; doch ich kan nicht sagen zu Wasser; denn es ist izt alles Himmel; ihr könntet würklich zwischen das Firmament und die See keine Steknadel steken.

Schäfer.

Wie, Junge, was ist es dann?

Hans Wurst.

Ich wollte, ihr hättet nur gesehen, wie es tobt, wie es raßt, wie es das Ufer aufwühlt; aber das ist noch alles nichts; o! das erbärmliche Schreyen der armen Seelen – – sie izt zu sehen, und dann gleich wieder nicht zu sehen – – und wie das Schiff bald mit seinem grossen Mast den Mond durchbohrte, bald wieder von Schaum und Gäscht verschlungen wurde, als ob ihr ein Stükchen Kork in ein Bierfaß geworfen hättet. Und dann zu Lande – – wie ihm der Bär das Schulterbein ausriß, und wie er schrie daß ich ihm zu hülfe kommen sollte, und sagte, er heisse Antigonus, und sey ein Edelmann – – Aber um mit dem Schiff ein Ende zu machen, zu sehen, wie es vom Meer hineingeschlukt wurde; aber vorher, wie die armen Leute heulten, und wie ihnen die See zum Spott nachheulte – – Und wie der arme Herr heulte, und der Bär seiner spottete – – und beyde so laut heulten, daß man weder See noch Wetter davor hören konnte.

Schäfer.

Um Gottes willen, wenn war das, Junge?

Hans Wurst.

Izt, izt, diesen Augenblik erst; die Leute können unterm Wasser noch nicht kalt worden seyn, und der Bär kan den armen Herrn noch nicht halb aufgegessen haben; er ist noch an ihm.

Schäfer.

Ich wollt‘ ich wäre um den Weg gewesen, daß ich dem alten Mann hätte zu hülfe kommen können.

Hans Wurst.

Ich wollt‘ ihr wäret beym Schiff gewesen, daß ihr ihm hättet zu hülf kommen können; da würde euer Mitleiden ein schönes Stük Arbeit vor sich gefunden haben.

Schäfer.

Das sind böse, böse Zeitungen! Aber schau hier, Junge. Siehst du, daß ich glüklicher bin als du; du findest die Leute wenn sie sterben, und ich die neugebohrnen. Das ist was für dich, Junge; sieh hier, gelt, das ist ein Wikel-Tuch für ein Edelmanns-Kind! Schau nur einmal; heb es auf, heb es auf, Junge, mach’s auf; so, laß sehen: Es ist mir geweissagt worden, ich werde noch einmal durch die Feen reich werden – – Das wird so ein ausgetauschtes Kind seyn: Mach‘ es auf; was ist darinn, Junge?

Hans Wurst.

Ihr seyd ein närrischer alter Mann; wenn euch die Sünden eurer Jugend vergeben sind, so wird’s euch wohl kommen – – Gold! lauter Gold! – –

Schäfer.

Das ist Feen-Gold, Junge, es wird sich auch so weisen. Auf damit, heb es wohl auf; heim, heim, den nächsten Weg. Unser Glük ist gemacht, Junge; es kommt izt nur drauf an, daß wirs verschwiegen halten. Laß meine Schafe gehen; komm guter Junge, den nächsten Weg nach Hause.

Hans Wurst.

Geht ihr den nächsten Weg mit euerm Fund, ich will gehen und sehn, ob der Bär von dem Edelmann weggegangen ist; und wieviel er von ihm gegessen hat; Sie sind nie grimmig als wenn sie hungrig sind. Wenn noch was von ihm übrig ist, will ich’s begraben.

Schäfer.

Das ist ein gutes Werk. Wenn du an dem was du noch von ihm findest, erkennen kanst, was er gewesen ist, so hohl mich, daß ichs auch sehe.

Hans Wurst.

Das will ich, ihr könnt mir ihn dann begraben helfen.

Schäfer.

Das ist ein glüklicher Tag für uns, Junge, und wir wollen gute Werke an ihm thun. (Sie gehen ab.) Die Zeit tritt nunmehr, als Chor, auf und bittet in einem Reimen-Spruch voll alltäglicher Sentenzen in schwülstigen Ausdrüken, die Zuschauer um Erlaubniß, in einem Sprung über sechszehn Jahre wegsezen zu dürfen, innerhalb welcher die kleine Perdita ein hübsches aufgeschossenes Mädchen geworden sey, von deren Begebenheiten man in den folgenden Aufzügen das mehrere zu vernehmen haben werde.

Vierter Aufzug.

Erste Scene.

Der Königliche Hof in Böhmen. Polixenes und Camillo treten auf.

Polixenes.

Ich bitte dich, guter Camillo, laß von mir ab; es ist mir schmerzlich dir irgend etwas abzuschlagen, aber dieses zu bewilligen, wäre gar der Tod.

Camillo.

Es ist nun bereits fünfzehn Jahre seit ich mein Vaterland zum leztenmal gesehen habe; und ob ich gleich den grössesten Theil meines Lebens ausser demselben zugebracht, so wünsch ich doch, daß meine Gebeine dort liegen möchten. Ueberdieß hat der bußfertige König, mein Herr, nach mir gesendet; vielleicht kan ich ihm in seinem kummervollen Zustand zu einigem Troste dienen; wenigstens bild ich mir’s so ein, und das ist ein neuer Antrieb zu meiner Abreise.

Polixenes.

Wenn du noch einige Liebe für mich hast, Camillo, so zernichte nicht alle deine mir bisher geleistete Dienste, indem du mich izt verlässest; schreib‘ es deiner eignen Güte zu, daß ich dich nicht mehr entbehren kan: Es wäre mir besser, dich nie gehabt zu haben, als künftig ohne dich zu seyn. Du hast mir Geschäfte gemacht, die niemand als du, zu Stande bringen kan; gehen und das Angefangene unvollendet lassen, das würde alle Verdienste auslöschen, die du dir dabey um mich gemacht hast. Bin ich dafür nicht erkenntlich genug gewesen, (wie ich es denn nie genug seyn kan,) so will ich beflissen seyn, meine Dankbarkeit besser zu beweisen – – Nur sage mir, ich bitte dich, nichts mehr von diesem fatalen Sicilien – – Der blosse Name davon martert mich mit der Erinnerung an diesen bußfertigen König, wie du ihn nennest, an dessen noch immer blutenden Schmerz über den Verlust seiner Gemahlin und seiner Kinder ich nun gedoppelten Antheil nehme, seitdem uns unsre Aussöhnung wieder zu Brüdern gemacht hat – – Sage mir, wie lang‘ ist es, seit du den Prinzen Florisell meinen Sohn gesehen hast? Könige sind nicht unglüklicher, wenn sie übelgerathene Kinder haben, als sie es durch die Furcht sind, liebenswürdige zu verliehren.

Camillo.

Gnädigster Herr, es sind drey Tage seitdem ich den Prinzen sah; was für angenehme Angelegenheiten er haben mag, ist mir unbekannt; aber ich vermisse ihn so ungern, daß ich nothwendig habe wahrnehmen müssen, daß er sich seit einiger Zeit öfters von Hof entfernt, und seinen fürstlichen Uebungen nicht mehr mit dem vorigen Eifer obliegt.

Polixenes.

Das hab‘ ich auch wahrgenommen, Camillo, und es hat mir wichtig genug geschienen, seine Abwesenheiten durch wachsame Augen beobachten zu lassen. Ich habe durch dieses Mittel erfahren, daß er seine meiste Zeit in dem Hause eines gewissen Schäfers zubringe, eines einfältigen, gemeinen Landmanns, der, wie sie sagen, von nichts, und auf eine seinen Nachbarn unbegreifliche Weise, zu einem unsäglichen Reichthum angewachsen sey.

Camillo.

Ich habe von einem solchen Mann gehört, Sire, der eine wunderschöne Tochter haben soll; man sagt so viel ausserordentliches von ihr, daß es unbegreiflich ist, wie sie das alles in einer Bauer-Hütte habe werden können.

Polixenes.

Auch diß ist mir gesagt worden, und ich fürchte das sey der Angel, der meinen Sohn dahin zieht. Ich habe mir vorgesezt, mich in einer schiklichen Verkleidung selbst dahin zu verfügen, und du sollst mich begleiten; ich will mich mit dem Schäfer in Unterredung einlassen; ich denke, daß seine Einfalt mir leicht machen soll, die Ursache warum mein Sohn sich so viel bey ihm aufhält, heraus zu bringen – – Ich bitte dich, theile dieses Geschäfte mit mir, und leg indessen die Gedanken an Sicilien auf die Seite.

Camillo.

Ich bin gänzlich zu euern Diensten.

Polixenes.

Mein bester Camillo! – – Komm, wir müssen uns verkleiden. (Sie gehen ab.)

Zweyte Scene.

Florisell und Perdita treten auf.

Florisell.

Wie reizend seyd ihr in diesem ungewöhnlichen Puz! Keine Schäferin, sondern Flora selbst, mitten unter dem schimmernden Gefolge des Frühlings! – – Für andre mag dieß unser Fest eine Schaf-Schur heissen; in meinen Augen ist es eine Zusammenkunft der Liebes-Götter, um euch, ihrer Königin, zu huldigen.

Perdita.

Mein gnädigster Herr, eure Ausschweiffungen zu tadeln, kommt mir nicht zu: O verzeihet, daß ich ihnen diesen Namen geben muß – – aber wie soll ich es anders nennen – – euer hohes Selbst, den grossen Erben dieses Reichs habt ihr durch eine Schäfer-Kleidung verdunkelt; und mich armes schlechtes Mädchen wie eine Göttin herausgepuzt. Glaubet mir, wenn unsre Leute nicht gewohnt wären, bey einem solchen Fest allerley kurzweilige Thorheiten zu sehen, ich würde erröthen, wenn ich euch in diesem Aufzug ansähe; versichert, ich denk‘ ich schaue in einen Spiegel der mir zeigt, wie niedrig ich bin, da ihr euch so weit herablassen müsset, um mir gleich zu werden.

Florisell.

Gesegnet sey die Stunde, da mein guter Falke seinen Flug über deines Vaters Matten nahm.

Perdita.

Nun, der Himmel mög euch Ursache geben diese Stunde zu segnen! Mich macht diese Verwandlung zittern; wenn ihr gleich zu groß seyd, um zu wissen was Furcht ist – – Eben in diesem Augenblik zittre ich vor dem Gedanken, daß irgend ein Zufall euern Vater so gut als euch hieher führen könnte: Gütiger Himmel! Was würde er für Augen machen, seinen Prinzen, auf den er stolz seyn müßte, so unanständig verkleidet zu sehen! Was würde er sagen! Oder wie könnte ich in diesem geborgten fluttrichten Aufzug das Herz haben, die Strenge seines Anbliks auszuhalten?

Florisell.

Weg mit diesen Grillen, meine Schöne; bilde dir nichts als Scherze und Frölichkeit ein: Die Götter selbst haben sich nicht geschämt, wenn es die Liebe wollte, ihre Gottheiten in thierische Gestalten zu verbergen. Jupiter brüllte als Stier; Neptunus blökte als Schafbok; und der goldne Apollo wurde ein armer gemeiner Schäfer, wie ich izt zu seyn scheine. Keiner unter ihnen allen konnte seine Verwandlung mit einer so schönen Ursache rechtfertigen; keiner liebte mit einer so reinen, so tugendhaften Liebe – – Meine Absichten – –

Perdita.

Ach, was vermögen diese Absichten gegen den unwiderstehlichen Willen des Königs? Denn daß er sie billigen könnte, ist unmöglich – – Was wird die Folge davon seyn? – – Eines von diesen beyden unfehlbar – – entweder ihr werdet aufhören zu lieben, oder ich zu leben – –

Florisell.

Allerliebste Perdita, ich bitte dich, verfinstre die Frölichkeit unsers Fests nicht mit diesen selbstgemachten Schrekbildern; entweder will ich dein seyn, meine Schönste, oder mein Vater hat keinen Sohn. Denn ich müßte nur aufhören ich selbst zu seyn, wenn ich nicht dein seyn sollte. Das ist eine ausgemachte unabänderliche Sache, wenn gleich das Schiksal selbst Nein dazu sagen wollte. Sey aufgeräumt, meine Liebe! Erstike solche Gedanken, denk‘ eher an alles andre – – Unsre Gäste kommen schon – – Zeig ihnen ein fröliches Gesicht; bilde dir ein daß dieser Tag der Hochzeit-Tag sey, den wir beyde einander zugeschworen haben, daß er kommen soll.

Perdita.

O Dame Fortuna, sieh uns mit günstigen Augen an!

Dritte Scene.

Der Schäfer, Hans sein Sohn, Mopsa, Dorcas, Bediente, und mit ihnen Polixenes und Camillus, verkleidet, treten auf.

Florisell.

Seht, unsre Gäste! Heisset sie willkommen; muntert sie durch eure eigne Frölichkeit zur Freude auf – – Dieser Tag soll der Freude heilig seyn!

Schäfer.

Nun wie, Tochter – – warum so stille? Mein altes Weib, tröste sie Gott! die machte es ganz anders; die war an einem solchen Tag Haushälterin, Kellerin, Köchin, Frau und Magd, alles in Eigner Person; sie bewillkommte jedermann; sie bediente jedermann; sie sang, wenn der Reyhen an sie kam, ihr Lied, und tanzte ihren Tanz; bald war sie zu oberst am Tisch, bald in der Mitte; hieng izt um dessen Schulter, izt um dessen; ihr Gesicht war lauter Feuer, so viel hatte sie zu thun, und wenn sie endlich löschen mußte, so gieng sie mit ihrem Glas von einem zum andern, und nippte auf seine Gesundheit – – Aber du, du stehst ja bey Seite als ob du nicht dazu gehörtest, oder als ob du ein Gast und nicht die Wirthin wärest – – ich bitte dich, heisse diese unbekannte gute Freunde willkommen; das giebt gleich Gelegenheit besser mit einander bekannt zu werden. Komm, thu nicht so verschämt, zeige daß du Hauswirthin bey unserm Gastmahl bist. Komm und heiß uns willkommen zu deiner Schaf-Schur, so lieb es dir ist, daß deine gute Heerde gedeyhe.

Perdita zu Polixenes und Camillo:

Meine Herren, seyd willkommen, weil es doch meines Vaters Wille ist, daß ich heute die Wirthin vorstellen soll; ihr seyd willkommen, ihr Herren – – Gieb mir die Blumen dort, Dorcas – – Ehrwürdige Herren, dieser Rosmarin und diese Rauten sind für euch, sie behalten Farbe und Geruch den ganzen Winter durch; behaltet sie zu unserm Andenken, und seyd nochmals willkommen zu unserm Fest.

Polixenes.

Schöne Schäferin, ihr denkt, Winterblumen schiken sich am besten für alte Männer wie wir sind.

Perdita.

Herr, wenn das Jahr anfängt zu altern, um die Zeit wenn der Sommer noch nicht todt, und der Winter noch nicht gebohren ist, sind die schönsten Blumen der Jahrszeit unsre Nelken und unsre gestriemten Sommer-Violen, die von einigen die unächten Kinder der Natur genannt werden; an dergleichen Blumen ist unser bäurischer Garten unfruchtbar, und ich bekümmre mich nichts darum, Sezlinge davon zu bekommen.

Polixenes.

Warum verachtet ihr sie so, holdseliges Mädchen?

Perdita.

Weil ich sagen gehört habe, daß diese Blumen ihre bunte Farben der Kunst zu danken haben; und ich liebe die Kunst nicht, welche die Natur verschönern will.

Polixenes.

Gesezt, es gebe eine solche Kunst, so ist es doch allemal die Natur selbst, welche dasjenige macht wodurch sie verschönert wird; ihr seht, holdes Mädchen, wir vermählen einen edlen Zweig mit dem wildesten Stamme, und befruchten einen Baum von schlechterer Art durch die Knospe von einer edlern: Dieß ist Kunst, welche die Natur verbessert, ja so gar verwandelt, und doch ist diese Kunst nichts anders, als die Natur selbst.

Perdita.

So ist es.

Polixenes.

Bereichert also künftig euern Garten mit Sommer-Violen, und nennet sie nicht mehr unächte Kinder der Natur.

Perdita.

Das werd ich alsdann thun, wenn es mir einfallen wird, mich zu mahlen, und dann zu wünschen, daß dieser junge Mensch mich so gemahlt schöner finden möge, als in meiner eignen Farbe – – Hier sind Blumen für euch; Lavendel, Münze, Salvey, Majoran, Ringel-Blumen, die mit der Sonne zu Bette gehen, und weinend mit ihr aufstehen: Das sind Sommer-Blumen, und ich denke, sie schiken sich für Männer von mittlerm Alter – – Ihr seyd von Herzen willkommen.

Camillo.

Wenn ich einer von eurer Heerde wäre, ich würde das Grasen vergessen, und vom blossen Anschauen leben.

Perdita.

Geht, geht; ihr würdet so mager werden, daß euch ein Winter-Sturm durch und durch blasen würde – – Und nun, meine angenehmste Freundin, wollte ich, ich hätte Frühlings-Blumen, die sich für die schöne Jahrszeit euers Lebens schikten, und für euch, deren jüngfräuliche Blühte sich kaum zu öfnen angefangen – – O Proserpina, wer izt die Blumen hätte, die du vor Schreken von Plutons Wagen fallen liessest! Asphodil-Blumen, welche den Schwalben selbst zuvorkommen, und die Merzen-Winde durch ihre Schönheit fesseln; Veylchen, dunkel, aber anmuthiger als die Lider an Junons Augen und Cytherea’s Athem; blasse Primuln, welche unvermählt sterben, eh sie den schimmernden Phöbus in seiner Stärke anschauen können; goldne Schonkiljen, Kayser-Kronen, und Lilien von allen Arten – – Diese möchte ich haben, um euch Kränze daraus zu winden, und dich, mein holder Freund, dich über und über damit zu bestreuen.

Florisell.

Was? Wie eine Leiche?

Perdita.

Nein, wie eine Bank, wo die Liebe ligen und spielen soll, nicht wie eine Leiche; oder (wenn ihr ja dieses Bild wollt) nicht anders begraben zu werden als lebendig, und in meinen Armen. Kommt, nehmt eure Blumen; es ist mir, ich spiele eine Rolle, wie ich in Pfingst-Schäfer-Spielen gesehen habe: Gewiß, dieser seltsame Anzug hat mir den Kopf verrükt – –

Florisell.

Alles was ihr thut ist unverbesserlich, meine Angenehmste. Wenn ihr redet, so möchte ich, daß ihr immer reden müßtet; singt ihr, so wollt‘ ich daß ihr alles was ihr den ganzen Tag zu sagen und zu verrichten habt, so gar euer Gebet, singen möchtet; tanzt ihr, so wünscht‘ ich, ihr wäret eine Welle auf dem Meer, damit ihr ewig nichts anders thätet, euch immer bewegen möchtet, immer so, ohne jemals aufzuhören. So ist es mit allem was ihr thut; jede eurer Handlungen ist, allein betrachtet, so vollkommen, als sich denken läßt, und erhält nichts desto weniger einen neuen Reiz von den übrigen; eine krönt die andre, und so sind alle Königinnen.

Perdita.

O, Dorikles! Euer Lob geht zu weit; würde nicht eure Jugend, und das unverfälschte Blut, das so schön aus ihr hervorscheint, die Gewähr leisten, daß ihr ein echter aufrichtiger Schäfer seyd, so müßt ich mit Recht besorgen, mein lieber Dorikles, ihr suchet mich durch eure Schmeicheleyen nur zu berüken.

Florisell.

Ich denke, ihr habt so wenig Ursache, das zu besorgen, als ich Willen habe, euch Ursache dazu zu geben. Aber, kommt; unsern Tanz, ich bitte euch; eure Hand, meine Perdita; so paaren sich Turtel-Dauben, die sich niemals wieder zu scheiden gedenken.

Perdita.

Ich wollte für sie schweeren können.

Polixenes zu Camillo.

Das ist das artigste Mädchen von ihrem Stande, das jemals über die grüne Flur weggeflogen ist; ihre Mine, ihre Gebehrden, ihr ganzes Wesen hat etwas das über ihren Stand hinausgeht, und zu edel für eine solche Dirne ist.

Camillo.

Eben sagt er ihr was, wovon sie über und über roth wird: In ganzem Ernst; sie ist die Königin aller Milch-Mädchen, und Käß-Nymphen in der Welt.

Hans.

Nun, lustig, ihr Musicanten, macht auf – –

Dorcas.

Mopsa muß deine Liebste seyn; (bey Seite) aber iß erst Knoblauch, damit dir ihre Küsse nichts schaden.

Mopsa.

Gut, ich bins zufrieden.

Hans.

Kein Wort mehr; wir sind nun alle Paar und Paar – – Hey da, macht auf – – Ein Tanz von Schäfern und Schäferinnen.

Polixenes zum alten Schäfer.

Ich bitte dich, guter Schäfer, wer ist der schöne junge Hirt, der mit deiner Tochter tanzt?

Schäfer.

Sie nennen ihn Dorikles, und er rühmt sich daß er von guter Herkunft sey; ich hab‘ es aus seinem eignen Mund, und ich glaub‘ es ihm; er sieht einem ehrlichen Menschen gleich; er sagt, meine Tochter gefall‘ ihm, und ich glaub‘ es auch: Denn er sieht in sie hinein, wie der Mond in ein Wasser, und steht da, und gukt ihr in die Augen, als ob er was lesen wolle, das darinn geschrieben stehe; und wenn ich euch aufrichtig reden soll, ich glaube, der Unterscheid beträgt keinen halben Kuß, welches von beyden das andre lieber habe.

Polixenes.

Sie tanzt artig.

Schäfer.

Sie kan alles, wenn ich es schon nicht selbst sagen sollte; wenn sie der junge Dorikles überkommt, so kriegt er was mit ihr, wovon er sich wol nichts träumen läßt.

Vierte Scene.

Ein Knecht vom Hause tritt auf.

Knecht.

O Herr, wenn ihr nur den Hausirer vor der Thür hörtet, ihr würdet in euerm Leben mehr nach keiner Schellen-Trummel tanzen: Nein, der Dudelsak selbst könnt‘ euch nicht von der Stelle bringen; er singt euch eine Menge Töne, geschwinder als ihr Geld zählen könnet; es geht ihm vom Munde weg, als ob er lauter Balladen im Magen hätte; alle Leute laufen ihm nach, und können sich nicht satt an seinen Liedern hören.

Hans.

Er hätte nie gelegner kommen können; er soll herein kommen; ich bin ein gar zu grosser Liebhaber von Balladen, wenn die Historie recht erbärmlich ist, und die Melodie fein lustig geht; oder auch etwas recht lustiges aber nach einer kläglichen Weise.

Knecht.

Er hat Lieder für Manns- und Weibs-Bilder, lang und kurz, wie man’s haben will; kein Krämer kan seine Kundsleute besser mit Hand-Schuhen versehen; er hat die artigsten Liebes-Lieder für junge Mädel, und so züchtig, alles so verblümt gegeben, daß ihr euch wundern werdet; wo ein andrer unverschämter Bursche die grosse Gloke anziehen würde, da läßt er das Mädel sagen – – Hi, sachte, du wirst mir doch kein Leid thun wollen, guter Freund – – und damit ist er abgewiesen.

Polixenes.

Der Bursche gefällt mir.

Hans.

Du kanst mir’s glauben, der Mann muß Grüze im Kopfe haben; hat er auch hübsche Galanterie-Waaren?

Knecht.

Er hat Bänder von allen Farben im Regenbogen; Spizen; mehr als alle Advocaten in ganz Böhmen zu ihrem Handwerk verbrauchen könnten, wenn sie gleich Regimenterweise zu ihm kämen; Halstücher, Krausen, Nesseltuch, Leinwand; beym Wetter! er singt euch seine Sachen nach einander herunter, als ob es lauter Götter und Göttinnen wären – –

Hans Wurst.

Ich bitte dich, bring ihn herein; aber er muß singend hereinkommen.

Perdita.

Aber verbietet ihm, daß er keine unartige Worte in seinen Liedern gebrauche.

Hans Wurst.

Es giebt unter diesen Hausierern Leute die mehr hinter den Ohren haben als ihr euch einbildet, Schwester.

Perdita.

Oder als ich jemals Lust haben werde mir einzubilden. Autolicus kommt herein, und trägt singend alle seine Galanterie-Waaren an. Mopsa zieht ihren Liebhaber, Hans, auf, daß er ihr Bänder und parfümirte Handschuh kauffen solle; dieser entschuldigt sich damit, daß ihm sein Geld gestohlen worden sey, und erbietet sich endlich ihr Lieder zu kauffen.

Hans Wurst.

Was hast du hier? Lieder?

Mopsa.

Nun, kauffe etliche, ich bitte dich; ich liebe ein gedruktes Lied, wie mein Leben; denn so weiß man doch auch gewiß, daß sie wahr sind.

Autolicus.

Hier ist eins, das nach einer überaus kläglichen Weise geht, wie eines Wucherers Frau auf einmal mit zwanzig Geld-Säken ins Kindbette gekommen; und wie sie einen Gelust gehabt, Schlangen-Köpfe und geröstete Kröten zu essen.

Mopsa.

Meynt ihr, es sey wahr?

Autolicus.

Sehr wahr, und erst einen Monat alt.

Dorcas.

Behüte mich Gott davor, einen Wucherer zum Manne zu kriegen!

Autolicus.

Hier ist auch noch der Name der Hebamme, eine gewisse Frau Mährchen-Trägerin, und fünf oder sechs ehrliche Frauen, die bey der Niederkunft zugegen waren. Meynt ihr ich werde Lügen im Lande herum tragen?

Mopsa.

O, ich bitt‘ euch, kauft es.

Hans Wurst.

Nun, so legt es bey Seite, und laßt uns noch mehr Balladen sehen; wir wollen um die andern Sachen hernach handeln.

Autolicus.

Hier ist eine andre Ballade, von einem Fisch, der sich an einem Mittwoch den achtzigsten April vierzigtausend Faden hoch über dem Wasser an der See-Küste sehen ließ, und dieses Lied gegen die hartherzigen Mädchen sang; man glaubte, es sey ein Weibsbild gewesen, und in einen Fisch verwandelt worden, weil sie ihrem Liebhaber so unbarmherzig begegnet; das Lied ist überaus beweglich, und eben so wahr.

Dorcas.

So meynt ihr würklich, es sey wahr?

Autolicus.

Fünf Beamtete haben es eigenhändig unterschrieben; und Zeugschaften sind mehr da, als mein ganzer Pak fassen könnte.

Hans Wurst.

Legt es auch auf die Seite: Ein anders – –

Autolicus.

Hier ist ein lustiges, gar ein artiges Lied.

Mopsa.

Wir müssen auch etliche lustige haben.

Autolicus.

O, wenn euch damit gedient ist, hier ist eins, das seines gleichen nicht hat, und geht nach der Melodie zwoo Mädchen buhlten um Einen Mann; es ist kaum ein Mädel im ganzen Oberland, die es nicht singt: Man reißt sich darum, das kan ich euch sagen.

Mopsa.

Wir können beyde die Melodie; wenn du eine Stimme nehmen willst, so kanst du’s hören; es hat drey Stimmen.

Dorcas.

Es ist noch kein Monat, so hatten wir die Melodie – –

Autolicus.

Ich will eine Stimme für mich nehmen; ihr müßt wissen, das ist mein Handwerk: Nun, gebt Achtung auf eure Stimmen. (Sie singen das Lied mit einander.)

Hans (der sie unterbricht.)

Wenn ihr singen wollt, so wollen wir hinausgehen; mein Vater und diese Herren sind in einem ernsthaften Gespräch begriffen, und wir wollen sie nicht stören: Kommt, nehmt euern Kram mit. Mädel, ich will euch beyden was kauffen; aber wir müssen die Auswahl haben, Krämer; Kommt, ihr, Schleppsäke – –

Autolicus.

Aber ihr müßt auch brav für sie bezahlen. (Hans, Autolicus, Mopsa und Dorcas gehen ab.)

Fünfte Scene.

Ein Bedienter kündigt einen Tanz von zwölf Hirten an, die sich zur Belustigung der Anwesenden, in Satyren verkleidet haben.

Schäfer.

Weg, weg, wir brauchen sie nicht; es ist ohnehin schon närrisch genug bey uns zugegangen; ich bin gewiß, Herr, daß wir euch lange Weile machen.

Polixenes.

Ihr macht die Weile denen lang, die sie uns kurz machen wollen; ich bitte euch, laßt uns dieses vierfache Kleeblatt von Hirten sehen.

Bedienter.

Drey von ihnen, Herr, haben, ihrer Aussage nach, vor dem Könige getanzt: und der schlechteste von ihnen springt euch, mein Seel! zwölf und einen halben Fuß lang.

Schäfer.

Hör‘ auf zu plaudern; weil es diese guten Herren haben wollen, so laß sie herein kommen; aber gleich – – Ein Tanz von zwölf Satyren.

Polixenes (vor sich.)

Geht das nicht zu weit? – – Es ist Zeit, sie zu trennen; er ist unbesonnen, und spricht sehr lebhaft – – Zu Florisell. Nun, wie? schöner Schäfer? Euer Herz scheint so voll von etwas anderm zu seyn, daß ihr keinen Antheil an den Ergözungen dieses Festes nehmt. Wahrhaftig, wie ich jung war, und verliebt, wie ihr izt seyd, so pflegte ich mein Mädchen mit so vielen hübschen Sachen zu beladen, daß sie darunter hätte einsinken mögen: Ich würde des Krämers ganzen seidenen Schaz ausgekauft und ihr aufgedrungen haben; und ihr laßt ihn gehen, ohne um eines Dreyers werth mit ihm zu handeln. Wenn euer Mädchen das übel aufnähme, und einem Mangel an Liebe oder an Freygebigkeit zuschriebe; so sehe ich nicht, was ihr dagegen sagen könntet.

Florisell.

Alter Herr, ich weiß, daß sie keine Freude an solchen Lappereyen hat, wie diese sind; die Geschenke, die sie von mir erwartet, sind in meinem Herzen verschlossen; und das ist ihr schon geschenkt, obgleich noch nicht überliefert. (Zu Perdita.) O, höre mich meine Liebe vor diesem alten Herrn ausathmen, der wie es scheint, ehmals auch geliebt hat. Hier nehm‘ ich deine Hand, diese Hand, die so sanft ist als der Pflaum einer Daube, und so weiß als eines Mohren Zähne, oder der geläuterte Schnee, den der Nordwind zweymal durchgesiebt hat – –

Polixenes.

Und was folgt nun? Wie artig der junge Schäfer diese Hand zu waschen scheint, die vorher schön genug war! – – Ich habe euch irre gemacht; zu eurer Erklärung! Laßt mich hören was ihr gesinnt seyd.

Florisell.

Ja, und seyd mein Zeuge.

Polixenes.

Und mein Nachbar hier, auch?

Florisell.

Und er, und mehr als er, die Menschen, die Erde, der Himmel, und alles was ist und was Athem hat; seyd Zeugen, daß, wäre ich der gekrönte König des ganzen Erden-Kreises, und unter allen Sterblichen der würdigste, es zu seyn; wär‘ ich der schönste Jüngling, der jemals zärtliche Augen niederschlagen machte; hätte ich Stärke und Wissenschaft, mehr als jemals ein Mensch gehabt hat: So würd‘ ich es ohne ihre Liebe für nichts achten; alle diese Vorzüge für sie anwenden; sie zu ihrem Dienst verurtheilen, oder zu ihrem eignen Untergang.

Polixenes.

Schön gesprochen!

Camillo.

Das nenn‘ ich Liebe!

Schäfer.

Aber du, meine Tochter – – womit beantwortest du das?

Perdita.

Ich kan nicht so gut reden, nein, und es auch nicht besser meynen. Meine eignen Gesinnungen sind der Spiegel, worinn ich die Redlichkeit der seinigen sehe.

Schäfer.

Gebt einander die Hände, zum Unterpfand; und ihr, unbekannte Freunde, seyd ihr meine Zeugen: Ich geb‘ ihm meine Tochter, und soviel Mitgift dazu, bis es seinem eignen Vermögen gleich kommt.

Florisell.

O mein guter Alter, die Tugend eurer Tochter ist Mitgift genug für mich; wenn einer todt seyn wird, so werd‘ ich mehr haben, als ihr euch izt träumen lassen könnt, genug, um euch in Erstaunen zu sezen; Kommt, kommt, verlobet uns vor diesen Zeugen.

Schäfer.

Gebt mir eure Hand, und ihr, meine Tochter, die eurige.

Polixenes.

Sachte, Schäfer, sachte ein wenig; ich bitte euch, habt ihr einen Vater?

Florisell.

Ja; aber was wollt ihr mit ihm?

Polixenes.

Weiß er was hievon?

Florisell.

Nein, und soll auch nichts davon wissen.

Polixenes.

Mich däucht, ein Vater ist bey seines Sohnes Hochzeit ein Gast, der die Tafel am besten ziert: Ich bitte euch, erlaubt mir noch eine Frage: Ist euer Vater nicht zu vernünftigen Geschäften untüchtig worden? Ist er nicht vor Alter kindisch, oder an seinen Sinnen geschwächt? Kan er hören? Kennt er die Leute noch? Kan er sein Vermögen noch verwalten? Oder ligt er zu Bette, und kan nichts weiter thun, als was er in seiner Kindheit that?

Florisell.

Nein, mein guter Herr; er ist gesund, und bey bessern Kräften als die meisten von seinem Alter.

Polixenes.

Bey meinem weissen Bart! wenn das ist, so handelt ihr nicht mit ihm wie ein Sohn mit seinem Vater handeln soll. Es ist billig, daß sich mein Sohn seine Ehgattin selbst wähle; aber es ist eben so billig, daß der Vater (dessen einzige Freude doch sonst nichts ist als eine schöne Nachkommenschaft) zu einem solchen Geschäfte auch ein Wort zu sagen habe.

Florisell.

Das geb‘ ich alles zu; aber aus einigen andern Gründen, mein ernsthafter Herr, welche sich nicht einem jeden sagen lassen, find‘ ich nöthig, meinen Vater nichts von diesem Geschäfte wissen zu lassen.

Polixenes.

Laßt es ihn wissen.

Florisell.

Es kan nicht seyn.

Polixenes.

Ich bitte euch darum.

Florisell.

Nein; er muß nichts davon wissen.

Schäfer.

Laß es ihn wissen, mein Sohn, er wird keine Ursache finden, deine Wahl zu mißbilligen, wenn er sie kennt.

Florisell.

Kommt, kommt; es kan nicht seyn; Höret unsern Bund – –

Polixenes.

Hört eure Ehscheidung, junger Herr, (der König giebt sich zu erkennen) den ich nicht mehr Sohn nennen kan; du bist zu niederträchtig, um für meinen Sohn erkannt zu werden – – Du, der Erbe eines Scepters, du der so begierig ist einen Schäferstab zu führen? – – Was dich betrift, alter Verräther, so bedaur‘ ich nur, daß ich, wenn ich dich hängen lasse, dein Leben bloß um eine Woche verkürzen kan – – Und du, junge Hexe, die den Königlichen Narren notwendig kennen mußtest, mit dem du dich eingelassen hast – –

Schäfer.

O, mein Herz berstet mir!

Polixenes.

Dir will ich dein schönes Gesichtchen so lange mit Dornen haken lassen, bis es noch schlechter aussehen wird als dein Stand ist. Du, verliebter Knabe, merke dir das – – wenn ich jemals finden werde, daß dir nur ein Seufzer darüber entwischt, daß du, wie es mein Wille ist, dieses Puppen-Gesicht in deinem Leben nicht wieder sehen sollst, so hast du einen Thron verlohren – – ich werde dich nicht mehr für mein Blut erkennen, nein, nicht für einen Anverwandten, nicht so nah, als irgend einer der mir von Deucalion her verwandt ist: Merke was ich sage, und folg‘ uns an den Hof – – Du Nichtswürdiger, für diesesmal, obgleich mit unsrer Ungnade sprechen wir dich von ihrem tödlichen Streiche frey: Und du, Zauberin, gut genug für einen Schafhirten, ja noch zu gut für diesen, der sich, wenn nicht unsre eigne Ehre dabey interessirt wäre, so gar deiner unwürdig macht; wenn du, von nun an, ihm jemals diese bäurische Thür eröfnest, oder seinen Leib mehr mit deinen Umarmungen umcirkelst, so will ich einen noch grausamern Tod für dich ausdenken, als du zu zart für ihn seyn wirst. (Er geht ab.)

Sechste Scene.

Perdita (für sich.)

Es ist unnöthig, ich bin schon verlohren – – (zu den übrigen) ich war nicht sehr erschroken; denn es war mir ein oder zweymal auf der Zunge, daß ich ihm sagen wollte, die nemliche Sonne, die seinen Hof bestralt, verberge ihr Antliz nicht vor unsrer Hütte, sondern schaue sie eben so freundlich an – – Wollt ihr euch nun gefallen lassen zu gehen, mein Herr? Ich sagte euch vor, daß es so kommen werde. Ich bitte euch, seyd für eure eigne Wohlfahrt besorgt: Ich bin nun aus meinem Traum erwacht; ich will ihm keinen Augenblik mehr nachhängen, sondern meine Schafe melken und weinen.

Camillo.

Nun, wie ists, alter Vater; rede noch einmal eh du stirbst.

Schäfer.

Ich kan weder reden noch denken; ich darf nicht an das denken was ich weiß. O Herr, ihr habt einen Mann von drey und achtzig Jahren zu Grunde gerichtet, der sich im Frieden in sein Grab zu legen hoffte; ja, auf dem nemlichen Bette zu sterben, wo mein Vater starb; zunächst an seinen redlichen Gebeinen zu liegen; nun wird mich irgend ein Henker in mein Grabtuch wikeln, und mich dahin legen, wo kein Priester die erste Schauffel voll Erde auf mich werfen wird. (zu Perdita.) O unglükselige! Du wußtest daß es der Kron-Prinz war, und wagtest es dennoch dich so weit mit ihm einzulassen. Alles verlohren! Alles verlohren!

Siebende Scene.

Florisell zu Camillo.

Warum seht ihr mich so an? Ich bin nur bekümmert, nicht erschroken; zurükgeworfen, aber nicht geändert; was ich war, bin ich noch; haltet mich für keinen so geduldigen Thoren, der sich wider seinen Willen, beym Zügel fortreissen läßt.

Camillo.

Mein Gnädigster Prinz, ihr kennet die Gemüthsart des Königs, euers Vaters: Izt ist keine Zeit ihm Vorstellungen zu machen: Er wird izt noch, wie ich besorge, kaum euern Anblik ertragen können; kommet also nicht vor ihn, ich bitte euch, bis sich sein erster Zorn gelegt hat.

Florisell.

Es ist auch mein Vorsaz nicht – – Ihr seyd Camillo, denke ich?

Camillo.

Er selbst, Gnädiger Herr.

Perdita zu Florisell.

Wie oft hab ich euch gesagt, es werde so gehen? Meine Würde werde nicht länger dauren, bis es offenbar werde?

Florisell.

Besorge nichts, so lange ich dir getreu bin; und wenn ich jemals meine Treue breche, dann laßt die Natur die Seiten der Erde zusammendrüken, und alles was zwischen ihnen ist, zermürsen – – Schlage deine Augen auf! – – Lösche mich immerhin aus der Thronfolge aus, Vater; ich bin Erbe von meiner Liebe.

Camillo.

Laßt euch rathen.

Florisell.

Das thue ich; aber von meinem Herzen; will sich meine Vernunft bequemen ihm zu gehorchen, so hab‘ ich Vernunft; wo nicht, so will ich ein Thor seyn, wenn es Thorheit ist seiner Empfindung zu folgen und glüklich dadurch zu seyn.

Camillo.

So spricht die Leidenschaft in Verzweiflung.

Florisell.

Nennt es wie ihr wollt; so bin ich gesinnt; so erfüll‘ ich meine Gelübde, ich kan nicht anders denken, als daß ich so wie ein ehrlicher Mann handle. Camillo, nicht um dieses Königreich, nicht um den Pomp eines vor mir knienden Hofes; nicht um alles was die Sonne sieht, oder der Ocean in unergründeten Tiefen verbirgt, will ich den Eid brechen, den ich dieser meiner schönen Geliebten geschworen habe: Ich bitte euch also, wenn ihr jemals meines Vaters Freund gewesen seyd, so bemühet euch, wenn er mich vermissen wird (denn es ist mein fester Entschluß daß er mich nimmermehr wieder sehen soll) seine Leidenschaft durch euern Zuspruch zu besänftigen; für das übrige lasset mich und mein Schiksal sorgen. Soviel könnet ihr wissen, und das möcht ihr ihm auch sagen, daß ich mich mit ihr zu Schiffe begeben habe. Zu gutem Glüke habe ich eines an dieser Küste in Bereitschaft, ob ich es gleich nicht zu diesem Gebrauch ausrüsten lassen. Wohin ich meinen Lauf zu richten gedenke, nüzt weder euch, zu wissen, noch mir, zu sagen.

Camillo.

O, mein Prinz, ich wollte euer Geist wäre leichter auf einen andern Entschluß zu bringen oder stärker für die gefährlichen Umstände, worein ihr euch stürzen wollt.

Florisell.

Höre, Perdita – – (zu Camillo.) Ich bin in einem Augenblik wieder euer. Unterdessen, daß Florisell mit Perdita bey Seite redet, überlegt Camillo mit sich selbst, daß, da der Prinz nun einmal unveränderlich zur Flucht entschlossen sey, dieses eine Gelegenheit wäre, wo er zu gleicher Zeit dem Prinzen einen wesentlichen Dienst erweisen, und sich selbst wieder den Anblik seines geliebten Siciliens und des unglüklichen Königs, seines Herrn, verschaffen könnte. Er faßt also auf der Stelle seinen Entschluß, und eröffnet dem Prinzen daß er ihm einen Vorschlag thun wolle, wie er seine Geliebte, unter dem Schuze des Königs von Sizilien, ruhig besizen könne, bis seine, des Camillo, Bemühungen und die Zeit seinen Vater dahin gebracht haben würden seine Liebe zu billigen. Damit seine Ankunft in Sicilien nicht das Ansehen eines Abentheuers oder einer Flucht habe, sollte er vorgeben, daß er von seinem Vater abgeschikt worden, um das alte Freundschafts-Bündniß, das unter beyden Königen vorgewaltet, wieder zu erneuern. Der Prinz, welcher ohnehin selbst noch nicht wußte, wohin er entfliehen wollte, nimmt diesen Vorschlag mit grosser Freude an, und Camillo verspricht ihm mit allem was zur glüklichen Ausführung desselben nöthig seyn könnte, an die Hand zu gehen. Indessen findet doch der Prinz noch verschiedene Schwierigkeiten, welche ihm aber Camillo alle beantwortet, und hievon Anlas nimmt, ihn ein wenig auf die Seite zu nehmen; ein bequemer Einfall um dem Autolicus Plaz und Zeit zu geben, die Zuschauer mit seinen Schelmereyen wieder eine Weile zu belustigen.

Achte Scene.

Autolicus tritt auf dem vordern Theil des Theaters auf.

Autolicus.

Ha, ha, was für eine Närrin die Ehrlichkeit ist! und Treuherzigkeit, ihre getreue Gefährtin, eine sehr einfältige Dame! Ich habe meinen ganzen Plunder verkauft; nicht ein einziges falsches Steinchen, nicht ein einziges Stük Band, Sak-Spiegel, Pommade-Kugel, Halsschnur, Schreib-Tafel, Lied, Messer, Handschuh, Borte, Armband, mit einem Wort nicht eines Hellers werth haben sie in meinem Pak übrig gelassen; sie drangen sich, wer das Erste seyn sollte, nicht anders als ob meine Schnurpfeiffereyen lauter Reliquen und Heiligthümer gewesen wären, und dem Käuffer einen sonderbaren Segen zugezogen hätten; bey dieser Gelegenheit machte ich meine Beobachtungen, und bemerkte, wessen Beutel die beste Mine hatte; und was ich bemerkte, das schrieb ich, zu gelegenheitlichem Gebrauch, in mein Gedächtniß. Mein guter Hans (dem nur etwas weniges mangelt, um ein ganz vernünftiger Bursche zu seyn) wurde so gewaltig in den Gesang der zwoo Mädchen verliebt, daß er keine Ruhe gab, bis er beydes Worte und Melodie hatte; und dieses zog den ganzen übrigen Hauffen so aufmerksam um mich her, daß alle ihre Sinnen in den Ohren stekten; man hätte einen Unterrok wegzwaken können ohne daß es jemand gemerkt hätte; ich wollte einen Bund Schlüssel an einer Kette weggefingert haben; sie hörten und fühlten nichts als meinen Gassenhauer, und bewunderten mit offnen Mäulern das Nichts ihres Inhalts. So daß ich während dieser Betäubung, worinn die guten Leute waren, den grösten Theil ihrer festlichen Beutel wegschnappte; und wäre nicht der alte Mann und mit Ach und Weh über seine Tochter und des Königs Sohn dahergekommen, und hätte meine Dolen aus dem Stroh gescheucht, es sollte mir kein lebendiger Beutel in der ganzen Armee übrig geblieben seyn. (Camillo, Florisell und Perdita kommen besser hervor.)

Camillo.

Seyd ruhig; meine Briefe, welche durch diesen Canal so bald anlangen werden, als ihr selbst, sollen diesem Zweifel schon begegnen.

Florisell.

Und diejenige, die ihr mir vom König Leontes verschaffen wollt – –

Camillo.

Sollen euern Vater zufrieden stellen.

Perdita.

Heil euch und euerm Vorhaben! Alles was ihr sagt giebt Hoffnung zu einem glüklichen Ausgang. Camillo wird indem den Autolicus gewahr, der seines Orts nicht wenig besorgt ist, man möchte seinen schönen Monologe gehört haben; Camillo beredet ihn, seine schlechte Kleider mit der Kleidung des Prinzen zu vertauschen; Perdita soll sich gleichfalls so unkenntlich machen als möglich, und beyde sich ohne Verzug zu Schiffe begeben. Sie gehen also mit einander ab, und Camillo bleibt nur noch so lange zurük, um zu sich selbst, oder vielmehr zu den Zuschauern zu sagen, daß er nun gerades Weges zum Könige gehen, und ihm von dieser Flucht und dem Ort wohin sie gerichtet sey, Nachricht geben wolle; er hofft ihn ohne Müh zum Nachsezen zu bewegen, und also in dessen Gesellschaft Sicilien wieder zu sehen, wornach, wie er sagt, er den Gelüsten einer schwängern Frauen habe.

Neunte Scene.

Autolicus (allein.)

Ich merke, wo dieses Geschäfte hinaus will; ein offnes Ohr, ein scharfes Aug und eine leichte Hand, sind drey nothwendige Eigenschaften zu einem Beutelschneider; eine gute Nase kan auch nichts schaden, um Arbeit für die übrigen Sinnen auszuspüren. Wie ich sehe, so leben wir in einer Zeit, wo die Schelmen ihr Glük machen. Das war ein hübscher Tausch, ohne was aufzugeben! In der That, die Götter haben diß Jahr viele Nachsicht für uns, und nehmen’s wie es scheint, mit einem kleinen ex tempore nicht so genau. Der Prinz selbst ist im Begriff eine Büberey auszuführen; von seinem Vater, mit einem Kloz an seinen Füssen, davon zu lauffen. Dächte ich nicht es wäre ein Stük von Ehrlichkeit, wenn ich es dem Könige hinterbrächte, so wollt‘ ich’s thun; aber mich dünkt die Spizbüberey ist grösser, wenn ich es geheim halte; ich will also meinem Handwerk getreu bleiben und schweigen. Inzwischen langen der Schäfer und Hans, sein Sohn, auf dem Theater an; sie sind im Begriff zum Könige zu gehen, ihm zu entdeken, daß Perdita nicht des Schäfers Tochter, sondern ein Fündling ist, und dieses mit den kostbaren Windeln und Kleinodien zu beweisen, die bey ihr gefunden worden, und welche sie in einem Kästchen bey sich haben. Autolicus ist ihnen in seiner Verkleidung unkennbar. Sie sehen ihn für einen Herrn vom Hofe an, und glauben ihm je mehr er pralt. Er läßt sich Geld von ihnen geben, um sie bey dem Könige anzumelden; weil er aber besorgt, ihre Erscheinung bey Hofe möchte der Flucht des Prinzen ein Hinderniß sezen, so macht er ihnen weiß, der König sey nicht in seinem Palast; er sey, um einen Anstoß von Melancholie zu vertreiben, an Bord eines neuen Schiffes gegangen, um eine kleine Lustreise zu machen. Er weiset sie also nach der Küste hin, wo der Prinz im Begriff ist sich einzuschiffen, und sie gehen treuherzig ab.

Autolicus (allein.)

Ich sehe wohl, wenn ich gleich den Vorsaz fassen wollte, ehrlich zu seyn, so giebt es mein Verhängniß nicht zu; es träufelt mir die Gelegenheiten in den Mund; schon wieder mit einer Schelmerey zween Vortheile erhascht! Geld, und den Anlaß mir um den Prinzen ein Verdienst zu machen; denn wer weiß, ob das nicht ein Mittel zu meinem Glüke werden kan. Ich hab‘ ihm nun diese zween einfältige Schöpsen zugewiesen; findt er für besser sie wieder fortzuschiken, und geht sie das was sie bey dem Könige zu thun haben, nichts an, so mag er mich immer hin einen Schurken dafür heissen, daß ich gar zu dienstfertig bin; gegen diesen Titel und die Ehre, die damit verbunden seyn mag, bin ich längst gestählt: ich will sie auf diese Gefahr, immer zu ihm bringen; es kan viel daran gelegen seyn. (Er geht ihnen nach.)

Fünfter Aufzug.

Erste Scene.

Verwandelt sich in Sicilien. Leontes, Cleomenes, Dion, Paulina und Bediente treten auf.

Cleomenes.

Gnädigster Herr, ihr habt genug gethan; ihr habt die Busse eines Heiligen vollbracht: Ihr hättet keinen Fehler begehen können, den ihr nicht dadurch losgekauft hättet; ja, wenn ich reden soll wie ich denke, die Strenge eurer Busse übersteigt alles was ihr verbrochen haben könnet. Thut endlich was der Himmel auch gethan hat, vergesset euer Uebel und verzeiht euch selbst.

Leontes.

So lang‘ ich mich ihrer Person und ihrer Tugenden erinnere, kan ich das Unrecht das ich dadurch mir selbst zugefüget habe, nicht vergessen – – und wie groß ist dieses! Mein Thron ist ohne Erben; Ich habe die süsseste Gesellschaft, den Namen und die Hoffnungen eines Vaters verlohren; und das alles durch meine Schuld – –

Paulina.

Wahr, Gnädigster Herr, nur gar zu wahr; wenn ihr die ganze weibliche Welt, eine nach der andern heyrathetet, oder aus allen, welche sind, das beste nehmet, um ein einziges vollkommenes Weib daraus zu machen; so würde doch die, die ihr getödtet habt, unvergleichlich bleiben.

Leontes.

Ich denke so. Getödtet, sagst du? Getödtet? Ich, sie getödtet? Ich that es, aber du schlägst mich auf eine offene Wunde, indem du so sagst; schone meiner, ich bitte dich – – sage selten so – –

Cleomenes.

Sagt gar nicht so, Madame; ihr hättet tausend andre Sachen sagen können, die sich besser für die Umstände geschikt und euerm guten Herzen mehr Ehre gemacht hätten.

Paulina.

Ihr seyd einer von denen, welche gerne wollten, daß er sich wieder vermähle.

Dion.

Wenn ihr das nicht wollt, so habt ihr kein Mitleiden mit dem Staat, und erinnert euch nicht, was ein Fürst seinem Namen und seinem Volke schuldig ist; betrachtet wenig, was für Gefahren sein Königreich befallen können, wenn seine Majestät ohne Leibes-Erben abgienge, und es ungewissen Prätendenten zur Beute überliesse! Was würde untadelhafter seyn, was würde den abgeschiednen Geist seiner ersten Königin mehr vergnügen, als, zur Erhaltung des Königlichen Stammes, zum Besten des Landes, zu Befestigung seines zukünftigen Wohlstandes, ihren Plaz in dem Königlichen Bette durch eine liebenswürdige Nachfolgerinn eingenommen zu sehen.

Paulina.

Es giebt keine solche, keine die dieser Ehre würdig seyn könnte; und zudem wollen die Götter ihre geheime Absichten erfüllt haben. Sagte nicht das Orakel: Daß König Leontes keinen Erben haben solle, bis sein verlohrnes Kind gefunden worden sey? Und, ach! daß dieses geschehen werde, zu hoffen, wäre eben so ungereimt, als wenn ich hoffen wollte, mein Antigonus werde aus seinem Grab ausbrechen, und wieder zu mir kommen; denn ich wollte mein Leben daran sezen, daß er mit dem Kind umgekommen ist. Ihr sehet also, daß euer Rath den Willen der Götter wider sich hat – – (zum Könige.) Sorget nicht für Nachfolger; eine Krone findet allemal einen Erben. Der grosse Alexander hinterließ die seinige dem würdigsten; und so war sein Thronfolger doch der nächste auf den Besten.

Leontes.

Gute Paulina, ich liebe dich dafür, daß du Hermiones Andenken ehrest. O, hätte ich allezeit deinem Rathe gefolgt! So würde ich in diesem Augenblik an ihren Lippen hangen und glüklich seyn. – – Sagt mir nichts von einer andern Gemahlin; es giebt keine solche mehr; eine andre, die mit weniger Vorzügen eine bessere Begegnung fände, würde ihren seligen Geist bis in den himmlischen Wohnungen kränken; ihn nöthigen, auf diesem Schauplaz, wo wir ihn beleidigten, wieder zu erscheinen, und zu ruffen: Wie, nach mir? – –

Paulina.

Sie würde gerechte Ursache dazu haben.

Leontes.

Das würde sie, und sie würde mich in Wuth sezen, daß ich diejenige ermorden würde, die ich geheyrathet hätte.

Paulina.

Ich machte es so: Wär‘ ich der Geist, der herum gienge, ich wollt‘ euch befehlen ihre Augen anzusehen, und mir zu sagen, was ihr an ihr gesehen hättet, das eure Wahl rechtfertigen könnte; und dann wollt ich schreyen, daß sich eure Ohren spalten sollten, und mein leztes Wort sollte seyn: Gedenk an mich.

Leontes.

Sterne, Sterne, waren sie – – und alle andre Augen, nur todte Kohlen: Besorge du keine Gemahlin; ich will keine Gemahlin haben, Paulina.

Paulina.

Wollt ihr mir schweeren, daß ihr nicht wieder heyrathen wollt, bis ich’s erlaube?

Leontes.

Niemals, Paulina; so möge dereinst mein Schatten Ruhe finden!

Paulina.

Meine Herren, ihr seyd Zeugen dieses Eides.

Cleomenes.

Ihr mißbraucht seine Weichherzigkeit.

Paulina.

Es wäre dann, daß er eine zu sehen bekäme, welche Hermionen so ähnlich wäre, als es ihr Bildniß ist.

Cleomenes.

Ich bitte euch, Madam, laßt es genug seyn.

Paulina.

Und doch, wenn Se. Majestät wieder heyrathen will, wenn ihr es wollt, Gnädigster Herr, und so wollt, daß kein anders Mittel ist; so überlaßt mir die Sorge, euch eine Gemahlin auszusuchen; sie soll nicht so jung seyn als die erste war; aber sie soll so seyn, daß wenn der Geist eurer ersten Gemahlin umgienge, er Freude daran haben sollte, euch in ihren Armen zu sehen.

Leontes.

Meine redliche Paulina, wir werden uns nicht vermählen, bis du es uns rathen wirst.

Paulina.

Das soll geschehen, wenn eure erste Gemahlin wieder athmet; eher gewiß nicht!

Zweyte Scene.

Ein Hof-Bedienter zu den Vorigen.

Hofbedienter.

Einer der sich für den Prinzen Florisell, Sohn des Königs Polixenes ausgiebt, bittet mit seiner Gemahlin, der schönsten Dame die ich jemals gesehen habe, vor Euer Majestät gelassen zu werden.

Leontes.

Wie geht das zu? Er kommt nicht, wie es der Grösse seines Vaters anständig ist; eine so überraschende Erscheinung, ohne Veranlassung, ohne Ankündigung sagt uns, daß dieses kein vorsezlicher Besuch, sondern das Werk irgend eines Zufalls und der Nothwendigkeit seyn müsse. Hat er ein Gefolge?

Hofbedienter.

Nur wenige, und dem Ansehn nach, gemeine Leute.

Leontes.

Und seine Gemahlin, sagt ihr, bey ihm?

Hofbedienter.

Ja; das schönste Geschöpf in meinen Augen, das jemals die Sonne beschienen hat.

Paulina.

O Hermione, so wie die gegenwärtige Zeit sich allemal über eine bessere, die vergangen ist, selbst zu erheben pflegt, so muß deine Grabschrift nun auch dem was man izt siehet, Plaz machen. Ihr selbst, mein Herr, ihr habt einst gesagt, und geschrieben: Sie habe nie ihres gleichen gehabt, und könne nicht ihres gleichen haben; so hoch flog einst eure Muse zum Preiß ihrer Schönheit empor; das ist ein gewaltiger Abfall, nun zu sagen, ihr hättet eine Schönere gesehen.

Hofbedienter.

Um Vergebung, Gnädige Frau; in sechszehn Jahren vergißt sich die grösseste Schönheit, die nicht mehr ist; was diese betrift von der ich rede, so beruf ich mich auf eure eignen Augen, wenn ihr sie gesehen haben werdet; es ist ein Geschöpfe, die, wenn sie eine neue Secte aufbringen wollte, den Eifer aller andern Bekenner auslöschen, und mit ihrem blossen Anblik mehr Proselyten machen würde, als andre mit aller ihrer Redekunst.

Paulina.

Proselyten? Unter diesen würden wol wenig Weibsbilder seyn?

Hofbedienter.

Warum nicht? Die Weiber müssen sie lieben, weil sie ein Weibsbild ist, das alle Männer demüthig machen kan; und die Männer, weil sie die liebenswürdigste unter allen Weibern ist.

Leontes.

Gehe, du, Cleomenes, und führe ihn zu unsrer Umarmung – – Es ist seltsam, daß er uns so unvermuthet überraschen soll!

Paulina.

Hätte unser Prinz diese Stunde gesehen, er würde mit diesem jungen Herrn ein schönes Paar gemacht haben; es war kein voller Monat zwischen ihrem Alter.

Leontes.

Ich bitte dich, nicht weiter; du weissest, daß er für mich wieder stirbt, wenn von ihm gesprochen wird: In der That, deine Reden werden machen, daß mich der Anblik dieses jungen Prinzens ganz aus der Fassung bringen wird – – Da kommen sie ja schon.

Dritte Scene.

Florisell, Perdita, Cleomenes nebst einigen Hofleuten zu den Vorigen.

Leontes.

Ihr habt keine andre Gewähr für das was ihr seyd vonnöthen, mein Prinz, als eure Gestalt und Bildung. Euers Vaters Bild ist so vollkommen in euch abgedrükt, daß ich, wenn ich erst zwanzig Jahre hätte, euch Bruder nennen, und von irgend einem wilden Streich reden würde, wie wir in euerm Alter mit einander spielten – – Seyd mir von Herzen willkommen, wie eure schöne Princessin, Göttin, hätt‘ ich schier gesagt – – Ach! weh mir! Ich verlohr ein Paar, das so, wie ihr liebenswürdige Zwey, zwischen Himmel und Erde gestanden, und jedes Auge mit Wunder erfüllt haben möchte; und dann verlohr ich auch (alles durch meine eigne Thorheit) die Gesellschaft, ja sogar die Freundschaft euers rechtschaffnen Vaters, welchen ich, so traurig sein Anblik für mich seyn würde, dennoch noch einmal in meinem Leben zu sehen wünschte.

Florisell.

Gnädigster Herr, es geschah auf seinen Befehl, daß ich im Vorbeyfahren die Küste von Sicilien betreten habe, um Eu. Majestät von ihm den zärtlichsten Gruß zu überbringen, den ein König seinem Bruder senden kan; hätte ihm ein Anstoß von Unpäßlichkeit, dergleichen das annähernde Alter mit sich zu bringen pflegt, nicht das gewünschte Vermögen auf einige Zeit benommen, so würde er selbst die Länder und Meere zwischen euerm Thron und dem seinigen durchgemessen haben, um euch zu sehen; den er mehr liebt, (so befahl er mir zu sagen) als alle andre Scepter und diejenige, welche sie tragen, so viel ihrer sind.

Leontes.

O mein Bruder! Edelmüthiges Herz! Noch immer blutet das meinige von dem Unrecht, das ich dir gethan habe; diese neue Probe deiner seltnen Güte beschämt und verwirrt mich, so sehr sie mich erfreut – – Seyd willkommen in Sicilien, Prinz; willkommen, wie der Frühling der Erde. Und hat er sich entschliessen können, diese unvergleichliche Princessin dem gefahrvollen, oder doch wenigstens unfreundlichen Neptun auszusezen, um einen Mann zu grüssen, der ihrer Mühe nicht werth ist; vielweniger, daß sie ihre Person seinetwegen wage?

Florisell.

Gnädigster Herr, sie kommt aus Lybien.

Leontes.

Wo der tapfre Smalus, dieser ruhmvolle Beherrscher, sich zugleich lieben und fürchten macht?

Florisell.

Königlicher Herr, von dannen; von ihm, dessen Tochter seine Thränen beym Abschied sie ankündigten; von da haben wir mit einem freundlichen Südwind hieher gekreuzt, um den Auftrag zu vollziehen, den mir mein Vater an Eu. Majestät gegeben hatte; mein bestes Gefolge hab ich von euerm Ufer nach Böhmen vorausgeschikt, um zugleich mit dem guten Erfolg meiner Reise nach Lybien, auch meine und meiner Frauen glükliche Ankunft in Sicilien anzukünden.

Leontes.

Mögen die Götter ihre besten Einflüsse auf unsre Insel herabschütten, so lange ihr euch bey uns aufhaltet. Ihr habt einen tugendhaften Vater, einen verdienstvollen Mann, gegen dessen Person so heilig als sie ist, ich gesündiget habe; Ach! der gerecht-erzürnte Himmel hat mich dafür bestraft; er hat mich meiner Kinder beraubt, und euern Vater, wie er’s verdiente, mit euch gesegnet, einem Erben der seiner würdig ist. Was würd‘ ich gewesen seyn, hätt‘ ich izt einen Sohn und eine Tochter vor mir sehen können, die so liebenswürdige Geschöpfe wären wie ihr beyde!

Vierte Scene.

Ein Herr vom Hofe zu den Vorigen.

Der Herr.

Gnädigster Gebieter, was ich erzählen muß, würde keinen Glauben verdienen, wenn der Beweis nicht so unwidersprechlich wäre – – Der König von Böhmen grüsset euch in eigner Person durch mich, und ersuchet euch, seinen Sohn fest machen zu lassen, der beydes seiner Würde und seiner Pflicht vergessen, von seinem Vater, von seinen Hoffnungen heimlich weggeflohen, und das mit eines Schäfers Tochter.

Leontes.

Der König in Böhmen? Wo ist er? Redet!

Der Herr.

Hier in eurer Stadt; ich komme diesen Augenblik von ihm. Ich merke, daß ich so verwirrt rede, wie es mein Erstaunen und mein Auftrag mit sich bringen: Da er im Begriff war an euern Hof, und wie es scheint, diesem schönen Paar nachzueilen, trift er unterwegs den Vater dieser anscheinenden Dame an, und ihren Bruder, welche beyde ihr Vaterland mit diesem jungen Prinzen verlassen haben.

Florisell.

So hat Camillo mich betrogen! Er, dessen Ehre und Redlichkeit bisher jedes Wetter aushielt – –

Der Herr.

Er ist bey dem König euerm Vater.

Leontes.

Wer? Camillo?

Der Herr.

Camillo, mein gebietender Herr, ich sprach mit ihm; er hat würklich diese armen Leute im Verhör. Niemals sah ich Elende so jämmerlich zittern; sie knien, sie küssen die Erde; sie verschweeren Leib und Leben, so oft sie reden; der König verstopft sich die Ohren, und droht ihnen mit einem vielfachen Tod.

Perdita.

O, mein armer Vater! – – Der Himmel hat Spionen wider uns ausgestellt; er will nicht daß unser Bündniß vollzogen werde.

Leontes.

Seyd ihr verheyrathet?

Florisell.

Wir sind es nicht, Gnädigster Herr, und werden es auch, dem Anschein nach, sobald nicht seyn; ich sehe wol, eh werden die Sterne die Thäler küssen; die Vergleichung paßt nur allzuwol.

Leontes.

Mein Prinz, ist diese Person die Tochter eines Königs?

Florisell.

Sie ist es, wenn sie jemals meine Frau wird.

Leontes.

Euer guter Vater hat sich so sehr beschleuniget, daß dieses jemals, wie ich sehe, wol noch lange dahinten bleiben wird. Es ist mir leid, sehr leid, daß ihr euch seine Ungnade zugezogen habt – – euch von Pflichten losgebrochen habt, welche heilig seyn sollten – – und eben so leid, daß eure Wahl nicht so reich an Stand als Schönheit ist, um sie mit dem Beyfall eines Vaters und der Welt bekrönt sehen zu können.

Florisell (zu Perdita.)

Schaue auf, meine Liebe; wenn uns gleich das Glük, unsre augenscheinliche Feindin, eben so hartherzig verfolgen sollte, wie mein Vater; so hat sie doch nicht die mindeste Gewalt unsre Liebe zu verändern. Ich bitte euch, Gnädigster Herr, erinnert euch der Zeit, da ihr jung waret wie ich izt bin – – Denket an das, was euer Herz damals fähig war, und laßt diese Gedanken meine Fürsprecher seyn; auf eure Bitte würde mein Vater die kostbarsten Sachen als Kleinigkeiten hingeben.

Leontes.

Glaubte ich das, so wollt ich um eure unvergleichliche Liebste bitten, die er nur für eine Kleinigkeit ansieht.

Paulina.

Mein Gnädigster Herr, ich sehe zuviel Jugend in euern Augen; Eure Königin war, keinen Monat lang eh sie starb, mehr solche gierige Blike werth, als was ihr izt anschauet.

Leontes.

Eben an sie dacht‘ ich bey diesen Bliken, die ihr mir unbillig zum Verbrechen macht – – (zu Florisell.) Aber ihr habt noch keine Antwort auf eure Bitte; ich will zu euerm Vater; in so fern eure Ehre von euern Begierden nicht überwältiget wird, bin ich ein Freund von ihnen und euch; mit dieser Gesinnung geh ich ihm entgegen; folget mir, bemerket den Weg den ich neme; kommt mein lieber Prinz. (Sie gehen ab.)

Fünfte Scene.

Ein Plaz nicht weit vom Hofe. Autolicus und ein Edelmann vom Hofe.

Autolicus.

Ich bitte euch, mein Herr, waret ihr selbst bey dieser Erzählung gegenwärtig?

Edelmann.

Ich war dabey, wie das Kästchen aufgemacht wurde, und hörte den alten Schäfer erzählen, wie er es gefunden habe; auf dieses folgte eine kleine Pause von stillschweigender Erstaunung, und hierauf wurde uns befohlen, das Zimmer zu verlassen: Nur däucht mich, hörte ich den Schäfer sagen, er habe das Kind gefunden.

Autolicus.

Ich bin recht begierig, den Ausgang davon zu wissen.

Edelmann.

Davon kan ich euch nichts sagen; alles was ich bemerken konnte, war, daß der König und Camillo ihr Gesicht veränderten, einander ganz erstaunt ansahen, und durch ihre stummen Blike und blosse Gebehrden verriethen, daß etwas sehr unerwartetes und wichtiges entdekt worden sey – – aber was es sey, oder ob der Inhalt freudig oder traurig sey, das hätte wol der schärfste Beobachter vom blossen Ansehen nicht errathen; und das kan auch, wenn die Freude unverhofft und auf dem äussersten Grad ist, nicht anders seyn. Ein andrer Edelmann zu den Vorigen. Hier kommt jemand, der uns vielleicht mehr von der Sache sagen kan. Was giebts Neues, Rogero?

2. Edelmann.

Nichts als Freuden-Feuer: Das Orakel ist erfüllt; des Königs Tochter ist gefunden; kurz, es haben sich in dieser einzigen Stunde wunderbare Begebenheiten entwikelt, daß die Balladen-Macher das ganze Jahr durch genug zu thun haben werden. Ein dritter Edelmann zu den Vorigen. Hier kommt der Lady Paulina Hausmeister, der wird uns mehr Umstände sagen können. Wie geht’s, mein Herr? Diese Zeitung, die für wahr gegeben wird, sieht einem alten Mährchen so gleich, daß ihre Wahrheit in starken Verdacht gezogen wird; hat der König seine Erbin gefunden?

3. Edelmann.

Nichts wahrers, wenn jemals die Umstände eine Wahrheit ins Licht gesezt haben: Die Beweise stimmen so gut zusammen, daß man schweeren sollte, man sehe mit eignen Augen, was man erzählen höret. Der Mantel der Königin Hermione – – Ihr Hals-Kleinod um den Hals des Kindes – – Briefe vom Antigonus bey ihm gefunden, deren Handschrift nicht zweifeln läßt, daß Antigonus sie geschrieben – – Die majestätische Gestalt dieser Creatur – – ihre vollkommne Aehnlichkeit mit ihrer Mutter – – ein gewisser Adel in ihrer Gemüthsart, und in ihrem Betragen, in welchem die Natur über die niedrige Erziehung zu triumphieren scheint – – und viele andre Umstände beweisen es bis zur Ueberzeugung, daß sie des Königs Tochter ist. Waret ihr bey der Zusammenkunft der beyden Könige gegenwärtig?

2. Edelmann.

Nein.

3. Edelmann.

So habt ihr eine Scene verlohren, die man selbst gesehen haben muß, um sich eine Vorstellung davon zu machen. Da hättet ihr sehen können wie eine Freude die andre krönte; dergestalt daß es nicht anders ließ, als ob die Traurigkeit weine, daß sie Abschied von ihnen nehmen müsse; denn ihre Freude schwamm in Thränen – – Das war ein Augen-Aufreissen, ein Hände-Drüken, ein Tumult von einander drängenden Empfindungen, wie man noch nie gesehen hat! Unser König, in eben dem Augenblik da er vor Freude über seine gefundene Tochter ausser sich selbst war, rief als ob er plözlich von einem schmerzhaften Gedanken getroffen würde: O! deine Mutter, deine Mutter! Dann bat er den König von Böhmen um Vergebung; dann umarmt‘ er seinen Schwieger-Sohn; dann fiel er wieder seiner Tochter um den Hals, und küßt‘ und drükte sie, daß sie hätte erstiken mögen. Einen Augenblik drauf dankt‘ er dem alten Schäfer, der in seinen ehrlichen grauen Haaren seitwärts stand, Augen und Hände aufhub, und vor Bestürzung und Freude nicht reden konnte. In meinem Leben hab‘ ich von keiner solchen Begebenheit gehört; alles ist zu wenig, was man davon sagen kan; wie ich euch sagte, man muß selbst dabey gewesen seyn.

2. Edelmann.

Was wurde dann, ich bitt euch, aus dem Antigonus, der das Kind von hier wegtrug?

3. Edelmann.

Das sieht wieder dem alten Mährchen so gleich, daß man es nur glauben muß, weil man sich nicht anders helfen kan; er wurde von einem Bären zerrissen; so erzählt des Schäfers Sohn, für den nicht nur seine Einfalt und Ehrlichkeit die Gewähr leistet, sondern auch noch ein Schnupf-Tuch und ein Ring, welche Paulina für ihres Gemahls seine erkennt.

1. Edelmann.

Was wurde aus seinem Schiff und aus seinen Leuten?

3. Edelmann.

Diese giengen in dem nemlichen Augenblik da ihr Herr ums Leben kam, und vor den Augen des alten Schäfers, am Strand in einem Sturm zu Grunde; so daß alle Werkzeuge welche zu der Aussezung des Kindes geholfen hatten, zu eben der Zeit verlohren giengen, da es gefunden wurde. Aber, o! den edeln Kampf zwischen Schmerz und Freude, der in Paulina’s Gemüth vorgieng! Indem ihrem einten Aug eine Thräne über den Tod ihres Gemahls entfiel, erhob sich das andre über die Erfüllung des Orakels gen Himmel. Sie hob die Princessin über die Erde, und umarmte sie so inbrünstig als ob sie sie an ihr Herz anheften wollte, um nicht mehr in Gefahr zu kommen, sie zu verliehren.

1. Edelmann.

Wahrhaftig, eine Scene, welche es würdig war, lauter Könige und Prinzen zu Zuschauern zu haben!

3. Edelmann.

Einer von den schönsten Zügen unter allen, und der mir das Wasser in die Augen trieb, war, wie von dem Tode der Königin gesprochen wurde, und der König die Umstände, welche ihr das Leben gekostet, eben so aufrichtig bekannte als wehmüthig bejammerte – – wie während dieser Erzählung Aufmerksamkeit seine Tochter verwundete; bis von einem Zeichen des Schmerzens zum andern, sie mit einem Seufzer, der ihr Herz zerrissen zu haben schien – – fast möchte ich sagen Thränen blutete; denn ich bin gewiß, das meinige weinte Blut. Wer sonst Marmor war, veränderte seine Farbe; einige mußten die Augen wegwenden, alle waren tiefgerührt; wenn die ganze Welt sie in diesem Augenblik hätte sehen können, der Schmerz würde allgemein gewesen seyn.

1. Edelmann.

Sind sie wieder nach Hofe gegangen?

3. Edelmann.

Nein; die Princessin hörte von einer Statue ihrer Mutter, welche Paulina in Verwahrung hat; ein Stük, woran der grosse Meister, Julio Romano* viele Jahre gearbeitet, und welches er nur kürzlich zu Stande gebracht; dieser schöpferische Künstler, der, wenn er selbst Ewigkeit hätte und seinen Werken Athem geben könnte, die Natur um ihre Kundsame bringen würde, so vollkommen ist er ihr Affe. Sie versichern, er habe eine Hermione gemacht, welche der würklichen so sehr gleiche, daß man versucht werde, sie anzureden und auf eine Antwort zu warten. Dahin haben sie sich nun mit aller Begierigkeit der Liebe hin begeben, und dort gedenken sie, zu Nacht zu speisen.

2. Edelmann.

Ich dachte schon lange, Paulina müsse in diesem abgelegenen Hause eine besondere Angelegenheit haben; denn ich weiß, daß sie es, schon seit Hermionens Tod alle Tage zwey bis dreymal, allein und heimlich besucht hat. Wollen wir auch dahin, und die Zuschauer dieses frohen Auftritts vermehren helfen?

1. Edelmann.

Wer wollte wegbleiben, der das Recht des Zutritts hat? Jeder Augenblik muß einen neuen angenehmen Umstand gebähren, den wir verliehren indem wir hier verziehen. Kommt, wir wollen gehen. (Sie gehen ab.)

Autolicus (allein.)

Nun könnte ich mir auf eine hübsche Beförderung Rechnung machen, wenn mir die Schande meines vorigen Lebens nicht im Licht stühnde. Ich brachte den alten Mann und seinen Sohn zum Prinzen an Bord; sagte ihm, ich hätte sie von einem Kistchen reden hören, und ich wisse nicht was; aber damals ließ ihm die übermäßige Liebe zu seiner vermeynten Schäfers-Tochter, welche sehr Seekrank zu werden anfieng, keine Zeit, darauf acht zu geben, und das Geheimniß blieb unentdekt. Aber das ist mir all eins; denn wenn ich selbst der Ausfindig-Macher dieses Geheimnisses gewesen wäre, so würd‘ ich, in dem feinen Ruf worinn ich stehe, wenig Vortheil davon gezogen haben – – Aber da kommen sie ja, denen ich wider meine Absicht gutes gethan habe – – schon ganz in den Schimmer ihres neu aufgeblühten Glüks gekleidet. * Wie Herr Warbürton vermuthet, wollte der Poet Michael Angelo schreiben. Im übrigen ist, ausser dem seltsamen Anachronismus, diese Stelle als eines von den schönsten Exempelchen von Unsinn, die in unserm ganzen Autor vorkommen, zu bemerken.

Sechste Scene.

Der Schäfer, und Hans, sein Sohn, treten auf.

Schäfer.

Komm, Junge; ich kan nun keine Kinder mehr haben; aber deine Söhne und Töchter werden alle hochedelgebohren seyn.

Hans (zu Autolicus.)

Ha, wir treffen einander eben recht an; ihr wolltet euch dieser Tagen nicht mit mir schlagen, weil ich nicht edelgebohren sey: Seht ihr diese Kleider? Sagt, ihr seht sie nicht, wenn ihr noch immer fort denkt, ich sey nicht hochedelgebohren. Ihr möchtet eben so wohl sagen, diese Kleider seyen nicht hochedelgebohren. Heißt mich lügen; thut es, und probiert ob ich izt nicht hochedelgebohren bin.

Autolicus.

Ich weiß es ganz wohl, Herr, daß ihr izt hochedelgebohren seyd.

Hans.

Ja, und das bin ich diese vier Stunden immer gewesen.

Schäfer.

Und ich auch, Junge.

Hans.

Und ihr auch; aber ich war noch vor meinem Vater hochedelgebohren; denn des Königs Sohn nahm mich bey der Hand, und nannte mich Bruder; und dann nannten die zween Könige meinen Vater, Bruder, und dann nannte der Prinz mich, mein Bruder, und die Princessin meine Schwester, meinen Vater, Vater, und da weinten wir zusammen, und das waren die ersten hochadelichen Thränen, die wir jemals vergossen haben.

Schäfer.

Ich hoff‘ es zu erleben, Sohn, daß wir noch andre vergiessen.

Autolicus (zu Hans.)

Gnädiger Herr, ich bitte euch unterthänigst mir alle die Fehler zu verzeihen, die ich gegen Euer Gnaden begangen habe, und mir euer gutes Vorwort bey dem Prinzen, meinem Herren, zu verleihen.

Schäfer.

Ich bitte dich, Sohn, thu’s; wir müssen gnädig seyn, weil wir nun Gnädige Herren sind.

Hans.

Du willt also dein Leben bessern?

Autolicus.

Ja, wenn es Eu. Gnaden erlauben will.

Hans.

Gieb mir die Hand drauf; ich will dem Prinzen schwören, daß du ein so ehrlicher Kerl seyest, als irgend einer in Böhmen lebt.

Schäfer.

Sagen kanst du’s wohl, aber nicht schweeren.

Hans.

Nicht schweeren, und bin nun ein Edelmann? Bauren und gemeines Volk mögen es sagen; ich will es beschweeren, ich.

Schäfer.

Aber, wenn es nun nicht wahr ist, Sohn?

Hans.

Es mag noch einmal so viel nicht wahr seyn, so kan ein wahrer Edelmann seinem Freunde zu gefallen, drauf schweeren: Ich will dem Prinzen schweeren, daß du ein plumper Kerl mit deinen Händen seyst, und daß du dich nie betrinken werdest; und doch weiß ich, daß du kein plumper Kerl mit deinen Händen bist, und daß du dich betrinken wirst; aber ich will drauf schweeren, und ich wollte du wärst ein plumper Kerl mit deinen Händen.

Autolicus.

Ich will es werden, Gnädiger Herr, nach äusserstem Vermögen.

Hans.

Thu‘ das, und wende alles dazu an; wenn ich mich nicht wundre, wie du das Herz hast dich zu betrinken, da du kein plumper Kerl bist, so glaube mir nichts mehr. Aber horcht, die Könige und die Prinzen unsre Vettern kommen, und gehen nun der Königin ihr Bildniß zu sehen. Komm geh mit uns: Wir wollen deine gute Herren seyn. (Sie gehen ab.)

Siebende Scene.

Verwandelt sich in Paulinas Haus. Leontes, Polixenes, Florisell, Perdita, Camillo, Paulina, verschiedene Herren vom Hofe, und Gefolge, treten auf.

Leontes.

O weise und gute Paulina, wie oft bist du mir zum Troste gewesen!

Paulina.

Mein Gnädigster Gebieter, was ich nicht recht that, das meynte ich doch gut; ihr habt mich für alle meine Dienste überflüssig bezahlt. Aber daß Eure Majestät mit dem Könige, ihrem Bruder, und diesen verlobten Erben beyder Kronen, gekommen ist, mein armes Haus zu besuchen; diß ist ein Uebermaaß von Gnade, welche zu verdienen mein übriges Leben nicht zureichen kan.

Leontes.

O Paulina, die Ehre, die wir euch erweisen ist Unruh; – – Aber, wir kamen um die Bildsäule unsrer Königin zu sehen. Eure Galerie haben wir durchgegangen, und mit vielem Vergnügen über manche seltne Stüke; aber das, was meine Tochter so sehnlich zu sehen verlangt, sahen wir nicht – – das Bild ihrer Mutter.

Paulina.

So wie sie im Leben unvergleichlich war, so übertrift auch ihr todtes Ebenbild, wie ich mit Recht glaube, alles was ihr jemals gesehen habt, oder eines Menschen Hand jemals gemacht hat; deßwegen bewahr‘ ich es auch mit mehr als gewöhnlicher Zuneigung auf. Aber hier ist es: Bereitet euch vor, das Leben so lebhaft vorgestellt zu sehen, als jemals der Schlaf den Tod vorgestellt hat. (Paulina zieht einen Vorhang und entdekt Hermione, gleich einer Bildsäule auf einem Fußgestelle stehend.) Euer Schweigen gefällt mir; es beweist euere Erstaunung nur desto besser – – Aber sagt mir nun, ihr zuerst, mein Gebietender Herr, kommt es nicht ziemlich nahe?

Leontes.

Ihre natürliche Stellung! – – O mache mir keine Vorwürfe, theurer Stein! damit ich in der That sagen kan, du seyst Hermione; denn sie war so zärtlich als Kindheit und Unschuld – – Aber, Paulina – – Hermione hatte nicht so viele Falten, war bey weitem nicht so alt, wie diß scheint.

Polixenes.

O, wahrhaftig nicht!

Paulina.

Desto grösser ist die Geschiklichkeit unsers Künstlers, der sechszehn Jahre überspringt, und sie so macht, als lebte sie izt.

Leontes.

Wie sie denn auch gelebt hätte, ach! so sehr zu meinem Trost, als dieser Anblik izt mein Herz durchbort. O! so stuhnd sie; mit dieser lebenden Majestät (warmes Leben, wie sie izt kalt steht) als ich zum erstenmal um ihre Liebe bat – – Ich schäme mich – – wirft mir dieser Stein nicht vor, daß ich mehr Stein sey, als er selbst? O Königliches Stüke! Es ist Zauberey in deiner Majestät, die meine Uebelthaten wieder in mein Gedächtniß gezaubert, und meiner bewundernden Tochter die Lebensgeister geraubt hat, daß sie, wie selbst versteinert, neben dir steht.

Perdita.

Erlaubet mir, und saget nicht, es sey Aberglauben, daß ich niederknien und um ihren Segen bitte – – Theure Königin, Theure Mutter, welche aufhörte, da ich kaum begann, gebt mir diese eure Hand zu küssen – –

Paulina.

O, Geduld; – – die Statue ist ganz neu aufgerichtet, die Farben sind noch nicht troken.

Camillo (zu Leontes.)

Gnädigster Herr, euer Schmerz ist zu dicht aufgetragen, da sechszehn Winter ihn nicht wegblasen, und sechszehn Sommer nicht auftroknen konnten; kaum lebte jemals ein Vergnügen so lange; und eines jeden andern Schmerz würde sich in so viel Zeit selbst aufgerieben haben.

Polixenes.

Mein theurer Bruder, gestattet dem, der die Ursache von allem diesem war, soviel Vermögen, euch soviel Schmerz abzunehmen, als er für seinen eignen Theil fühlt.

Paulina.

In der That, wenn ich gedacht hätte, der Anblik meines armen Bildes würde diese Würkung auf euch thun, so würd‘ ich’s euch nicht haben sehen lassen.

Leontes.

O, zieht den Vorhang nicht.

Paulina.

Ich laß euch nicht länger so stehn und es anstarren; eure Einbildung könnt‘ euch sonst zulezt gar bereden, es rege sich.

Leontes.

Laß es seyn, laß es seyn; ich wollt ich wäre todt, wenn mir nicht izt schon so wäre – – Aber wer war der, der es machte? Sehet her, mein Herr; würdet ihr nicht meynen, es athme? und daß in diesen Adern würkliches Blut sey?

Polixenes.

Es ist meisterlich gemacht! wahres Leben scheint ihre Lippen zu erwärmen.

Leontes.

Es ist Regung in ihren Augen. Ists möglich daß die Kunst so weit gehen kan?

Paulina.

Ich muß den Vorhang ziehen, der König ist so sehr entzükt, daß er bald denken wird es lebe.

Leontes.

O liebe Paulina, mache mich das zwanzig Jahre in einem fort denken: Alle Vernunft in der Welt kan mir das Vergnügen dieses Wahnsinns nicht ersezen. Laß es wie es ist.

Paulina.

Es ist mir leid, Gnädigster Herr, daß ich euch zu einer so grossen Bewegung Anlaß gegeben habe; aber ich könnt euch noch mehr betrüben.

Leontes.

Thu es, Paulina; denn diese Traurigkeit hat etwas herzerquikendes in sich. Mich dünkt immer, es athme etwas von ihr gegen mich her. Welcher Meissel konnte jemals Athem heraus graben? Spotte niemand über mich, aber ich muß sie küssen.

Paulina.

Thut es nicht, Gnädigster Herr; die Röthe auf ihren Lippen ist noch naß; ihr würdet sie verderben, wenn ihr sie küßtet; und eure eignen mit Oel-Farbe befleken; soll ich den Vorhang ziehen?

Leontes.

Nein, nicht in den nächsten zwanzig Jahren.

Perdita.

So lange könnt ich dastehn, und es in Einem fort anschauen.

Paulina.

Entweder entfernt euch von der Nische, oder entschließt euch noch mehr zu erstaunen; wenn ihr es sehen könnt, so will ich machen, daß die Statue sich bewegen soll, in der That; sie soll herunter steigen, und euch bey der Hand nehmen; aber dann werdet ihr denken, ich thue es mit Hülfe böser Geister, und ich schwöre euch, daß es nicht ist.

Leontes.

Ich bin bereit alles zu sehen was ihr sie thun, und alles zu hören, was ihr sie reden machen könnet; denn es ist eben so leicht zu machen, daß sie rede, als daß sie sich bewege.

Paulina.

Es wird erfordert, daß ihr allem euerm Glauben aufbietet; nur dann, so stehet alle still; und diejenige, welche denken, daß es nicht richtig damit zugehe, mögen sich wegbegeben.

Leontes.

Machet fort; kein Fuß soll sich regen.

Paulina.

Musik; erweke sie: erschalle: (Man hört Musik.) Es ist Zeit; steiget herab; seyd nicht mehr Stein; nähert euch und rühret alle die euch ansehen, mit Erstaunen. Kommt; ich will euer Grab einnehmen; nun, so kommt doch; vermachst dem Tod euere Unbeweglichkeit – – ihr seht, sie regt sich; (Hermione steigt herab.) Entsezet euch nicht; ihre Handlungen sollen so heilig seyn, als meine Zauberey erlaubt ist; weichet nicht vor ihr zurük – – nein, gebt ihr die Hand; wie sie jung war, mußtet ihr euch um ihre Gunst bemühen; nun da sie alt ist, muß sie um die eurige buhlen – –

Leontes (Indem er sie umarmt.)

O, sie ist warm; wenn das Zauberey ist, so laßt zaubern eine so erlaubte Kunst seyn als essen.

Polixenes.

Sie umarmt ihn.

Camillo.

Sie hängt sich an seinen Hals; wenn sie Leben in sich hat, so laßt sie auch reden.

Polixenes.

Und uns sagen, wo sie gelebt habe, oder wie sie sich aus dem Reiche der Todten weggestohlen?

Paulina.

Wenn man’s euch nur sagte, daß sie lebt, so würdet ihr’s wie ein altes Mährchen auszischen; aber ihr sehet daß sie lebt, ob sie gleich nicht spricht – – Noch eine kleine Geduld – – Gefällt es euch, schöne Prinzessin, so kommt näher, kniet nieder, und bittet eure Mutter um ihren Segen – – Wendet euch um, meine gnädigste Frau, unsre Perdita ist gefunden. (Sie stellt ihr Perdita vor, die sich vor Hermione auf die Knie wirft.)

Hermione.

Ihr Götter, schaut herab, und schüttet eure besten Segnungen alle auf meiner Tochter Haupt; sage mir, meine Eigne, wo bist du erhalten worden? Wo hast du gelebt? Wie hast du deines Vaters Hof gefunden? Denn du wirst hören, daß ich, von Paulinen versichert, das Orakel gebe Hoffnung daß du noch lebest, mich selbst aufgesparet habe, um diesen Ausgang noch zu sehen.

Paulina.

Zu allem diesem habt ihr nun Zeit genug; geht nun mit einander, ihr erlauchten Glüklichen alle, und theilet eines dem andern sein Entzüken mit; ich alte Turtel-Daube will auf irgend einen verwelkten Ast fliegen, und dort meinen Gatten, der nicht wieder gefunden werden kan, betrauren, bis ich selbst nicht mehr bin.

Leontes.

O, stille, Paulina; hast du mir wieder eine Gemahlin gegeben, so must du auch einen Mann von meiner Hand annehmen. Das ist etwas ausgemachtes zwischen uns und durch Gelübde bekräftiget. Du hast meine Hermione gefunden; wie, begreiffe ich noch nicht; denn ich glaubte, ich sehe sie todt; und habe, glüklicher Weise vergebens, manches Gebet auf ihrem Grabe gethan. Ich will nicht weit suchen, um einen Gemahl für dich zu finden, dessen Achtung für dich mir schon bekannt ist. Kommt, Camillo, und nehmt ihre Hand; ihr, dessen Werth und Rechtschaffenheit sich so vielfältig bewährt hat, und hier von zween Königen bezeugt wird – – Verlassen wir diesen Ort – – wie? Sehet meinen Bruder an: Vergebet mir, vergebet mir beyde, daß ich jemals fähig war, eure tugendhaften Blike durch bösen Argwohn zu trennen: Dieß ist euer Schwieger-Sohn, und der Sohn des Königs – – der durch eine wunderbare Fügung des Himmels mit eurer Tochter verbunden worden ist – – Gute Paulina, führe uns von hinnen, an einen Ort, wo wir einander mit mehr Bequemlichkeit über die Rolle fragen und antworten können, welche jedes in diesem langen Zeitraum, seit dem wir getrennt wurden, gespielt hat. Hurtig führt uns von hier. (Sie gehen ab.)