Sagen aus dem Burgenland

Der Fluch der Nixe vom Neusiedler

In alten Zeiten, als noch das muntere Völklein der Nixen und Wasserfeen in den spiegelnden Fluten des Neusiedler Sees sein Spiel trieb und sich hie und da unvermutet auch den Augen der Menschen zeigte, wohnte am Ufer des Sees ein alter geiziger Fischer. Täglich legte er seine Netze im See aus und kehrte am Abend, mit reicher Beute beladen, in seine Hütte zurück. Der Verkauf der Fische brachte ihm stets guten Gewinn, und so war er mit der Zeit ein wohlhabender Mann geworden, der es nicht nötig gehabt hätte, über jedes nicht volle Netz in lauten Jammer auszubrechen. Aber er war unersättlich in seiner Gier nach Gewinn. Als nun der Fischreichtum des Sees allmählich nachließ, schob er die Schuld daran auf die Wasserfeen, die durch ihr Treiben die Fische verjagt hätten, und beschimpfte sie mit bösen Worten.

Eines Tages hatte er wieder sein Boot bestiegen und war das Seeufer entlanggefahren. Da bemerkte er in einer Bucht ein anmutiges Wesen, das sich vergebens bemühte, von der Stelle zu kommen. Als er näher heranruderte, erkannte er, daß es eine wunderschöne Wassernixe war. Sie hatte sich in einem seiner Netze verstrickt und bei ihren Anstrengungen, sich zu befreien, mehrere Löcher hineingerissen.

»Hilf mir aus dem Netz!« bat sie flehentlich. »Sieben Tage und sieben Nächte bin ich hier schon gefangen, und es gelingt mir nicht, loszukommen. Meine Kinder weinen nach mir.« Aber der Fischer hatte taube Ohren für ihre Bitte. Wütend, daß ihm die Fee die Fische verjagt und noch dazu das Netz zerrissen habe, stieß er mit seiner Gabel das Seeweib nieder, das ihm mit letzter Kraft noch zurief: »Sei verflucht für deine ruchlose Tat! Nie sollst du die Deinen wiedersehen!« Dann versank sie sterbend im See.

Höhnisch lachte der Fischer. Da erbebte der Seegrund, finstere Nacht brach herein. Heulend fuhr ein rasender Sturmwind in die glatte Fläche des Sees und rührte gewaltige Wogen auf. Die Windsbraut riß Fischer und Kahn in den offenen See hinaus, wo sich die tobenden Wellen über dem grausamen Mann schlossen, um ihn nie wieder herauszugeben.

Wenn an stillen Abenden dünne Nebelschleier das flüsternde Röhricht des Sees bedecken, hört man wohl ferne ein leises Plätschern und Knirschen im See. Es ist der verdammte Fischer, der sein Boot mit müder Hand dem Ufer zusteuert. Doch umsonst ist sein Bemühen, der Kahn weicht nicht von der Stelle, und es gelingt ihm nie, den rettenden Strand zu erreichen.

Der Neusiedler See

Im Herzen des Burgenlandes liegt der Neusiedler See. An seinen schilfumwachsenen Ufern spielen die Wassergeister, wenn das Rohr sich im Winde wiegt, wenn die Sumpfvögel sich kreischend in die Lüfte schwingen und das Wasser sich leise kräuselt. Dann singt und klingt es um den See, und wie die Bauern erzählen, gibt es besonders um zwölf Uhr mittags dort oft viel Tumult und Lärm, man hört jauchzen und schreien, geigen und pfeifen, daß man meinen könnte, eine Bauernhochzeit werde auf dem Grund des Sees gefeiert. Das sind die Wassermänner und ihre Nixenfrauen, die sich vergnügen. Aber einmal wurde ihre Lustbarkeit gewaltsam gestört, worüber uns Christof Hanstein und Hans Kötner wahre Kunde geben.

Ein Mann aus Andau, der zum Neusiedler See gegangen war, um an seinen Ufern Schilf zu schneiden, hörte schon längere Zeit die laute Fröhlichkeit, die aus der Tiefe des Sees emporstieg. Da kam plötzlich auf einem großen Rappen ein schöner Reiter dahergesprengt. Eine lange Gerte hielt er in der Hand. Er grüßte den Mann und fragte ihn, ob dieses seichte Wasser hier der berühmte Neusiedler See sei.

»Das ist er wohl, und gar so verächtlich müßt Ihr von ihm nicht reden. In seiner Tiefe gibt es Nixen und Wassermänner genug, hört Ihr nicht, wie lustig sie eben sind?«

»Dann bin ich hier recht am Ort«, brummte der Reiter, sprang von seinem Pferd, trat ans Wasser heran, hob seine Gerte, ließ sie jedoch wieder sinken und wandte sich dem Mann aus Andau zu.

»Ich bin ein Wassermann. Man hat mir mein Weib entführt. In allen Gewässern der Welt habe ich sie schon gesucht und nicht gefunden. Vielleicht ist sie hier. Halte mir mein Pferd fest, damit es mir nicht nachspringe.« Einen Augenblick überlegte er noch, dann trat er so dicht an den See heran, daß seine Füße schon im Wasser standen, hob die Gerte hoch und schlug damit aufs Wasser. Im selben Augenblick erklang von ferne das Mittagsgeläute der Kirchenglocken herüber. Das Wasser teilte sich, und wie auf einer breiten Straße schritt der Wassermann in den See hinein und war bald darauf verschwunden.

Aus der Tiefe tönte noch immer das Jauchzen und Singen, aber mit einem Mal brach es jäh ab, und gleich darauf erhob sie ein jämmerliches Geschrei und Wehklagen. Dem Mann am Ufer des Sees wurde bang zumute, und er konnte kaum mehr das Roß halten, das ungestüm dem Wasser zustrebte.

Plötzlich färbte sich der See an einer Stelle dunkelrot. Es war, als wäre eine Blutquelle in der Tiefe entsprungen. Kurze Zeit darauf öffnete sich die Wasserstraße wieder, der Wassermann schritt dem Ufer zu, aber er war nicht mehr allein, seine Nixenfrau ging an seiner Seite.

»Die Rache ist gelungen, der Räuber ist tot«, rief er frohlockend. Er setzte sich auf sein Pferd, hob die Nixe vor sich in den Sattel und warf dem Mann aus Andau einen kleinen Beutel zu, in dem nur ein einziger Kreuzer war.

»Das dir zum Lohn, Bauer. Sooft du in diesen Beutel greifst, wirst du ihm einen Kreuzer entnehmen können.«

Der Mann ist reich geworden, denn er tat nichts anderes mehr als in den Beutel greifen und einen Kreuzer nach dem anderen herauszuholen.

Ein Zigeuner stahl ihm diesen Beutel, hatte aber nichts davon, denn für die Diebeshand war kein Kreuzer im Beutel vorhanden.

Die Waldfee

Vor langer Zeit lebte in einem kleinen Dorf des südlichen Burgenlandes ein hübscher, munterer Bursche namens Hans, dem alle Mädchen gut waren, so daß ihn jede gern zum Ehegatten genommen hätte. Der Jüngling war lieb und freundlich zu allen, aber das Heiraten wollte er sich noch überlegen. Schließlich verließ er das Dorf und hielt sich längere Zeit in der Fremde auf. Aber eines Tages kam er mit einem unbekannten Mädchen wieder angeritten, das ein blaues Kleidchen trug und von bezaubernder Schönheit war. Bald darauf feierte er Hochzeit mit der holden Schönen.

Es lag ein geheinmisvolles Dunkel um sie; niemand wußte, woher sie stammte, und wenn man Hans fragte, zuckte er lächelnd die Achseln. Man redete bald im Dorf, daß die Frau eine Vila, eine gute Waldfee sei, die das Herz des jungen Burschen erobert habe. Manche glaubten zu wissen, Hans habe der Geliebten versprochen, ihre Herkunft geheimzuhalten, sie nie Vila zu rufen und sie auch nie aufzufordern, zu tanzen oder zu singen, sonst sei es mit dem Glück beider zu Ende.

Die Jahre vergingen dem jungen Ehepaar in ungetrübter Freude; zwei liebe Kinder, die ihnen der Himmel beschert hatte, vermehrten ihr Glück. Es gab zwar Tage, an denen die junge Frau allein das Haus verließ und sich stundenlang im Wald aufhielt, aber Hans, der diese Gänge den Dorfbewohnern möglichst zu verheimlichen suchte, tat nie eine Frage und machte nie seiner Frau einen Vorwurf daraus. Freundlich ließ er sie gehen, und herzlich war sein Gruß, wenn sie zurückkam.

Einmal kehrte Hans von einem weiten Weg nach Haus, und als er seine schöne Frau und seine beiden Kinder erwartungsvoll nach ihm ausschauen sah, begrüßte er sie jubelnd und rief im Überschwang der Freude seiner lieblich lächelnden Frau zu: »Oh, sing doch und tanz, liebe Vila, wie damals, als ich dich auf der Waldwiese sah!« Da trübten sich die lieblichen Gesichtszüge seiner Ehegattin, aber sie begann zierlich zu tanzen und mit leiser, wohlklingender Stimme ein Lied zu singen.

Mit einemmal erinnerte sich Hans seines Versprechens. Mit raschem Griff suchte er die Gattin am Weitertanzen zu hindern; aber es war schon zu spät. Schluchzend warf sich die Frau in seine Arme und stöhnte: »Hans, Hans, warum hast du das getan? Nun ist’s aus mit unserem Glück!« Wie ein Nebelhauch entschwand sie aus seinen Armen. Der Mann und die Kinder blieben allein zurück.

Zwar war es Hans noch oft an nebeligen Abenden, als blicke die Waldfee durch das Fenster zu ihren Lieben herein, aber wenn er dann ins Freie eilte, um sie zu ergreifen, war es nur ein Nebelstreif, der ihm das geliebte Bild vorgetäuscht hatte.

Im Eichenwald am Scheibenberg bei St. Jörgen hatte vor alten Der Teufelskirnstein bei St. JörgenZeiten ein einschichtiger Teufel seinen Wohnsitz aufgeschlagen. Er hatte sich gegen die Gesetze seiner teuflischen Obern vergangen und war deshalb aus der Hölle ausgestoßen worden. Nun mußte er sich allein recht und schlecht auf Erden durchbringen. Eine lahme Kuh und eine blinde Geiß waren sein ganzer Besitz. Tagsüber führte er seine Tiere auf die Weide, die Nächte verbrachte er unter einem mächtigen Felsblock, der heute noch der Teufelskirnstein heißt.

Wenn am Abend die Sonne hinter das ferne Hochgebirge hinabtauchte und die Seehügel sich in dämmernde Schatten hüllten, stieg er auf den Stein und lockte mit heiserem Geschrei und lautem Peitschenknall seine weidenden Haustiere zu ihrem nächtlichen Obdach. Als Peitsche benützte er eine Schlange, die an Länge alles Dagewesene übertraf. Bei seinem Locken und Rufen machte er aber einen wahrhaft höllischen Lärm, daß den Bewohnern von St. Jörgen häufig vor Grauen die Haare zu Berg stiegen und die heimkehrenden Herden stutzig und störrisch wurden. Oft verschlug es den Milchkühen vor Schrecken die Milch, und die armen Bauersfrauen wußten vor Arger nicht aus noch ein. Die Bauern aber verfluchten den bockfüßigen Störenfried und wünschten den dummen Teufel zur Hölle.

Einmal saßen die Bauern im Dorfwirtshaus beisammen und sprachen über Wetter und Ernte, über Not und Plagen und kamen endlich auch auf den höllischen Nachbarn des Ortes zu sprechen. Während sie sich so unterhielten, trat ein fremder alter Mann in die Wirtsstube und setzte sich müde und bescheiden am Bettlertisch nieder.

»Woher des Weges, Alter?« fragte ihn der Bürgermeister.

»Ich komme aus der Türkei«, erwiderte der Alte, »aus langer Gefangenschaft. Als junger Bursche bin ich im Heer des Kaisers gegen die Türken zu Feld gezogen, geriet in Gefangenschaft und war mein Leben lang an die Ruderbank eines türkischen Schiffes gekettet. Erst jetzt, da ich ein alter Mann bin, hat man mir die Freiheit wiedergegeben.«

»Und was gedenkt Ihr nun anzufangen?« erkundigte sich einer der Bauern.

Mit einer matten Handbewegung entgegnete der Greis: »Ich möchte meine Ketten, die ich aus der Gefangenschaft mitgebracht habe, der Muttergottes zu Loretto opfern und dann die paar Jahre, die ich noch zu leben habe, hier irgendwo in der Einsamkeit, vielleicht als Klausner, verbringen; denn in meine Heimat, das schöne Schwabenland, ist mir der Weg zu weit, auch kennt mich dort niemand mehr.« Seufzend stützte er das graue Haupt in seine Hände und wollte nach einiger Zeit wieder nach seinem Wanderstab greifen.

Inzwischen hatte der Bürgermeister eifrig mit den andern geflüstert, und diese nickten mehrmals zustimmend mit dem Kopf. »Hört, guter Alter«, nahm endlich der Bürgermeister wieder das Wort, »Ihr könnt in St. Jörgen bleiben. Die Gemeinde stellt Euch Steine und Holz bei zum Bau einer Einsiedelei. Wenn Ihr Euch dann für unser Entgegenkommen dankbar erweisen wollt, so vertreibt unsern dummen Teufel, der uns gerade genug Ärger bereitet Ihr werdet vielleicht schon von ihm gehört haben.«

Der weißhaarige Alte bedankte sich herzlich für dieses freundliche Angebot und versprach, sein Bestes zu tun, um den lärmenden Teufel aus der Gegend zu jagen. Am andern Tag suchte er sich eine Baustelle am Scheibenberg aus, und während die Bauern Steine und Bauholz heranführten, machte er sich eitrig an die Arbeit.

Es dauerte nicht lange, so erschien der Teufel zu Besuch bei ihm und erkundigte sich neugierig, was er da mache.

»Im Auftrag der Gemeinde baue ich hier Wohnung und Stall für Euch und Eure Tiere«, meinte mit listigem Blinzeln der Alte.

Das vernahm der Teufel mit Vergnügen; er vollbrachte aus Freude und Übermut über diese frohe Kunde noch größeren Lärm als bisher und werkte mit höllischem Getöse bis spät in die Nacht hinein.

Endlich war der Bau vollendet. Heimlich war ein Glöcklein geweiht worden, das man nun in die Einsiedelei brachte. Als dann am Abend das Glöcklein zum erstenmal sein feines Stimmchen ertönen ließ, stand der Teufel gerade auf seinem Felsblock, schrie seinen Tieren und knallte mit seiner sonderbaren Peitsche, daß es schauerlich durch den Wald und über die Felder hallte. Da hörte er den Glockenton, schlug vor Schrecken ein Rad und sprang mit einem gräßlichen Geheul auf und davon.

So waren die Bauern von St. Jörgen von ihrem höllischen Ärgernis befreit, und anstatt wüsten Gegröles zitterte allabendlich der feine Glockenton aus der Klause des Einsiedlers über die im Abendgold schimmernden Fluren.

Aus den Fußstapfen des Teufels am Felsen sprießen hellgrüne Farnblätter, und nur ein paar moosige Steine deuten die Stelle an, wo einst die Klause des Einsiedlers stand.

Der Binderschlegel im Neusiedler See

Der Neusiedler See und die Donau müssen durch ein unterirdisches Gerinne miteinander verbunden sein, sonst wäre nicht möglich, was ein Bindergeselle aus Neusiedl am See mit seinem Schlegel erlebte.

Es ist wohl schon lange her, da wandelte einen einsamen Bindergesellen, der in Neusiedl am See bei einem Meister in Arbeit stand, die Lust an, auf Wanderschaft zu gehen und sich die Welt anzusehen. Handwerk hat goldenen Boden; und da sich der Geselle auf sein Handwerk verstand, brachte er sich überall gut durch und konnte sich auch einen netten Zehrpfennig anlegen. In seiner Freizeit hatte er sich einen kunstvollen Schlegel angefertigt, dessen Stiel hohl war. Hier verbarg er die zehn Dukaten, die er sich von seinem Lohn erübrigt hatte.

Aber jeder, der die Heimat verläßt, bekommt es einmal mit dem Heimweh zu tun. So packte denn auch unseren Bindergesellen das Heimweh. Er schnürte sein Bündel, legte auch den wertvollen Schlegel dazu und begab sich auf den Heimweg. Munter zog er auf Schusters Rappen fürbaß, aber weil sich der Weg zog und in Regensburg gerade eine billige Fahrgelegenheit zu haben war, beschloß er, es auf dem Wasser zu versuchen, bestieg ein Schiff und schwamm bald lustig die Donau herunter. Aber schon bei Grein fand die Fahrt ein vorzeitiges Ende. Das Schiff geriet in den berüchtigten Strudel, wurde an die Felsen geworfen und zerschellte. Der Geselle schwebte in Lebensgefahr, aber weil er ein guter Schwimmer war, gelang es ihm, sich aus der wirbelnden Strömung herauszuarbeiten und das Ufer zu gewinnen. Freilich, das Bündel mit dem Schlegel und sein goldener Sparpfennig waren auf Nimmerwiedersehen dahin.

So kam er zwar heil und gesund, aber ärmer, als er ausgezogen war, nach langen Jahren in die Heimat zurück. Doch der junge Mann verzagte nicht, machte sich frisch wieder an die Arbeit und war mit Fleiß und Ausdauer nach einigen Jahren soweit, daß er eine Frau nehmen und seine eigene Werkstätte aufmachen konnte.

An einem Sonntag war’s, da spazierte der junge Meister mit seiner hübschen Frau am Ufer des Neusiedler Sees. Zufrieden mit seinem Los, schritt er gemächlich dahin und ließ seine Blicke über den See schweifen. Da sah er unweit des Ufers ein merkwürdiges Ding in den Fluten treiben. Mit dem Stock danach angelnd, zog er den Gegenstand zu sich heran. Wie erstaunte er aber, als er seinen Schlegel erkannte, den er vor Jahren im Strudel der Donau bei Grein eingebüßt hatte. Das Werkzeug war unbeschädigt, und so kam er auch zu seinen zehn Dukaten wieder, die noch im hohlen Stiel des Schlegels staken.

Wie aber konnte der Schlegel hierher gelangt sein? Kaum anders als durch ein unterirdisches Rinnsal, dessen Vorhandensein durch diesen Fund bestätigt erscheint.

Der Neusiedler See

Die Niederung, in der sich heute der Neusiedler See ausbreitet, war einst ein fruchtbarer Talboden, wo glückliche Menschen in mehreren Dörfern wohnten. Einmal verirrte sich der Burgherr von Forchtenstein auf der Jagd in dieser Gegend und kam zuletzt in das Dorf Mädchenthal. Hier sah er Maria, das schönste Mädchen des Dorfes, und verliebte sich in das liebliche Mädchen, das seiner Neigung Gehör schenkte, da sie ihn für einen einfachen Jäger hielt. Samuel, der Diener des Schloßherrn, verriet dies aber der Gattin des Fürsten, die nun das Mädchen zu beseitigen dachte.

Als der Fürst bald darauf in den Krieg zog, ritt die Burgherrrin mit Samuel und einem kleinen Gefolge nach Mädchenthal und ließ Maria sowie ihre Mutter ergreifen und ins Gefängnis werfen. Obwohl die beiden Frauen ihre Unschuld beteuerten und schworen, den Fürsten für einen Jäger gehalten zu haben, gab sie ihnen die Freiheit nicht wieder; ja, als einige von der Burgfrau bestochene Bauern belastende Aussagen machten, sprach die Fürstin von Forchtenstein das Todesurteil über beide aus. Schicksalsergeben erwartete Marie ihr Ende; nicht so ihre Mutter. Als sie zum Tode geführt wurde, stieß sie einen gräßlichen Fluch über die grausame, rachgierige Burgherrin und über die bösen Menschen aus, die falsches Zeugnis wider sie abgelegt und ihren Tod verschuldet hatten. ,,Noch bevor die Sonne zum zweitenmal untergeht, soll die gerechte Strafe sie treffen!“ rief sie mit gellender Stimme, dann stieß man sie mit ihrer Tochter in den großen Weiher des Dorfes, wo beide ertranken.

Am folgenden Morgen war das Wasser des Weihers beträchtlich gestiegen, an seiner Oberfläche aber schwammen mit friedlichen Gesichtern und gekreuzten Händen die Leichen der beiden Frauen. Die geängstigten Bauern glaubten an ein Wunder und bestatteten reuevoll die unschuldigen Opfer der Schloßherrin. Doch das Wasser hörte nicht auf zu steigen. Es wuchs und wuchs und vertrieb schon am nächsten Tag die verzweifelten Bauern aus ihren Häusern. Der Weiher wurde zum See, und dieser dehnte sich immer weiter aus, bis er endlich seinen heutigen Umfang erreichte.

Die aus Mädchenthal geflüchteten Bewohner siedelten sich am nördlichen Ufer des Sees an und nannten ihren neuen Wohnort Neusiedl.

Als man der Fürstin von Forchtenstein die traurige Nachricht von der großen Überschwemmung und vom Untergang des Dorfes Mädchenthal und anderer Orte, die der See überflutet hatte, überbrachte, da überfielen Reue und Verzweiflung die stolze Frau. Gewissensbisse quälten sie, bis der Wahnsinn ihre Sinne umnachtete. Samuel jedoch, der Verräter, empfand keine Reue über seine Tat. Ja, er vergnügte sich sogar eines Tages, mit dem Kahn den neuen See zu befahren. Hier aber sollte ihn seine Strafe ereilen. Ein Unwetter brach los, der Sturmwind wühlte den See bis zum Grund auf und brachte das Boot zum Kentern; so fand Samuel in den tobenden Wellen den Tod.

Nach einiger Zeit kehrte auch der Fürst von Forchtenstein nach Beendigung des Krieges wieder in seine Heimat zurück. Als er vom Tod Marias erfuhr, da war er untröstlich und ließ zum ewigen Gedächtnis an sie in der Nähe des Sees das Kloster Frauerkirchen erbauen. Dann pilgerte er nach Rom, um Vergebung seiner Sünden zu erflehen.

Allmählich verschwanden die Baumwipfeln und Kirchturmspitzen, die noch eine Zeitlang aus dem Wasser ragten, und nichts erinnerte mehr an die Orte, die einst in dem Talboden lagen, wo sich heute die Weite des Sees erstreckt.

Die Totenschlucht bei Breitenbrunn

Als die Türken im Jahre 1683 auf dem Vormarsch nach Wien waren, um die Hauptstadt der Christenheit dem Halbmond zu unterwerfen, verrichteten sie viele Greueltaten. Angst und Schrecken zogen vor ihnen her. Die Landbewohner flüchteten an versteckte, schwer zugängliche Orte und nahmen ihre wertvollste Habe mit sich, ihre Heimstätten schutzlos den wilden Horden überlassend. Die Zurückgebliebenen waren allen Bedrängnissen ausgesetzt, mußten Vieh und Lebensmittel liefern und wurden zu den schwersten Arbeiten herangezogen. Noch ärger trieben es die zurückweichenden Scharen der Türken nach ihrer Niederlage vor Wien. Häuser und Dörfer wurden in Brand gesteckt, die Ortsbewohner verschleppt und getötet. Wer konnte, rettete sich in Schluchten und Wälder.

Auch die Bewohner des Dorfes Breitenbrunn hatten ihre Häuser verlassen und waren in die Wälder an der Sommereiner Gemeindegrenze geflüchtet. Dort gruben sie in die Seitenwand einer Schlucht eine Höhle, wo sie sich verbargen. Nur des Nachts streiften sie in der Umgebung umher, um sich Nahrung zu verschaffen. Eines Tages erschien vor der Höhle eine Frau mit ihrem kleinen Kind. Die Breitenbrunner gewährten ihr Schutz und ließen sie in die Höhle ein. Da es aber drinnen sehr feucht war, erkrankte das Kind und begann unaufhörlich zu weinen. Nun bekamen es die andern Bewohner der Höhle mit der Angst zu tun; sie meinten das Geschrei des Kindes könne ihr Versteck verraten und die Türken herbeilocken. Als sich aber gar eines Tages das Gerücht verbreitete, türkische Horden seien in der Nähe gesehen worden, jagten sie die Frau samt dem Kind davon. Die arme Mutter fand in ihrer Angst keinen anderen Ausweg, als ergeben in ihr Schicksal in ihr Dorf zurückzukehren. Sie fand es zerstört, aber von den Türken geräumt.

Nach und nach wagten sich auch die Geflüchteten aus ihren Höhlen hervor. Als die ausgesandten Späher meldeten, daß kein Feind mehr zu erblicken sei, trieben sie das Vieh aus den Wäldern und zogen damit in ihre Dörfer zurück. Dabei kamen einige auch durch die Schlucht, die den Breitenbrunnern zum Aufenthalt gedient hatte. Hier bot sich ihnen ein grausiger Anblick; zahlreiche Leichen ohne Kopf bedeckten den Boden. Eine der letzten heimziehenden Türkenscharen mußte das Versteck der Bauern entdeckt und dieses Gemetzel angerichtet haben. Die Herzlosigkeit der Bauern war der armen Frau zur Rettung geworden, während jene selbst ein so schauriges Ende fanden. Seitdem heißt diese Waldschlucht der »Totenkopfzwickel«.

Der Schloßhansl

Im Familienkreise der vorletzten Besitzer Bernsteins war die Behauptung der Bevölkerung allbekannt, daß der »Rote Iván« bald im inneren Burgtor vor der Schloßkapelle, bald vor dem Schloß, beim alten Nußbaum am Tümpel, wo seinerzeit das Tor der äußeren Umwallung gestanden haben muß, gewöhnlich in später Abendstunde gesehen worden sei: eine hagere, rothaarige Gestalt mit böse blickenden Augen, in ein rotes Warns gekleidet. Es gab in der Familie wenige, die den Aussagen der angeblichen Augenzeugen glaubten, meist wurde über die Furcht der Bauern gelacht. Am meisten wußten die Schloßknechte zu erzählen, die in den Häuslein am äußeren Burghof wohnten und deren Ahnen schon seit Jahrhunderten als Hörige innerhalb der Schloßmauern lebten.

In unserem Jahrzehnt starben die Enkel der letzten Hörigen als Greise weg, und die Nachrichten über die Spukerscheinungen gerieten in Vergessenheit oder gingen in der Gleichgültigkeit des Alltags verloren. Wenn heute einer oder der andere im Dorf noch eine Überlieferung über den »Schloßhansl« bewahrt, so hütet er sie wohl und läßt sie sich nur schwer entlocken. Unglaube der »aufgeklärten« Zuhörer und schon oft empfundener Spott verschließen ihm den Mund und lassen ihn jedes Wissen hartnäckig leugnen. Viel haben zur Diskreditierung der Erscheinung die Vermummungen und Maskeraden beitragen, mit denen im Abenddunkel jüngere Mitglieder obiger Familie zeitweilig die Gäste und die Bevölkerung schreckten.

Von Hexen in Au und ihren Zauberkünsten

Ein Bauer aus Au ging einmal um Mitternacht nach Hause, da sah er eine ganz in Schwarz gekleidete Frau auf sich zukommen, die ihn mit feurigen Augen bös anblickte. Erschrocken suchte der Bauer das Weite. Eine ähnliche Begegnung mit einer weiß vermummten Gestalt hatten gleichfalls zwei Bauern aus Au, die zur mitternächtlichen Stunde heimgingen. Einer der Bauern erkannte in der Gestalt eine Bäuerin des Dorfes, die ihm mit dem Tode drohte, falls er ihren Namen verraten würde. Der Bauer ließ sich auch nicht dazu bewegen, den Namen zu nennen.

Zwei Bauern aus Au, welche Bürteln nach Mariental verkauft hatten, wollten des Nachts aufbrechen, um am nächsten Tage zeitig ihre Ladung abliefern zu können. Vor Mitternacht ging einer der Fuhrleute seinen Fahrtgenossen wecken. Als er beim Hause Nr. 24 (ich habe in diesem Hause öfters übernachtet) vorbeikam, gewahrte er aus den Fenstern Licht schimmern. Neugierig, wer noch zu so später Stunde auf sei, blickte er durch eine kleine Fensterspalte ins Zimmer und sah vier in Leintücher gehüllte Frauen, um einen Tisch sitzend, essen. Eine der Frauen drohte ihm mit erhobener Faust. Im selben Augenblick schlug es ein Uhr, und die vier Frauen waren verschwunden und das Zimmer in Dunkelheit gehüllt.

Der Bauer R. aus Au hatte die Frau L. schon lange im Verdacht, daß sie eine Hexe sei. Als er ihr einmal beim Pestkreuz begegnete, spuckte er vor ihr aus. Kurze Zeit darauf bekam er einen ganz schiefen Mund. Nun wußte er bestimmt, daß Frau L. eine Hexe sei.

Der Landwirt D. aus Au ging vor Jahren mit seiner Frau zu Fuß nach Wien Gänse verkaufen. Auf dem Rückwege rasteten sie in Himberg. Es war gegen zehn Uhr abends, stockfinster, und es regnete stark. D. weigerte sich, bei diesem Wetter nach Au zurückzugehen, und wollte in Himberg übernachten. Seine Frau bestand jedoch auf der Rückkehr. Sie brachen um halb elf Uhr auf, um elf Uhr gingen sie bereits an der Auer Kirche vorbei. (Der Weg von Himberg nach Au beträgt sechs Gehstunden.) D. war ein Sonntagskind und soll alles Böse, das nach dem Ave-Läuten ins Dorf kam, gesehen haben. »Macht’s die Türen zu, denn ihr wißt nicht, was in den Ort kommt.«

Daß es Hexen gibt und diese Begebenheiten wahr sind, daran zweifelt niemand. Lautet doch der Ausspruch eines Sonntagskindes: In Au sind 27 Hexen und ein Hexenmeister.« Auch Hexen, welche die Gestalt von Katzen annehmen und sprechen können, kommen vor.

Die Teufelsmühle bei Landsee

An der Straße von Neudorf nach Landsee im Schloßgraben unterhalb der Ruine Landsee stehen die Mauerreste einer Mühle, bei deren Bau der Teufel störend seine Hand im Spiel hatte, weil er den Bau an dieser Stelle nicht dulden wollte.

Vor vielen, vielen Jahren beschloß ein reicher Müller aus der Umgebung, im Schloßgraben eine Mühle zu errichten. Holz, Steine, Kalk wurden herbeigeschafft, die Arbeiter gedungen, und der Bau hatte bald eine ansehnliche Höhe erreicht. Aber als der Müller eines Tages frühmorgens zur Baustelle kam, fand er die Mauern zerstört und das Baumaterial ringsumher verstreut. Ratlos und betroffen betrachteten der Bauherr und die Maurer den Trümmerhaufen und konnten sich die Ursache der Zerstörung nicht erklären. Aber man begann mit frischem Mut den Bau von neuem und kam rasch vorwärts. Doch nach einigen Tagen bot sich ihnen am frühen Morgen das gleiche Bild. »Hier kann nur der Teufel sein Spiel treiben!« rief der Müller zornig. »Was soll ich tun, um dem Bösen dieses unheimliche Spiel zu verderben?«

Da trat ein alter Arbeiter an den Herrn heran und sagte: »Haltet in der nächsten Nacht Wache auf der Baustelle und tretet dem Satan mit einem Kreuz in der Hand entgegen; das wird ihn von seinem boshaften Tun abschrecken.«

Die Maurer begannen ihre Arbeit aufs neue, der Müller aber befolgte den Rat des Alten und begab sich bei Einbruch der Nacht mit einem Kreuz in der Hand zur Baustelle. Es wurde dunkler und dunkler, ein schauriger Wind brauste durch die Wipfel der Bäume, seltsame Geräusche erklangen: bald polterte es auf der Straße, bald knarrte es im Wald, dann wieder erschollen dumpfe Rufe vom Bach her. Dem Wartenden wurde immer unheimlicher zumute. Das Getöse steigerte sich und schien dem Müller das Nahen des Teufels anzuzeigen. Da packte den Mann ein entsetzlicher Schrecken, das Kreuz entfiel seiner Hand, und wie gejagt flüchtete er von diesem Ort des Grauens.

Als die Arbeiter am nächsten Morgen ihr Werk fortsetzen wollten, fanden sie die Mauern wieder zerstört. Doch soll dem Teufel der Anblick des liegengebliebenen Kreuzes die Lust am Wiederkommen verleidet haben. Trotzdem wollte der Müller, abgeschreckt durch das schauerliche Erlebnis die Mühle nicht fertigbauen lassen, und so blieb der Bau unvollendet bis zum heutigen Tag. Die Stätte aber wurde von den Bewohnern gemieden und heißt heute noch die Teufelsmühle.

Die Hexenschmiede bei Rechnitz

In der Nähe von Rechnitz, dort wo die Bucklige Welt in das Burgenland hineinragt, stand ehemals eine Schmiede, in der neben dem Meister ein Geselle und ein Lehrjunge die Arbeit verrichteten. Lehrbube und Geselle schliefen in der Kammer in einem breiten Bett, das Raum genug für beide bot Der Geselle hatte sich schon lange Gedanken darüber gemacht, warum der Junge des Nachts oft nicht im Bett lag, täglich blasser wurde und vor Schwäche kaum mehr arbeiten konnte. Da stellte er ihn eines Tages zur Rede, und der Junge erzählte ihm sichtlich verlegen: »Da sind die Hexen dran schuld. Um Mitternacht weckt mich oft eine Hexe aus dem Schlaf, befiehlt mir aufzustehen und wirft mir ein Zaumzeug über den Kopf. Dann fühle ich mich sogleich in ein Pferd verwandelt Sie schwingt sich auf meinen Rücken und rast wie der Wind zum Haus hinaus. Nun geht es kreuz und quer durch die Luft, mit der Peitsche treibt sie mich zu immer größerer Schnelligkeit an, bis ich nicht mehr weiter kann.«

Der Schmiedgeselle lachte über diese Erzählung des ehrlichen Jungen. Er hielt das Ganze für die Ausgeburt einer krankhaften Einbildung. Aber als er weiter die gleichen Beobachtungen machte und der Junge immer trübsinniger wurde, begann er doch nachdenklich zu werden und beschloß, es mit einer List zu versuchen. Er tauschte mit dem Buben die Schlafstelle, legte sich angekleidet auf das Bett und wartete, ob der unheimliche Besuch sich wirklich einstellen werde. Und richtig, genau um Mitternacht erschien die Hexe, sie hatte – ein Gruseln lief dem Gesellen über den Rücken – wirklich ein Zaumzeug in Händen. Aber er überwand den Schrecken, packte fest an und warf der gespenstischen Gestalt flugs das Zaumzeug über den Leib. Und augenblicklich war die Hexe in ein Pferd verwandelt

»Lehrbub!« brüllte er seinen schlafenden Bettkameraden an, »steh auf, schau dir einmal dieses Teufelsroß an! Komm, wir wollen es beschlagen, damit es seinen Ritt besser machen kann!« Sie packten das sich sträubende Hexenpferd und zerrten es in die Schmiede, wo sie es kunstgerecht beschlugen. Sodann schwangen sich beide auf den Rücken des Pferdes und ritten hinaus in die helle Mondnacht. Sie hetzten es unter Hussa und Holla über Wiesen und Felder, daß es schnaufte und schäumte und fast nicht mehr weiter konnte; dann lenkten sie zur Schmiede zurück, stiegen vom Rücken des zitternden Gauls und jagten ihn mit ein paar tüchtigen Gertenhieben zum Teufel.

»Hoffentlich hat das Biest jetzt genug für immer«, meinte lachend der Geselle, als er mit dem Lehrbub wieder sein Lager aufsuchte.

Aber am nächsten Tag sollten sie erst ihre Wunder erleben! Als der Geselle mit dem Buben sich frühmorgens an den Tisch setzte und auf das Frühstück wartete, ließ sich die Meisterin nicht blicken, und auch der Meister begann ärgerlich über diese nachlässige Wirtschaft zu murren. Schließlich ging er zornig in die Schlafstube, wo die Meisterin noch im Bett lag. schimpfend riß er die Decke vom Lager herunter, aber entsetzt fuhr er zurück; da lag die Meisterin, aber Hände und Füße waren mit Hufeisen beschlagen.

Der arme Meister erschrak so sehr, daß er, vom Schlag getroffen, tot zu Boden stürzte. Geselle und Lehrjunge verließen noch am gleichen Tag eiligst die unheimliche Schmiede. Die Meisterin aber verfiel ihrem Schicksal, sie wurde als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Die Romfahrt der Dorfhexe

Und es war eine Dorfhexe, und es waren im Dorf Au sieben Bräute und sieben Bräutigame. Und sie gingen zusammen alle sieben Bräute und alle sieben Bräutigame, in die heilige Kirche (um) zu heiraten. Und wie sie gingen zu heiraten, sah sie die Dorfhexe. Und sie verwünschte sie, daß niemals eine einzige Braut Kinderchen bekommen möge. Und die Bauern waren mit ihren Frauen sieben Jahre, und es war (ihnen) kein einziges Kindchen. Und es dachte die Dorfhexe, daß sie das diesen sieben Bräuten gemacht hatte, weil sie sie verwünscht hatte, daß sie niemals Kinderchen bekommen. Und es dachte die Dorfhexe, daß sie gehen muß nach dem heiligen römischen Papst, dies herauszubeichten, was sie diesen sieben Bräuten gemacht hatte, daß sie keine Kinderchen bekommen.

Und sie machte sich auf und ging fort nach dem heiligen römischen Papst. Und als sie auf die römisch-päpstliche Grenze kam, kam ihr der größte Priester entgegen, daß sie nicht hinübertrete auf die heilige Grenze. Und wo er sie getroffen hatte, sagte zu ihr der Priester, auf jener Stelle, wo er sie getroffen hatte, sie möge nichts vorwärts (und) nichts zurück gehen, sondern dort auf jener Stelle soll sie sich niederlassen. »Und am Morgen werde ich kommen, der Priester, hierher auf diese Stelle zu dir. Und du wirst mir erzählen, was für einen Traum du heute nacht sahst.«

Und der Priester kam zu ihr am Morgen, und sie, die Dorfhexe, schlief noch, und der Priester weckte sie auf, die Dorfhexe. Und der Priester sagte zu ihr: »Nun, erzähl mir, was für einen Traum du heute nacht sahst! «

Und (es) sagte zu ihm, dem Priester, die Dorfhexe, daß sie, die Dorfhexe, keinen anderen Traum sah, nur eine Triste Stroh [Strohbündel], daß (diese) bis in das Himmelreich reichte. »Und ich war oben auf ihrer Spitze gelegen.«

Und der Priester sagte zu ihr, er kann ihr nicht Beichte (hören), und er kann sie nicht lossprechen diesen Tag. Und er nahm (die) Hexe und steckte sie in eine Kapelle hinein. Und er sagte zu ihr, der Hexe: »Am Morgen komme ich und nehme dich heraus, und dann kannst du beichten.« Und er sagte zu ihr, zu der Dorfhexe, sie kann nicht beichten, weil, wieviel lauter Stroh in jener Triste war, so viele Menschen hat sie auf der Welt verhext. Und er sagte dann zu ihr, daß sie, eine Dorfhexe, so viele Leute auf der Welt verhext hat, darum kann sie nicht beichten, und steckte sie nachher hinein in eine Stube, und bis zum Morgen fraßen sie die Schlangen und die Ratten.

Und am Morgen ging der Priester in die Stube, wo er die Dorfhexe hineingesteckt (hatte) und klaubte ihre Knochen zusammen und steckte sie in einen gläsernen Sarg. Und der Priester gab einen Zettel auf diesen gläsernen Sarg. Und es stand darauf, daß jene Knochen einer Dorfhexe sind. Weil jene Dorfhexe sieben Bräuten die Kinderchen verhext, und darum ließ er sie auffressen und quälte sie in jener Stube, damit sie nur die Schlangen und die Ratten fressen, weil sie so viele Leute auf der Welt verhext.

Der ewige Jäger von Mogersdorf

Einst lebte in Mogersdorf ein Bursche, der sich von jeder Arbeit drückte, lieblos und hartherzig gegen seinen greisen Vater war und auch von Gott und der Kirche nichts wissen wollte. Wenn die anderen Dorfbewohner am Sonntag zum Gottesdienst gingen, nahm er lieber seine Büchse zur Hand und streifte mit seinen Hunden durch Wald und Feld, um seiner Jagdlust zu frönen; denn er war ein so eifriger Jäger, daß ihm die Jagd über alles ging.

Wieder war Sonntag, und sein alter Vater lag schwerkrank danieder; sein Tod war stündlich zu erwarten. Der Sohn aber griff zur Büchse, ohne seinem mit dem Tode ringenden Vater einen Blick zu gönnen, und pfiff seinen Hunden, um seinem Sonntagsvergnügen nachzugehen. Unbekümmert strich er durch die Fluren, nur von dem Gedanken geleitet, etwas Jagdbares aufzutreiben. Da hörte er plötzlich das Sterbeglöcklein im Dorf läuten. Es galt seinem todkranken Vater, der in den letzten Zügen lag. Zugleich kam eiligen Laufes ein junger Bursche quer über das Feld zu ihm gerannt, der ihm die Bitte seines sterbenden Vaters überbrachte, sogleich an sein Sterbebett zu kommen. Der Greis wollte vor seinem Tod noch einmal in seinen Sohn dringen, von seinem Ärgernis erregenden Lebenswandel abzulassen. Doch der Sohn schüttelte kalt das Haupt. Nicht einmal die letzte Bitte des sterbenden Vaters vermochte das harte Herz des Burschen zu erweichen. Ruhig gab er sich weiter seinem Vergnügen hin.

Mit banger Ungeduld harrte der Vater auf das Erscheinen des Sohnes. Angst verzerrte seine fahlen Züge; denn er fühlte, es wurde bald zu spät sein. Als man ihm aber die Absage des Sohnes mitteilte, ergoß sich die letzte Zornesröte über sein blasses Gesicht, und, sich mühsam aufrichtend, stieß er den Fluch aus: »Von nun an soll er nie mehr Ruhe finden und ewig auf der Jagd sein.« Dann sank er zurück und starb.

Kurze Zeit darauf ereilte der Tod auch den hartherzigen Sohn. Aber er fand im Grab keine Ruhe; denn der Fluch des Vaters ging in Erfüllung. Der Geist des lieblosen Sohnes ist dazu verurteilt, ruhelos auf ewige Zeiten jagend umherzustreifen. Seitdem treibt nächtlicher Spuk in der Gegend von Mogersdorf sein gespenstisches Wesen. Geht man um Mitternacht zum Saubach, so dringen unheimlich gedehnte Rufe dem nächtlichen Wanderer ans Ohr. »Uto toto, uto – toto!« so scheint es nah und fern zu erschallen, lautes Hundegekläff wird hörbar, und bald saust die tolle Meute vorüber, feurigen Dampf aus den Nüstern schnaubend. Sie rast gegen den Schlößlwald, und hinter ihr jagt rastlos der ewige Jäger einher, beim Schlößl kehrt er um und tobt wieder gegen den Saubach zu.

Dieser lärmende Spuk erscheint Nacht für Nacht und findet kein Ende. Man sagt, daß der ewige Jäger abwechselnd fünfzig Jahre in der Luft und fünfzig Jahre auf Erden seine wilde Jagd machen muß ohne Rast und Ruhe bis zum Ende der Zeiten, wo auch der Fluch des Vaters sein Ende finden wird.

Die Farnsammler von Goberling

In der Thomasnacht (29. Dezember) ereignen sich allerlei Wunder. Der Samen des Farnkrauts, das in dieser Nacht im Wald blüht, ist heilkräftig und hat die wunderbare Eigenschaft, drei oder fünf Personen unsichtbar zu machen, wenn sie den Farnsamen in einem Kirchenkelch auffangen. Er verleiht seinem Besitzer auch die Gabe, verborgene Schätze zu sehen.

Diese Wunderkraft des Farnsamens war vor vielen Jahren dem Mesner von Goberling bekannt, und er versuchte mit zwei anderen Männern, in der Thomasnacht sein Glück zu machen. Der bucklige Dorfwirt, der in vielen Zaubersachen erfahren war, belehrte sie, wie sie sich beim Einsammeln des Farnsamens zu benehmen hätten. Er selber konnte den Weg nicht mitmachen, da er als vierter überzählig war.

So schlichen sich denn die drei Farnsucher unter Mitnahme eines Kirchenkelches, den der Mesner heimlich entlehnt hatte, vor Mitternacht in den Wald, um das große Werk zu vollbringen. Mit geweihter Kreide zogen sie um das Farnkraut einen Zauberkreis und warteten in demselben auf das Wunder, das sich ereignen sollte. Erstaunt gewahrten sie um Mitternacht, wie das Farn zu blühen anfing. Als aber die Blüten abfielen und der Samen zu reifen begann, wandelte sich die Verwunderung der Männer in Schrecken und Furcht; denn ringsumher krachte der Donner, die Erde bebte, und gespenstische Gestalten umringten den Zauberkreis. Endlich fiel der Samen in den Kelch, den sie unterhielten, die Elemente beruhigten sich, und die schattenhaften Bedränger verschwanden.

Froh über den glücklichen Ausgang des Unternehmens verließen die drei die unheimliche Stätte und traten den Rückweg an. Der Mesner, der den Kelch trug, konnte den beiden andern nicht genug erzählen von den Schätzen, die er vor sich sehe, so daß seine Begleiter lange Zähne bekamen und die verborgenen Herrlichkeiten auch sehen wollten. So trugen sie abwechselnd den Kelch und erlebten dabei ihre Wunder.

Da kam ihnen plötzlich der bucklige Wirt entgegen und tat, als ob ihm die Neugierde über den Ausgang ihres Vorhabens keine Ruhe mehr gelassen hätte. Als er hörte, daß sie den Farnsamen richtig gefunden und was für Schätze sie schon gesehen hätten, wollte er den Samen sehen. Aber die andern konnten sich nicht entschließen, den Deckel vom Kelch zu heben, da sie meinten, der Samen könnte vom Wind weggeweht werden. Nun wurde der Wirt zornig und drohte ihnen, die ganze Sache dem Pfarrer zu verraten.

So blieb ihnen nichts übrig, als den Deckel zu lüften. Der Bucklige blickte hinein und blies zu ihrem Schrecken auf einmal den Samen aus dem Kelch; dann war er mit hähmschem Gelächter verschwunden.

Jetzt erkannten die Farnsucher bestürzt, daß es der Teufel selbst gewesen sei, der ihnen in Gestalt des buckligen Wirts entgegengetreten war und sie überlistet hatte. Mit langen Gesichtern, aber doch heilfroh, daß ihnen kein ärgeres Übel zugestoßen war, trotteten die drei Männer ihrem Dorf zu.

Die Sumpfgeister

Vor mehr als hundert Jahren, als in Glashütten noch Glas erzeugt wurde, trugen die »Glaserer« das Glas in schweren Buckelkraxen weit ins Ungarische hinein, um es dort zu verkaufen. Sie waren oft tagelang unterwegs und wanderten erst heim, wenn die letzte Glasplatte veräußert war. Nicht selten marschierten sie auch während der Nacht, und im Sommer schliefen sie in den Heuschobern.

In jener Zeit war die Straße von Lockenhaus nach Glashütten noch nicht ausgebaut und führte durch ein Sumpfgebiet. Nur im Winter, wenn der Boden gefroren war, oder in ganz trockenen Sommermonaten konnte man mit einem Pferdefuhrwerk das Moor durchqueren. Der Weg war gefährlich, und wer keinen triftigen Grund hatte, ihn zu benutzen, machte lieber einen Umweg.

Einmal ging der alte Knozer Toni mitten in der Nacht durch den Sumpf. Er hatte es eilig heimzukommen, deshalb wählte er die Abkürzung, außerdem war es mondhell und windstill, was konnte da schon viel geschehen!

Als er sich dem Sumpf näherte, tauchten plötzlich mehrere Lichter vor ihm auf, die wie toll durcheinanderwirbelten und immer vor ihm hergaukelten. Er beschleunigte seine Schritte, um sie einzuholen, aber es gelang ihm nicht. je schneller er ging, desto schneller tanzten die Lichter vor ihm her.

»Verflixt noch einmal!« ärgerte sich der Toni und blieb stehen, um zu verschnaufen.

In diesem Augenblick begann sich ein heftiger Sturm zu erheben, der von einem unheimlichen Sausen begleitet war. Es hörte sich an, als ob ein Geisterheer durch die Luft fegte.

Da bekam es der Knozer Toni mit der Angst zu tun, und er fing zu laufen an. Nach einer Weile fühlte er festen Boden unter seinen Füßen. Da hörte der Lärm auf, und es war wieder ganz still und ruhig wie zuvor.

Er war froh, als er endlich daheim anlangte. Auf die Frage seiner Frau, warum er so gerannt sei, ob ihn jemand verfolgt habe, erzählte er ihr sein Erlebnis. Aber sie lachte nur darüber und meinte, es hätten ihn bloß die Irrlichter genarrt. Als aber einige Tage später ein anderer und ein dritter dasselbe Erlebnis hatten, war es allen klar, daß in dem Sumpfgebiet die Hexen ihr Unwesen trieben.

Um ihnen den Aufenthalt zu verleiden, bauten die Bewohner von Glashütten eine Kapelle, die noch heute zu sehen ist. Und wirklich sind seit damals die Hexen aus der Gegend verschwunden.

Der Klarinetthiasl

Der Klarinetthiasl aus Wiesen war ein tüchtiger Musikant. Einst ging er spät in der Nacht von einem Nachbarorte, in dem er zum Tanz aufgespielt hatte, nach Hause.

Als er durch das Spatzenviertel in Wiesen ging, wurde er auf einmal von hohen weißen Gestalten umringt. Bevor er sich von seinem Schrecken erholt hatte, fühlte er sich in die Luft gehoben und fortgetragen. Er erkannte nun, daß er Hexen in die Hände gefallen war. Sie brachten ihn auf den Hexenanger, eine kleine Wiese in der Nähe des Ortes, die von den Leuten stets gemieden wurde, weil sie wußten, daß sich dort Geister und Hexen aufhalten. Hier angelangt, mußte er vorerst den Hexen einen Schwur leisten, der so lautete:

»Wir reiten siebenmal um den Mist
und leugnen den Herrn Jesu Christ.«

Hernach wurde er mit köstlichen Speisen und Getränken bewirtet, und dann mußte er den Hexen aufspielen. In seiner Angst spielte er, so gut er konnte. Die Hexen tanzten und sangen zu seinem Spiel, bis die goldene Sonne über die Berge stieg.

Reichlich mit Krapfen und Mehlspeisen beschenkt, wurde er entlassen. Daheim erzählte er das sonderbare Erlebnis seiner Frau. Sie machte ein sehr ungläubiges Gesicht und hatte ihn augenscheinlich in Verdacht, daß er zuviel getrunken habe.

Als er nun die Mehlspeisen hervorziehen wollte, um die Wahrheit seiner Erzählung zu beweisen, fand er in seiner Tasche nur Pferdemist.

Die Türken in Güssing

Bei der Belagerung der Burg Güssing durch die Türken gab es einen langen Kampf. Vergebens hatte der Feind die auf einem steilen Felsen gelegene Burg bestürmt. Die Tapferkeit der Verteidiger vereitelte jeden Erfolg. Als die Türken endlich erkannten, daß die Burg mit Waffengewalt nicht zu erobern sei, wollten sie die Besatzung durch Aushungerung zur Übergabe zwingen.

Lange dauerte die Belagerung schon, und trotz aller Einschränkung gingen die Lebensmittel in der Burg allmählich zur Neige. Es war den tapferen Verteidigern klar, daß sie sich nicht mehr lange halten konnten. Da wollte es der Burgherr in der äußersten Not noch mit einer List versuchen, um die Belagerer zu täuschen und sie zum Abzug zu veranlassen.

Er ließ den noch vorhandenen bescheidenen Mehlvorrat herbeischaffen, der aber so gering war, daß er kaum ein kleines Körbchen füllte. Bei Nacht stellte man ein großes Mehlfaß auf die äußere Burgmauer, so zwar, daß der Boden des Fasses nach oben zu stehen kam. Darauf schüttete man die geringe Mehlmenge, so daß es den Anschein hatte, als sei das Faß bis über den Rand gefüllt und noch Mehl im Überfluß in der Burg vorhanden. Bei Tagesanbruch ließ der Burgherr den letzten Ochsen, der noch in der Feste am Leben war, hinter der Burgmauer herumtreiben und so heftig mit Knütteln schlagen, daß das schmerzgequälte Vieh unaufhörlich brüllte. Den Belagerern sollte dadurch vorgetäuscht werden, daß noch eine ganze Herde von Schlachtvieh in der Burg vorhanden sei.

Als die Türken das anhaltende Ochsengebrüll hörten und das übervolle Mehlfaß auf der Burgmauer stehen sahen, glaubten sie wirklich, die Belagerten seien mit Vorräten noch im Überfluß versorgt und es sei daher zwecklos, noch länger auf eine Hungersnot in der Burg zu warten. Sie hoben die Belagerung auf und zogen noch am selben Tag eine halbe Stunde vor Mittag von Güssing ab.

Zur Erinnerung an diese Rettung aus der Türkengefahr wurden seit dieser Zeit die Glocken in der alten Pfarrkirche zu Güssing täglich um halb zwölf Uhr geläutet.

Die Entstehung von Bad Tatzmannsdorf

Vor vielen Jahrhunderten lebte in Oberwart ein fremder Arzt, dessen Wunderkuren in der ganzen Umgebung bekannt und berühmt waren.

Niemand wußte um das Geheimnis des Wundermittels, das er seinen Kranken eingab. Der Alte aber wanderte in finsteren Nächten verstohlen zu einer Quelle, die im Sumpfgebiet von Jormannsdorf aus dem Boden sprudelte, füllte die mitgebrachten Gefäße mit dem heilkräftigen Wasser und gab seinen Patienten davon zu trinken. Kein Mensch hatte ihn bisher bei seinem Tun beobachtet Wohl hatte man hie und da bei der Quelle zur Nachtzeit ein Licht flackern sehen, aber die Gegend galt als verrufen, und die Leute meinten, nächtlicher Spuk treibe dort sein Wesen.

In der Nähe von Oberwart bestand damals ein Bergwerk. Da kam auch ein junge Bergmann aus Deutschland hierher, der die Gegend abstreifte, um erzhaltiges Gestein zu finden. Auf seinen Wanderungen verirrte er sich einmal und wurde in dem sumpfigen Tal von Jormannsdorf von der Nacht überrascht. Während er sich abschickte, unter einem Busch sein Nachtlager aufzuschlagen, sah er unweit der Stelle ein Licht leuchten. Neugierig schlich er näher und bemerkte einen alten Mann, der aus einer Quelle Wasser schöpfte. Als der Alte sich entfernt hatte, bedeckte der Bergmann die Quelle mit grünen Zweigen und knickte einige Aste der umstehenden Bäume, um die Quelle am nächsten Tag wieder zu finden. Am andern Morgen füllte er eine Flasche mit dem Quellwasser und gab einem erkrankten Bergmann davon zu trinken. Der Mann wurde gesund und konnte wieder seiner Arbeit nachgehen.

Doch nicht nur diese eine Quelle, eine zweite, weit ergiebigere, wurde gefunden, und dies geschah so:

In alter Zeit breitete sich dort, wo heute Bad Tatzmannsdorf liegt, ein weiter See aus. Am Rand des Sees sprudelte am Fuß einer alten Erle eine Quelle aus dem Boden, deren Wasser den See speiste. Einmal hütete ein Hirte seine Schweine, die alle krank waren, in der Nähe der Quelle. Er trieb die Tiere an die Quelle zur Tränke, und die Schweine wurden in kurzer Zeit gesund. Die Nachricht von der Wunderkraft der Quelle verbreitete sich bald in der Umgebung; von weit und breit kamen die Bauern zum See, um Heilung von ihren Leiden zu finden, und das führte zur Gründung von Tatzmannsdorf.

Der Purbacher Türke

Als die Türken im Jahre 1532 neuerlich in das Land eingefallen waren, streiften vereinzelte Horden raubend und plündernd auch in der Gegend des Neusiedler Sees umher und kamen auf ihren Raubzügen bis in die Nähe von Purbach. Die Bewohner der Ortschaft, die vom Herannahen des Feindes rechtzeitig Nachricht erhalten hatten, verborgen schleunigst alle ihre Habseligkeiten, so gut sie vermochten, und versteckten sich im nahen Leithagebirge. Als die Türken kurze Zeit darauf in das Dorf eindrangen, fanden sie die Häuser leer und keinen Menschen in den Straßen. Wütend durchsuchten sie alle Räume nach Nahrungsmittel und ließen dabei auch die Keller nicht außer acht. Hier aber hatten die Purbacher ihren guten Wein eingelagert, dem die Türken bald Geschmack abgewannen, so daß gar mancher des Guten zuviel tat.

Nun war auch einer unter ihnen, der gerade noch mit Müh und Not über die Kellerstiege herauftaumeln konnte, dann aber in eine Kammer geriet, wo der gleich hinfiel und seinen Rausch ausschlief. Als er nach vielen Stunden erwachte und sich ernüchtert davonmachen wollte, hörte er Stimmen, die eine fremde Sprache redeten. Er ahnte sogleich, daß seine Kameraden abgezogen und die Dorfbewohner wieder zurückgekehrt seien. Da er bei Tag nicht ungesehen aus dem Ort entkommen konnte, versteckte er sich in der Hoffnung, des Nachts Gelegenheit zur Flucht zu finden.

Sobald es finster geworden war, tastete er sich die Wände entlang und kam schließlich in eine Küche, wo der Mond durch den Rauchfang hereinschien. Hier meinte er, unbemerkt hinausgelangen zu können. Er stieg auf den Herd, zwängte sich in den Schornstein und kroch mit vieler Mühe in den engen Schlauch aufwärts, bis er endlich seinen Kopf ins Freie hinausstecken konnte.

Als er nun von seiner luftigen Höhe Umschau hielt, wie er am besten zur Erde hinabkommen könne, hörte er auf einmal ein lautes Geschrei. Wie der Blitz fuhr er wieder in seinen Rauchfang zurück, aber die Bauern, die noch auf der Straße standen, hatten im Mondenschein seinen Kopf aus dem Schornstein ragen gesehen und sogleich einen versprengten Türken in ihm erkannt. Als er den Kopf nochmals hinaussteckte, schrien sie wieder und drohten ihm mit den Fäusten. Da zog er sich abermals in den Rauchfang zurück und rührte sich nicht mehr, obwohl sie ihn aufforderten herunterzusteigen. Nun gab ein Bauer den Rat, ihn auszuräuchern. Das Half. Der Türke mußte aus dem Rauchfang heraus und kletterte zitternd auf den Boden herunter, wo ihn die derben Fäuste der Bauern in Empfang nahmen und einstweilen in den Dorfkotter sperrten.

Sogleich folgte eine große Beratung im Gemeindehaus, was mit dem gefangenen Türken geschehen solle. Man einigte sich schließlich, ihm das Leben zu schenken, wenn er den christlichen Glauben annehme.- Damit er aber der Gemeinde nicht zur Last falle, sollte er bei dem Bauern, in dessen Haus man ihn gefangen hatte, als Knecht dienen. Der Türke war froh, so gut davonzukommen, trat zum Christentum über und blieb ein getreuer Knecht seines Herrn.

Nach seinem Tode ließ der Bauer zum Gedächtnis an dieses Ereignis einen steinernen Türkenkopf am Schornstein seines Hauses anbringen, der heute noch in Purbach zu sehen ist.

Das Neusonntagskind vom Wörtherberg

Auf dem Heideboden des Burgenlandes stehen die Sonntagskinder in großem Ansehen; sie gelten als Hellseher und Propheten. Wenn sie in einer Neumondnacht zur Welt kommen, heißen sie Neusonntagskinder. Die Hexen sind auf solche Menschen nicht gut zu sprechen, weil sie die Gabe haben, Hexen in der Nacht zu erkennen. Neusonntagskinder soll in der Nacht überhaupt viel Böses zustoßen.

Der alte Hundsmüller in Wörtherberg war ein solches Neusonntagskind und hatte durch die Verfolgungen der Hexen viel zu leiden. War er mit seinem Fuhrwerk nach dem Gebetläuten noch unterwegs, so konnte er sicher sein, daß die Hexen sich von allen Seiten an ihn herandrängten und ihn zu nötigen suchten, vom Wagen herabzusteigen; sie wollten ihn gern mit sich in die Keller schleppen, damit er mit ihnen dort Zechgelage feiere. Aber der alte Müller hütete sich, den Wagen zu verlassen oder auch nur ein Wort zu sprechen; denn er wußte ganz gut, daß er ihnen verfallen sei, wenn er nur einen Schritt vom Wagen weg tue oder ein Wort zu ihnen sage. Er mußte sich immer recht fest am Bock anhalten, um ihnen ja nicht nachzugeben. Später, als er schon gewitzigt genug war, machte er vor der Ausfahrt mit einem geweihten Messer, das er immer bei sich trug, das Kreuzzeichen vor den Pferden.

Hatte der immer durstige Müller aber einmal zu tief ins Glas geguckt und konnte er seine Zunge nicht im Zaum halten, so daß er beim abendlichen Heimweg auf die lästigen Quälgeister tüchtig zu schimpfen anfing, dann war er ihrem Bann verfallen, und sie säumten nicht, ihm ihre Überlegenheit ordentlich fühlen zu lassen und ihm den Ärger heimzuzahlen, den er ihnen durch seine Standhaftigkeit an anderen Tagen verursacht hatte. Da trieben sie nun ihr grausames Spiel mit ihm, hetzten ihn über Berg und Tal oder bestiegen seinen Rücken, um ihn als Pferd zu benützen, das sie zu den Kellern bringen mußte. Dort krochen sie beim Schlüsselloch hinein, soffen den Wein aus und füllten Jauchenwasser in die Fässer. Der arme Müller aber mußte inzwischen vor dem Keller im nassen Gras liegen bleiben, bis sie wieder herauskamen und ihn weiterquälten. Am Morgen nach einer solchen Schreckensnacht fand er sich dann in einem Graben liegen, irgendwo stundenweit vor Wörtherberg entfernt, müd und matt und mit zerschlagenen Gliedern. Und das kam oft vor; denn der Hundsmüller war einem guten Glas Wein nicht abgeneigt.

Wie nun der arme Mann sich gar nicht mehr zu helfen wußte und die Plage der Hexen immer ärger wurde, klagte er seinen Jammer einer klugen alten Frau. Diese gab ihm den Rat, auf den Friedhof zu gehen und von einem ausgegrabenen Sarg ein Stück Brett herauszuschneiden, das ein Astloch habe. Wenn er am Pfingstsonntag während der Messe bei der Kirchentür stehe und durch das Astloch blicke, werde er alle Hexen des Ortes, die ihn verfolgen, sehen und erkennen. Der Müller befolgte den Rat der alten Frau und sah durch das Astloch wirklich die Hexen, die zu seiner Überraschung Melkkübel und Butterfässer auf dem Kopf trugen.

Als ihn bei der nächsten abendlichen Fahrt die Hexen wieder überfielen und ihr Mütchen an ihm zu kühlen versuchten, nannte der Müller, der nun die Gabe besaß, die Hexen zu erkennen, jede einzelne Spukgestalt beim Namen, worauf sie bestürzt entwichen. Auch auf dem Tanzboden machte er sich das Vergnügen, die Hexen, die sich unter das tanzlustige Volk gemengt hatten, zu entlarven. Da fuhren sie vom Tanzboden aus und schwuren ihm bittere Rache. Doch der Müller war vorsichtig und trug nun stets sein geweihtes Messer bei sich; daher konnten ihm die boshaften Wesen nichts anhaben. Das ärgerte die Hexen so sehr, daß eine nach der andern das Dorf verließ; nach wenigen Jahren war weit und breit keine Hexe mehr zu sehen.

Das hatte die Gegend dem Neusonntagskind zu verdanken.

Die grausame Burgfrau von Forchtenstein

Rosalie, die Gattin des gütigen, gerechten Fürsten Giletus von Forchtenstein, war eine herzlose, grausame Frau, der ihre Untertanen weniger galten als ein Stück Freiwild. Solange ihr milder, menschenfreundlicher Ehemann auf der Burg lebte, konnte sie ihrer Grausamkeit und Willkür weniger Zügel schießn lassen; aber als der Fürst einmal in den Krieg gezogen und die Burgfrau Alleinherrin über ihre Untertanen war, begann eine Zeit des Schreckens für die armen Landwirte. Sie peinigte und bedrückte die hilflose Bevölkerung in der herzlosesten Weise, ließ sie, wenn nur ein Groschen weniger Steuer einging oder die Abgabe nicht pünktlich auf den Tag geliefert wurde, Unbarmherzig in den Schuldturm werfen, ja, viele, die ihr nicht zu Gesicht standen, mußten grundlos in den schwarzen Turm wandern, wo manche sogar den Hungertod fanden.

Als Giletus nach Jahren aus dem Krieg heimkehrte, klagten ihm die unterdrückten Landwirte ihr Leid und erzählten, wie grausam die Fürstin mit ihnen umgegangen sei. Giletus versprach ihnen, seine Frau zur Rechenschaft zu ziehen. Bei einem Festmahl, an dem viele Gäste teilnahmen, schilderte der Fürst die Erlebnisse auf seiner Kriegsfahrt und kam dabei auch auf eine hartherzige Frau zu sprechen, die ihre Untertanen grausam gequält habe, wobei er allerlei böse Taten anführte, wie sie nach Angabe der Bauern von Rosalie verübt worden waren. Dann fragte er seine Gäste, welche Strafe solch ein schändliches Frauenzimmer verdiene. »Den Tod!«, war die einstimmige Antwort. Als sich der Fürst sodann an seine Ehefrau wandte und sie fragte, wie sie eine solche Frau bestrafen würde, sagte sie, ohne mit der Wimper zu zucken: »Ich würde sie an eine Querstange binden und in einen tiefen Schacht hängen, wo sie elend verhungern sollte.« Da erhob sich Giletus und sprach:

»Salah, du hast dein eigenes Urteil gesprochen!«

Die grausame Burgfrau wurde an ein Seil gebunden, das an einem Querholz befestigt war, und in den schwarzen Turm hinabgelassen, wo sie, am Seil über den Opfern ihrer Grausamkeit hängend, elend verhungern mußte. Alle Viertelstunden trat die Burgwache an eine Turmöffnung heran und rief in den Turm hinab: »Salah he!« Und jedesmal drang ein grausiger Schrei aus der Tiefe empor. Erst am achten Tag wurde es stille im Turm. Die Schloßherrin hatte ihr verdientes Schicksal gefunden.

Seitdem schwebte immer um Mitternacht der Geist der toten Schloßherrin gespenstisch leuchtend um den schwarzen Turm der Burg Forchtenstein. Erst wenn die Burgwache, ins Gewehr tretend, ein gedehntes »Salah he!« zum Turm herüberrief, verflüchtigte sich der nächtliche Spuk.

Jahre- und jahrhundertelang wiederholte sich die gleiche Erscheinung. Erst als in späterer Zeit ein Burgherr von Forchtenstein zur Sühne auf einem nahen Berg die Rosalienkapelle erbauen ließ, fand der Geist der grausamen Schloßfrau die ewige Ruhe.

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